Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1919 (0.820.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1919

(in der Fassung der Urkunde über die Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 9. Oktober 1946) Unterzeichnet in Montreal am 9. Oktober 1946 Von der Bundesversammlung genehmigt am 26. März 1947¹ Datum des Inkrafttretens: 20. April 1948 (Stand am 8. Oktober 2015) ¹ AS 1948 913
Präambel
Der Weltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden.
Nun bestehen aber Arbeitsbedingungen, die für eine grosse Anzahl von Menschen mit so viel Ungerechtigkeit, Elend und Entbehrungen verbunden sind, dass eine Unzufriedenheit entsteht, die den Weltfrieden und die Welteintracht gefährdet. Eine Verbesserung dieser Bedingungen ist dringend erforderlich, zum Beispiel durch folgende Massnahmen: Regelung der Arbeitszeit, einschliesslich Festsetzung einer Höchstdauer des Arbeitstages und der Arbeitswoche, Regelung des Arbeitsmarktes, Verhütung der Arbeitslosigkeit, Gewährleistung eines zur Bestreitung des Lebens­unterhaltes angemessenen Lohnes, Schutz der Arbeitnehmer gegen allgemeine und Berufskrankheiten sowie gegen Betriebsunfälle, Schutz der Kinder, Jugendlichen und Frauen, Vorsorge für Alter und Invalidität, Schutz der Interessen der im Aus­lande beschäftigten Arbeitnehmer, Anerkennung des Grundsatzes: «Gleiche Arbeit – gleicher Lohn», Anerkennung des Grundsatzes der Vereinigungsfreiheit, Regelung des beruflichen und technischen Unterrichtes und ähnliche Massnahmen.
Auch würde die Nichteinführung wirklich menschenwürdiger Arbeitsbedingungen durch ein Volk die Bemühungen anderer Völker um Verbesserung des Loses der Arbeitnehmer in ihren Ländern hemmen.
Aus allen diesen Gründen und zur Verwirklichung der in dieser Präambel aufge­stellten Ziele stimmen die Hohen Vertragsschliessenden Teile, geleitet sowohl von den Gefühlen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit wie auch von dem Wunsche, einen dauernden Weltfrieden zu sichern, der nachstehenden Verfassung der Inter­nationalen Arbeitsorganisation zu:

Kapitel I Organisation

Art. 1
1.  Es wird eine ständige Organisation geschaffen, die berufen ist, an der Verwirkli­chung des in der Präambel zu dieser Verfassung sowie in der am 10. Mai 1944 in Philadelphia angenommenen und als Beilage dieser Verfassung beigegebenen Erklärung über die Ziele und Aufgaben der Internationalen Arbeitsorganisation dargelegten Planes zu arbeiten.
2.  Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation sind die Staaten, die am 1. November 1945 Mitglieder der Organisation waren, und alle anderen Staaten, die nach den Bestimmungen der Absätze 3 und 4 dieses Artikels Mitglieder werden.
3.  Alle ursprünglichen Mitglieder der Vereinigten Nationen und alle von der Gene­ralversammlung nach den Bestimmungen der Charte als Mitglied zugelassenen Staaten können Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation werden, indem sie in einer Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes in aller Form die sich aus der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation ergebenden Verpflichtungen anerkennen.
4.  Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation kann auch durch Beschluss einer Mehrheit von zwei Dritteln der an der Tagung anwesenden Delegierten, einschliesslich von zwei Dritteln der anwesenden und an der Abstim­mung teilnehmenden Regierungsvertreter, Mitglieder in die Organisation aufneh­men. Diese Aufnahme wird rechtswirksam, sobald die Regierung des neuen Mit­gliedes in einer Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes in aller Form die sich aus der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation ergebenden Verpflichtungen anerkennt.
5.  Kein Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation kann aus dieser austreten, ohne zuvor seine Absicht dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes bekanntgegeben zu haben. Eine solche Erklärung wird rechtswirksam zwei Jahre nach dem Tag, an dem sie dem Generaldirektor zugegangen ist, vorausgesetzt, dass das Mitglied in diesem Zeitpunkt alle sich aus seiner Mitgliedschaft ergebenden finanziellen Verpflichtungen erfüllt hat. Wenn ein Mitglied ein internationales Arbeitsübereinkommen ratifiziert hat, so werden während der in dem Übereinkom­men vorgesehenen Zeitspanne die sich aus dem Übereinkommen ergebenden oder darauf bezüglichen Verpflichtungen durch diesen Austritt nicht berührt.
6.  Hat ein Staat aufgehört, Mitglied der Organisation zu sein, so gelten für seine Wiederaufnahme als Mitglied die Bestimmungen der Absätze 3 und 4 dieses Arti­kels.
Art. 2
Die ständige Organisation umfasst:
a. eine Allgemeine Konferenz von Delegierten der Mitglieder;
b. einen nach Artikel 7 zusammengesetzten Verwaltungsrat;
c. ein Internationales Arbeitsamt unter der richtunggebenden Aufsicht des Ver­waltungsrates.
Art. 3
1.  Die Allgemeine Konferenz von Delegierten der Mitglieder hält je nach Bedarf, aber mindestens einmal jährlich, ihre Tagungen ab. Sie setzt sich aus je vier Dele­gierten eines jeden Mitgliedes zusammen. Von diesen sind zwei Regierungsvertreter; von den zwei anderen vertritt je einer die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer eines jeden Mitgliedes.
2.  Jedem Delegierten können technische Berater beigegeben werden. Ihre Zahl darf höchstens zwei für jeden einzelnen Gegenstand betragen, der auf der Tagesordnung der Konferenz steht. Sind Fragen, die besonders Frauen angehen, auf der Konferenz zu erörtern, so soll wenigstens eine der als technische Berater bezeichneten Personen weiblichen Geschlechtes sein.
3.  Jedes Mitglied, das für die internationalen Beziehungen ausserhalb des Mutter­landes gelegener Gebiete verantwortlich ist, kann als zusätzliche technische Berater jedem seiner Delegierten beigeben:
a. Personen, die es als Wortführer eines solchen Gebietes für gewisse in den Zuständigkeitsbereich der Behörden dieses Gebietes fallende Fragen bezeichnet;
b. Personen, die es als Berater seiner Delegierten bezeichnet für Fragen, die Ge­biete ohne Selbstregierung betreffen.
4.  Handelt es sich um ein der gemeinsamen Hoheit von zwei oder mehr Mitgliedern unterstehendes Gebiet, so können den Delegierten dieser Mitglieder Berater beige­geben werden.
5.  Die Mitglieder verpflichten sich, diejenigen Delegierten und technischen Berater, die nicht Regierungsvertreter sind, im Einverständnis mit den massgebenden Berufsverbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer des betreffenden Landes zu bezeichnen, vorausgesetzt, dass solche Verbände bestehen.
6.  Die technischen Berater dürfen nur auf Antrag des Delegierten, dem sie beige­ordnet sind, und mit besonderer Genehmigung des Präsidenten der Konferenz das Wort ergreifen. An den Abstimmungen nehmen sie nicht teil.
7.  Ein Delegierter kann durch eine an den Präsidenten gerichtete schriftliche Mit­teilung einen seiner technischen Berater als seinen Stellvertreter bezeichnen; der Stellvertreter kann in dieser Eigenschaft an den Beratungen und Abstimmungen teilnehmen.
8.  Die Namen der Delegierten und ihrer technischen Berater werden dem Inter­nationalen Arbeitsamt durch die Regierung eines jeden Mitgliedes mitgeteilt.
9.  Die Vollmachten der Delegierten und ihrer technischen Berater werden von der Konferenz geprüft; diese kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der von den anwesenden Delegierten abgegebenen Stimmen die Zulassung eines jeden Delegier­ten oder technischen Beraters ablehnen, der nach ihrer Auffassung nicht gemäss den Bestimmungen dieses Artikels ernannt worden ist.
Art. 4
1.  Jeder Delegierte hat das Recht, unabhängig für seine Person über alle der Konfe­renz unterbreiteten Fragen abzustimmen.
2.  Sollte ein Mitglied die ihm zustehende Ernennung eines Delegierten unterlassen, der nicht Regierungsvertreter ist, so hat der andere Delegierte, der nicht Regierungs­vertreter ist, zwar das Recht, an den Beratungen der Konferenz teilzunehmen, jedoch hat er kein Stimmrecht.
3.  Lehnt die Konferenz kraft der ihr durch Artikel 3 übertragenen Befugnis die Zulassung eines Delegierten eines der Mitglieder ab, so sind die Bestimmungen dieses Artikels so anzuwenden, als ob der betreffende Delegierte nicht ernannt worden wäre.
Art. 5
Die Tagungen der Konferenz finden, sofern die Konferenz nicht schon selbst auf einer früheren Tagung eine Entscheidung getroffen hat, an dem vom Verwaltungs­rate bestimmten Orte statt.
Art. 6
Zu jeder Verlegung des Sitzes des Internationalen Arbeitsamtes bedarf es eines Beschlusses der Konferenz, der mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der von den anwesenden Delegierten abgegebenen Stimmen gefasst werden muss.
Art. 7
1.  Der Verwaltungsrat setzt sich zusammen aus sechsundfünfzig² Personen, und zwar:
achtundzwanzig³ Personen als Vertreter der Regierungen,
vierzehn⁴ Personen als Vertreter der Arbeitgeber,
vierzehn⁵ Personen als Vertreter der Arbeitnehmer.
2.  Von den achtundzwanzig⁶ die Regierungen vertretenden Personen werden zehn⁷ durch die Mitglieder ernannt, denen wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt, und achtzehn⁸ durch die Mitglieder, die zu diesem Zwecke von den zur Konferenz abgeordneten Regierungsvertretern unter Ausschluss der Vertreter der erwähnten zehn⁹ Mitglieder bezeichnet worden sind. …¹⁰
3.  Der Verwaltungsrat stellt, sooft sich ein Bedürfnis ergibt, fest, welchen Mitglie­dern wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt, und stellt Regeln auf, nach denen ein unparteiischer Ausschuss alle Fragen bezüglich der Bezeichnung der Mitglieder, denen wirtschaftlich die grösste Bedeutung zukommt, zu prüfen hat, bevor der Verwaltungsrat darüber entscheidet. Über jeden Einspruch eines Mitglie­des gegen die Feststellung des Verwaltungsrates, welchen Mitgliedern wirt­schaftlich die grösste Bedeutung zukommt, entscheidet die Konferenz; doch hat ein an die Konferenz gerichteter Einspruch keine aufschiebende Wirkung auf den Beschluss, solange die Konferenz keine Entscheidung getroffen hat.
4.  Die Personen, welche die Arbeitgeber vertreten, und die Personen, welche die Arbeitnehmer vertreten, werden von den Arbeitgebervertretern, beziehungsweise von den Arbeitnehmervertretern auf der Konferenz gewählt. …¹¹
5.  Die Amtsdauer der Mitglieder des Verwaltungsrates beträgt drei Jahre. Finden aus irgendeinem Grunde nach Ablauf dieser Zeitspanne keine Neuwahlen statt, so bleibt der Verwaltungsrat im Amt, bis Neuwahlen stattfinden.
6.  Das Verfahren bei der Besetzung erledigter Sitze, die Bezeichnung von Stellver­tretern und andere Fragen ähnlicher Art können, vorbehältlich der Zustimmung der Konferenz, vom Verwaltungsrate geregelt werden.
7.  Der Verwaltungsrat wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten und zwei Vizepräsi­denten. Von diesen Personen muss einer ein Regierungsvertreter sein und von den beiden andern je einer ein Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeit­nehmer.
8.  Der Verwaltungsrat stellt seine Geschäftsordnung auf. Er bestimmt den Zeitpunkt seines Zusammentritts. Eine besondere Tagung ist jedesmal abzuhalten, wenn min­destens sechzehn¹² Mitglieder des Verwaltungsrates schriftlich einen entsprechen­den Antrag stellen.
² Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1972, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Nov. 1972 ( AS 1976 661 ).
³ Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1972, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Nov. 1972 ( AS 1976 661 ).
⁴ Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1972, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Nov. 1972 ( AS 1976 661 ).
⁵ Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1972, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Nov. 1972 ( AS 1976 661 ).
⁶ Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1972, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Nov. 1972 ( AS 1976 661 ).
⁷ Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde über die Abänderung der Verfassung der Internatio­nalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1953, in Kraft getreten für die Schweiz am 25. Mai 1954 ( AS 1954 569 567 ; BBl 1953 III 132 ).
⁸ Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1972, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Nov. 1972 ( AS 1976 661 ).
⁹ Zahlen gemäss Art. 1 der Urkunde über die Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1953, in Kraft getreten für die Schweiz am 25. Mai 1954 ( AS 1954 569 567 ; BBl 1953 III 132 ).
¹⁰ Letzter Satz aufgehoben durch Art. 2 der Urkunde über die Abänderung der Verfassung der Inter­natio­nalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1953, mit Wirkung für die Schweiz seit 25. Mai 1954 ( AS 1954 569 567 ; BBl 1953 III 132 ).
¹¹ Letzter Satz aufgehoben durch Art. 1 der Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internatio­nalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1962, mit Wirkung für die Schweiz seit 14. Okt. 1963 ( AS 1963 856 855 ; BBl 1963 I 507 ).
¹² Zahl gemäss Art. 1 der Urkunde über die Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1953, in Kraft getreten für die Schweiz am 25. Mai 1954 ( AS 1954 569 567 ; BBl 1953 III 132 ).
Art. 8
1.  An der Spitze des Internationalen Arbeitsamtes steht ein Generaldirektor; er wird durch den Verwaltungsrat ernannt, empfängt von ihm seine Anweisungen und ist ihm gegenüber sowohl für den Geschäftsgang als auch für die Erfüllung aller ande­ren ihm etwa anvertrauten Aufgaben verantwortlich.
2.  Der Generaldirektor oder sein Vertreter wohnen allen Sitzungen des Verwal­tungsrates bei.
Art. 9
1.  Das Personal des Internationalen Arbeitsamtes wird nach den vom Verwaltungs­rat gebilligten Regeln vom Generaldirektor angestellt.
2.  Soweit es mit der gebotenen Rücksicht auf die Erzielung möglichst guter Arbeitsleistungen vereinbar ist, hat sich die vom Generaldirektor zu treffende Wahl auf Personen verschiedener Staatsangehörigkeit zu erstrecken.
3.  Eine Anzahl dieser Personen muss weiblichen Geschlechts sein.
4.  Die Amtsobliegenheiten des Generaldirektors und des Personals sind aus­schliesslich internationaler Art. Bei der Erfüllung ihrer Amtspflichten darf weder der Generaldirektor noch das Personal Weisungen von einer Regierung oder einer anderen Behörde ausserhalb der Organisation einholen oder entgegennehmen. Sie haben sich jeder Handlung zu enthalten, die mit der Stellung ausschliesslich der Organisation verantwortlicher internationaler Beamten unvereinbar ist.
5.  Jedes Mitglied der Organisation verpflichtet sich, den ausschliesslich internatio­nalen Charakter der Amtsobliegenheiten des Generaldirektors und des Personals zu achten und sich jedes Versuches, sie bei der Erfüllung ihrer Aufgabe zu beeinflus­sen, zu enthalten.
Art. 10
1.  Die Tätigkeit des Internationalen Arbeitsamtes umfasst die Sammlung und Wei­terleitung aller Mitteilungen über alle Fragen, die für die internationale Regelung der Lebens‑ und Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer Bedeutung haben, sowie na­mentlich die Bearbeitung der Fragen, die der Konferenz zum Zwecke des Abschlus­ses internationaler Abmachungen unterbreitet werden sollen, und die Durchführung aller von der Konferenz oder vom Verwaltungsrate etwa besonders angeordneten Untersuchungen.
2.  Vorbehältlich der vom Verwaltungsrate aufgestellten Richtlinien hat das Amt:
a. die Unterlagen zu den verschiedenen Gegenständen der Tagesordnung der Tagungen der Konferenz vorzubereiten;
b. den Regierungen auf Wunsch, soweit es dazu in der Lage ist, jede zweckdienli­che Hilfe bei der Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen auf Grund der Beschlüsse der Konferenz und zur Vervollkommnung der Verwaltungspraxis und der Aufsichtsdienste zu leisten;
c. die Obliegenheiten zu erfüllen, die ihm nach den Bestimmungen dieser Verfas­sung bezüglich der wirksamen Einhaltung der Übereinkommen zu­fallen;
d. in den vom Verwaltungsrat zweckdienlich erachteten Sprachen Veröffent­lichungen zu verfassen und herauszugeben, die Wirtschafts‑ und Arbeits­fra­gen von internationalem Interesse behandeln.
3.  Überhaupt hat es alle sonstigen Befugnisse und Obliegenheiten, die ihm die Konferenz oder der Verwaltungsrat nach Ermessen überträgt.
Art. 11
Die Ministerien der Mitglieder, in deren Zuständigkeit die Arbeitsfragen fallen, können mit dem Generaldirektor durch Vermittlung des Vertreters ihrer Regierung im Verwaltungsrate des internationalen Arbeitsamtes oder in Ermangelung eines solchen Vertreters durch Vermittlung eines andern dazu geeigneten, von der betei­ligten Regierung damit beauftragten Beamten unmittelbaren Geschäftsverkehr unterhalten.
Art. 12
1.  Die Internationale Arbeitsorganisation wird in den durch diese Verfassung gezo­genen Grenzen mit jeder allgemeinen internationalen Organisation zusammenarbei­ten, die betraut ist, die Tätigkeit internationaler Organisationen des öffentlichen Rechtes, die Sonderaufgaben zu erfüllen haben, in Einklang zu bringen, sowie mit den internationalen Organisationen des öffentlichen Rechtes, die auf verwandten Gebieten Sonderaufgaben zu erfüllen haben.
2.  Die Internationale Arbeitsorganisation kann in geeigneter Weise den Delegierten der internationalen Organisationen des öffentlichen Rechtes Gelegenheit geben, ohne Stimmrecht an ihren Beratungen teilzunehmen.
3.  Die Internationale Arbeitsorganisation kann alle zweckdienlichen Massnahmen treffen, um nach Ermessen anerkannte nichtstaatliche Organisationen, einschliesslich der internationalen Vereinigungen der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Landwirte und der Genossenschafter, zu Rate zu ziehen.
Art. 13
1.  Die Internationale Arbeitsorganisation kann mit den Vereinigten Nationen über Finanz‑ und Budgetfragen die zweckmässig erscheinenden Vereinbarungen treffen.
2.  Bis zum Abschlusse solcher Vereinbarungen, oder falls in irgendeinem Zeit­punkte keine solchen Vereinbarungen in Kraft sind, gilt folgendes:
a. Jedes Mitglied trägt die Reise‑ und Aufenthaltskosten seiner Delegierten und ihrer technischen Berater sowie seiner Vertreter, die an den Tagungen der Konferenz oder des Verwaltungsrates teilnehmen.
b. Alle andern Kosten des Internationalen Arbeitsamtes sowie der Tagungen der Konferenz und des Verwaltungsrates werden vom Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes aus dem allgemeinen Kredite der Internationa­len Arbeitsorganisation bestritten.
c. Die Bestimmungen über die Genehmigung des Budgets der Internationalen Arbeitsorganisation sowie über die Festsetzung und die Einziehung der Bei­träge werden von der Konferenz durch Beschluss einer Mehrheit von zwei Dritteln der von den anwesenden Delegierten abgegebenen Stimmen aufge­stellt. Darin ist vorzusehen, dass das Budget und die Regelung für die Auf­teilung der Kosten auf die Mitglieder durch einen Ausschuss von Regie­rungsvertretern zu genehmigen sind.
3.  Die Kosten der Internationalen Arbeitsorganisation gehen zu Lasten der Mitglie­der nach den auf Grund des Absatzes 1 oder des Absatzes 2, c, dieses Artikels gel­tenden Vereinbarungen.
4.  Ein Mitglied der Organisation, das mit der Zahlung seines Beitrages zu den Kosten der Organisation im Rückstand ist, kann an den Abstimmungen der Konfe­renz, des Verwaltungsrates oder eines Ausschusses sowie an den Wahlen zum Verwaltungsrate nicht teilnehmen, wenn die rückständigen Zahlungen den von ihm für die letzten beiden vollen Jahre geschuldeten Beitrag erreichen oder übersteigen. Die Konferenz kann jedoch mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der von den anwe­senden Delegierten abgegebenen Stimmen ein solches Mitglied ermächtigen, an der Abstimmung teilzunehmen, wenn sie feststellt, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen ist, die vom Willen des Mitgliedes unabhängig sind.
5.  Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes ist dem Verwaltungsrate für die Verwendung der Mittel der Internationalen Arbeitsorganisation verantwort­lich.

Kapitel II Verfahren

Art. 14
1.  Der Verwaltungsrat bestimmt die Tagesordnung der Tagungen der Konferenz; dabei prüft er alle Vorschläge die von der Regierung eines Mitgliedes, von einem der in Artikel 3 bezeichneten massgebenden Verbände oder von einer internationa­len Organisation des öffentlichen Rechtes hierzu gemacht werden.
2.  Der Verwaltungsrat stellt Regeln auf, die eine gründliche technische Vorberei­tung und eine angemessene Zurateziehung der hauptsächlich beteiligten Mitglieder durch eine vorbereitende technische Konferenz oder auf andere zweckdienliche Weise vor der Annahme eines Übereinkommens oder einer Empfehlung durch die Konferenz sicherstellen.
Art. 15
1.  Der Generaldirektor versieht das Amt des Generalsekretärs der Konferenz; er hat die Tagesordnung jeder Tagung vier Monate vor deren Eröffnung allen Mitgliedern und durch ihre Vermittlung den Delegierten, die nicht Regierungsvertreter sind, nach ihrer Ernennung zugehen zu lassen.
2.  Die Berichte über die einzelnen Gegenstände der Tagesordnung sind den Mit­gliedern so zeitig zuzustellen, dass diese sie vor der Konferenz ausreichend prüfen können. Der Verwaltungsrat stellt für diesen Zweck Regeln auf.
Art. 16
1.  Die Regierung eines jeden Mitglieds hat das Recht, gegen die Aufnahme eines oder mehrerer der vorgesehenen Gegenstände in die Tagesordnung der Konferenz Einspruch zu erheben. Der Einspruch ist in einer Denkschrift zu begründen, die an den Generaldirektor zu richten und von ihm den Mitgliedern der Organisation mit­zuteilen ist.
2.  Die beanstandeten Gegenstände bleiben trotzdem auf der Tagesordnung, wenn die Konferenz mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der von den anwesenden Dele­gierten abgegebenen Stimmen so beschliesst.
3.  Jede Frage, deren Prüfung die Konferenz ausserhalb des im vorigen Absatz vorgesehenen Verfahrens ebenfalls mit Zweidrittelsmehrheit beschliesst, ist auf die Tagesordnung der folgenden Tagung zu setzen.
Art. 17
1.  Die Konferenz wählt einen Präsidenten und drei Vizepräsidenten. Zu Vizepräsi­denten sind je ein Regierungsvertreter, ein Vertreter der Arbeitgeber und ein Vertre­ter der Arbeitnehmer zu wählen. Die Konferenz stellt ihre Geschäftsordnung auf; sie kann Ausschüsse einsetzen, die über alle von ihr als prüfungsbedürftig erachteten Fragen zu berichten haben.
2.  Die einfache Mehrheit der von den anwesenden Mitgliedern der Konferenz abgegebenen Stimmen ist entscheidend, es sei denn, dass eine grössere Mehrheit ausdrücklich durch andere Artikel dieser Verfassung oder durch ein Übereinkommen oder andere Rechtsnormen, die der Konferenz Befugnisse übertragen, oder durch die auf Grund des Artikels 13 angenommenen Vereinbarungen über Finanz‑ und Bud­getfragen vorgesehen ist.
3.  Die Abstimmung ist ungültig, wenn die Zahl der abgegebenen Stimmen geringer ist als die Hälfte der an der Tagung der Konferenz teilnehmenden Delegierten.
Art. 18
Die Konferenz kann den von ihr eingesetzten Ausschüssen Sachverständige mit beratender, aber nicht beschliessender Stimme beigeben.
Art. 19
1.  Erklärt sich die Konferenz für die Annahme von Anträgen, die einen Gegenstand der Tagesordnung betreffen, so hat sie zu bestimmen, ob diese Anträge die Form erhalten sollen a. eines internationalen Übereinkommens oder b. einer Empfehlung, wenn sich der behandelte Gegenstand nicht, oder unter einem bestimmten Gesichts­punkte nicht, für die sofortige Annahme eines Übereinkommens eignet.
2.  In beiden Fällen, zur Annahme sowohl eines Übereinkommens als auch einer Empfehlung, bedarf es in der Endabstimmung der Konferenz einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten.
3.  Bei Aufstellung eines Übereinkommens oder einer Empfehlung von allgemeiner Geltung hat die Konferenz auf diejenigen Länder Rücksicht zu nehmen, in denen das Klima, die unvollkommene Entwicklung der wirtschaftlichen Organisation oder andere Sonderumstände die Verhältnisse der Wirtschaft wesentlich abweichend gestalten. Sie hat in solchen Fällen die Abänderungen vorzuschlagen, die sie ange­sichts der besonderen Verhältnisse dieser Länder für notwendig erachtet.
4.  Zwei Ausfertigungen des Übereinkommens oder der Empfehlung werden vom Präsidenten der Konferenz und vom Generaldirektor unterzeichnet. Eine Ausferti­gung wird im Archiv des Internationalen Arbeitsamtes hinterlegt, die andere dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen eingehändigt. Der Generaldirektor über­mittelt jedem Mitglied eine beglaubigte Abschrift des Übereinkommens oder der Empfehlung.
5.  Für ein Übereinkommen gelten die folgenden Bestimmungen:
a. Das Übereinkommen wird allen Mitgliedern im Hinblick auf seine Ratifika­tion mitgeteilt.
b. Jedes Mitglied verpflichtet, sich, spätestens ein Jahr nach Schluss der Ta­gung der Konferenz (oder, wenn dies infolge aussergewöhnlicher Umstände innerhalb eines Jahres unmöglich sein sollte, sobald es angängig ist, aber unter keinen Umständen später als achtzehn Monate nach Schluss der Ta­gung der Konferenz) das Übereinkommen der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Ver­wirk­lichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.
c. Die Mitglieder setzen den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von den Massnahmen in Kenntnis, die sie gemäss diesem Artikel getroffen haben, um das Übereinkommen der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zu unterbreiten; dabei erteilen sie ihm alle Auskünfte über die Stelle oder die Stellen, die als zur Entscheidung berufen erachtet sind, und über deren Entscheidungen.
d. Das Mitglied, das die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen erlangt hat, setzt den Generaldi­rektor von seiner förmlichen Ratifikation des Übereinkommens in Kenntnis und trifft die zur Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens er­forderlichen Massnahmen.
e. Findet ein Übereinkommen nicht die Zustimmung der zur Entscheidung beru­fenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen, so hat das Mitglied keine weitere Verpflichtung; nur muss es in angemessenen Zeitab­ständen, wie der Verwaltungsrat entscheidet, dem Generaldirektor des Inter­nationalen Arbeitsamtes Bericht erstatten über den Stand seiner Gesetzgebung und seine Praxis in der Frage, die den Gegenstand des Über­einkommens bildet, wobei anzugeben ist, in welchem Umfange den einzel­nen Bestimmungen des Übereinkommens durch die Gesetzgebung, durch Verwaltungsanordnungen, durch Tarifverträge oder auf andere Weise Rech­nung getragen worden ist oder Rechnung getragen werden soll, und die Schwierigkeiten darzulegen sind, welche die Ratifikation des Übereinkom­mens verhindern oder verzögern.
6.  Für eine Empfehlung gelten die folgenden Bestimmungen:
a. Die Empfehlung wird allen Mitgliedern zur Prüfung im Hinblick auf ihre Ver­wirklichung durch die Landesgesetzgebung oder auf andere Weise mit­geteilt.
b. Jedes Mitglied verpflichtet sich, spätestens ein Jahr nach Schluss der Tagung der Konferenz (oder, wenn dies infolge aussergewöhnlicher Umstände innerhalb eines Jahres unmöglich sein sollte, sobald es angängig ist, aber unter keinen Umständen später als achtzehn Monate nach Schluss der Ta­gung der Konferenz) die Empfehlung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Verwirkli­chung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu un­terbreiten.
c. Die Mitglieder setzen den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von den Massnahmen in Kenntnis, die sie gemäss diesem Artikel getroffen haben, um die Empfehlung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zu unterbreiten; dabei erteilen sie ihm alle Auskünfte über die Stelle oder die Stellen, die als zur Entscheidung be­rufen erachtet sind, und über deren Entscheidungen.
d. Ausser der Verpflichtung, die Empfehlung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zu unterbreiten, haben die Mitglieder keine weitere Verpflichtung; nur müssen sie in angemessenen Zeitabständen, wie der Verwaltungsrat entscheidet, dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes Bericht erstatten über den Stand ihrer Gesetz­gebung und ihre Praxis in der Frage, die den Gegenstand der Empfehlung bildet, wobei anzugeben ist, in welchem Umfange den einzelnen Bestim­mungen der Empfehlung Rechnung getragen worden ist oder Rechnung getragen werden soll, und die Abänderungen dieser Bestimmungen zu bezeichnen sind, die sich als notwendig erwiesen haben oder als notwendig erweisen können, um die Annahme oder Anwendung der Empfehlung zu ermöglichen.
7.  Handelt es sich um einen Bundesstaat, so gelten die folgenden Bestimmungen:
a. Im Falle von Übereinkommen und Empfehlungen, für welche die Bundes­regierung nach ihrem Verfassungssystem eine Bundesmassnahme für ange­bracht erachtet, sind die Verpflichtungen des Bundesstaates dieselben wie die Verpflichtungen der Mitglieder, die nicht Bundesstaaten sind.
b. Im Falle von Übereinkommen und Empfehlungen, für welche die Bundes­regierung nach dem geltenden Verfassungssystem eine Massnahme der Gliedstaaten, der Provinzen oder der Kantone für eher angebracht erachtet, hat diese Regierung: I. im Einklang mit ihrer Verfassung und den Verfassungen der von der Frage berührten Gliedstaaten, Provinzen oder Kantone wirksame Ver­einbarungen zu treffen, damit diese Übereinkommen oder Empfehlun­gen spätestens achtzehn Monate nach Schluss der Tagung der Konfe­renz den berufenen Stellen des Bundes, der Gliedstaaten, der Provinzen oder der Kantone unterbreitet werden im Hinblick auf den Erlass von Massnahmen gesetzgeberischer oder anderer Art;
II. vorbehältlich der Zustimmung der Regierungen der Gliedstaaten, der Pro­vinzen oder Kantone, Massnahmen zur Veranstaltung eines regel­mässigen Meinungsaustausches zwischen den Bundesbehörden einer­seits und den Behörden der Gliedstaaten, der Provinzen oder der Kantone andererseits zu treffen, um ein gemeinsames Vorgehen inner­halb des Bundesstaates herbeizuführen zur Verwirklichung der Be­stimmungen dieser Übereinkommen und Empfehlungen;
III. den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von den Massnah­men in Kenntnis zu setzen, die sie nach diesem Artikel getrof­fen hat, um diese Übereinkommen und Empfehlungen den berufenen Stellen des Bundes, der Gliedstaaten, der Provinzen oder der Kantone zu unterbreiten, wobei sie ihm alle Auskünfte erteilt über die als zu­ständig erachteten Stellen und über deren Entscheidungen;
IV. im Fall eines jeden dieser Übereinkommen, das sie nicht ratifiziert hat, in angemessenen Zeitabständen, wie der Verwaltungsrat entscheidet, dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes Bericht zu er­statten über den Stand der Gesetzgebung und die Praxis des Bundes und seiner Gliedstaaten, der Provinzen oder Kantone in der Frage, die den Gegenstand des Übereinkommens bildet, wobei anzugeben ist, in wel­chem Umfange den einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens durch die Gesetzgebung, durch Verwaltungsanordnungen, durch Tarif­verträge oder auf andere Weise Rechnung getragen worden ist oder Rechnung getragen werden soll;
V. im Falle einer jeden dieser Empfehlungen in angemessenen Zeitabstän­den, wie der Verwaltungsrat entscheidet, dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes Bericht zu erstatten über den Stand der Gesetzgebung und die Praxis des Bundes und seiner Gliedstaaten, der Provinzen oder Kantone in der Frage, die den Gegenstand der Empfeh­lung bildet, wobei anzugeben ist, in welchem Umfange den einzelnen Bestimmungen der Empfehlung Rechnung getragen worden ist oder Rechnung getragen werden soll, und die Abänderungen dieser Bestim­mungen zu bezeichnen sind, die sich als notwendig erwiesen haben oder als notwendig erweisen können, um die Annahme oder Anwendung der Empfehlung zu ermöglichen.
8.  In keinem Fall ist die Annahme eines Übereinkommens oder einer Empfehlung durch die Konferenz oder die Ratifikation eines Übereinkommens durch ein Mitglied so auszulegen, als würde dadurch ein Gesetz, ein Rechtsspruch, ein Brauch oder ein Abkommen berührt, die den beteiligten Arbeitnehmern günstigere als die in dem Übereinkommen oder in der Empfehlung vorgesehenen Bedingungen sichern.
9.  Auf Vorschlag des Verwaltungsrats kann die Konferenz mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten jedes gemäss den Bestimmungen dieses Artikels angenommene Übereinkommen aufheben, wenn sich herausstellt, dass es gegenstandslos geworden ist oder keinen nützlichen Beitrag zum Erreichen der Ziele der Organisation mehr leistet.¹³
¹³ Eingefügt durch Art. 1 der Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 19. Juni 1997, in Kraft getreten für die Schweiz am 8. Okt. 2015 ( AS 2018 3899 ).
Art. 20
Jedes so ratifizierte Übereinkommen wird vom Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zu Eintragung nach den Bestimmungen des Artikels 102 der Charte der Vereinigten Nationen mitgeteilt, bindet aber nur die Mitglieder, die es ratifiziert haben.
Art. 21
1.  Vereinigt ein Entwurf eines Übereinkommens in der endgültigen Gesamt­abstim­mung nicht die Mehrheit von zwei Dritteln der von den anwesenden Delegierten abgegebenen Stimmen auf sich, so steht es den Mitgliedern der ständigen Organisa­tion, die dies wünschen, frei, ein Sonderübereinkommen mit dem gleichen Inhalte abzuschliessen.
2.  Jedes so abgeschlossene Übereinkommen ist durch die beteiligten Regierungen dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes und dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen mitzuteilen.
Art. 22
Jedes Mitglied verpflichtet sich, dem Internationalen Arbeitsamt jährlich einen Bericht über seine Massnahmen zur Durchführung der Übereinkommen, denen es beigetreten ist, vorzulegen. Die Form dieser Berichte bestimmt der Verwaltungsrat; sie müssen die von ihm geforderten Einzelheiten enthalten.
Art. 23
1.  Der Generaldirektor legt der nächstfolgenden Tagung der Konferenz einen zusammenfassenden Auszug aus den ihm von den Mitgliedern auf Grund der Arti­kel 19 und 22 übermittelten Auskünfte und Berichte vor.
2.  Jedes Mitglied stellt den für die Zwecke des Artikels 3 als massgebend aner­kannten Verbänden eine Abschrift der dem Generaldirektor auf Grund der Artikel 19 und 22 übermittelten Auskünfte und Berichte zu.
Art. 24
Richtet ein Berufsverband von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern an das Internatio­nale Arbeitsamt eine Beschwerde, dass ein Mitglied die Durchführung eines von ihm angenommenen Übereinkommens nicht in befriedigender Weise sichergestellt habe, so kann der Verwaltungsrat sie der betreffenden Regierung übermitteln und diese Regierung einladen, sich in einer ihr geeignet erscheinenden Weise zur Sache zu äussern.
Art. 25
Geht von der betreffenden Regierung innerhalb angemessener Frist keine Erklärung ein, oder hält der Verwaltungsrat die erhaltene Erklärung nicht für befriedigend, so hat er das Recht, die Beschwerde und gegebenenfalls die Antwort zu veröffentli­chen.
Art. 26
1.  Jedes Mitglied kann beim Internationalen Arbeitsamt Klage gegen ein anderes Mitglied einreichen, das nach seiner Ansicht die Durchführung eines von beiden Teilen gemäss den vorstehenden Artikeln ratifizierten Übereinkommens nicht in befriedigender Weise sicherstellt.
2.  Der Verwaltungsrat kann, wenn er es für angebracht hält, sich mit der Regierung, gegen die sich die Klage richtet, auf die in Artikel 23 bezeichnete Weise in Verbin­dung setzen, bevor er einen Untersuchungsausschuss nach dem weiter unten ange­gebenen Verfahren mit der Angelegenheit betraut.
3.  Hält es der Verwaltungsrat nicht für nötig, der betreffenden Regierung die Klage mitzuteilen, oder geht auf seine Mitteilung nicht binnen angemessener Frist eine befriedigende Antwort ein, so kann er einen Untersuchungsausschuss einsetzen, der die strittige Frage zu prüfen und darüber zu berichten hat.
4.  Das gleiche Verfahren kann vom Verwaltungsrat entweder von Amts wegen oder auf Grund der Klage eines zur Konferenz abgeordneten Delegierten eingeschlagen werden.
5.  Kommt eine auf Grund des Artikels 25 oder des Artikels 26 aufgeworfene Frage vor den Verwaltungsrat, so hat die betreffende Regierung, falls sie nicht schon im Verwaltungsrate vertreten ist, das Recht, einen Beauftragten zur Teilnahme an den Beratungen des Verwaltungsrates in dieser Angelegenheit zu ernennen. Der für die Verhandlungen bestimmte Zeitpunkt ist der betreffenden Regierung rechtzeitig mitzuteilen.
Art. 27
Wird nach Artikel 26 eine Klage vor einen Untersuchungsausschuss verwiesen, so ist jedes Mitglied verpflichtet, mag es unmittelbar an der Klage beteiligt sein oder nicht, dem Ausschuss zum Klagegegenstand alle Aufschlüsse zu geben, über die es verfügt.
Art. 28
Nach eingehender Prüfung der Klage verfasst der Untersuchungsausschuss einen Bericht, worin er seinen Befund über sämtliche Tatfragen niederlegt, die für den Streitfall von Bedeutung sind. Auch soll er darin Massnahmen vorschlagen, deren Durchführung der Klage Rechnung tragen soll, unter Angabe einer Frist für diese Durchführung.
Art. 29
1.  Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes teilt den Bericht des Untersuchungsausschusses dem Verwaltungsrat und jeder an dem Streitfall beteilig­ten Regierung mit und veranlasst seine Veröffentlichung.
2.  Jede dieser Regierungen hat dem Generaldirektor des Internationalen Arbeits­amtes binnen drei Monaten mitzuteilen, ob sie die im Berichte des Ausschusses enthaltenen Vorschläge annimmt oder nicht, und falls sie diese nicht annimmt, ob sie den Streitfall dem Internationalen Gerichtshof zu unterbreiten wünscht.
Art. 30
Ergreift ein Mitglied bezüglich eines Übereinkommens oder einer Empfehlung die in Artikel 19, Absatz 5 b, 6 b oder 7 b I, vorgesehenen Massnahmen nicht, so hat jedes andere Mitglied das Recht, den Verwaltungsrat anzurufen. Findet der Verwaltungs­rat, dass das Mitglied die vorgesehenen Massnahmen nicht getroffen hat, so berichtet er darüber an die Konferenz.
Art. 31
Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes über eine Klage oder eine ihm nach Artikel 29 unterbreitete Streitfrage ist endgültig.
Art. 32
Der Befund und die etwaigen Vorschläge des Untersuchungsausschusses können vom Internationalen Gerichtshof bestätigt, abgeändert oder aufgehoben werden.
Art. 33
Befolgt ein Mitglied innerhalb der vorgeschriebenen Frist die im Berichte des Untersuchungsausschusses oder in der Entscheidung des Internationalen Gerichtsho­fes etwa enthaltenen Vorschläge nicht, so kann der Verwaltungsrat der Konferenz die ihm zur Sicherstellung der Ausführung dieser Vorschläge zweckmässig erschei­nenden Massnahmen empfehlen.
Art. 34
Die schuldig befundene Regierung kann jederzeit den Verwaltungsrat davon in Kenntnis setzen, dass sie die nötigen Massnahmen getroffen hat, um entweder den Vorschlägen des Untersuchungsausschusses oder denen, die in der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes niedergelegt sind, Folge zu leisten, und sie kann den Verwaltungsrat ersuchen, einen Untersuchungsausschuss zur Nachprüfung ihrer Angaben einsetzen zu lassen. In diesem Falle finden die Bestimmungen der Arti­kel 26, 27, 28, 29, 30 und 31 Anwendung. Fällt der Bericht des Untersuchungsaus­schusses oder die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes zugunsten der schuldig befundenen Regierung aus, so hat der Verwaltungsrat unverzüglich die Einstellung der auf Grund des Artikels 33 getroffenen Massnahmen zu empfehlen.

Kapitel III Allgemeine Vorschriften

Art. 35
1.  Die Mitglieder verpflichten sich, die von ihnen ratifizierten Übereinkommen, entsprechend den Bestimmungen dieser Verfassung, auf die ausserhalb des Mutter­landes gelegenen Gebiete, deren internationale Beziehungen sie wahrnehmen, anzuwenden, einschliesslich aller Gebiete unter Treuhänderschaft, deren Verwaltung ihnen übertragen ist, es sei denn, dass die in dem Übereinkommen behandelten Fragen in den Zuständigkeitsbereich der Behörden des Gebietes fallen oder dass das Übereinkommen auf die örtlichen Verhältnisse unanwendbar ist, sowie vorbehältlich der für die Anpassung der Übereinkommen an die örtlichen Verhältnisse etwa not­wendigen Abänderungen.
2.  Jedes Mitglied, das ein Übereinkommen ratifiziert, hat sobald wie möglich nach der Ratifikation dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eine Erklä­rung zu übermitteln, die angibt, wie weit es sich für die anderen als die nachstehend in den Absätzen 4 und 5 behandelten Gebiete verpflichtet, die Bestimmungen des Übereinkommens anzuwenden, und die alle in dem Übereinkommen vorgeschriebe­nen Angaben enthält.
3.  Jedes Mitglied, das auf Grund des vorausgehenden Absatzes eine Erklärung abgegeben hat, kann in gewissen Zeitabständen, entsprechend den Bestimmungen des Übereinkommens, eine neue Erklärung abgeben, die den Inhalt jeder früheren Erklärung abändert und Aufschluss über die Lage der im vorausgehenden Absatz bezeichneten Gebiete gibt.
4.  Fallen die in dem Übereinkommen behandelten Fragen in den Zuständigkeits­bereich der Behörden eines ausserhalb des Mutterlandes gelegenen Gebietes, so hat das für die internationalen Beziehungen dieses Gebietes verantwortliche Mitglied das Übereinkommen sobald wie möglich der Regierung dieses Gebietes mitzuteilen, damit sie gesetzgeberische oder andere Massnahmen treffen kann. Später kann das Mitglied im Einvernehmen mit der Regierung dieses Gebietes dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eine Erklärung abgeben, durch die es die Ver­pflichtungen aus dem Übereinkommen im Namen dieses Gebietes übernimmt.
5.  Eine Erklärung, die Verpflichtungen aus einem Übereinkommen zu übernehmen, kann dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes abgegeben werden:
a. von zwei oder mehr Mitgliedern der Organisation für ein ihrer gemeinsamen Hoheit unterstelltes Gebiet;
b. von jeder internationalen Behörde, die auf Grund der Bestimmungen der Charte der Vereinigten Nationen oder einer anderen für ein bestimmtes Ge­biet geltenden Bestimmung für die Verwaltung dieses Gebietes verantwort­lich ist.
6.  Mit der Übernahme der Verpflichtungen aus einem Übereinkommen nach den Absätzen 4 und 5 sind die sich aus den Bestimmungen des Übereinkommens erge­benden Verpflichtungen sowie die nach den Bestimmungen der Verfassung der Organisation für die ratifizierten Übereinkommen geltenden Verpflichtungen im Namen des in Betracht stehenden Gebietes zu übernehmen. Jede Erklärung, eine solche Verpflichtung einzugehen, kann die Abänderungen bezeichnen, die notwen­dig sind, um das Übereinkommen den örtlichen Verhältnissen anzupassen.
7.  Jedes Mitglied und jede internationale Behörde, die eine Erklärung auf Grund der Absätze 4 und 5 dieses Artikels abgegeben haben, können in gewissen Zeitabstän­den, entsprechend den Bestimmungen des Übereinkommens, eine neue Erklärung abgeben, die den Inhalt jeder früheren Erklärung abändert oder die Übernahme der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen im Namen des in Betracht stehenden Gebietes kündigt.
8.  Werden die Verpflichtungen aus einem Übereinkommen nicht im Namen eines unter Absatz 4 oder Absatz 5 dieses Artikels fallenden Gebietes übernommen, so ist von dem Mitglied, den Mitgliedern oder der internationalen Behörde dem Generaldi­rektor des Internationalen Arbeitsamtes Bericht zu erstatten über die Gesetzgebung und die Praxis dieses Gebietes in den im Übereinkommen behandelten Fragen, wobei anzugeben ist, in welchem Umfang durch die Gesetzgebung, durch Verwal­tungsordnungen, durch Tarifverträge oder auf andere Weise den einzelnen Bestim­mungen des Übereinkommens Rechnung getragen worden ist oder Rechnung getra­gen werden soll, und die Schwierigkeiten darzulegen sind, welche die Ratifikation des Übereinkommens verhindern oder verzögern.
Art. 36
Abänderungen an dieser Verfassung, die von der Konferenz mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten beschlossen worden sind, treten in Kraft, sobald zwei Drittel der Mitglieder der Organisation sie ratifiziert oder angenommen haben. Dabei müssen diese zwei Drittel fünf der zehn¹⁴ Mitglie­der einschliessen, die im Verwaltungsrat als Mitglieder vertreten sind, denen nach Artikel 7, Absatz 3, dieser Verfassung wirtschaftlich die grösste Bedeutung zu­kommt.
¹⁴ Zahl gemäss Art. 1 der Urkunde über die Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1953, in Kraft getreten für die Schweiz am 25. Mai 1954 ( AS 1954 569 567 ; BBl 1953 III 132 ).
Art. 37
1.  Alle Streitfragen und Schwierigkeiten in der Auslegung dieser Verfassung und der späteren von den Mitgliedern auf Grund dieser Verfassung abgeschlossenen Übereinkommen unterliegen der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes.
2.  Ungeachtet der Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels kann der Verwal­tungsrat Regeln aufstellen und der Konferenz zur Genehmigung vorlegen für die Schaffung eines Gerichtes zur raschen Erledigung jeder sich bei der Auslegung eines Übereinkommens ergebenden Frage oder Schwierigkeit, die dem Gericht vom Verwaltungsrat oder nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens unterbreitet werden kann. Jedes auf Grund dieses Artikels geschaffene Gericht ist an alle rechts­wirksamen Urteile und Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes gebun­den. Jeder von einem solchen Gericht gefällte Spruch ist den Mitgliedern der Orga­nisation bekanntzugeben und jede Stellungnahme der Mitglieder zu dem Spruch der Konferenz vorzulegen.
Art. 38
1.  Die Internationale Arbeitsorganisation kann die regionalen Konferenzen einberu­fen und die regionalen Ämter schaffen, die ihr für die Verwirklichung ihrer Ziele und Zwecke nützlich erscheinen.
2.  Über die Befugnisse, die Aufgaben und das Verfahren der regionalen Konferen­zen stellt der Verwaltungsrat Regeln auf und legt sie der Allgemeinen Konferenz zur Bestätigung vor.

Kapitel IV Verschiedene Vorschriften

Art. 39
Die Internationale Arbeitsorganisation besitzt die volle Rechtspersönlichkeit; vor allem ist sie fähig:
a. Verträge abzuschliessen;
b. bewegliches und unbewegliches Eigentum zu erwerben und darüber zu verfü­gen;
c. als Prozesspartei aufzutreten.
Art. 40
1.  Die Internationale Arbeitsorganisation geniesst auf dem Gebiet eines jeden ihrer Mitglieder die Vorrechte und Immunitäten, die zur Erreichung ihrer Ziele notwendig sind.
2.  Die zur Konferenz abgeordneten Delegierten, die Mitglieder des Verwaltungsra­tes sowie der Generaldirektor und die Beamten des Internationalen Arbeitsamtes geniessen ebenfalls die Vorrechte und Immunitäten, deren sie zu einer völlig unab­hängigen Ausübung ihrer Amtsobliegenheiten in Verbindung mit der Organisation bedürfen.
3.  Die nähere Regelung dieser Vorrechte und dieser Immunitäten wird den Gegen­stand eines Sonderabkommens bilden, das von der Organisation im Hinblick auf dessen Annahme durch die Mitgliedstaaten vorzubereiten ist.

Beilage

Erklärung über die Ziele und Zwecke der Internationalen Arbeitsorganisation

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die in Philadel­phia zu ihrer 26. Tagung zusammengetreten ist, nimmt heute, am 10. Mai 1944, die vorliegende Erklärung an über die Ziele und Zwecke der Internationalen Arbeitsor­ganisation und über die Grundsätze, von denen sich die Politik ihrer Mitglieder sollte leiten lassen.
I
Die Konferenz bekennt sich aufs Neue zu den hauptsächlichen Grundsätzen, auf die sich die Organisation stützt. Sie lauten:
a. Die Arbeit ist keine Ware.
b. Die freie Meinungsäusserung und die Vereinigungsfreiheit sind unumgängli­che Voraussetzungen eines stetigen Fortschrittes.
c. Die Armut bildet überall, wo sie besteht, eine Gefahr für den allgemeinen Wohlstand.
d. Der Kampf gegen die Not ist unermüdlich und mit dem Einsatz aller Kräfte zu führen, sowohl innerhalb jeder einzelnen Nation als auch international durch ständige gemeinschaftliche Bemühungen, wobei die Vertreter der Ar­beitnehmer und der Arbeitgeber in gleichberechtigter Zusammenarbeit mit den Vertretern der Regierungen an freien Aussprachen und demokratisch ge­fassten Beschlüssen zur Förderung des allgemeinen Wohls teilnehmen.
II
Die Konferenz ist davon überzeugt, dass die Erfahrung die Richtigkeit der in der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation enthaltenen Erklärung voll erwiesen hat, wonach ein dauerhafter Friede nur auf der Grundlage der sozialen Gerechtigkeit errichtet werden kann, und bestätigt deshalb:
a. Alle Menschen, ohne Ansehen ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihres Geschlechtes, haben das Recht, an ihrem materiellen Fortschritt und ihrer geistigen Entwicklung in Freiheit und Würde, wirtschaftlich gesichert und unter gleichen Erfolgsmöglichkeiten zu arbeiten.
b. Die Schaffung der hierzu notwendigen Voraussetzungen muss das Hauptziel aller nationalen und internationalen Politik sein.
c. Alle nationalen und internationalen Aktionsprogramme und Massnahmen, hauptsächlich auf wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet, sind unter die­sem Gesichtspunkte zu beurteilen und nur so weit gutzuheissen, wie sie geeignet erscheinen, die Erreichung dieses hauptsächlichen Zweckes zu begünstigen, nicht aber zu hemmen.
d. Es ist Sache der Internationalen Arbeitsorganisation, alle internationalen Aktionsprogramme und Massnahmen wirtschaftlicher und finanzieller Art im Lichte dieses hauptsächlichen Zweckes zu prüfen und zu erwägen.
e. Bei Erfüllung der ihr anvertrauten Aufgaben kann die Internationale Arbeitsorganisation, nachdem sie alle massgebenden wirtschaftlichen und fi­nanziellen Umstände berücksichtigt hat, in ihre Beschlüsse und Empfehlun­gen alle ihr angemessen erscheinenden Bestimmungen aufnehmen.
III
Die Konferenz anerkennt die feierliche Verpflichtung der Internationalen Arbeitsor­ganisation, bei den verschiedenen Nationen der Erde die Verwirklichung von Pro­grammen mit folgenden Zwecksetzungen zu unterstützen:
a. Vollbeschäftigung und Verbesserung der Lebenshaltung;
b. Beschäftigung der Arbeitnehmer mit einer Tätigkeit, die ihnen die Genug­tuung bietet, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in vollem Umfang anzuwen­den und am besten zum allgemeinen Wohl beitragen zu können;
c. Verfolgung dieses Zieles durch Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten und durch Massnahmen, die geeignet sind, die Versetzung von Arbeitneh­mern zu begünstigen, einschliesslich der Wanderbewegung von Arbeitern und Ansiedlern, wobei allen Beteiligten ausreichende Sicherheiten zu bieten wären;
d. eine Regelung der Löhne und des Arbeitsverdienstes, der Arbeitszeit und der übrigen Arbeitsbedingungen, die jedermann einen gerechten Anteil an den Früchten des Fortschrittes und allen Arbeitnehmern, die eines solchen Schut­zes bedürfen, den lebensnotwendigen Mindestlohn sichert;
e. wirksame Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen, Zusammenar­beit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum Zwecke fortwährender Verbesserung der Organisation der Gütererzeugung und Zu­sammenwirken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der Vorbereitung und Durchführung der Sozial- und Wirtschaftspolitik;
f. Ausdehnung der sozialen Sicherheitsmassnahmen, um allen ein Grundeinkom­men zu gewährleisten, die einen solchen Schutz benötigen, ebenso wie vollständige ärztliche Betreuung;
g. angemessener Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer in allen Tätigkeitsgebieten;
h. Kinder- und Mütterschutz;
i. Schaffung befriedigender Ernährungs- und Wohnverhältnisse sowie ausrei­chender Erholungs- und Bildungsmöglichkeiten;
j. Gewährleistung gleicher Möglichkeiten in Erziehung und Beruf.
IV
Die Konferenz ist überzeugt, dass eine gründlichere und umfassendere Nutzung der wirtschaftlichen Hilfsquellen der Erde, die zur Verwirklichung der in dieser Erklä­rung aufgezählten Zwecke notwendig ist, durch eine wirksame Aktion auf internati­onalem und nationalem Boden und namentlich durch Massnahmen gewährleistet werden kann, die darauf abzielen, Gütererzeugung und -verbrauch zu steigern, ernstliche Wirtschaftsschwankungen zu verhüten, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der noch wenig erschlossenen Gebiete herbeizuführen, eine Festigung der Weltpreise von Rohstoffen und Waren zu gewährleisten und einen ständigen, ausgedehnten Welthandel zu fördern. Die Konferenz sichert deshalb die vollständige Mitarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation allen internationalen Einrichtun­gen zu, denen ein Teil der Verantwortung bei dieser gossen Aufgabe wie auch bei der Hebung des Gesundheits- und Bildungsstandes sowie der Wohlfahrt aller Völker anvertraut wird.
V
Die Konferenz bestätigt, dass die in dieser Erklärung verkündeten Grundsätze auf alle Völker der Erde voll anwendbar sind und dass, wenn auch in der Art, wie dies geschieht, das Mass der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung jedes Volk gebührend berücksichtigt werden muss, ihre fortschreitende Anwendung auf die Völker, die noch abhängig sind, ebenso wie auf diejenigen, die den Zustand der Selbstverwaltung erreicht haben, für die gesamte Kulturwelt von Bedeutung ist.
Der vorausgehende Text bildet die authentische Fassung der Urkunde von 1946 über die Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation, welche die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation am 9. Oktober 1946 in Montreal im Verlaufe ihrer neunundzwanzigsten Tagung ordnungsgemäss ange­nommen hat.
Der französische und der englische Wortlaut des Textes dieser Abänderungsurkunde sind in gleicher Weise massgebend.
Dies haben am 1. November 1946 durch ihre Unterschriften beurkundet:

Der Präsident der Konferenz:

Humphrey Mitchell

Der Generaldirektor
des Internationalen Arbeitsamtes:

Edward Phelan

Liste der Mitglieder der Organisation am 12. Oktober 2018 ¹⁵

¹⁵ AS 1973 1623 , 1976 1526 , 1981 1240 , 1985 280 , 2002 474 , 2012 3049 , 2018 3899 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Mitglied seit

Afghanistan

1934

Ägypten

1936

Albanien

1920 bis 1967 und seit 1991

Algerien

1962

Angola

1976

Antigua und Barbuda

1982

Äquatorialguinea

1981

Argentinien

1919

Armenien

1992

Aserbaidschan

1992

Äthiopien

1923

Australien

1919

Bahamas

1976

Bahrain

1977

Bangladesch

1972

Barbados

1967

Belarus

1954

Belgien

1919

Belize

1981

Benin

1960

Bhutan

1971

Bolivien

1919

Bosnien und Herzegowina

1993

Botswana

1978

Brasilien

1919

Brunei

2007

Bulgarien

1920

Burkina Faso

1960

Burundi

1963

Chile

1919

China

1919

Cook-Inseln

2015

Costa Rica

1920 bis 1927 und seit 1944

Côte d’Ivoire

1960

Dänemark

1920

Deutschland

1919 bis 1935 und seit 1951

Dschibuti

1978

Dominica

1982

Dominikanische Republik

1924

Ecuador

1934

El Salvador

1920 bis 1939 und seit 1948

Eritrea

1993

Estland

1992

Fidschi

1974

Finnland

1920

Frankreich

1919

Gabun

1960

Gambia

1995

Georgien

1993

Ghana

1957

Grenada

1979

Griechenland

1919

Guatemala

1919 bis 1938 und seit 1945

Guinea

1959

Guinea-Bissau

1977

Guyana

1966

Haiti

1919

Honduras

1919 bis 1938 und seit 1955

Indien

1919

Indonesien

1950

Irak

1932

Iran

1919

Irland

1923

Island

1945

Israel

1949

Italien

1919 bis 1939 und seit 1945

Jamaika

1962

Japan

1919 bis 1940 und seit 1951

Jemen

1965

Jordanien

1956

Kambodscha

1969

Kamerun

1960

Kanada

1919

Kapverden

1979

Kasachstan

1993

Katar

1972

Kenia

1964

Kirgisistan

1992

Kiribati

2000

Kolumbien

1920

Komoren

1978

Kongo (Brazzaville)

1960

Kongo (Kinshasa)

1960

Korea (Süd)

1991

Kroatien

1992

Kuba

1919

Kuwait

1961

Laos

1964

Lesotho

1966 bis 1971 und seit 1980

Lettland

1991

Libanon

1948

Liberia

1919

Libyen

1952

Litauen

1991

Luxemburg

1920

Madagaskar

1960

Malawi

1965

Malaysia

1957

Malediven

15. Mai 2009

Mali

1960

Malta

1965

Marokko

1956

Marshallinseln

3. Juli 2007

Mauretanien

1961

Mauritius

1969

Mazedonien

1993

Mexiko

1931

Moldau

1992

Mongolei

1968

Montenegro

14. Juli 2006

Mosambik

1976

Myanmar

1948

Namibia

1978

Nepal

1966

Neuseeland

1919

Nicaragua

1919 bis 1938 und seit 1957

Niederlande

1919

Niger

1961

Nigeria

1960

Norwegen

1919

Oman

1994

Österreich

1919 bis 1938 und seit 1947

Pakistan

1947

Palau

2012

Panama

1919

Papua-Neuguinea

1976

Paraguay

1919 bis 1937 und seit 1956

Peru

1919

Philippinen

1948

Polen

1919

Portugal

1919

Ruanda

1962

Rumänien

1919 bis 1942 und seit 1956

Russland

1934 bis 1940 und seit 1954

Salomon-Inseln

1984

Sambia

1964

Samoa

11. März 2005

San Marino

1982

Sao Tomé und Principe

1982

Saudi-Arabien

1976

Schweden

1919

Schweiz

1920

Senegal

1960

Serbien

1919 bis 1949 und seit 1951

Seychellen

1977

Sierra Leone

1961

Simbabwe

1980

Singapur

1965

Slowakei

1993

Slowenien

1992

Somalia

1960

Spanien

1920 bis 1941 und seit 1956

Sri Lanka

1948

St. Kitts und Nevis

1996

St. Lucia

1980

St. Vincent und die Grenadinen

1995

Südafrika

1919 bis 1966 und seit 1994

Sudan

1956

Südsudan

2012

Suriname

1976

Swasiland

1975

Syrien

1947

Tadschikistan

1993

Tansania

1962

Thailand

1919

Timor-Leste

19. August 2003

Togo

1960

Tonga

2016

Trinidad und Tobago

1963

Tschad

1960

Tschechische Republik

1993

Tunesien

1956

Türkei

1932

Turkmenistan

1993

Tuvalu

27. Mai 2008

Uganda

1963

Ukraine

1954

Ungarn

1922

Uruguay

1919

Usbekistan

1992

Vanuatu

22. Mai 2003

Venezuela

1920 bis 1957 und seit 1958

Vereinigte Arabische Emirate

1972

Vereinigte Staaten

1934 bis 1977 und seit 1980

Vereinigtes Königreich

1919

Vietnam

1950 bis 1985 und seit 1992

Zentralafrikanische Republik

1960

Zypern

1960

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