Übereinkommen über das auf Strassenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (0.741.31)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkommen über das auf Strassenverkehrsunfälle anzuwendende Recht

Abgeschlossen in Den Haag am 4. Mai 1971 Von der Bundesversammlung genehmigt am 4. Oktober 1985² Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 3. November 1986 In Kraft getreten für die Schweiz am 2. Januar 1987 (Stand am 14. Mai 2013) ¹ Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der entsprechenden Ausgabe dieser Sammlung. ² AS 1986 2252
Die Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens,
in dem Wunsch, gemeinsame Bestimmungen über das auf die ausservertragliche zivilrechtliche Haftung bei Strassenverkehrsunfällen anzuwendende Recht festzu­legen,
haben beschlossen, zu diesem Zweck ein Übereinkommen zu schliessen, und haben folgende Bestimmungen vereinbart:
Art. 1
Dieses Übereinkommen bestimmt das auf die ausservertragliche zivilrechtliche Haftung aus einem Strassenverkehrsunfall anzuwendende Recht, unabhängig von der Art des Verfahrens, in dem darüber befunden wird.
Unter Strassenverkehrsunfall im Sinne dieses Übereinkommens ist jeder Unfall zu verstehen, an dem ein oder mehrere Fahrzeuge, ob Motorfahrzeuge oder nicht, beteiligt sind und der mit dem Verkehr auf öffentlichen Strassen, auf öffentlich zugänglichem Gelände oder auf nichtöffentlichem, aber einer gewissen Anzahl befugter Personen zugänglichem Gelände zusammenhängt.
Art. 2
Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden:
1. auf die Haftung von Fahrzeugherstellern, -verkäufern und -reparatur­unter­nehmern;
2. auf die Haftung des Eigentümers des Verkehrswegs oder jeder anderen Person, die für die Instandhaltung des Weges oder die Sicherheit der Benutzer zu sorgen hat;
3. auf die Haftung für Dritte, ausgenommen die Haftung des Fahrzeug­eigentümers oder des Geschäftsherrn;
4. auf Rückgriffsansprüche zwischen haftpflichtigen Personen;
5. auf Rückgriffsansprüche und den Übergang von Ansprüchen, soweit Versicherer betroffen sind;
6. auf Ansprüche und Rückgriffsansprüche, die von Einrichtungen der sozialen Sicherheit, Trägem der Sozialversicherung oder anderen ähnlichen Einrichtungen und öffentlichen Motorfahrzeug-Garantiefonds oder gegen sie geltend gemacht werden, sowie auf jeden Haftungsausschluss, der in dem für diese Einrichtungen massgebenden Recht vorgesehen ist.
Art. 3
Das anzuwendende Recht ist das innerstaatliche Recht des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat.
Art. 4
Vorbehältlich des Artikels 5 wird in folgenden Fällen von Artikel 3 abgewichen:
a) Ist nur ein Fahrzeug an dem Unfall beteiligt und ist dieses Fahrzeug in einem anderen als dem Staat zugelassen, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, so ist das innerstaatliche Recht des Zulassungsstaates anzuwenden auf die Haftung – gegenüber dem Fahrzeugführer, dem Halter, dem Eigentümer oder jeder anderen Person, die hinsichtlich des Fahrzeuges ein Recht hat, ohne Rücksicht auf ihren gewöhnlichen Aufenthalt;
– gegenüber einem Geschädigten, der Fahrgast war, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen als dem Staat hatte, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat;
– gegenüber einem Geschädigten, der sich am Unfallort ausserhalb des Fahrzeuges befand, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zulassungsstaat hatte.
Im Falle mehrerer Geschädigter wird das anzuwendende Recht für jeden von ihnen gesondert bestimmt.
b) Sind mehrere Fahrzeuge an dem Unfall beteiligt, so ist Buchstabe a) nur anzuwenden, wenn alle Fahrzeuge im selben Staat zugelassen sind.
c) Sind Personen an dem Unfall beteiligt, die sich am Unfallort ausserhalb der Fahrzeuge befanden, so sind die Buchstaben a) und b) nur anzuwenden, wenn alle diese Personen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zulassungsstaat hatten. Dies gilt selbst dann, wenn diese Personen auch Geschädigte des Unfalls sind.
Art. 5
Das Recht, das nach den Artikeln 3 und 4 auf die Haftung gegenüber dem Fahrgast anzuwenden ist, regelt auch die Haftung für Schäden an den mit dem Fahrzeug beförderten Sachen, die dem Fahrgast gehören oder ihm anvertraut worden sind.
Das Recht, das nach den Artikeln 3 und 4 auf die Haftung gegenüber dem Fahrzeugeigentümer anzuwenden ist, regelt die Haftung für Schäden an anderen als den in Absatz 1 bezeichneten mit dem Fahrzeug beförderten Sachen.
Das Recht, das auf die Haftung für Schäden an ausserhalb des oder der Fahrzeuge befindlichen Sachen anzuwenden ist, ist das Recht des Staates, in dessen Hoheits­gebiet sich der Unfall ereignet hat. Die Haftung für Schäden an der ausserhalb der Fahrzeuge befindlichen persönlichen Habe des Geschädigten unterliegt jedoch dem innerstaatlichen Recht des Zulassungsstaates, wenn dieses Recht auf die Haftung gegenüber dem Geschädigten nach Artikel 4 anzuwenden ist.
Art. 6
Bei nicht zugelassenen oder in mehreren Staaten zugelassenen Fahrzeugen tritt an die Stelle des innerstaatlichen Rechts des Zulassungsstaates das Recht des Staates des gewöhnlichen Standorts. Das gleiche gilt, wenn weder der Eigentümer noch der Halter noch der Führer des Fahrzeuges zur Zeit des Unfalls ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zulassungsstaat hatten.
Art. 7
Unabhängig von dem anzuwendenden Recht sind bei der Bestimmung der Haftung die am Ort und zur Zeit des Unfalls geltenden Verkehrs‑ und Sicherheitsvorschriften zu berücksichtigen.
Art. 8
Das anzuwendende Recht bestimmt insbesondere:
1. die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung;
2. die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung und jede Aufteilung der Haftung;
3. das Vorhandensein und die Art zu ersetzender Schäden;
4. die Art und den Umfang des Ersatzes;
5. die Übertragbarkeit des Ersatzanspruchs,
6. die Personen, die Anspruch auf Ersatz des persönlich erlittenen Schadens haben;
7. die Haftung des Geschäftsherrn für seinen Gehilfen;
8. die Verjährung und den auf Zeitablauf beruhenden Rechtsverlust, einschliesslich des Beginns der Unterbrechung und der Hemmung der Fristen.
Art. 9
Die geschädigten Personen haben ein unmittelbares Klagerecht gegen den Versicherer des Haftpflichtigen, wenn ihnen ein solches Recht nach dem gemäss Artikel 3, 4 oder 5 anzuwendenden Recht zusteht.
Sieht das nach Artikel 4 oder 5 anzuwendende Recht des Zulassungsstaats ein unmittelbares Klagerecht nicht vor, so kann es gleichwohl ausgeübt werden, wenn es vom innerstaatlichen Recht des Staates zugelassen ist, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat.
Sieht keines dieser Rechte ein solches Klagerecht vor, so kann es ausgeübt werden, wenn es von dem Recht zugelassen ist, das für den Versicherungsvertrag mass­gebend ist.
Art. 10
Die Anwendung eines der durch dieses Übereinkommen für anwendbar erklärten Rechte kann nur ausgeschlossen werden, wenn sie mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist.
Art. 11
Die Anwendung der Artikel 1–10 ist unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit. Das Übereinkommen ist auch anwendbar, wenn das anzuwendende Recht nicht das Recht eines Vertragsstaats ist.
Art. 12
Jede Gebietseinheit, die Teil eines Staates mit einem nicht einheitlichen Rechtssystem ist, wird im Sinne der Artikel 2–11 als Staat angesehen, wenn sie ihr eigenes Rechtssystem in Bezug auf die ausservertragliche zivilrechtliche Haftung bei Stras­senverkehrsunfällen hat.
Art. 13
Ein Staat mit einem nicht einheitlichen Rechtssystem ist nicht verpflichtet, dieses Übereinkommen auf Unfälle anzuwenden, die sich in seinem Hoheitsgebiet ereignen und an denen nur Fahrzeuge beteiligt sind, die in den Gebietseinheiten dieses Staates zugelassen sind.
Art. 14
Ein Staat mit einem nicht einheitlichen Rechtssystem kann bei der Unterzeichnung, der Ratifizierung oder dem Beitritt erklären, dass dieses Übereinkommen sich auf alle oder nur auf eines oder mehrere seiner Rechtssysteme erstreckt; er kann diese Erklärung jederzeit durch eine neue Erklärung ändern.
Diese Erklärungen werden dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande notifiziert, sie haben anzugeben, auf welche Rechtssysteme das Übereinkommen anzuwenden ist.
Art. 15
Dieses Übereinkommen hat keinen Vorrang gegenüber anderen Übereinkommen, deren Vertragsparteien die Vertragsstaaten sind oder werden und die auf besonderen Gebieten die ausservertragliche zivilrechtliche Haftung aus einem Strassenverkehrsunfall regeln.
Art. 16
Dieses Übereinkommen liegt für die auf der Elften Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht vertretenen Staaten zur Unterzeichnung auf.
Es bedarf der Ratifizierung; die Ratifikationsurkunden sind beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu hinterlegen.
Art. 17
Dieses Übereinkommen tritt am sechzigsten Tag nach der in Artikel 16 Absatz 2 vorgesehenen Hinterlegung der dritten Ratifikationsurkunde in Kraft.
Das Übereinkommen tritt für jeden Unterzeichnerstaat, der es später ratifiziert, am sechzigsten Tag nach Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde in Kraft.
Art. 18
Jeder auf der Elften Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht nicht vertretene Staat, der Mitglied dieser Konferenz oder der Vereinten Nationen oder einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen oder Vertragspartei der Satzung des Internationalen Gerichtshofs ist, kann diesem Übereinkommen beitreten, nachdem es gemäss Artikel 17 Absatz 1 in Kraft getreten ist.
Die Beitrittsurkunde ist beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu hinterlegen.
Das Übereinkommen tritt für den beitretenden Staat am sechzigsten Tag nach der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft.
Der Beitritt wirkt nur im Verhältnis zwischen dem beitretenden Staat und den Vertragsstaaten, die erklärt haben, den Beitritt anzunehmen. Die Erklärung ist beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu hinterlegen; dieses übermittelt jedem Vertragsstaat auf diplomatischem Wege eine beglaubigte Abschrift.
Das Übereinkommen tritt zwischen dem beitretenden Staat und dem Staat, der erklärt hat, den Beitritt anzunehmen, am sechzigsten Tag nach Hinterlegung der Annahmeerklärung in Kraft.
Art. 19
Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung, der Ratifizierung oder dem Beitritt erklären, dass dieses Übereinkommen sich auf alle Hoheitsgebiete, deren internationale Beziehungen er wahrnimmt, oder auf eines oder mehrere dieser Hoheitsgebiete erstreckt. Diese Erklärung wird wirksam, sobald das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft tritt.
Später wird jede derartige Erstreckung dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande notifiziert.
Das Übereinkommen tritt für die Hoheitsgebiete, auf die es erstreckt wird, am sechzigsten Tag nach der in Absatz 1 bezeichneten Notifizierung in Kraft.
Art. 20
Dieses Übereinkommen gilt für die Dauer von fünf Jahren, beginnend mit dem Tag, an dem es nach Artikel 17 Absatz 1 in Kraft tritt, dies gilt auch für die Staaten, die es später ratifiziert haben oder ihm später beigetreten sind.
Die Geltungsdauer des Übereinkommens verlängert sich, ausser im Fall der Kündigung, stillschweigend um jeweils fünf Jahre.
Die Kündigung ist spätestens sechs Monate vor Ablauf der fünf Jahre dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande zu notifizieren.
Die Kündigung kann sich auf einzelne Hoheitsgebiete beschränken, für die das Übereinkommen gilt.
Die Kündigung wirkt nur für den Staat, der sie notifiziert hat. Für die anderen Vertragsstaaten bleibt das Übereinkommen in Kraft.
Art. 21
Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande notifiziert den in Artikel 16 bezeichneten Staaten und den Staaten, die nach Artikel 18 beigetreten sind,
a) jede Unterzeichnung und Ratifikation nach Artikel 16;
b) den Tag, an dem dieses Übereinkommen nach Artikel 17 Absatz 1 in Kraft tritt;
c) jeden Beitritt nach Artikel 18 und den Tag, an dem der Beitritt wirksam wird;
d) jede Erklärung nach den Artikeln 14 und 19;
e) jede Kündigung nach Artikel 20 Absatz 3.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hiezu gehörig Bevollmächtigten dieses Übereinkommen unterzeichnet.
Geschehen in Den Haag am 4. Mai 1971 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der Regierung der Niederlande hinterlegt und von der jedem auf der Elften Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht vertretenen Staat auf diplomatischem Wege eine beglaubigte Abschrift übermittelt wird.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 14. Mai 2013 ³

³ AS 1986 2253 , 1990 1767 , 2004 617 , 2009 3713 und 2013 1553 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation
Beitritt (B)
Nachfolge­erklärung (N)

Inkrafttreten

Belarusa b

16. April

1999 B

18. Mai

2001

Belgien

  4. April

1975

  3. Juni

1975

Bosnien und Herzegowina

  1. Oktober

1993 N

  6. März

1992

Frankreich

  7. Februar

1972

  3. Juni

1975

Kroatien

23. April

1993 N

  8. Oktober

1991

Lettlanda b

16. August

2000 B

18. Mai

2001

Litauena b

23. Januar

2002 B

29. März

2008

Luxemburg

14. Oktober

1980

13. Dezember

1980

Marokkoa b

26. April

2010 B

  2. Januar

2011

Mazedonien

23. September

1993 N

  8. September

1991

Montenegro

  1. März

2007 N

  3. Juni

2006

Niederlande

31. Oktober

1978

30. Dezember

1978

    Aruba

31. Oktober

1978

30. Dezember

1978

    Curaçao

31. Oktober

1978

30. Dezember

1978

    Karibische Gebiete (Bonaire,
    Sint Eustatius und Saba)

31. Oktober

1978

30. Dezember

1978

    Sint Maarten

31. Oktober

1978

30. Dezember

1978

Österreich

12. März

1975

  3. Juni

1975

Polena b

29. März

2002

29. März

2008

Schweiz

  3. November

1986

  2. Januar

1987

Serbien

26. April

2001 N

16. Dezember

1975

Slowakei

26. April

1993 N

  1. Januar

1993

Slowenien

  8. Juni

1992 N

25. Juni

1991

Spanien

22. September

1987

21. November

1987

Tschechische Republik

28. Januar

1993 N

  1. Januar

1993

a

In Anwendung von Artikel 18 wirkt der Beitritt nur im Verhältnis zwischen dem
beitretenden Staat und den Vertragsstaaten, die ihre Zustimmung zum Beitritt erklärt haben. Weitere Auskünfte können auf der Internetseite der Haager Konferenz: www.hcch.net.

b

Datum des Inkrafttretens zwischen der Schweiz und diesem Staat.

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