Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Sozialistischen Republik Vietnam über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen
Abgeschlossen am 3. Juli 1992 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 3. Dezember 1992 (Stand am 3. Dezember 1992) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes.
Präambel
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam,
vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zum beiderseitigen Nutzen zu verstärken,
im Bestreben, günstige Bedingungen für Investitionen von Investoren der einen Vertragspartei auf dem Gebiete der anderen Vertragspartei zu schaffen und zu erhalten,
in der Erkenntnis, dass Förderung und Schutz von Investitionen zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes in beiden Staaten beitragen,
haben folgendes vereinbart:
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Abkommens:
(1) bezieht sich der Begriff « Investor» hinsichtlich beider Vertragsparteien auf
(a) natürliche Personen, die gemäss der Gesetzgebung der betreffenden Vertragspartei als ihre Staatsangehörigen betrachtet werden;
(b) juristische Gebilde, einschliesslich Gesellschaften, Körperschaften, Personen-vereinigungen und andere Organisationen, die nach dem Recht der betreffenden Vertragspartei konstituiert oder sonst wie rechtmässig organisiert sind und ihren Sitz im Gebiet derselben Vertragspartei haben und dort tatsächlich wirtschaftliche Tätigkeiten entfalten;
(c) juristische Gebilde, die nach dem Recht eines beliebigen Staates gegründet sind und direkt oder indirekt von Staatsangehörigen der betreffenden Vertragspartei oder von juristischen Gebilden kontrolliert werden, die ihren Sitz im Gebiet der betreffenden Vertragspartei haben und dort tatsächlich wirtschaftliche Tätigkeiten entfalten.
(2) umfasst der Begriff «Investitionen» alle Arten von Vermögenswerten, insbesondere
(a) bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche dinglichen Rechte wie Dienstbarkeiten, Grundlasten, Grund- und Fahrnispfandrechte;
(b) Aktien, Anteile und andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften;
(c) Forderungen auf Geld oder auf irgendwelche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen;
(d) Urheberrechte, gewerbliche Eigentumsrechte (wie Patente, Gebrauchsmuster, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik‑, Handels- und Dienstleistungsmarken, Handelsnamen, Ursprungsbezeichnungen), «Know-how» und «Goodwill»;
(e) öffentlich-rechtliche Konzessionen, einschliesslich solcher zur Prospektion, Gewinnung und Verwertung von natürlichen Ressourcen, sowie sämtliche anderen Rechte, die durch Gesetz, Vertrag oder Entscheid einer Behörde in Anwendung des Gesetzes verliehen werden;
(3) umfasst der Begriff «Hoheitsgebiet» das Gebiet und den Luftraum der Schweiz beziehungsweise Vietnams sowie die Inseln und Seezonen, über welche der betreffende Staat gemäss Völkerrecht Souveränität oder Gerichtsbarkeit ausübt.
Art. 2 Zulassung und Schutz
(1) Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Hoheitsgebiet nach Möglichkeit Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zu.
(2) Hat eine Vertragspartei auf ihrem Hoheitsgebiet eine Investition zugelassen, so erteilt sie die im Zusammenhang mit der Investition erforderlichen Bewilligungen, einschliesslich solcher für die Durchführung von Lizenzverträgen über technische, kommerzielle oder administrative Unterstützung. Jede Vertragspartei ist bestrebt, die Bewilligungen zu erteilen, die gegebenenfalls für die Tätigkeit von Beratern und anderen qualifizierten Personen fremder Staatsangehörigkeit erforderlich sind.
Art. 3 Schutz, Behandlung
(1) Jede Vertragspartei schützt auf ihrem Hoheitsgebiet die in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften von Investoren der anderen Vertragspartei getätigten Investitionen und stellt eine gerechte und billige Behandlung dieser Investitionen sicher.
(2) Keine Vertragspartei wird auf ihrem Hoheitsgebiet Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei weniger günstig behandeln als Investitionen von Investoren irgendeines Drittstaates. Gemeinschaftsunternehmen, an denen Investoren beider Vertragsparteien beteiligt sind, werden nicht weniger günstig behandelt als Gemeinschaftsunternehmen mit Beteiligung von Investoren irgendeines Drittstaates.
(3) Die Meistbegünstigung bezieht sich nicht auf Vorteile, welche eine Vertragspartei den Investoren eines Drittstaates aufgrund dessen Mitgliedschaft bei oder Assoziation mit einer Freihandelszone, einer Zollunion oder einem gemeinsamen Markt zukommen lässt.
(4) Unbeschadet der zum Zeitpunkt der Vornahme einer Investition gültigen Gesetzgebung für Auslandinvestitionen sowie der sich daraus ergebenden Investitionsbedingungen unterlässt es jede Vertragspartei, diskriminierende Massnahmen hinsichtlich Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei zu treffen, wie auch hinsichtlich Gemeinschaftsunternehmen, an denen Investoren beider Vertragsparteien beteiligt sind. Zu solchen Massnahmen gehören insbesondere auch ungebührliche Einschränkungen sowie andere Hindernisse betreffend den Zugang zu Produktionsmitteln oder den Kauf, Transport, Marketing und Verkauf von Gütern und Dienstleistungen.
Art. 4 Freier Transfer
(1) Jede Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet Investoren der anderen Vertragspartei Investitionen getätigt haben, gewährt diesen Investoren den freien Transfer von Zahlungen im Zusammenhang mit diesen Investitionen, insbesondere von:
(a) Zinsen, Dividenden, Gewinnen und anderen laufenden Erträgen;
(b) Rückzahlungen von Darlehen;
(c) Beträgen, die zur Deckung der Kosten der Investitionsverwaltung bestimmt sind;
(d) Lizenzgebühren und anderen Zahlungen für Rechte, die in Artikel 1, Absatz (2), Buchstaben (c), (d) und (e) dieses Abkommens aufgezählt sind;
(e) zusätzlichen Kapitalleistungen, die für den Unterhalt oder die Ausweitung der Investitionen erforderlich sind;
(f) Einkommen natürlicher Personen;
(g) Erlösen aus dem Verkauf oder der teilweisen oder vollständigen Liquidation einer Investition, einschliesslich allfälliger Wertzunahmen.
(2) Sofern der Investor mit der betroffenen Vertragspartei nichts anderes vereinbart hat, erfolgen die Überweisungen zu dem am Überweisungstag geltenden Wechselkurs gemäss den Devisenvorschriften derjenigen Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet die Investition vorgenommen wurde.
(3) Die Anwendung der jeweiligen Steuergesetze der Vertragsparteien steht den Bestimmungen dieses Artikels nicht entgegen.
Art. 5 Besitzesentziehung, Entschädigung
(1) Keine Vertragspartei darf direkt oder indirekt Enteignungs- oder Verstaatlichungsmassnahmen oder irgendwelche andere Massnahmen derselben Art oder Wirkung gegenüber Investitionen treffen, die Investoren der anderen Vertragspartei gehören, es sei denn, solche Massnahmen erfolgten im öffentlichen Interesse, seien nicht diskriminierend und entsprächen den gesetzlichen Vorschriften und vorausgesetzt, dass eine tatsächlich verwertbare und wertentsprechende Entschädigung vorgesehen ist. Der Entschädigungsbetrag einschliesslich Zinsen ist in der Währung des Herkunftslandes der Investition zu zahlen und dem Berechtigten ohne Verzögerung und unabhängig von seinem Wohn- oder Geschäftssitz zu überweisen.
(2) Investoren einer Vertragspartei, deren Investitionen als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, einer Revolution, eines Ausnahmezustandes oder einer Rebellion auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei Schaden genommen haben, haben Anspruch darauf, von der letzteren gemäss Artikel 3, Absatz (2) dieses Abkommens behandelt zu werden. In jedem Falle steht ihnen eine Entschädigung zu.
Art. 6 Vor dem Abkommen getätigte Investitionen
Dieses Abkommen ist auch auf Investitionen anwendbar, die vor seiner Inkraftsetzung auf dem Gebiet einer Vertragspartei durch Investoren der anderen Vertragspartei rechtmässig getätigt worden sind.
Art. 7 Günstigere Bedingungen
Ungeachtet der Vorschriften des vorliegenden Abkommens finden günstigere Bedingungen Anwendung, die zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei vereinbart worden sind oder werden.
Art. 8 Subrogationsprinzip
Hat eine der Vertragsparteien für Investitionen, die durch einen Investor auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei getätigt wurden, eine finanzielle Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken gewährt und wurde aufgrund dieser Garantie eine Zahlung geleistet, so anerkennt die andere Vertragspartei aufgrund des Subrogationsprinzips den Übergang der Rechte des Investors auf die erste Vertragspartei.
Art. 9 Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei
(1) Meinungsverschiedenheiten über Investitionen zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei werden, so weit wie möglich und unbeschadet von Artikel 10 dieses Abkommens (Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien), einvernehmlich zwischen den Streitparteien geregelt. Zu diesem Zwecke finden Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.
(2) Führen diese Beratungen innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem die Meinungsverschiedenheit aufgebracht wurde, zu keiner Lösung, so ist die Angelegenheit auf Antrag des Investors
(a) entweder einer Schiedsstelle für Wirtschaftsfragen des Gastlandes, oder
(b) einem Ad-hoc-Schiedsgericht zu unterbreiten. Dieses Ad-hoc-Schiedsgericht wird nach den folgenden Regeln errichtet: (i) Das Schiedsgericht wird für jeden Einzelfall gebildet. Vorbehältlich einer anderslautenden Verständigung zwischen den betroffenen Parteien bezeichnet jede von ihnen einen Schiedsrichter, und diese zwei Schiedsrichter wählen einen Staatsangehörigen eines dritten Staates als Obmann. Die Bezeichnung der Schiedsrichter erfolgt innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Ersuchens für ein Schiedsverfahren, und der Obmann ist innerhalb der folgenden zwei Monate zu ernennen.
(ii) Wurden die in Ziffer (i) dieses Artikels genannten Fristen nicht eingehalten, kann jede Streitpartei, auch ohne Einverständnis der anderen Partei, den Präsidenten des Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer von Stockholm ersuchen, die erforderlichen Ernennungen durchzuführen. Ist der Präsident an seiner Mandatsausübung verhindert oder Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Bestimmungen von Absatz (5) des Artikels 10 dieses Abkommens mutatis mutandis angewandt.
(iii) Vorbehältlich einer anderslautenden Vereinbarung zwischen den Streitparteien regelt das Schiedsgericht sein Verfahren in Anlehnung an die Regeln über das Schiedsverfahren der UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). Das Schiedsgericht trifft seine Entscheidungen mit Stimmenmehrheit. Seine Entscheide sind endgültig und bindend. Jede Vertragspartei stellt die Anerkennung und Vollstreckung der Schiedssprüche sicher.
(iv) Das Schiedsgericht legt in seinem Schiedsspruch die Verteilung der Kosten des Schiedsverfahrens auf die Parteien fest. Sofern das Schiedsgericht nicht anders entscheidet, trägt jede Streitpartei die Kosten ihres eigenen Schiedsrichters und ihrer Vertretung im Schiedsverfahren; die Kosten des Obmannes und die übrigen Aufwendungen sind von den Streitparteien zu gleichen Teilen zu tragen.
(3) Sobald beide Vertragsparteien dem Übereinkommen vom 18. März 1965² zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten beigetreten sind, werden auf Antrag des Investors Meinungsverschiedenheiten anstatt den Schiedsstellen nach Absatz (2) dieses Artikels dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) unterbreitet.
(4) Die an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei kann in keiner Phase des Verfahrens nach den Absätzen (2) und (3) dieses Artikels oder der Vollstreckung des Schiedsspruchs den Einwand erheben, der Investor habe auf Grund eines Versicherungsvertrages eine Entschädigung für einen Teil oder die Gesamtheit des entstandenen Schadens erhalten.
(5) Keine Vertragspartei wird einen Streitfall, der einem Schiedsgericht unterbreitet wurde, auf diplomatischem Wege weiterverfolgen, es sei denn, die andere Vertragspartei befolge den von einem Schiedsgericht erlassenen Schiedsspruch nicht.
² SR 0.975.2
Art. 10 Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien
(1) Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind auf diplomatischem Wege beizulegen.
(2) Falls die beiden Vertragsparteien sich nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Entstehung der Meinungsverschiedenheit verständigen können, ist sie auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter. Diese beiden Schiedsrichter ernennen einen Angehörigen eines Drittstaates zum Obmann.
(3) Falls eine Vertragspartei ihren Schiedsrichter nicht bezeichnet und der Aufforderung der anderen Vertragspartei, innerhalb von zwei Monaten diese Bezeichnung vorzunehmen, nicht nachkommt, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen der letzteren Vertragspartei vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(4) Können sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bezeichnung auf die Wahl des Obmannes einigen, so wird dieser auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(5) Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den in Absatz (3) und Absatz (4) erwähnten Fällen an seiner Mandatsausübung verhindert oder ist er Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen vom Vizepräsidenten vorgenommen. Ist auch dieser verhindert oder Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen durch das amtsälteste Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist.
(6) Sofern die Vertragsparteien nichts anderes bestimmen, regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selber.
(7) Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.
(8) Sofern das Schiedsgericht nicht anders entscheidet, trägt jede Vertragspartei die Kosten ihres eigenen Schiedsrichters und ihrer Vertretung im Schiedsverfahren; die Kosten des Obmannes und die übrigen Aufwendungen sind von den Vertragsparteien zu gleichen Teilen zu tragen.
Art. 11 Einhaltung von Verpflichtungen
Jede Vertragspartei gewährleistet zu jedem Zeitpunkt die Einhaltung der durch sie eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei.
Art. 12 Schlussbestimmungen
(1) Das vorliegende Abkommen tritt am Tage in Kraft, an dem sich die beiden Regierungen mitteilen, dass die verfassungsmässigen Vorschriften für den Abschluss und das Inkrafttreten von internationalen Abkommen erfüllt sind; es gilt für die Dauer von zehn Jahren. Wird es nicht durch schriftliche Anzeige sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, verlängert sich seine Laufzeit um jeweils weitere zwei Jahre.
(2) Im Falle der Kündigung dieses Abkommens werden für Investitionen, die vor seiner Kündigung getätigt wurden, die in den Artikeln 1 bis 11 enthaltenen Bestimmungen noch während der Dauer von zehn Jahren angewandt.
Geschehen zu Bern, am 3. Juli 1992, in vier Originalen, zwei in französisch und zwei in vietnamesisch, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist.
Für den Franz Blankart | Für die Regierung Bui Hong Phuc |
Feedback