Übereinkommen betreffend die gewerbliche Nachtarbeit der Jugendlichen (0.822.711.6)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkommen betreffend die gewerbliche Nachtarbeit der Jugendlichen

Angenommen in Washington am 28. November 1919² Von der Bundesversammlung genehmigt am 3. Februar 1922³ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 9. Oktober 1922 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Oktober 1923 Geändert durch die Übereinkommen Nr. 80⁴ und 116⁵ (Stand am 26. März 2012) ¹ Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der ent­sprechenden Ausgabe dieser Sammlung. Die vorliegende deutsche Übersetzung ist zusammen mit dem Internationalen Arbeitsamt festgelegt worden. ² Das Übereink. wurde von der ersten Allgemeinen Arbeitskonferenz angenommen und ist vom Vorsitzenden und vom Generalsekretär der Konferenz unterzeichnet. Die einzelnen Staaten wurden erst verpflichtet mit der Hinterlegung ihrer Ratifikations­urkunde (Art. 11). Infolge Auflösung des Völkerbundes und Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation wurden gewisse Abänderungen an diesem Übereink. nötig, um die Durchführung der Kanzleiaufgaben, die ursprünglich dem Generalsekretär des Völ­ker­bundes übertragen waren, sicherzustellen. Diese durch das Übereink. vom 9. Okt. 1946 ( AS 63 1099 – SR 0.822.719.0 ) vorgenommenen Abänderungen sind im vorliegenden Text berück­sichtigt. ³ AS 39 223 ⁴ SR 0.822.719.0 ⁵ SR 0.822.721.6 Art. 1
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
einberufen von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika auf den 29. Oktober 1919 nach Washington,
gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Anträge betreffend «die Beschäftigung der Jugendlichen: Nachtarbeit», eine Frage, die einen Teil des vierten Verhandlungsgegenstandes der Konferenz von Washington bildete,
gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Anträge in die Form eines internationalen Übereinkommens zu fassen,
nimmt das nachstehende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Nachtarbeit der Jugendlichen (Gewerbe) von 1919 bezeichnet wird und den Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation⁶ zur Ratifizierung vorzulegen ist:
⁶ SR 0.820.1
Art. 1
1.  Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbeson­dere:
a) Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen;
b)
Gewerbe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, mit Einschluss des Schiffbaues, der Abbruchunternehmungen, der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft irgendwelcher Art und von Elektrizität;
c) der Bau, der Wiederaufbau, die Instandhaltung, die Ausbesserung, der Umbau oder der Abbruch von Bauwerken, Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschifffahrt, Strassen, Tunnels, Brücken, Strassenüberführungen, Abwasserkanälen, Brunnenschächten, Telegraf‑ und Telefonanlagen, elektrischen Anlagen, Gas‑ und Wasserwerken und andern Bauarbeiten sowie die dazu nötigen Vor- ­und Grundarbeiten;
d)
die Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen und Eisenbahnen, inbegriffen der Verkehr mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen, Werften und in Lagerhäusern, mit Ausnahme der Handbeförderung.
2.  In jedem Land bestimmt die zuständige Behörde die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Handel und Landwirtschaft anderseits.
Art. 2
1.  Jugendliche unter achtzehn Jahren dürfen während der Nacht in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder deren Nebenbetrieben nicht beschäftigt werden. Dies gilt nicht für Betriebe, in denen lediglich Mitglieder einer und derselben Familie beschäftigt sind. Ferner gilt folgende Ausnahme:
2.  Jugendliche über sechzehn Jahren dürfen während der Nacht in den nachstehenden Betrieben beschäftigt werden mit Arbeiten, die ihrer Natur nach nicht unterbrochen werden können:
a) Eisen‑ und Stahlwerke; Arbeiten, zu denen Reverberier‑ und Regenerativ­öfen benützt werden, und Verzinkung von Eisenblech und Eisendraht (mit Ausnahme der Glühräume),
b)
Glashütten,
c) Papierfabriken,
d)
Rohzuckerfabriken,
e) Reduktion des Golderzes.
Art. 3
1.  Als «Nacht» im Sinne dieses Übereinkommens gilt ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens in sich schliesst.
2.  In Stein‑ und Braunkohlengruben dürfen Jugendliche zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens arbeiten, wenn ihnen zwischen zwei Arbeitsschichten in der Regel fünfzehn Stunden, keinesfalls jedoch weniger als dreizehn Stunden Ruhe gewährt werden.
3.  In Ländern, in denen die Nachtarbeit im Bäckergewerbe für alle Arbeiter gesetzlich verboten ist, kann statt der nächtlichen Arbeitsruhe von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens eine Arbeitsruhe von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens festgesetzt werden.
4.  In denjenigen tropischen Ländern, in denen die Arbeit um die Tagesmitte unterbrochen wird, kann die Dauer der Nacht weniger als elf Stunden betragen, wenn am Tag als Ersatz eine entsprechende Ruhezeit gewährt wird.
Art. 4
Die Bestimmungen der Art. 2 und 3 finden keine Anwendung auf die Nachtarbeit Jugendlicher von sechzehn bis achtzehn Jahren im Fall einer nicht vorherzusehenden oder zu verhindernden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsstörung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist.
Art. 5
Bei der Durchführung dieses Übereinkommens in Japan findet Art. 2 bis zum 1. Juli 1925 nur auf Jugendliche unter fünfzehn Jahren, und von da ab nur auf Jugendliche unter sechzehn Jahren Anwendung.
Art. 6
Bei der Durchführung dieses Übereinkommens in Indien bedeutet der Ausdruck «gewerbliche Betriebe» lediglich «Fabriken» im Sinne des indischen Fabrikgesetzes; ferner findet Art. 2 keine Anwendung auf männliche Jugendliche über vierzehn Jahren.
Art. 7
Das Verbot der Nachtarbeit kann für Jugendliche von sechzehn bis achtzehn Jahren von der Behörde ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das öffentliche Interesse infolge besonders zwingender Gründe erfordert.
Art. 8
Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind gemäss den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.
Art. 9
1.  Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es für diejenigen seiner Kolonien, Besitzungen oder Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, in Kraft zu setzen, jedoch unter den folgenden Vorbehalten:
a) die Anwendbarkeit des Übereinkommens darf nicht durch die örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen sein;
b) die für die Anpassung des Übereinkommens an die örtlichen Verhältnisse erforderlichen Abänderungen dürfen ihm eingefügt werden.
2.  Jedes Mitglied hat dem Internationalen Arbeitsamt seine Entschliessung hinsichtlich seiner einzelnen Kolonien, Besitzungen oder Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, mitzuteilen.
Art. 10
Sobald die Ratifikation durch zwei Mitglieder der Internationalen Arbeitsorgani­sation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen ist, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeits­organisation mit.
Art. 11
Dieses Übereinkommen tritt mit dem Tage in Kraft, an dem die Mitteilung durch den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes stattgefunden hat. Es bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt haben eintragen lassen. In der Folge tritt für jedes andere Mitglied dieses Übereinkommen mit dem Tage in Kraft, an dem seine Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen worden ist.
Art. 12
Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, seine Bestimmungen spätestens am 1. Juli 1922 zur Anwendung zu bringen und die zu ihrer Durchführung nötigen Massnahmen zu treffen.
Art. 13
Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft tritt, durch eine an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zu richtende und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Wirkung der Kündigung tritt erst ein Jahr nach ihrer Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt ein.
Art. 14 ⁷
Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.
⁷ Fassung gemäss Art. 1 des Übereink. Nr. 116 vom 26. Juni 1961, von der BVers geneh­migt am 2. Okt. 1962 ( AS 1962 1359 ).
Art. 15
Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Unterschriften

(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 26. März 2012 ⁸

⁸ AS 1973 1169 , 1982 303 , 2005 2241 und 2012 1673 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation
Nachfolge­erklärung (N)

Inkrafttreten

Albanien

17. März

1932

17. März

1932

Algerien

19. Oktober

1962

19. Oktober

1962

Angola

  4. Juni

1976 N

  4. Juni

1976

Argentinien

30. November

1933

30. November

1933

Bangladesch

22. Juni

1972 N

22. Juni

1972

Belgien

12. Juli

1924

12. Juli

1924

Benin

12. Dezember

1960 N

12. Dezember

1960

Brasilien

26. April

1934

26. April

1934

Bulgarien

14. Februar

1922

14. Februar

1922

Burkina Faso

21. November

1960 N

21. November

1960

Chile

15. September

1925

15. September

1925

China

    Macaua b

20. Dezember

1999

20. Dezember

1999

Côte d’Ivoire

21. November

1960 N

21. November

1960

Dänemark

  4. Januar

1923

  4. Januar

1923

    Färöer

  4. Januar

1923

  4. Januar

1923

    Grönland

31. Mai

1954

31. Mai

1954

Estland

20. Dezember

1922

20. Dezember

1922

Frankreich

25. August

1925

25. August

1925

    Französisch Guyana

29. April

1940

29. April

1940

    Französisch Polynesien

29. April

1940

29. April

1940

    Guadeloupe

  3. Februar

1934

  3. Februar

1934

    Martinique

  3. Februar

1934

  3. Februar

1934

    Neukaledonien

29. April

1940

29. April

1940

    Réunion

  3. Februar

1934

  3. Februar

1934

    St. Pierre und Miquelon

29. April

1940

29. April

1940

Gabun

14. Oktober

1960 N

14. Oktober

1960

Griechenland

19. November

1920

19. November

1920

Guinea-Bissau

21. Februar

1977 N

21. Februar

1977

Indien

14. Juli

1921

14. Juli

1921

Irland

  4. September

1925

  4. September

1925

Italien

10. April

1923

10. April

1923

Kambodscha

24. Februar

1969 N

24. Februar

1969

Kolumbien

13. April

1983

13. April

1983

Komoren

23. Oktober

1978 N

23. Oktober

1978

Kongo (Brazzaville)

10. November

1960 N

10. November

1960

Kuba

  6. August

1928

  6. August

1928

Laos

23. Januar

1964 N

23. Januar

1964

Lettland

  3. Juni

1926

  3. Juni

1926

Litauen

19. Juni

1931

19. Juni

1931

Luxemburg

16. April

1928

16. April

1928

Madagaskar

  1. November

1960 N

  1. November

1960

Mali

22. September

1960 N

22. September

1960

Mauretanien

20. Juni

1961 N

20. Juni

1961

Myanmar

18. Mai

1948 N

18. Mai

1948

Nicaragua

12. April

1934

12. April

1934

Niger

27. Februar

1961 N

27. Februar

1961

Österreich

12. Juni

1924

12. Juni

1924

Pakistan

31. Oktober

1947 N

31. Oktober

1947

Polen

21. Juni

1924

21. Juni

1924

Portugal

10. Mai

1932

10. Mai

1932

Rumänien

13. Juni

1921

13. Juni

1921

Schweiz

  9. Oktober

1922

  1. Oktober

1923

Senegal

  4. November

1960 N

  4. November

1960

Spanien

29. September

1932

29. September

1932

Togo

  7. Juni

1960 N

  7. Juni

1960

Tschad

10. November

1960 N

10. November

1960

Ungarn

19. April

1928

19. April

1928

Venezuela

  7. März

1933

  7. März

1933

Vietnam

  3. Oktober

1994

  3. Oktober

1994

Zentralafrikanische Republik

27. Oktober

1960 N

27. Oktober

1960

a

Anwendbar ohne Änd.

b

Vom 4. Okt. 1999 bis zum 19. Dez. 1999 war das Übereink. auf Grund einer
Ausdehnungserkl. Portugals in Macau anwendbar. Seit dem 20. Dez. 1999 bildet Macau eine Besondere Verwaltungsregion (SAR) der Volksrepublik China. Auf Grund der chinesischen Erkl. vom 13. Dez. 1999 ist das Übereink. seit dem 20. Dez. 1999 auch in der SAR Macau anwendbar.

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