Abkommen (0.732.977.2)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Zusammenarbeit bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie ² Abgeschlossen am 6. April 1990 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 18. April 1990 ¹ Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der entsprechenden Ausgabe dieser Sammlung. ² Dieses Abk. bleibt im Verhältnis zu Russland in Kraft.
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
im Wunsche, ihre Zusammenarbeit bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie zu fördern und auszuweiten;
in Erwägung, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Parteien des Vertrages vom 1. Juli 1968³ über die Nichtverbreitung von Kernwaffen sind, der im folgenden als «der Vertrag» bezeichnet wird;
in Erwägung, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft als Nicht‑Kernwaffenstaat mit der Internationalen Atomenergieorganisation, die im folgenden als «die Agentur» bezeichnet wird, am 6. September 1978⁴ das Abkommen mit dem Titel «Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Internationalen Atomenergieorganisation über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen im Rahmen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen» (Dokument INFCIRC/264 der Agentur) abgeschlossen hat;
in Erwägung, dass die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als Kernwaffenstaat gemäss der Definition des Vertrages am 21. Februar 1985 mit der Agentur das Abkommen mit dem Titel «Abkommen zwischen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Internationalen Atomenergieorganisation über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen in der Union der Sozialistischen Sowjet­republiken» (Dokument INFCIRC/327 der Agentur) abgeschlossen hat;
in Anerkennung der Tatsache, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken beschlossen haben, dass sie sich bei der Ausfuhr von nuklearem Material, nuklearer Ausrüstung und Technologie an die Grundsätze der «Richtlinien für die nukleare Weitergabe» halten werden, die im Anhang zum Dokument INFCIRC/254 der Agentur veröffentlicht sind;
sind wie folgt übereingekommen:
³ SR 0.515.03 ⁴ SR 0.515.031
Art. I Definitionen
Zum Zwecke dieses Abkommens:
a) bedeutet «zuständige Behörde» im Falle der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Bundesamt für Energiewirtschaft und im Falle der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken das Ministerium für Atomenergie und ‑industrie oder eine andere Stelle, welche die betreffende Partei der anderen Partei gegebenenfalls notifizieren kann;
b) bedeutet «nichtnukleares Material» folgendes: 1. Deuterium und Schwerwasser: Deuterium und Deuteriumverbindungen, bei denen das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff mehr als 1 zu 5000 beträgt, in Mengen, die 200 kg Deuteriumatome innerhalb von 12 Monaten überschreiten.
2. Graphit für nukleare Zwecke: Graphit mit einem Reinheitsgrad von mehr als 5 ppm Boräquivalent und einer Dichte von mehr als 1,5 g/ccm in Mengen, die 30 metrische Tonnen innerhalb von 12 Monaten überschreiten.
c) bedeutet «Kernmaterial» «Ausgangs‑» oder «besonderes spaltbares Mate­rial» gemäss Definition dieser Begriffe in Artikel XX des Statuts⁵ der Agentur. Jeder Entscheid des Gouverneursrates der Agentur gemäss Artikel XX des Statuts der Agentur, der die Liste der Materialien, die als «Ausgangs‑» oder «besonderes spaltbares Material» gelten, abändert, ist im Rahmen dieses Abkommens nur dann anwendbar, wenn beide Parteien des Abkommens sich gegenseitig ihre Zustimmung zu einer solchen Änderung schriftlich mitgeteilt haben;
d) bedeutet «Empfehlungen der Agentur» im Zusammenhang mit der Sicherung die Empfehlungen, die im Dokument INFCIRC/225/Rev. 2 mit dem Titel «The Physical Protection of Nuclear Material» und dessen künftigen Änderungen oder in irgendeinem späteren Dokument, das INFCIRC/225/Rev. 2 ersetzen könnte, enthalten sind. Künftige Abänderungen der Empfehlungen für die Sicherung sind im Rahmen dieses Abkommens nur dann anwendbar, wenn beide Parteien des Abkommens sich gegenseitig ihre Zustimmung zu einer solchen Abänderung schriftlich mitgeteilt haben.
⁵ SR 0.732.011
Art. II Anwendungsbereich
1.  Dieses Abkommen ist anwendbar auf:
a) Kernmaterial und nichtnukleares Material, das zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken für friedliche, nichtexplosive Zwecke entweder direkt oder über einen dritten Staat ausgetauscht wird;
b) alle Formen von Kernmaterial, die durch chemische oder physikalische Verfahren oder durch Isotopentrennung hergestellt werden, wobei die auf diese Weise hergestellte Menge nur in dem Verhältnis unter den Geltungsbereich des Abkommens fällt, in welchem die zur Herstellung verwendete und unter das Abkommen fallende Menge zur verwendeten Gesamtmenge steht;
c) alle Generationen von Kernmaterial, die durch Neutronen‑Bestrahlung hergestellt werden, wobei die auf diese Weise hergestellte Menge von Kern­material nur in dem Verhältnis unter den Anwendungsbereich des Abkommens fällt, in welchem die unter das Abkommen fallende und zur Herstellung verwendete Menge von Kernmaterial zu dieser Herstellung beiträgt.
2.  Die in Paragraph 1 dieses Artikels erwähnten Güter werden im Rahmen dieses Abkommens nur einer natürlichen oder juristischen Person übertragen, die von der zuständigen Behörde des Empfängerstaates als gebührend berechtigt erklärt wird, solche Güter in Empfang zu nehmen.
3.  Die zuständigen Behörden der beiden Parteien schliessen Notifikations‑ und andere Verwaltungsvereinbarungen ab, um die Bestimmungen dieses Artikels anzuwenden.
Art. III Friedliche Nutzung
Kernmaterial und nichtnukleares Material, die unter dieses Abkommen fallen, sollen weder für die Entwicklung und Herstellung von Kernwaffen oder anderen Kernsprengkörpern noch für militärische Zwecke verwendet werden.
Art. IV Sicherung
Jede Partei soll die erforderlichen Massnahmen treffen, um eine angemessene Sicherung des Kernmaterials auf ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten, und als Minimum die Sicherungsmassnahmen ergreifen, welche den Anforderungen der Empfehlungen der Agentur entsprechen.
Art. V Garantien
1.  Was das Kernmaterial betrifft, so soll die Einhaltung der in Artikel III dieses Abkommens eingegangenen Verpflichtungen gemäss dem Kontrollabkommen zwischen jeder Partei und der Agentur überprüft werden.
2.  In der Schweizerischen Eidgenossenschaft wird die in Paragraph 1 dieses Artikels erwähnte Anforderung durch das am 6. September 1978⁶ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Internationalen Atomenergieagentur abgeschlossene Abkommen über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen im Rahmen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen erfüllt.
In der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken wird die in Paragraph 1 dieses Artikels erwähnte Anforderung erfüllt, wenn das Kernmaterial, das unter dieses Abkommen fällt, dem am 21. Februar 1985 zwischen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Internationalen Atomenergieagentur geschlossenen Abkommen über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken unterstellt ist.
3.  Wenn aus irgendeinem Grund oder zu irgendeinem Zeitpunkt Kernmaterial, das unter dieses Abkommen fällt, auf dem Gebiet einer Partei nicht den beidseitig annehmbaren Sicherungsmassnahmen der Agentur unterstellt ist oder sein wird, so soll diese Partei unverzüglich ein Abkommen mit der anderen Partei abschliessen, um eine Regelung für Sicherungsmassnahmen zu erreichen, die auf dieses Kern­material Anwendung findet und welche Sicherungsmassnahmen vorsieht, die den­jenigen im Abkommen über Sicherungsmassnahmen, das zwischen der Partei und der Agentur zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens gilt, gleichwertig sind.
⁶ SR 0.515.031
Art. VI Wiederausfuhr
1.  Kernmaterial und nichtnukleares Material, die unter dieses Abkommen fallen, dürfen aus dem Hoheitsgebiet einer Partei nicht ohne vorgängige Einwilligung der anderen Partei ausgeführt werden.
2.  Die Parteien können eine Vereinbarung treffen, um die Anwendung von Paragraph 1 dieses Artikels zu erleichtern.
Art. VII Geltungsdauer der Bestimmungen über Kernmaterial und nichtnukleares Material
1.  Das in Artikel II dieses Abkommens erwähnte Kernmaterial bleibt den Bestimmungen dieses Abkommens unterstellt bis:
a) festgestellt wird, dass es nicht mehr verwendbar ist oder praktisch nicht mehr in eine Form gebracht werden kann, welche irgendeine kontrollrelevante nukleare Verwendung erlaubt; oder
b) es aus dem Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Übereinstimmung mit den Bestimmungen von Artikel VI dieses Abkommens wiederausgeführt worden ist; oder
c) die Parteien anders darüber befinden.
2.  Das in Artikel II dieses Abkommens erwähnte nichtnukleare Material bleibt den Bestimmungen dieses Abkommens unterstellt bis:
a) es aus dem Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Übereinstimmung mit den Bestimmungen von Artikel VI dieses Abkommens wiederausgeführt worden ist; oder
b) die Parteien anders darüber befinden.
3.  Zur Bestimmung, wann das unter dieses Abkommen fallende Kernmaterial nicht mehr verwendet oder praktisch nicht mehr in eine Form gebracht werden kann, welche eine gemäss Artikel V dieses Abkommens kontrollrelevante nukleare Verwendung erlaubt, nehmen die Parteien den Entscheid der Agentur an. Für die Bedürfnisse dieses Abkommens trifft die Agentur diesen Entscheid gemäss den Bestimmungen betreffend die Aufhebung der Kontrollen, die im Kontrollabkommen zwischen der betreffenden Partei und der Agentur enthalten sind.
Art. VIII Streitbeilegung
1.  Jede Meinungsverschiedenheit bezüglich Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens soll auf dem Weg von Verhandlungen geregelt werden, die sich die Parteien in gutem Glauben zu führen verpflichten.
2.  Gelingt es den beiden Parteien trotz ihrer Bemühungen nicht, eine Meinungsverschiedenheit auf dem Verhandlungsweg zu regeln, so ist diese auf Ersuchen der einen oder anderen Partei einem Schiedsgericht, bestehend aus drei gemäss den Bestimmungen dieses Artikels zu ernennenden Schiedsrichtern, zu unterbreiten.
3.  Jede Partei bezeichnet einen Schiedsrichter, der aus ihrem Staat stammen kann, und die zwei so bezeichneten Schiedsrichter wählen einen dritten, aus einem Drittstaat stammenden Richter, der das Gericht präsidiert.
Wenn in den sechzig auf das Schiedsgesuch folgenden Tagen eine der Parteien ihren Schiedsrichter noch nicht bezeichnet hat, kann jede Streitpartei beim Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes die Ernennung eines Schiedsrichters verlangen.
Dasselbe Verfahren soll angewendet werden, wenn in den sechzig auf die Bezeichnung oder Ernennung des zweiten Schiedsrichters folgenden Tagen der dritte Schiedsrichter noch nicht gewählt ist.
4.  Die Mehrheit aller Mitglieder des Schiedsgerichts bilden das Quorum. Alle Entscheide werden mit Stimmenmehrheit aller Mitglieder des Schiedsgerichts getroffen. Das Schiedsverfahren wird vom Schiedsgericht festgelegt.
Die Gerichtsentscheide sind für beide Parteien verbindlich und durch sie anzuwenden.
Art. IX Änderungen des Abkommens
1.  Dieses Abkommen kann jederzeit durch schriftliche Vereinbarung der Parteien abgeändert werden.
2.  Jede Änderung dieser Art tritt gemäss dem in Artikel X dieses Abkommens vorgesehenen Verfahren in Kraft.
Art. X Inkrafttreten und Geltungsdauer
1.  Dieses Abkommen tritt an dem Tag in Kraft, der auf den Erhalt der letzten Notifikation folgt, welche den Abschluss des zum Inkrafttreten notwendigen internen Rechtsverfahrens bestätigt.
2.  Dieses Abkommen bleibt zunächst für dreissig Jahre in Kraft und wird automatisch um Perioden von jeweils fünf Jahren verlängert, falls keine Partei der anderen durch schriftliche Notifikation sechs Monate vor dem nächsten Fälligkeitstermin ihre Absicht mitteilt, es zu beenden.
3.  Unbeschadet des Erlöschens dieses Abkommens bleiben die durch die Parteien eingegangenen Verpflichtungen gemäss Artikel II, III, IV, V, VI, VII und VIII solange in Kraft, bis die Parteien anders befinden.
Geschehen zu Moskau, am 6. April 1990, in zwei Exemplaren, jedes in französischer und russischer Sprache, wobei deren Wortlaut gleichermassen rechtsgültig ist.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die Regierung
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken:

Ogi

Konowalow

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