Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Saudi-Arabien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen
Abgeschlossen am 1. April 2006 Von der Bundesversammlung genehmigt am 12. Juni 2007² In Kraft getreten durch Notenaustausch am 9. August 2008 (Stand am 9. August 2008) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes. ² AS 2008 3709
Präambel
Die Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien
(im Folgenden als die «Vertragsparteien» bezeichnet),
vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen der beiden Staaten zu verstärken,
im Bestreben, günstige Bedingungen für Investitionen von Investoren der einen Vertragspartei auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu schaffen und zu erhalten und somit neue Geschäftsinitiativen zu fördern,
in der Erkenntnis, dass die Förderung und der Schutz von Investitionen zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes in beiden Staaten beitragen,
haben Folgendes vereinbart:
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Abkommens:
(1) bezieht sich der Begriff «Investition» auf alle Arten von Vermögenswerten sowie alle mit diesen gemäss anwendbarem Recht verbundenen Rechte und umfasst insbesondere, jedoch nicht ausschliesslich:
(a) bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche anderen dinglichen Rechte wie Grundlasten, Grund- und Fahrnispfandrechte, Nutzniessungen und ähnliche Rechte;
(b) Aktien, Anteile und Obligationen von Gesellschaften, andere Rechte oder Interessen an Gesellschaften sowie staatliche Wertpapiere, begeben von einer Vertragspartei oder einem ihrer Gebilde;
(c) Forderungen auf Geld, wie Darlehen, oder auf irgendwelche Leistungen, die mit einer Investition im Zusammenhang stehen und einen wirtschaftlichen Wert aufweisen;
(d) Rechte an geistigem Eigentum, einschliesslich, jedoch nicht beschränkt auf Urheberrechte, Patente, gewerbliche Muster, «Know-how», Handelsmarken, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Handelsnamen und «Goodwill»;
(e) alle Rechte, die durch Gesetz oder öffentlichen Vertrag verliehen werden, sowie rechtmässig erteilte Lizenzen, Bewilligungen und Konzessionen.
Eine Änderung der Form, in der Vermögenswerte investiert oder reinvestiert werden, lässt deren Eigenschaft als Investitionen unberührt.
(2) bedeutet der Begriff «Erträge» diejenigen Beträge, die eine Investition erbringt, und umfasst insbesondere, jedoch nicht ausschliesslich Gewinne, Dividenden, Kapitalgewinne, Lizenz- und andere Gebühren sowie andere ähnliche Zahlungen.
(3) bedeutet der Begriff «Investor»:
(a) in Bezug auf das Königreich Saudi-Arabien: (i) natürliche Personen, die nach dem Recht des Königreichs Saudi-Arabien dessen Staatsangehörigkeit besitzen,
(ii) alle Gebilde, mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, die nach dem Recht des Königreichs Saudi-Arabien konstituiert sind und ihren Hauptsitz auf dessen Hoheitsgebiet haben, wie Kapitalgesellschaften, Unternehmen, Genossenschaften, Personen- und andere Gesellschaften, Niederlassungen, Fonds, Organisationen, wirtschaftliche Vereinigungen und ähnliche Gebilde, unabhängig davon, ob mit beschränkter Haftung oder nicht,
(iii) die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien und dessen Finanzinstitutionen wie die Saudi-Arabische Währungsagentur (Saudi Arabian Monetary Agency), öffentliche Fonds und andere vergleichbare staatliche Institutionen;
(b) in Bezug auf die Schweizerische Eidgenossenschaft: (i) natürliche Personen, die nach schweizerischem Recht ihre Staatsangehörigen sind,
(ii) juristische Gebilde, die nach schweizerischem Recht konstituiert sind und ihren Sitz auf schweizerischem Hoheitsgebiet haben.
(4) bedeutet der Begriff «Hoheitsgebiet» das Hoheitsgebiet jeder Vertragspartei, unter Einschluss der ausschliesslichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels, soweit das Völkerrecht der betreffenden Vertragspartei erlaubt, in diesen Gebieten souveräne Rechte oder Gerichtsbarkeit auszuüben.
Art. 2 Anwendungsbereich
Dieses Abkommen ist anwendbar auf jene Investitionen auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, die Investoren der anderen Vertragspartei gehören oder von solchen kontrolliert werden. Es ist auf diese Investitionen unabhängig davon anwendbar, ob sie vor oder nach dem Inkrafttreten des Abkommens getätigt wurden, jedoch nicht auf Streitigkeiten, die sich auf Ereignisse beziehen, welche vor diesem Zeitpunkt eingetreten sind.
Art. 3 Förderung, Schutz
(1) Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Hoheitsgebiet nach Möglichkeit Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei. Sie lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zu und unterstützt bei der Gewährung der notwendigen Bewilligungen im Zusammenhang mit solchen Investitionen und der damit verbundenen Tätigkeiten.
(2) Investitionen und Erträge von Investoren jeder Vertragspartei geniessen auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei vollen Schutz und Sicherheit.
(3) Keine Vertragspartei behindert auf irgendeine Weise durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Massnahmen die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutzung, die Erweiterung oder die Veräusserung solcher Investitionen.
Art. 4 Behandlung
(1) Jede Vertragspartei gewährt Investitionen und Erträgen von Investoren der anderen Vertragspartei gerechte und billige Behandlung. In keinem Fall ist eine solche Behandlung weniger günstig als jene, welche Investitionen und Erträgen von Investoren aus irgendeinem Drittstaat gewährt wird.
(2) Jede Vertragspartei gewährt den in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zugelassenen Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei sowie deren Erträgen eine nicht weniger günstige Behandlung als jene, welche sie den Investitionen und Erträgen ihrer eigenen Investoren angedeihen lässt.
(3) Jede Vertragspartei gewährt auf ihrem Hoheitsgebiet Investoren der anderen Vertragspartei hinsichtlich Verwaltung, Unterhalt, Gebrauch, Nutzung oder Veräusserung ihrer Investitionen sowie hinsichtlich jeder anderen mit diesen im Zusammenhang stehenden Tätigkeit eine nicht weniger günstige Behandlung als jene, welche sie ihren eigenen Investoren oder den Investoren irgendeines Drittstaates angedeihen lässt, je nachdem welche günstiger ist.
(4) Gewährt eine Vertragspartei den Investoren eines Drittstaates besondere Vorteile aufgrund eines Abkommens zur Gründung einer Freihandelszone, einer Zollunion oder eines gemeinsamen Marktes oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens, so ist sie nicht verpflichtet, solche Vorteile den Investoren der anderen Vertragspartei einzuräumen.
(5) Dieser Artikel verpflichtet keine Vertragspartei, Investoren oder Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei steuerliche Vorteile einzuräumen, welche sie ihren eigenen ansässigen Investoren oder deren Investitionen gewähren mag.
Art. 5 Enteignung, Entschädigung
(1) Investitionen von Investoren einer Vertragspartei werden nicht enteignet, verstaatlicht oder irgendeiner Massnahme unterworfen, deren Wirkungen einer Enteignung oder Verstaatlichung durch die andere Vertragspartei gleichkämen, es sei denn, solche Massnahmen werden im öffentlichen Interesse getroffen, erfolgen gegen eine umgehende, wertentsprechende und tatsächlich verwertbare Entschädigung, sind nicht diskriminierend und stehen in Übereinstimmung mit dem allgemein anwendbaren Landesrecht. Die Entschädigung entspricht dem Wert der enteigneten Investition unmittelbar vor dem Zeitpunkt, als die tatsächliche oder drohende Enteignung, Verstaatlichung oder vergleichbare Massnahme öffentlich bekannt wurde. Sie wird unverzüglich gezahlt einschliesslich eines Ertrags, welcher aufgrund des geltenden Zinssatzes bis zum Zeitpunkt der Zahlung bestimmt wird; sie hat tatsächlich verwertbar und frei transferierbar zu sein. Vorkehrungen für die Festsetzung und Zahlung dieser Entschädigung sind auf angemessene Weise zum oder vor dem Zeitpunkt der Enteignung, Verstaatlichung oder vergleichbaren Massnahme zu treffen. Die Rechtmässigkeit solcher Massnahmen und der Betrag der Entschädigung sollen in einem ordentlichen Verfahren überprüft werden können.
(2) Investoren einer Vertragspartei, deren Investitionen auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei Verluste erleiden als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, eines Ausnahmezustandes oder eines Aufruhrs, wird seitens der letzteren Vertragspartei hinsichtlich Rückerstattung, Entschädigung, Vergütung oder einer anderen wertmässigen Regelung eine Behandlung gewährt, die nicht weniger günstig ist als jene, welche sie ihren eigenen Investoren einräumt. Die sich daraus ergebenden Zahlungen sind frei transferierbar.
Art. 6 Freier Transfer
Jede Vertragspartei gewährleistet Investoren der anderen Vertragspartei den freien Transfer von Zahlungen im Zusammenhang mit einer Investition, insbesondere von:
(a) Hauptbetrag und zusätzlichen Beträgen, um die Investition zu erhalten oder zu erweitern;
(b) Erträgen;
(c) Zahlungen in Bezug auf Darlehen oder andere hinsichtlich der Investition eingegangene vertragliche Verpflichtungen;
(d) Erlösen aus der vollständigen oder teilweisen Liquidation oder Veräusserung der Investition;
(e) Einkommen und anderen Vergütungen von Personal, das im Zusammenhang mit der Investition aus dem Ausland beigezogen wird;
(f) Zahlungen, die sich aus Enteignung, Verstaatlichung oder ähnlichen Massnahmen gemäss Artikel 5 dieses Abkommens ergeben.
Art. 7 Wechselkurs
Transfers gemäss den Artikeln 5 und 6 dieses Abkommens erfolgen unverzüglich zum geltenden Wechselkurs. Beim Fehlen eines Marktkurses entspricht der Wechselkurs dem Kreuzkurs, der sich aus den Umrechnungskursen ergibt, welche durch den Internationalen Währungsfonds zum Zeitpunkt der Zahlung für die Umrechnung der betroffenen Währungen in Sonderziehungsrechte angewandt würden.
Art. 8 Subrogationsprinzip
Hat eine Vertragspartei in Bezug auf eine Investition eines ihrer Investoren auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eine Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken geleistet, so anerkennt die letztere Vertragspartei aufgrund des Subrogationsprinzips die Rechte der ersten Vertragspartei auf die Rechte des Investors, wenn aufgrund dieser Garantie eine Zahlung durch die erste Vertragspartei vorgenommen wurde.
Art. 9 Andere Verpflichtungen
(1) Rechtsvorschriften einer Vertragspartei oder deren internationale Verpflichtungen, welche Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei eine günstigere Behandlung zuerkennen als jene, die in diesem Abkommen vorgesehen ist, gehen den betreffenden Bestimmungen dieses Abkommens vor.
(2) Jede Vertragspartei hält alle Verpflichtungen ein, die sie in Bezug auf Investitionen auf ihrem Hoheitsgebiet von Investoren der anderen Vertragspartei eingegangen ist.
Art. 10 Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei
(1) Investitionsstreitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei sollen nach Möglichkeit einvernehmlich beigelegt werden.
(2) Kann die Streitigkeit auf die in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehene Weise innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Begehren auf Beilegung gestellt wurde, nicht beigelegt werden, so wird sie auf Begehren des Investors dem zuständigen Gericht der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet die Investition getätigt wurde, oder der Schiedsgerichtsbarkeit gemäss dem Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten, das am 18. März 1965³ in Washington zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, unterbreitet.
(3) Ist die Streitigkeit dem zuständigen Gericht der Vertragspartei gemäss Absatz 2 dieses Artikels unterbreitet worden, so kann der Investor dieselbe Streitigkeit gemäss demselben Absatz nicht mehr internationaler Schiedsgerichtsbarkeit unterbreiten. Das Urteil des Gerichts ist bindend und unterliegt den anwendbaren Verfahren für den Vollzug von Urteilen gemäss dem Landesrecht der betreffenden Vertragspartei.
(4) Der Schiedsspruch ist bindend und unterliegt weder einer Berufung noch einem anderen Rechtsmittel ausser jenen, die im besagten Übereinkommen vorgesehen sind. Der Spruch wird gemäss Landesrecht vollzogen.
³ SR 0.975.2
Art. 11 Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien
(1) Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien in Bezug auf die Auslegung oder die Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens werden auf diplomatischem Wege beigelegt.
(2) Kann die Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien innerhalb von sechs Monaten seit dem Tag, an welchem die Streitfrage schriftlich von einer Vertragspartei aufgebracht wurde, nicht beigelegt werden, so wird sie auf Begehren einer Vertragspartei einem Schiedsgericht unterbreitet.
(3) Ein solches Schiedsgericht wird für jeden einzelnen Fall auf folgende Weise konstituiert. Innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Begehrens auf schiedsgerichtliche Entscheidung ernennt jede Vertragspartei ein Mitglied des Schiedsgerichts. Diese zwei Mitglieder wählen innerhalb von zwei Monaten einen Angehörigen eines Drittstaates, der mit der Genehmigung durch die beiden Vertragsparteien zum Vorsitzenden des Schiedsgerichts bestimmt wird. Die Genehmigung durch die Vertragsparteien soll nicht mehr als einen Monat in Anspruch nehmen.
(4) Wurden die erforderlichen Ernennungen innerhalb der in Absatz 3 dieses Artikels festgelegten Fristen nicht vorgenommen, so kann jede Vertragspartei, sofern nichts anderes vereinbart ist, den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs ersuchen, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Ist der Präsident Staatsangehöriger einer Vertragspartei oder ist er anderweitig verhindert, die besagte Aufgabe wahrzunehmen, so wird der Vizepräsident ersucht, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Ist der Vizepräsident Staatsangehöriger einer Vertragspartei oder ist er anderweitig verhindert, die besagte Aufgabe wahrzunehmen, so wird das amtsälteste Mitglied des Gerichtshofes, das kein Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, ersucht, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen.
(5) Das Schiedsgericht regelt sein Verfahren selbst, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren. Es fällt seine Entscheide mit der Mehrheit der Stimmen. Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für beide Vertragsparteien endgültig und bindend.
(6) Jede Vertragspartei trägt die Kosten für ihr Mitglied des Schiedsgerichts und für ihre Vertretung im Schiedsverfahren; die Kosten des Vorsitzenden und die übrigen Kosten werden von den Vertragsparteien zu gleichen Teilen getragen.
Art. 12 Schlussbestimmungen
(1) Dieses Abkommen tritt 30 Tage, nachdem beide Vertragsparteien sich schriftlich auf diplomatischem Wege mitgeteilt haben, dass ihre rechtlichen Erfordernisse für das Inkrafttreten erfüllt sind, in Kraft.
(2) Es bleibt in Kraft für eine Anfangsdauer von zehn Jahren. Wird das Abkommen nicht durch eine schriftliche Mitteilung mit einer Frist von zwölf Monaten vor Ablauf dieses Zeitraums gekündigt, so verlängert es sich unverändert um jeweils fünf Jahre.
(3) Auf Investitionen, die vor dem Zeitpunkt der Beendigung dieses Abkommens getätigt wurden, werden die in den Artikeln 1–11 enthaltenen Bestimmungen während weiteren 15 Jahren ab dem Zeitpunkt der Beendigung dieses Abkommens angewandt.
Geschehen zu Riad am 1. April 2006, entsprechend dem 3. Rabi’I 1427 H, im Doppel je in Arabisch, Französisch und Englisch, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist. Im Falle von Abweichungen geht der englische Text vor.
Für den Joseph Deiss | Für die Amr A. Al-Dabbagh |
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