Übereinkommen Nr. 141 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle ... (0.822.724.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkommen Nr. 141 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung

Abgeschlossen in Genf am 23. Juni 1975 Von der Bundesversammlung genehmigt am 14. März 1977¹ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 23. Mai 1977 In Kraft getreten für die Schweiz am 23. Mai 1978 (Stand am 8. August 2018) ¹ Art. 1 Abs. 1 Bst. a des BB vom 14. März 1977 ( AS 1978 554 ).
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1975 zu ihrer sechzigsten Tagung zusammengetreten ist,
hält es in Anbetracht der Bedeutung der ländlichen Arbeitskräfte in der Welt für dringend, dass diese an den Massnahmen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beteiligt werden, wenn ihre Arbeits- und Lebensbedingungen auf die Dauer wirksam verbessert werden sollen;
stellt fest, dass in zahlreichen Ländern der Welt, vor allem in den Entwicklungsländern, der Boden ganz unzureichend genutzt wird und die Arbeitskräfte weitgehend unterbeschäftigt sind und dass die ländlichen Arbeitskräfte deshalb zur Entwicklung von freien und lebensfähigen Verbänden ermutigt werden müssen, die in der Lage sind, die Interessen ihrer Mitglieder zu schützen und zu fördern, und die die Gewähr dafür bieten, dass sie einen wirksamen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung leisten;
ist der Auffassung, dass solche Verbände zur Linderung der anhaltenden Lebensmittelknappheit in verschiedenen Teilen der Welt beitragen können und sollen;
erkennt an, dass die Bodenreform in vielen Entwicklungsländern eine wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der ländlichen Arbeitskräfte ist und dass die Verbände dieser Arbeitskräfte infolgedessen zusammenarbeiten und aktiv an der Durchführung dieser Reformen mitwirken sollten;
verweist auf die Bestimmungen der bestehenden internationalen Arbeitsübereinkommen und Empfehlungen – insbesondere auf das Übereinkommen über das Vereinigungsrecht (Landwirtschaft), 1921², das Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948³ und das Übereinkommen über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949⁴ –, in denen das Recht aller Arbeitnehmer einschliesslich der ländlichen Arbeitnehmer bekräftigt wird, freie und unabhängige Verbände zu gründen, sowie auf die Bestimmungen der zahlreichen internationalen Arbeitsübereinkommen und Empfehlungen, die für die ländlichen Arbeitnehmer gelten und in denen unter anderem gefordert wird, dass die Arbeitnehmerverbände an ihrer Durchführung beteiligt werden;
stellt fest, dass die Vereinten Nationen und die Sonderorganisationen, insbesondere die Internationale Arbeitsorganisation und die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft, an der Bodenreform und der ländlichen Entwicklung interessiert sind;
stellt fest, dass die nachstehenden Normen in Zusammenarbeit mit der Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft erarbeitet worden sind und dass zur Vermeidung von Überschneidungen die Zusammenarbeit mit dieser Organisation und den Vereinten Nationen fortgesetzt werden wird, um die Anwendung dieser Normen zu fördern und sicherzustellen;
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und
dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1975, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte, 1975, bezeichnet wird.
² SR 0.822.712.1 ³ SR 0.822.719.7 ⁴ SR 0.822.719.9
Art. 1
Dieses Übereinkommen gilt für alle Arten von Verbänden ländlicher Arbeitskräfte, einschliesslich von Verbänden, die nicht auf ländliche Arbeitskräfte beschränkt sind, sie aber vertreten.
Art. 2
1. Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck «ländliche Arbeitskräfte» alle in der Landwirtschaft, im Handwerk oder in verwandten Berufen in ländlichen Gebieten tätigen Personen, gleichviel ob sie Lohnempfänger sind oder nach Massgabe von Absatz 2 dieses Artikels selbständig erwerbstätig sind, wie etwa Pächter, Teilpächter oder Kleinlandwirte.
2. Dieses Übereinkommen gilt nur für diejenigen Pächter, Teilpächter oder Kleinlandwirte, die ihr Einkommen hauptsächlich aus der Landwirtschaft beziehen, den Boden selbst bewirtschaften, und zwar nur mit Hilfe ihrer Familienangehörigen oder mit gelegentlicher Hilfe familienfremder Arbeitskräfte, und die nicht
a) ständig Arbeitskräfte beschäftigen; oder
b) eine erhebliche Anzahl von Saisonarbeitern beschäftigen; oder
c) ihr Land von Teilpächtern oder Pächtern bewirtschaften lassen.
Art. 3
1. Alle Gruppen ländlicher Arbeitskräfte, ob Lohnempfänger oder selbständig Erwerbstätige, haben das Recht, ohne vorherige Genehmigung Verbände nach eigener Wahl zu bilden und solchen Verbänden beizutreten, wobei lediglich die Bedingung gilt, dass sie deren Satzungen einhalten.
2. Die Grundsätze der Vereinigungsfreiheit sind in vollem Masse zu achten, die Verbände ländlicher Arbeitskräfte müssen unabhängig sein, auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhen und dürfen keinerlei Eingriffen, Zwang oder Druck ausgesetzt werden.
3. Der Erwerb der Rechtspersönlichkeit durch Verbände ländlicher Arbeitskräfte darf nicht an Bedingungen geknüpft werden, die geeignet sind, die Anwendung der vorstehenden Absätze dieses Artikels zu beeinträchtigen.
4. Bei der Ausübung der ihnen in diesem Artikel zuerkannten Rechte haben sich die ländlichen Arbeitskräfte und ihre Verbände gleich anderen Personen oder organisierten Gemeinschaften an die Gesetze zu halten.
5. Die in diesem Artikel vorgesehenen Rechte dürfen weder durch die innerstaatliche Gesetzgebung noch durch die Art ihrer Anwendung geschmälert werden.
Art. 4
Eines der Ziele der innerstaatlichen Politik zur Entwicklung ländlicher Gebiete hat darin zu bestehen, die Gründung und Entwicklung starker und unabhängiger Verbände ländlicher Arbeitskräfte auf freiwilliger Grundlage zu erleichtern, um die Beteiligung der ländlichen Arbeitskräfte an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und an den sich daraus ergebenden Vorteilen auf wirksame Weise und ohne Diskriminierung – im Sinne des Übereinkommens über die Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf), 1958⁵ – sicherzustellen.
⁵ SR 0.822.721.1
Art. 5
1. Damit die Verbände ländlicher Arbeitskräfte ihre Rolle im Rahmen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung spielen können, hat jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, eine Politik der aktiven Förderung dieser Verbände festzulegen und zu verfolgen, um insbesondere die Hindernisse, die der Gründung und Entwicklung solcher Verbände und der Ausübung ihrer rechtmässigen Tätigkeit im Wege stehen, sowie jegliche Diskriminierung zu beseitigen, der die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Mitglieder seitens der Gesetzgebung oder Verwaltung möglicherweise ausgesetzt sind.
2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat sicherzustellen, dass die innerstaatliche Gesetzgebung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im ländlichen Bereich die Gründung und Entwicklung von Verbänden ländlicher Arbeitskräfte nicht behindert.
Art. 6
Es sind Massnahmen zu treffen, um soweit wie möglich Verständnis dafür zu wecken, wie notwendig die Förderung der Entwicklung von Verbänden ländlicher Arbeitskräfte ist und welchen Beitrag sie zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten und der allgemeinen Arbeits- und Lebensbedingungen in ländlichen Gebieten sowie zur Steigerung und besseren Verteilung des Volkseinkommens leisten können.
Art. 7
Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.
Art. 8
1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.
2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.
3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.
Art. 9
1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.
2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.
Art. 10
1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.
2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.
Art. 11
Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen⁶ vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.
⁶ SR 0.120
Art. 12
Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.
Art. 13
1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:
a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 9, vorausgesetzt, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.
b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.
2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.
Art. 14
Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Unterschriften

(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 8. August 2018 ⁷

⁷ AS 1978 555 , 1982 726 , 1985 291 , 1986 1187 , 1987 1456 , 1991 624 , 2005 1769 , 2008 4141 , 2018 3037 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Nachfolge­erklärung (N)

Inkrafttreten

Afghanistan

16. Mai

1979

16. Mai

1980

Albanien

18. August

2004 B

18. August

2005

Belgien

19. Dezember

2003

19. Dezember

2004

Belize

22. Juni

1999

22. Juni

2000

Brasilien

27. September

1994

27. September

1995

Burkina Faso

25. August

1997

25. August

1998

China

    Hongkong* a

  6. Juni

1997

  1. Juli

1997

Costa Rica

23. Juli

1991

23. Juli

1992

Dänemark b

  6. Juni

1978

  6. Juni

1979

Deutschland

 5. Dezember

1978

 5. Dezember

1979

Ecuador

26. Oktober

1977

26. Oktober

1978

El Salvador

15. Juni

1995

15. Juni

1996

Finnland

14. September

1977

14. September

1978

Frankreich

10. September

1984

10. September

1985

    Französisch-Guayana

  9. Mai

1986

  9. Mai

1986

    Französisch-Polynesien

  9. Mai

1986

  9. Mai

1986

    Guadeloupe

  9. Mai

1986

  9. Mai

1986

    Martinique

  9. Mai

1986

  9. Mai

1986

    Neukaledonien

  9. Mai

1986

  9. Mai

1986

    Réunion

  9. Mai

1986

  9. Mai

1986

    St. Pierre und Miquelon

  9. Mai

1986

  9. Mai

1986

Griechenland

17. Oktober

1989

17. Oktober

1990

Guatemala

13. Juni

1989

13. Juni

1990

Guyana

10. Januar

1983 N

10. Januar

1983

Indien

18. August

1977

18. August

1978

Israel

21. Juni

1979

21. Juni

1980

Italien

18. Oktober

1979

18. Oktober

1980

Kenia

 9. April

1979

 9. April

1980

Kuba

14. April

1977

14. April

1978

Mali

12. Juni

1995

12. Juni

1996

Malta

 9. Juni

1988

 9. Juni

1989

Mazedonien

  2. März

2018

  2. März

2019

Mexiko

28. Juni

1978

28. Juni

1979

Moldau

  4. April

2003

  4. April

2004

Nicaragua

 1. Oktober

1981

 1. Oktober

1982

Niederlande c

26. Januar

1977

26. Januar

1978

Norwegen

24. November

1976

24. November

1977

Österreich

18. September

1978

18. September

1979

Philippinen

18. Juni

1979

18. Juni

1980

Polen

29. November

1991

29. November

1992

Sambia

 4. Dezember

1978

 4. Dezember

1979

Schweden

19. Juli

1976

24. November

1977

Schweiz

23. Mai

1977

23. Mai

1978

Spanien

28. April

1978

28. April

1979

Ungarn

  4. Januar

1994

  4. Januar

1995

Uruguay

19. Juni

1989

19. Juni

1990

Venezuela

 5. Juli

1983

 5. Juli

1984

Vereinigtes Königreich

15. Februar

1977

15. Februar

1978

    Falklandinseln*

26. März

1979

26. März

1979

    Guernsey*

10. Februar

1979

20. Februar

1979

Zypern

28. Juni

1977

28. Juni

1978

* Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht. Die französi­schen und englischen Texte können auf der Internetseite der Internationalen
Arbeitsorganisation: www.ilo.org/ilolex/french/convdisp1.htm eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.
a
Vom 20. Juli 1979 bis zum 30. Juni 1997 war das Übereink. auf Grund einer
Ausdehnungserklärung des Vereinigten Königreichs in Hongkong anwendbar.
Seit dem 1. Juli 1997 bildet Hongkong eine Besondere Verwaltungsregion (SAR) der Volksrepublik China. Auf Grund der chinesischen Erklärung vom 6. Juni 1997 ist das Übereink. seit dem 1. Juli 1997 auch in der SAR Hongkong anwendbar.
b
Das Übereink. ist nicht auf die Färöerinsel und Grönland anwendbar.
c
Das Übereink. ist nicht auf Aruba anwendbar.
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