Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Sloweni... (0.360.691.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität

Abgeschlossen am 27. Juli 2004 Von der Bundesversammlung genehmigt am 16. Dezember 2005¹ In Kraft getreten durch Notenaustausch am 11. Mai 2006 (Stand am 8. August 2006) ¹ AS 2006 3055
Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Republik Slowenien,
nachfolgend die «Parteien» genannt,
in der Absicht, einen Beitrag zur Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen zu leisten,
in der Überzeugung, dass die Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere der organisierten Kriminalität, des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen sowie des Terrorismus, von wesentlicher Bedeutung ist,
in der Achtung der Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger sowie
in Beachtung der internationalen Verpflichtungen und der nationalen Rechtsnormen,
sind wie folgt übereingekommen:

Zweck des Abkommens

Art. 1
Der Zweck des Abkommens ist die Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen den Parteien bei der Verhinderung, Entdeckung und Aufklärung von strafbaren Handlungen in den in Artikel 2 dieses Abkommens genannten Bereichen, insbesondere durch den Austausch von strategischen und operativen Informationen sowie regelmässige Kontakte zwischen den Parteien auf allen sich entsprechenden Ebenen.

Anwendungsbereich

Art. 2 Vom Abkommen erfasste Kriminalitätsbereiche
Die Zusammenarbeit nach Massgabe dieses Abkommens bezieht sich auf alle Kriminalitätsbereiche, insbesondere auf:
a) organisierte Kriminalität;
b) Terrorismus in allen Erscheinungsformen;
c) illegaler Handel mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen;
d) illegale Beschaffung, Besitz und Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen, chemischen, biologischen und radioaktiven Materialien, Waren und Technologien von strategischer Wichtigkeit oder militärische Technologie;
e) Straftaten gegen Objekte von kulturhistorischer Bedeutung;
f) Menschenhandel und -schmuggel;
g) Pädophilie und sexuelle Ausbeutung von Kindern;
h) Fälschung oder Verfälschung von Geld, Zahlungsmitteln und offiziellen Dokumenten;
i) Geldwäscherei und Wirtschaftskriminalität;
j) Straftaten im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen;
k) Korruption;
l) Computerkriminalität.
Art. 3 Nationales Recht
Die Zusammenarbeit nach diesem Vertrag und dessen Vollzug erfolgen nach Massgabe des nationalen Rechts der Parteien.
Art. 4 Internationale Abkommen
Die Bestimmungen dieses Abkommens lassen die Rechte und Pflichten der Parteien aus anderen internationalen Übereinkünften unberührt.

Kooperationsbereiche

Art. 5 Informationsaustausch und Kommunikation
1.  Die Parteien unterstützen sich gegenseitig durch den Austausch personenbezo­gener und nicht personenbezogener Daten und Materialien, insbesondere durch:
a) die Übermittlung von Informationen über strafbare Handlungen, Mitteilung der Personalien der Täter und weiterer Tatbeteiligter, Angaben über Tatverdächtige sowie Angaben über die Tatbegehungsweise und die getroffenen Massnahmen;
b) den Austausch von Beweismitteln oder Informationen über Gegenstände, die einen Zusammenhang mit einer Straftat aufweisen;
c) die Übermittlung von Erfahrungen und Erkenntnissen, insbesondere über neue Formen der Kriminalität;
d) den regelmässigen Austausch von Lageanalysen;
e) regelmässige und unverzügliche Unterrichtung über vorgesehene Aktionen und Spezialeinsätze;
f) gegenseitige Information über die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts sowie deren Änderung.
2.  Im Bereich der Kommunikation unterstützen sich die Parteien durch:
a) Benennung von Kontaktpersonen mit Kenntnissen der Sprache der anderen Partei;
b) den Austausch wichtiger Telefon- und Telefaxnummern sowie E-Mail­Adressen.
3.  Sensitive Daten über Einzelpersonen und Persönlichkeitsprofile im Sinne des Artikels 6 des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten² (Strassburg, 28. Januar 1981) können in Anwendung des Artikels 5 Absatz 1 dieses Abkommens nur übermittelt werden, wenn es unbedingt erforderlich ist und nur gemeinsam mit anderen Daten.
4.  Die zuständigen Behörden der Parteien können Informationen direkt austauschen, sofern nach dem nationalen Recht die Bearbeitung des Informationsersuchens nicht den Justizbehörden vorbehalten ist und die Erledigung des Ersuchens die Anwendung von Zwangsmassnahmen durch die ersuchte Partei nicht erfordert.
² SR 0.235.1
Art. 6 Gemeinsame Arbeitsgruppen
1.  Die zuständigen Behörden der Parteien können bei Bedarf gemischte Ana­lyseteams, Arbeitsgruppen sowie gemischt besetzte Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen bilden, in denen Beamte eines Vertragsstaates bei Einsätzen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates ohne Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse beratend und unterstützend tätig werden.
2.  Die Regierungen der Parteien können die weiteren Modalitäten der Zusammenarbeit gemäss Absatz 1 in einer gesonderten Vereinbarung regeln.
Art. 7 Verstärkung der Koordination
1.  Die zuständigen Behörden der Parteien intensivieren die Zusammenarbeit durch Verstärkung der Koordination bei operativen Einsätzen.
2.  Die zuständigen Behörden verstärken die Koordination insbesondere bei der Durchführung spezieller Ermittlungstechniken und Massnahmen wie zum Beispiel kontrollierte Lieferung, Observation und verdeckte Ermittlung zum Zwecke der Beweiserhebung und Anhebung eines Strafverfahrens.
3.  Beamte, die im Rahmen koordinierter Einsätze gemäss Absatz 2 tätig werden, sollen die Modalitäten derjenigen Partei berücksichtigen, in deren Hoheitsgebiet die Ermittlungen zur Hauptsache im Gange sind.
4.  Die zuständigen Behörden können im Einzelfall gemeinsam festlegen, ob die Umsetzung dieses Artikels eine Kostenaufteilung rechtfertigt.
5.  Die weiteren Modalitäten der Zusammenarbeit gemäss den Absätzen 1–3 können die Regierungen in einer gesonderten Vereinbarung regeln.
Art. 8 Training und Ausbildung
Im Bereich des Trainings und der Ausbildung unterstützen sich die Vertragsparteien insbesondere durch:
a) Unterstützung von Ausbildungskursen in slowenischer, deutscher, französischer und italienischer Sprache;
b) Durchführung gemeinsamer Seminare, Übungen und Trainingskurse;
c) Schulung von Spezialisten;
d) Austausch von Fachleuten;
e) Teilnahme von Beobachtern.
Art. 9 Verfahren und Kosten
1.  Ersuchen um Information, Koordination von Massnahmen oder andere Ersuchen um Hilfeleistung sind in schriftlicher Form zu stellen. In dringenden Fällen können die Parteien das Ersuchen auch in anderer Form übermitteln. In einem solchen Fall ist ein schriftliches Ersuchen unverzüglich nachzureichen.
2.  Die zuständigen Behörden teilen einander im Einzelfall ohne Ersuchen Informationen mit, die für den Empfänger zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Bekämpfung von Straftaten erforderlich erscheinen.
3.  Die zuständigen Behörden der ersuchten Partei beantworten ein Ersuchen gemäss Absatz 1 so schnell wie möglich.
4.  Die ersuchte Behörde kann soweit notwendig weitere Informationen einver­langen.
5.  Die Kosten für die Bearbeitung und Erledigung eines Ersuchens trägt die ersuchte Partei. Vorbehalten bleibt Artikel 7 Absatz 4 dieses Abkommens.

Polizeiattachés

Art. 10
1.  Die Regierungen der Parteien können im Rahmen eines Protokolls besondere Vereinbarungen über die befristete oder unbefristete Entsendung von Polizeiattachés treffen.
2.  Die Polizeiattachés werden ohne selbständige Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse unterstützend und beratend tätig.

Datenschutz und Weitergabe von Daten an Drittstaaten

Art. 11 Datenschutz
1.  Der Schutz der aufgrund dieses Abkommens übermittelten personenbezogenen Daten richtet sich unter Beachtung der für die Parteien jeweils geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter Berücksichtigung der internationalen Verpflichtungen nach den folgenden Bestimmungen:
a) Die Verwendung der Daten durch die empfangende Behörde ist nur zu den in diesem Abkommen aufgeführten Zwecken und nur unter den durch die übermittelnde Behörde vorgegebenen Bedingungen zulässig. Die empfangende Behörde darf die Daten für andere Zwecke nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Partei verwenden.
b) Der Empfänger unterrichtet die übermittelnde Vertragspartei auf deren Ersuchen über die Verwendung der übermittelten Daten und über die dadurch erzielten Ergebnisse.
c) Daten dürfen ausschliesslich von Justiz- oder Polizeibehörden oder einer durch die betroffene Partei bezeichneten Behörde zur Bekämpfung der Kriminalität verwendet werden. Die Parteien übermitteln einander entsprechende Listen. Für die Weitergabe an andere Stellen ist die vorgängige Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei erforderlich.
d) Die übermittelnde Vertragspartei ist verpflichtet, auf die Richtigkeit der zu übermittelnden Daten sowie auf die Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit unter Berücksichtigung des verfolgten Zweckes zu achten. Erweist sich, dass unrichtige Daten oder Daten, die nicht erhoben oder übermittelt werden durften, übermittelt worden sind, so ist dies dem Empfänger unverzüglich mitzuteilen. Dieser ist verpflichtet, die Daten unverzüglich zu berichtigen oder zu vernichten.
e) Die betroffene Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden Daten und deren Verwendungszweck zu verlangen. Für die Auskunftserteilung gilt das innerstaatliche Recht der Partei, in deren Hoheitsgebiet der Antrag gestellt wird. Einem Begehren kann aber nur nach Einwilligung der Partei, die die Daten ursprünglich übermittelt hat, entsprochen werden.
f) Die übermittelnde Behörde weist bei der Übermittlung auf die nach ihrem innerstaatlichen Recht geltenden Löschungsfristen hin. Unabhängig von diesen Fristen sind die übermittelten Daten zu löschen, sobald sie für den Zweck, für den sie übermittelt worden sind, nicht mehr erforderlich sind. Die empfangende Behörde informiert die übermittelnde Behörde über die Löschung von Daten und deren Gründe. Im Falle einer Beendigung dieses Abkommens sind alle aufgrund dieses Abkommens übermittelten Daten zu löschen.
g) Die Vertragsparteien sind verpflichtet, die Übermittlung, den Empfang und die Löschung von Daten aktenkundig festzuhalten.
h) Wird jemand infolge von Übermittlung im Rahmen des Datenaustausches nach diesem Vertrag rechtswidrig geschädigt, so haftet ihm hierfür die empfangende Behörde nach Massgabe ihres innerstaatlichen Rechts. Sie kann sich im Verhältnis zum Geschädigten zu ihrer Entlastung nicht darauf berufen, dass der Schaden durch die übermittelnde Stelle verursacht worden ist. Leistet die empfangende Behörde Schadenersatz wegen eines Schadens, der durch die Verwendung von unrichtig übermittelten Daten verursacht wurde, so erstattet die übermittelnde Behörde der empfangenden Behörde den Gesamtbetrag des geleisteten Einsatzes.
i) Die Parteien sind verpflichtet, die übermittelten Daten wirksam gegen unbefugten Zugang, unbefugte Veränderung und unbefugte Bekanntgabe zu schützen.
2.  Jede Partei stellt sicher, dass eine unabhängige Behörde periodisch überprüft, ob beim Umgang mit personenbezogenen Daten die Bestimmungen dieses Artikels eingehalten werden.
Art. 12 Vertraulichkeit und Weitergabe an Drittstaaten
1.  Jede Partei gewährleistet die Geheimhaltung personenbezogener und nicht personenbezogener Daten und Materialien, die ihr in Anwendung dieses Abkommens von der anderen Partei übermittelt und nach deren innerstaatlichem Recht als vertraulich bezeichnet wurden.
2.  Die nach diesem Abkommen übermittelten Daten und Gegenstände dürfen nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Partei an Drittstaaten weitergegeben werden.

Schlussbestimmungen

Art. 13 Zuständige Behörden und Sprache
1.  Die für den Vollzug dieses Abkommens zuständigen Organe, für die Schweizerische Eidgenossenschaft das Bundesamt für Polizei des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und für die Republik Slowenien die Generaldirektion der Polizei des Ministeriums für Inneres, sind entsprechend ihren Zuständigkeiten ermächtigt, direkt und operativ zusammenarbeiten.
2.  Die Parteien übermitteln einander 30 Tage nach Inkrafttreten dieses Abkommens auf diplomatischem Weg die Adressen sowie die Telefon-, Fax- und anderen Verbindungen der wichtigsten Dienststellen innerhalb der zuständigen Organe.
3.  Die Parteien zeigen einander auf diplomatischem Wege Änderungen der Zuständigkeiten oder Bezeichnungen der Behörden gemäss den Absätzen 1 und 2 an.
4.  Ohne anders lautende Absprache werden Informationen in englischer Sprache ausgetauscht.
Art. 14 Anwendung und Weiterentwicklung des Abkommens
Jede Partei kann bei Bedarf die Zusammenkunft von Experten verlangen, um Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Abkommens einer Lösung zuzuführen und Vorschläge zur Fortentwicklung der Zusammenarbeit zu unterbreiten.
Art. 15 Weitere Bedingungen der Zusammenarbeit
Ist eine Partei der Ansicht, dass die Erfüllung eines Hilfeersuchens oder eine sonstige Massnahme aufgrund dieses Abkommens ihre Souveränität beeinträchtigen, ihre Sicherheit oder andere wesentliche Interessen gefährden oder ihre Rechtsvorschriften sowie ihre Verpflichtungen aus internationalen Übereinkünften verletzen könnte, kann sie die Hilfe oder die Massnahmen ganz oder teilweise verweigern oder an die Erfüllung bestimmter Bedingungen knüpfen. In solchen Fällen benachrichtigen sich die Parteien unter Angabe der Gründe.
Art. 16 Inkrafttreten und Kündigung
Dieses Abkommen tritt am Tag nach dem Erhalt der letzten Notifikation in Kraft, in der sich die Parteien mitteilen, dass rechtlich die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind.
Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Es kann von jeder Vertragspartei jederzeit durch schriftliche Mitteilung auf diplomatischem Weg gekündigt werden. Das Abkommen tritt sechs Monate nach Empfang dieser Mitteilung ausser Kraft.
Geschehen in Bern, am 27. Juli 2004, in zwei Urschriften in deutscher und slowe­nischer Sprache, wobei beide Fassungen in gleicher Weise authentisch sind.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für die
Republik Slowenien:

Christoph Blocher

Rado Bohinc

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