Übereinkommen Nr. 172 über die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähn... (0.822.727.2)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkommen Nr. 172 über die Arbeitsbedingungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben

Abgeschlossen in Genf am 25. Juni 1991 Von der Bundesversammlung genehmigt am 16. März 1993¹ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 15. Februar 1994 In Kraft getreten für die Schweiz am 15. Februar 1995 (Stand am 14. Juni 2019) ¹ AS 1995 4206
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1991 zu ihrer achtundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist,
weist darauf hin, dass die internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfeh­lun­gen, die allgemein anwendbare Normen betreffend die Arbeitsbedingungen fest­legen, auf die Arbeitnehmer in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben Anwendung finden,
stellt fest, dass die besonderen Bedingungen, die die Arbeit in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben kennzeichnen, es wünschenswert erscheinen lassen, die Anwendung dieser Übereinkommen und Empfehlungen in diesen Kategorien von Betrieben zu verbessern und sie durch spezifischen Normen zu ergänzen, die dazu bestimmt sind, den betreffenden Arbeitnehmer einen ihrer Rolle in diesen rasch wachsenden Kategorien von Betrieben entsprechenden Status zu verschaffen und neue Arbeitnehmer für sie zu gewinnen, indem die Arbeitsbedingungen, die Ausbildung und die Berufsaussichten verbessert werden,
stellt fest, dass Kollektivverhandlungen ein wirksames Mittel zur Festlegung der Arbeitsbedingungen in diesem Sektor sind,
ist der Auffassung, dass die Annahme eines Übereinkommens, zusammen mit Kollektivverhandlungen, die Arbeitsbedingungen, die Berufsaussichten und die Arbeitsplatzsicherheit zum Nutzen der Arbeitnehmer verbessern wird,
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Arbeitsbedin­gungen in Hotels, Gaststätten und ähnlichen Betrieben, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und
dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1991, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Arbeitsbedingungen (Hotels und Gaststätten), 1991, bezeichnet wird.
Art. 1
1.  Vorbehaltlich der Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 gilt dieses Übereinkommen für Arbeitnehmer, die beschäftigt sind in:
a) Hotels und ähnlichen Beherbergungsbetrieben;
b) Gaststätten und ähnlichen Betrieben, die Speisen, Getränke oder beides verabreichen.
2.  Die Definition der vorstehend in den Buchstaben a) und b) genannten Kategorien ist von jedem Mitglied unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Verhältnisse und nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer festzulegen. Jedes Mitglied, das das Übereinkommen ratifiziert, kann nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestimmte Arten von Betrieben, die unter die oben genannte Definition fallen, bei denen jedoch besondere Probleme von erheblicher Bedeutung auftreten, von dessen Anwendung ausnehmen.
3. a) Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeit­nehmer seine Anwendung auf andere verwandte Betriebe ausdehnen, die Fremdenverkehrsleistungen erbringen. Diese Betriebe sind in einer der Ratifi­ka­­tion beigefügten Erklärung anzugeben.
b) Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann überdies nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer durch eine Erklärung an den Generaldirektor des Inter­nationalen Arbeitsamtes die Anwendung des Übereinkommens nachträglich auf weitere Kategorien von verwandten Betrieben ausdehnen, die Fremdenverkehrsleistungen erbringen.
4.  Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat in seinem ersten Bericht über die Durchführung des Übereinkommens, den es gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation² vorzulegen hat, die Arten von Betrieben anzugeben, die gemäss Absatz 2 ausgenommen worden sind, unter Angabe der Gründe für deren Ausnahme und unter Darlegung des jeweiligen Standpunkts der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer hinsichtlich einer solchen Ausnahme, und es hat in den folgenden Berichten den Stand seiner Gesetzgebung und Praxis hinsichtlich der ausgenommenen Betriebe anzugeben und mitzuteilen, in welchem Umfang dem Übereinkommen in Bezug auf diese Betriebe entsprochen worden ist oder entsprochen werden soll.
² SR 0.820.1
Art. 2
1.  Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet der Ausdruck «die betreffenden Arbeitnehmer» die Arbeitnehmer, die in den Betrieben beschäftigt sind, auf die das Übereinkommen gemäss den Bestimmungen von Artikel 1 Anwendung finden, unabhängig von der Art und Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses. Jedes Mitglied kann jedoch unter Berücksichtigung des innerstaatlichen Rechts und der innerstaatlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten und nach Anhörung der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestimmte besondere Gruppen von Arbeitnehmern von der Anwendung aller oder einiger Bestimmungen dieses Übereinkommens ausnehmen.
2.  Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat in seinem ersten Bericht über die Durchführung des Übereinkommens, den es gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation³ vorzulegen hat, die Gruppen von Arbeitnehmern anzugeben, die gemäss Absatz 1 ausgenommen worden sind, unter Angabe der Gründe für deren Ausnahme, und hat in den folgenden Berichten mitzuteilen, welche Fortschritte im Hinblick auf eine umfassendere Anwendung erzielt worden sind.
³ SR 0.820.1
Art. 3
1.  Jedes Mitglied hat unter Wahrung der Autonomie der in Betracht kommenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und auf eine dem innerstaatlichen recht und den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechende Weise eine Politik festzulegen und anzuwenden, die darauf abzielt, die Arbeits­bedingungen der betreffenden Arbeitnehmer zu verbessern.
2.  Das allgemeine Ziel einer solchen Politik muss es sein, dafür zu sorgen, dass die betreffenden Arbeitnehmer nicht vom Geltungsbereich irgendwelcher Mindestnormen ausgenommen werden, die auf innerstaatlicher Ebene für die Arbeitnehmer allgemein angenommen worden sind, einschliesslich solcher, die Ansprüche im Bereich der Sozialen Sicherheit betreffen.
Art. 4
1.  Sofern die innerstaatliche Gesetzgebung oder Praxis nichts anderes bestimmt, bedeutet der Ausdruck «Arbeitszeit» die Zeit, während der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht.
2.  Die betreffenden Arbeitnehmer müssen Anspruch auf eine angemessene Normal­arbeitszeit und angemessene Überstundenregelungen gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis haben.
3.  Den betreffenden Arbeitnehmern sind angemessene tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis zu gewähren.
4.  Die betreffenden Arbeitnehmer sind, soweit möglich, rechtzeitig im Voraus über die Einteilung der Arbeitszeiten zu unterrichten, damit sie ihr Privat- und Familienleben entsprechend einrichten können.
Art. 5
1.  Falls von Arbeitnehmern verlangt wird, an Feiertagen zu arbeiten, müssen sie einen entsprechenden Ausgleich in Form von Freizeit oder Entgelt erhalten, der durch Kollektivverhandlungen oder gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis festgelegt wird.
2.  Die betreffenden Arbeitnehmer müssen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub haben, dessen Dauer durch Kollektivverhandlungen oder gemäss der innerstaat­lichen Gesetzgebung oder Praxis festzusetzen ist.
3.  In Fällen, in denen ihr Vertrag ausläuft oder ihre ununterbrochene Dienstzeit für den Erwerb des Anspruchs auf den vollen Jahresurlaub nicht ausreicht, müssen die betreffenden Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Urlaub im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit oder auf Abgeltung haben, je nachdem, was durch Kollektivverhandlungen oder gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis festgelegt wird.
Art. 6
1.  Der Ausdruck «Trinkgeld» bedeutet einen Geldbetrag, den ein Kunde dem Arbeitnehmer freiwillig zusätzlich zu dem Betrag gibt, den er für die erhaltenen Leistungen zu zahlen hat.
2.  Ungeachtet der Trinkgelder müssen die betreffenden Arbeitnehmer ein Grund­entgelt erhalten, das in regelmässigen Zeitabständen gezahlt wird.
Art. 7
Wo eine solche Praxis besteht, sind der Kauf und Verkauf einer Beschäftigung in den in Artikel 1 erwähnten Betrieben zu verbieten.
Art. 8
1.  Die Bestimmungen dieses Übereinkommens können durch die innerstaatliche Gesetzgebung, durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche, gerichtliche Entscheidungen oder auf eine andere geeignete, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Weise durchgeführt werden.
2.  In Mitgliedstaaten, in denen die Bestimmungen dieses Übereinkommens üblicherweise Sache von Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmerverbänden sind oder üblicherweise auf anderem Wege als dem der rechtlichen Regelung durchgeführt werden, gelten diese Bestimmungen als erfüllt, wenn sie durch solche Vereinbarungen oder andere Mittel auf die überwiegende Mehrheit der betreffenden Arbeitnehmer Anwendung finden.
Art. 9
Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.
Art. 10
1.  Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.
2.  Es tritt zwölf Monate, nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind, in Kraft.
3.  In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.
Art. 11
1.  Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.
2.  Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz 1 genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vor­gesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für weitere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.
Art. 12
1.  Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifika­tionen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.
2.  Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.
Art. 13
Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem General­sekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen⁴ vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.
⁴ SR 0.120
Art. 14
Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durch­führung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.
Art. 15
1.  Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neu fasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt folgendes:
a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 11 ohne weiteres die Wirkung einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.
b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.
2.  In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.
Art. 16
Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.

Unterschriften

(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 14. Juni 2019 ⁵

⁵ AS 1995 4207 , 2005 5019 , 2010 3819 , 2019 2011 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Inkrafttreten

Barbados

22. Juli

1997

22. Juli

1998

Belgien

14. Juni

2017

14. Juni

2017

Deutschland

14. November

2006

14. November

2007

Dominikanische Republik

  4. Juni

1998

  4. Juni

1999

Fidschi

28. Mai

2008

28. Mai

2009

Guyana

20. August

1996

20. August

1997

Irak

  9. Juli

2001

  9. Juli

2002

Irland

  9. Juni

1998

  9. Juni

1999

Libanon

23. Februar

2000

23. Februar

2001

Luxemburg

  6. März

2003

  6. März

2004

Mexiko

  7. Juni

1993

  7. Juli

1994

Niederlande

    Curaçao

15. Juni

1999

15. Juni

1999

    Karibische Gebiete (Bonaire,     Sint Eustatius und Saba)

15. Juni

1999

15. Juni

1999

    Sint Maarten

15. Juni

1999

15. Juni

1999

Österreich

  2. Mai

1994

  2. Mai

1995

Schweiz

15. Februar

1994

15. Februar

1995

Spanien

  7. Juli

1993

  7. Juli

1994

Uruguay

  6. September

1995

  6. September

1996

Zypern

28. Februar

1997

28. Februar

1998

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