Konkordatsreglement über das Disziplinarrecht für Personen in strafrechtlicher Einschliessung oder Unterbringung in geschlossenen Anstalten für Jugendliche
Konkordatsreglement vom 31. Oktober 2013 über das Disziplinarrecht für Personen in strafrechtlicher Einschliessung oder Unterbringung in geschlossenen Anstalten für Jugendliche Die Konferenz des Konkordats über den Vollzug der strafrechtlichen Einschliessung Jugendlicher aus den Westschweizer Kantonen (und teilweise aus dem Kanton Tessin)(die Konferenz) gestützt auf die Artikel 1 Abs. 2 Bst. f –h, 16 und 17 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Jugendstrafrecht (Jugendstr afgesetz, JStG); gestützt auf die Artikel 19 –32 des Konkordats vom 24. März 2005 über den Vollzug der strafrechtlichen Einschliessung Jugendlicher aus den Westschweizer Kantonen (und teilweise aus dem Kanton Tessin) (das Konkordat); gestützt auf die Empfeh lung CM/Rec(2008)11 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten über die Europäischen Regeln für Sanktionen oder Massnahmen gegen jugendliche Straftäter (die Empfehlung CM/Rec(2008)11); beschliesst: I. Gegenstand und Geltungsbereich
Art. 1
1 Dieses Reglement führt das Disziplinarrecht für Personen aus, die sich in strafrechtlicher Einschliessung befinden oder gemäss der Gesetzgebung über die strafrechtliche Einschliessung von Minderjährigen (vgl. Art. 19 –32 des Konkordats) in geschlossenen Ei nrichtungen für Minderjährige untergebracht sind.
2 Dieses Reglement gilt auch für erwachsene Personen, die in Anwendung des Jugendstrafrechts verurteilt worden sind.
II. Reglement der Einrichtungen
Art. 2
Jede Konkordatseinrichtung erstellt ein internes R eglement, in dem die Modalitäten des Disziplinarwesens festgelegt sind. Das Reglement muss sich nach den Konkordatsbestimmungen und der Empfehlung CM/Rec(2008)11 richten. III. Disziplinarrecht
Art. 3 Allgemein
1 Jede gefangene oder eingewiesene Person, die gegen die Konkordatsbestimmungen oder das Reglement der Einrichtung sowie gegen die Anweisungen oder Befehle des Personals der Einrichtung verstösst oder die Ordnung und die Sicherheit der Einrichtung bedroht, kann mit einer Disziplinarstrafe belegt werde n. Je nach Fall kann die Person einer oder mehreren Erziehungsmassnahmen unterzogen werden, die im internen Reglement, in internen Bestimmungen oder im Erziehungskonzept vorgesehen sind.
2 Versuch, Gehilfenschaft und Anstiftung sind strafbar.
Art. 4 Disziplinarvergehen
1 Folgende Vergehen ziehen Disziplinarstrafen nach sich: a) Flucht oder Ausreissen sowie die Beihilfe dazu; b) die Herstellung, der Erwerb, der Handel und der Besitz von Waffen oder jeglichen anderen Materials, das verboten ist oder ein en gefährlichen Nutzen aufweist; c) kollektive Handlungen, die die Sicherheit beeinträchtigen oder die Ordnung der Einrichtung stören; d) die Herstellung, der Konsum, die Einfuhr, der Handel und der illegale Besitz von Betäubungsmitteln, alkoholischen Getr änken oder nicht verschriebener psychotroper Substanzen; e) das Nichteinhalten der Urlaubsbedingungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Konsum von Betäubungsmitteln oder Alkohol oder nicht verschriebener psychotroper Substanzen; f) Arbeitsverweigerung und jegliche andere Unwillensbekundung bei der Arbeit; g) die willentliche oder fahrlässige Entfremdung oder Beschädigung der Einrichtung oder von Werkzeugen, Geräten, Einrichtungsgegenständen
oder jeglicher Güter, die der Einrichtung, dem Personal oder an deren Gefangenen gehören oder die sich auf dem Gelände der Einrichtung befinden; h) verbotene Kommunikation mit anderen Inhaftierten oder mit Personen, die nicht der Einrichtung angehören; i) die Verschwendung von Lebensmitteln oder anderer Dinge oder Gege nstände; j) unhöfliches und unangemessenes Verhalten; k) jeglicher Verstoss gegen die im Reglement der Einrichtung oder im individuellen Erziehungsprogramm vorgesehenen Verhaltensregeln; l) jegliche Handlung, die unter das Strafrecht fällt.
2 Die Disziplin arstrafen oder Erziehungsmassnahmen werden unter Vorbehalt eventueller strafrechtlicher Schritte verhängt.
Art. 5 Disziplinarstrafen
1 Folgende Disziplinarstrafen können gemäss dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und unter Berücksichtigung ihrer erziehe rischen Wirkung verhängt werden: a) die Verwarnung; b) die zeitweilige, vollständige oder teilweise Aufhebung der Möglichkeit zur Teilnahme an den von der Einrichtung angebotenen Freizeitaktivitäten, zum Zugang zu den eingerichteten Vorrichtungen und zur N utzung der zur Verfügung gestellten oder bewilligten Geräte (v. a. Radio, Fernseher, Computer) für eine Dauer von maximal 30 Tagen; c) die zeitweilige Unterbindung der Kontakte gegen Aussen; d) Einschluss in der Zelle für eine Dauer von einer Stunde bis zu 7 Tagen; e) Disziplinararrest bis zu 7 Tage.
2 Die Disziplinarstrafen können kumuliert werden, mit Ausnahme der Strafen unter a, d und e.
3 Eine Strafe kann bedingt ausgesprochen werden.
4 Es kann auf eine Strafe verzichtet werden.
5 Die im Reglement der Einrichtung vorgesehenen Erziehungsmassnahmen bleiben vorbehalten.
Art. 6 Zuständigkeit
Die im kantonalen Recht vorgesehene Verwaltungsbehörde oder die Direktion der Einrichtung ist für die Verhängung von Disziplinarstrafen in der Einrichtung zuständig.
Art. 7 Vollzugsmodalitäten
Die Direktion kann aus Gesundheitsgründen oder im Zusammenhang mit dem Erziehungsprogramm den Vollzug der Strafe aufschieben, aussetzen oder aufteilen.
Art. 8 Erstinstanzliches Verfahren
1 Erhält ein Mitarbeiter Kenntnis von eine m möglichen Disziplinarvergehen, erstellt er einen schriftlichen Bericht zuhanden der Direktion. Die minderjährige Person wird auf der Grundlage des Berichts gebeten, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die Aussagen werden schriftlich festgehalten.
2 Erach tet die Direktion es als notwendig, so nimmt sie danach ergänzende Ermittlungen vor. Über die Anhörungen wird Protokoll geführt und die Ermittlungstätigkeiten werden dokumentiert.
3 Die gesetzlichen Vertreter der gefangenen oder eingewiesenen Person werden über das Verfahren in Kenntnis gesetzt.
4 Nach Abschluss des Verfahrens werden die Disziplinarstrafen der betroffenen Person schriftlich mitgeteilt. Die Einweisungsbehörde und die gesetzlichen Vertreter werden informiert. Die Direktion stellt in jedem Fall sicher, dass die minderjährige Person den Inhalt der Verfügung verstanden hat.
5 Die Disziplinarverfügung enthält mindestens: a) eine Sachverhaltsdarstellung; b) die ihr zugrundeliegenden gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen; c) eine kurze Beg ründung; d) die Angabe der Art der ausgesprochenen Strafe; e) notwendigenfalls die Angabe des Strafmasses; f) gegebenenfalls die Angabe der bedingten Strafe, der Bewährungsfrist und der Bedingungen zu deren Widerruf; g) die Angabe der Fristen und Rechtsmit tel.
IV. Beschwerde
Art. 9 Grundsätze
1 Gegen die Disziplinarentscheide kann innerhalb von 5 Tagen ab Eröffnung des Entscheids Beschwerde eingelegt werden.
2 Die Erziehungsmassnahmen sind nicht anfechtbar. Gegen sie kann nach dem kantonalen Recht, dem die Einrichtung untersteht, Beschwerde eingelegt werden.
3 Die Beschwerde ist schriftlich, mit Begründung und mit Unterschrift einzureichen. In Ausnahmefällen kann eine einfache Beschwerdeerklärung zugelassen werden.
4 Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Art. 10 Zuständigkeit und Verfahren
1 Die Beschwerde wird an den Präsidenten der Beschwerdeinstanz des Konkordats gerichtet.
2 Bei Erhalt der Beschwerde setzt der Präsident der Beschwerdeinstanz die Behörde, die den angefochtenen Entscheid getroffen hat, darüber in Kenntnis und fordert sie auf, innerhalb von 20 Tagen eine Stellungnahme und das Dossier des Entscheids vorzulegen. Die Stellungnahme wird der beschwerdeführenden Person zur Kenntnis gebracht, die i nnerhalb von 10 Tagen Stellung nehmen kann.
3 Die Beschwerdeinstanz trifft ihren Entscheid auf dem Zirkulationsweg mit der Mehrheit der Stimmen, auf der Grundlage eines Entscheidentwurfs, der vom Präsidenten der Beschwerdeinstanz verfasst wird. Sie kann nach Bedarf beschliessen, sich am Gericht des Sitzes des Präsidenten zu versammeln.
4 Der Einweisungsbehörde, der Direktion des für die Einrichtung zuständigen Amtes sowie dem Sekretariat der Konferenz wird eine Kopie des Beschwerdeentscheids zugestellt.
Art. 11 Beschwerdeentscheid
1 Der Beschwerdeentscheid enthält: a) die Angabe der Beschwerdeinstanz und ihrer Zuständigkeit; b) die Namen der Parteien und ihrer Vertreter; c) die Begründung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht; d) die Entscheidungsform el; e) das Datum und die Unterschrift;
f) die Rechtsmittel.
2 Wird die Beschwerde gutgeheissen, so entscheidet die Beschwerdeinstanz des Konkordats über eine allfällige Art der Genugtuung.
Art. 12 Gebühren und unentgeltliche Rechtspflege
1 Unter Vorbehalt von missbräuchlichen Beschwerden ist das Verfahren kostenlos.
2 Die unentgeltliche Rechtspflege richtet sich nach dem kantonalen Recht am Standort der Einrichtung. Die Beschwerdeinstanz befindet über die unentgeltliche Rechtspflege und legt die Entschädigu ng des bezeichneten Anwalts fest; die Entschädigung wird vom Kanton übernommen, der für die Unterbringung der minderjährigen Person zuständig ist.
Art. 13 Rechtsmittel
Die Entscheide der Beschwerdeinstanz der Konkordatsbehörde werden letztinstanzlich gefällt. Der Beschwerdeweg in Strafsachen an das Bundesgericht bleibt offen. V. Schlussbestimmungen
Art. 14 Kantonale Ausführungsbestimmungen
Die betroffenen Kantone verfügen über eine Frist von sechs Monaten zur Anpassung der bestehenden Reglemente der Einrich tungen an dieses Reglement beziehungsweise zur Verabschiedung interner Reglemente.
Art. 15 Übergangsbestimmungen
Bis zum Inkrafttreten der von der LKJPD am 31. Oktober 2013 verabschiedeten Änderungen des Konkordats gilt die Ad -hoc -Behörde für die Behandlu ng von Beschwerden nach Artikel 29 Abs. 3 und 12 des Konkordats als Beschwerdeinstanz des Konkordats wie in Artikel 10 –13 dieses Reglements bezeichnet. Die genannte Behörde verfügt über die in diesem Reglement festgelegten Zuständigkeiten.
Art. 16 Inkraftt reten
1 Dieses Reglement tritt in Kraft, nachdem es von den Kantonen gemäss den eigenen Regeln verabschiedet worden ist.
2 Es wird in den Gesetzessammlungen der Kantone und auf der Internetseite der Lateinischen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren veröffentlich t.
Verabschiedung In seiner Sitzung vom 28. Januar 2014 hat der Staatsrat des Kantons Freiburg dieses Reglement, das am 1. Januar 2014 in Kraft tritt, verabschiedet .
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