Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (935.61)
CH - Schweizer Bundesrecht

Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA)

(Anwaltsgesetz, BGFA) vom 23. Juni 2000 (Stand am 1. Januar 2017)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf Artikel 95 der Bundesverfassung¹, in Ausführung des Abkommens vom 21. Juni 1999² zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 28. April 1999³,
beschliesst:
¹ SR 101 ² SR 0.142.112.681 ³ BBl 1 999 6013

1. Abschnitt: Allgemeines

Art. 1 Gegenstand
Dieses Gesetz gewährleistet die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte und legt die Grundsätze für die Ausübung des Anwaltsberufs in der Schweiz fest.
Art. 2 Persönlicher Geltungsbereich
¹ Dieses Gesetz gilt für Personen, die über ein Anwaltspatent verfügen und in der Schweiz im Rahmen des Anwaltsmonopols Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten.
² Es bestimmt die Modalitäten für die Vertretung von Parteien vor Gerichtsbehörden durch Anwältinnen und Anwälte, die Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sind.⁴
³ Diese Modalitäten gelten auch für Schweizerinnen und Schweizer, die berechtigt sind, den Anwaltsberuf unter einer der im Anhang aufgeführten Berufsbezeichnun­gen in einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA⁵ auszuüben.
⁴ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 22. März 2002, in Kraft seit 1. Aug. 2002 ( AS 2002 2134 ; BBl 2002 2637 ).
⁵ Ausdruck beigefügt durch Ziff. I des BG vom 22. März 2002, in Kraft seit 1. Aug. 2002 ( AS 2002 2134 ; BBl 2002 2637 ). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt.
Art. 3 Verhältnis zum kantonalen Recht
¹ Das Recht der Kantone, im Rahmen dieses Gesetzes die Anforderungen für den Erwerb des Anwaltspatentes festzulegen, bleibt gewahrt.
² Das Gleiche gilt für das Recht der Kantone, Inhaberinnen und Inhaber ihres kanto­nalen Anwaltspatentes vor den eigenen Gerichtsbehörden Parteien vertreten zu lassen.

2. Abschnitt: Interkantonale Freizügigkeit und kantonales Anwaltsregister

Art. 4 Grundsatz der interkantonalen Freizügigkeit
Anwältinnen und Anwälte, die in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen sind, können in der Schweiz ohne weitere Bewilligung Parteien vor Gerichtsbehör­den vertreten.
Art. 5 Kantonales Anwaltsregister
¹ Jeder Kanton führt ein Register der Anwältinnen und Anwälte, die über eine Geschäftsadresse auf dem Kantonsgebiet verfügen und die Voraussetzungen nach den Artikeln 7 und 8 erfüllen.
² Das Register enthält folgende persönliche Daten:
a. den Namen, den Vornamen, das Geburtsdatum und den Heimatort oder die Staatsangehörigkeit;
b. eine Kopie des Anwaltspatents;
c. die Bescheinigungen, welche belegen, dass die Voraussetzungen nach Arti­kel 8 erfüllt sind;
d. die Geschäftsadressen sowie gegebenenfalls den Namen des Anwaltsbüros;
e. die nicht gelöschten Disziplinarmassnahmen.
³ Es wird von der kantonalen Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte geführt.
Art. 6 Eintragung ins Register
¹ Anwältinnen und Anwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen und Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten wollen, lassen sich ins Register des Kantons eintragen, in dem sie ihre Geschäftsadresse haben.
² Die Aufsichtsbehörde trägt sie ein, wenn sie festgestellt hat, dass die Vorausset­zungen nach den Artikeln 7 und 8 erfüllt sind.
³ Sie veröffentlicht die Eintragung in einem amtlichen kantonalen Publikations­organ.
⁴ Gegen Eintragungen ins kantonale Register steht das Beschwerderecht auch dem Anwaltsverband des betroffenen Kantons zu.
Art. 7 ⁶ Fachliche Voraussetzungen
¹ Für den Registereintrag müssen die Anwältinnen und Anwälte über ein Anwalts­patent verfügen. Ein solches kann von den Kantonen nur auf Grund folgender Vor­aussetzungen erteilt werden:
a. ein juristisches Studium, das mit einem Lizentiat oder Master einer schweizeri­schen Hochschule oder einem gleichwertigen Hochschuldiplom eines Staates abgeschlossen wurde, der mit der Schweiz die gegenseitige Anerkennung vereinbart hat;
b. ein mindestens einjähriges Praktikum in der Schweiz, das mit einem Examen über die theoretischen und praktischen juristischen Kenntnisse abgeschlos­sen wurde.
² Kantone, in denen Italienisch Amtssprache ist, können ein dem Lizentiat oder dem Master gleichwertiges ausländisches Diplom anerkennen, das in italienischer Spra­che erlangt worden ist.
³ Für die Zulassung zum Praktikum genügt der Abschluss eines juristischen Stu­diums mit dem Bachelor.
⁶ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 23. Juni 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2006 4399 ; BBl 2005 6621 ).
Art. 8 Persönliche Voraussetzungen
¹ Für den Registereintrag müssen die Anwältinnen und Anwälte folgende persön­liche Voraussetzungen erfüllen:
a. sie müssen handlungsfähig sein;
b.⁷
es darf keine strafrechtliche Verurteilung vorliegen wegen Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren sind, es sei denn, diese Verur­teilung erscheine nicht mehr im Strafregisterauszug für Privatpersonen;
c. es dürfen gegen sie keine Verlustscheine bestehen;
d. sie müssen in der Lage sein, den Anwaltsberuf unabhängig auszuüben; sie können Angestellte nur von Personen sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind.
² Anwältinnen und Anwälte, die bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen ange­stellt sind, können sich ins Register eintragen lassen, sofern die Voraussetzun­gen nach Absatz 1 Buchstaben a–c erfüllt sind und sich die Tätigkeit der Parteiver­tretung strikte auf Mandate im Rahmen des von der betroffenen Organisation ver­folgten Zwecks beschränkt.
⁷ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 23. Juni 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2006 4399 ; BBl 2005 6621 ).
Art. 9 Löschung des Registereintrags
Anwältinnen und Anwälte, die eine der Voraussetzungen für den Registereintrag nicht mehr erfüllen, werden im Register gelöscht.
Art. 10 Einsicht in das Register
¹ Einsicht in das Register erhalten:
a. die eidgenössischen und kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden, vor denen die Anwältinnen und Anwälte auftreten;
b. die Gerichts- und Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA, vor denen die im Register eingetragenen Anwältinnen und Anwälte auftreten;
c. die kantonalen Aufsichtsbehörden über die Anwältinnen und Anwälte;
d. die Anwältinnen und Anwälte in Bezug auf ihren Eintrag.
² Jede Person hat ein Recht auf Auskunft, ob eine Anwältin oder ein Anwalt im Register eingetragen ist und ob gegen sie oder ihn ein Berufsausübungsverbot ver­hängt ist.
Art. 10 a ⁸ Meldung
Die Daten des Registers, die für die Zuweisung und Verwendung der Unterneh­mens-Identifikationsnummer nach dem Bundesgesetz vom 18. Juni 2010⁹ über die Unternehmens-Identifikationsnummer erforderlich sind, werden dem Bundesamt für Statistik mitgeteilt.
⁸ Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 18. Juni 2010 über die Unternehmens-Identifikationsnummer, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 4989 ; BBl 2009 7855 ).
⁹ SR 431.03
Art. 11 Berufsbezeichnung
¹ Anwältinnen und Anwälte verwenden diejenige Berufsbezeichnung, die ihnen mit ihrem Anwaltspatent erteilt worden ist, oder eine gleichwertige Berufsbezeichnung des Kantons, in dessen Register sie eingetragen sind.
² Im Geschäftsverkehr geben sie ihren Eintrag in einem kantonalen Register an.

3. Abschnitt: Berufsregeln und Disziplinaraufsicht

Art. 12 Berufsregeln
Für Anwältinnen und Anwälte gelten folgende Berufsregeln:
a. Sie üben ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft aus.
b. Sie üben ihren Beruf unabhängig, in eigenem Namen und auf eigene Verant­wortung aus.
c. Sie meiden jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen.
d. Sie können Werbung machen, solange diese objektiv bleibt und solange sie dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entspricht.
e. Sie dürfen vor Beendigung eines Rechtsstreits mit der Klientin oder dem Klienten keine Vereinbarung über die Beteiligung am Prozessgewinn als Ersatz für das Honorar abschliessen; sie dürfen sich auch nicht dazu ver­pflichten, im Falle eines ungünstigen Abschlusses des Verfahrens auf das Honorar zu verzichten.
f.¹⁰
Sie haben eine Berufshaftpflichtversicherung nach Massgabe der Art und des Umfangs der Risiken, die mit ihrer Tätigkeit verbunden sind, abzu­schliessen; die Versicherungssumme muss mindestens eine Million Franken pro Jahr betragen; anstelle der Haftpflichtversicherung können andere, gleichwertige Sicherheiten erbracht werden.
g. Sie sind verpflichtet, in dem Kanton, in dessen Register sie eingetragen sind, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechts­pflege Rechtsvertretungen zu übernehmen.
h. Sie bewahren die ihnen anvertrauten Vermögenswerte getrennt von ihrem eigenen Vermögen auf.
i. Sie klären ihre Klientschaft bei Übernahme des Mandates über die Grund­sätze ihrer Rechnungsstellung auf und informieren sie periodisch oder auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars.
j. Sie teilen der Aufsichtsbehörde jede Änderung der sie betreffenden Daten im Register mit.
¹⁰ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 23. Juni 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2006 4399 ; BBl 2005 6621 ).
Art. 13 Berufsgeheimnis
¹ Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jeder­mann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preis­gabe von Anvertrautem.
² Sie sorgen für die Wahrung des Berufsgeheimnisses durch ihre Hilfspersonen.
Art. 14 Kantonale Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte
Jeder Kanton bezeichnet eine Behörde, welche die Anwältinnen und Anwälte beauf­sichtigt, die auf seinem Gebiet Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten.
Art. 15 ¹¹ Meldepflicht
¹ Die kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden melden der Aufsichtsbehörde ihres Kantons unverzüglich das Fehlen persönlicher Voraussetzungen nach Artikel 8 sowie Vorfälle, welche die Berufsregeln verletzen könnten.
² Die eidgenössischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden melden der Aufsichts­behörde des Kantons, in dem eine Anwältin oder ein Anwalt eingetragen ist, unver­züglich das Fehlen persönlicher Voraussetzungen nach Artikel 8 sowie Vorfälle, welche die Berufsregeln verletzen könnten.
¹¹ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 23. Juni 2006, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2006 4399 ; BBl 2005 6621 ).
Art. 16 Disziplinarverfahren in einem anderen Kanton
¹ Eröffnet eine Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren gegen Anwältinnen oder Anwälte, die nicht im Register dieses Kantons eingetragen sind, so informiert sie die Aufsichtsbehörde des Kantons, in dessen Register sie eingetragen sind.
² Beabsichtigt sie, eine Disziplinarmassnahme anzuordnen, so räumt sie der Auf­sichtsbehörde des Kantons, in dessen Register die Anwältin oder der Anwalt ein­getragen ist, die Möglichkeit ein, zum Ergebnis der Untersuchung Stellung zu neh­men.
³ Das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ist der Aufsichtsbehörde des Kantons mitzuteilen, in dessen Register die Anwältin oder der Anwalt eingetragen ist.
Art. 17 Disziplinarmassnahmen
¹ Bei Verletzung dieses Gesetzes kann die Aufsichtsbehörde folgende Disziplinar­massnahmen anordnen:
a. eine Verwarnung;
b. einen Verweis;
c. eine Busse bis zu 20 000 Franken;
d. ein befristetes Berufsausübungsverbot für längstens zwei Jahre;
e. ein dauerndes Berufsausübungsverbot.
² Eine Busse kann zusätzlich zu einem Berufsausübungsverbot angeordnet werden.
³ Nötigenfalls kann die Aufsichtsbehörde die Berufsausübung vorsorglich verbieten.
Art. 18 Geltung des Berufsausübungsverbots
¹ Ein Berufsausübungsverbot gilt auf dem gesamten Gebiet der Schweiz.
² Es wird den Aufsichtsbehörden der übrigen Kantone mitgeteilt.
Art. 19 Verjährung
¹ Die disziplinarische Verfolgung verjährt ein Jahr, nachdem die Aufsichtsbehörde vom beanstandeten Vorfall Kenntnis hatte.
² Die Frist wird durch jede Untersuchungshandlung der Aufsichtsbehörde unter­brochen.
³ Die disziplinarische Verfolgung verjährt in jedem Fall zehn Jahre nach dem bean­standeten Vorfall.
⁴ Stellt die Verletzung der Berufsregeln eine strafbare Handlung dar, gilt die vom Strafrecht vorgesehene längere Verjährungsfrist.
Art. 20 Löschung der Disziplinarmassnahmen
¹ Verwarnungen, Verweise und Bussen werden fünf Jahre nach ihrer Anordnung im Register gelöscht.
² Ein befristetes Berufsausübungsverbot wird zehn Jahre nach seiner Aufhebung im Register gelöscht.

4. Abschnitt: Ausübung des Anwaltsberufs im freien Dienstleistungsverkehr durch Anwältinnen und Anwälte aus Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA

Art. 21 Grundsätze
¹ Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA, die berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang aufgeführten Berufsbezeichnungen auszuüben, können im freien Dienstleistungsverkehr in der Schweiz Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten.
² Die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte werden nicht in die kantonalen Anwaltsregister eingetragen.
Art. 22 Nachweis der Anwaltsqualifikation
Die eidgenössischen und kantonalen Gerichtsbehörden, vor denen die dienstleis­tungserbringenden Anwältinnen und Anwälte auftreten, sowie die Aufsichtsbehör­den über die Anwältinnen und Anwälte können verlangen, dass diese ihre Anwalts­qualifikation nachweisen.
Art. 23 Verpflichtung zur Handlung im Einvernehmen mit einer eingetragenen Anwältin oder einem eingetragenen Anwalt
Besteht für ein Verfahren Anwaltszwang, so sind die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte verpflichtet, im Einvernehmen mit einer Anwältin oder einem Anwalt zu handeln, die oder der in einem kantonalen Anwaltsregister ein­getragen ist.
Art. 24 Berufsbezeichnung
Die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte verwenden ihre ursprüngliche Berufsbezeichnung in der Amtssprache ihres Herkunftsstaats unter Angabe der Berufsorganisation, deren Zuständigkeit sie unterliegen, oder des Gerichts, bei dem sie nach den Vorschriften dieses Staats zugelassen sind.
Art. 25 Berufsregeln
Für die dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälte gelten die Berufs­regeln nach Artikel 12 mit Ausnahme der Bestimmungen betreffend die amtliche Pflichtverteidigung und die unentgeltliche Rechtsvertretung (Bst. g) sowie den Registereintrag (Bst. j).
Art. 26 Information über Disziplinarmassnahmen
Die Aufsichtsbehörde informiert die zuständige Stelle des Herkunftsstaats über Disziplinarmassnahmen, die sie gegenüber dienstleistungserbringenden Anwältinnen und Anwälten anordnet.

5. Abschnitt: Ständige Ausübung des Anwaltsberufs durch Anwältinnen und Anwälte aus Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung

Art. 27 Grundsätze
¹ Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA, die berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang aufgeführten Berufsbezeichnungen auszuüben, können in der Schweiz ständig Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten, wenn sie bei einer kantonalen Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte eingetragen sind.
² Die Artikel 23–25 gelten für diese Anwältinnen und Anwälte ebenfalls.
Art. 28 Eintragung bei der Aufsichtsbehörde
¹ Die Aufsichtsbehörde führt eine öffentliche Liste der Angehörigen von Mitglied­staaten der EU oder der EFTA, die in der Schweiz unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung ständig Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten dürfen.
² Die Anwältinnen und Anwälte tragen sich bei der Aufsichtsbehörde des Kantons ein, in dem sie eine Geschäftsadresse haben. Sie weisen ihre Anwaltsqualifikation mit einer Bescheinigung über ihre Eintragung bei der zuständigen Stelle des Her­kunftsstaats nach; diese Bescheinigung darf nicht älter als drei Monate sein.
³ Die Aufsichtsbehörde informiert die zuständige Stelle des Herkunftsstaats über die Eintragung in die Liste.
Art. 29 Zusammenarbeit mit der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats
¹ Bevor die Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren gegen Angehörige von Mit­gliedstaaten der EU oder der EFTA einleitet, die in der Schweiz ständig Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten, informiert sie die zuständige Stelle des Herkunftsstaats.
² Die Aufsichtsbehörde arbeitet mit der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats während des Disziplinarverfahrens zusammen und gibt ihr insbesondere die Mög­lichkeit zur Stellungnahme.

6. Abschnitt: Eintragung von Anwältinnen und Anwälten aus Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA in ein kantonales Anwaltsregister

Art. 30 Grundsätze
¹ Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA können sich, ohne dass sie die Voraussetzungen nach Artikel 7 Buchstabe b erfüllen, in ein kantonales Anwaltsregister eintragen lassen, wenn sie:
a. eine Eignungsprüfung bestanden haben (Art. 31); oder
b. während mindestens drei Jahren in der Liste der unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätigen Anwältinnen und Anwälte eingetragen waren und nachweisen, dass sie: 1. während dieser Zeit effektiv und regelmässig im schweizerischen Recht tätig waren, oder
2. im schweizerischen Recht während eines kürzeren Zeitraums tätig waren und sich in einem Gespräch über ihre beruflichen Fähigkeiten ausgewiesen haben (Art. 32).
² Sie haben damit die gleichen Rechte und Pflichten wie die Anwältinnen und Anwälte, die über ein kantonales Anwaltspatent verfügen und in einem kantonalen An­waltsregister eingetragen sind.
Art. 31 Eignungsprüfung
¹ Zur Eignungsprüfung zugelassen werden Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA, wenn sie:
a. ein mindestens dreijähriges Studium an einer Hochschule absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Aus­bil­dung abgeschlossen haben; und
b. über ein Diplom verfügen, das sie zur Ausübung des Anwaltsberufs in einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA berechtigt.
² Die Anwältinnen und Anwälte müssen die Eignungsprüfung vor der Anwaltsprü­fungskommission des Kantons ablegen, in dessen Register sie sich eintragen lassen wollen.
³ Die Eignungsprüfung erstreckt sich über Sachgebiete, die Gegenstand der kanto­nalen Anwaltsprüfung sind und die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die im Rahmen der Ausbildung in ihrem Herkunftsstaat bereits geprüft worden sind. Ihr Inhalt bestimmt sich auch nach der Berufserfahrung der Anwältinnen und Anwälte.
⁴ Die Eignungsprüfung kann zweimal wiederholt werden.
Art. 32 Gespräch zur Prüfung der beruflichen Fähigkeiten
¹ Das Gespräch zur Prüfung der beruflichen Fähigkeiten wird von der Anwaltsprü­fungskommission des Kantons geführt, in dessen Register die Anwältin oder der Anwalt sich eintragen lassen will.
² Sie stützt sich namentlich auf die von der Anwältin oder dem Anwalt vorgelegten Informationen und Unterlagen über die in der Schweiz ausgeübten Tätigkeiten.
³ Sie berücksichtigt die Kenntnisse und die Berufserfahrung der Anwältin oder des Anwalts im schweizerischen Recht, ferner die Teilnahme an Kursen und Seminaren über das schweizerische Recht.
Art. 33 Berufsbezeichnung
Die Anwältinnen und Anwälte können neben der Berufsbezeichnung des Kantons, in dessen Register sie eingetragen sind, auch ihre ursprüngliche Berufsbezeichnung verwenden.

7. Abschnitt: Verfahren

Art. 34
¹ Die Kantone regeln das Verfahren.
² Sie sehen für die Prüfung der Voraussetzungen für die Eintragung ins kantonale Anwaltsregister ein einfaches und rasches Verfahren vor.

8. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 35 Änderung bisherigen Rechts
…¹²
¹² Die Änderung kann unter AS 2002 863 konsultiert werden.
Art. 36 Übergangsrecht
Personen, die auf Grund bisherigen kantonalen Rechts über ein Anwaltspatent verfügen, sind ins kantonale Anwaltsregister einzutragen, sofern sie in den anderen Kantonen nach Artikel 196 Ziffer 5 der Bundesverfassung eine Berufsausübungs­bewilligung erhalten hätten.
Art. 37 Referendum und Inkrafttreten
¹ Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
² Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. Artikel 2 Absätze 2 und 3 und Arti­kel 10 Absatz 1 Buchstabe b sowie die Abschnitte 4, 5 und 6 treten nur im Falle des Inkrafttretens des Abkommens vom 21. Juni 1999¹³ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mit­gliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit in Kraft.
³ Für die Angehörigen von Mitgliedstaaten der EFTA treten die Artikel 2 Absätze 2 und 3 und Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b sowie die Abschnitte 4, 5 und 6 nur im Falle des Inkrafttretens des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2001¹⁴ bezüglich der Bestimmungen über die Personenfreizügigkeit im Abkommen vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäi­schen Freihandelsassoziation (EFTA) in Kraft.¹⁵
Datum des Inkrafttretens: 1. Juni 2002
¹³ SR 0.142.112.681
¹⁴ AS 2002 685 . Dieses BG ist am 1. Juni 2002 in Kraft getreten.
¹⁵ Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. März 2002, in Kraft seit 1. Aug. 2002 ( AS 2002 2134 ; BBl 2002 2637 ).

Anhang ¹⁶

¹⁶ Fassung gemäss Anhang Ziff. 11 des BB vom 17. Juni 2016 (Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf die Republik Kroatien), in Kraft seit 1. Jan. 2017 ( AS 2016 5233 ; BBl 2016 2223 ).
(Art. 21 Abs. 1 und 27 Abs. 1)

Liste der Berufsbezeichnungen in den Mitgliedstaaten der EU und der EFTA gemäss den Richtlinien 77/249/EWG und 98/5/EG

Belgien Avocat/Advocaat/Rechtsanwalt
Bulgarien Aдвокат
Dänemark Advokat
Deutschland Rechtsanwalt
Estland Vandeadvokaat
Finnland Asianajaja/Advokat
Frankreich Avocat
Griechenland
Irland Barrister, Solicitor
Island Lögmaður
Italien Avvocato
Kroatien Odvjetnik/Odvjetnica
Lettland Zvērināts advokāts
Liechtenstein Rechtsanwalt
Litauen Advokatas
Luxemburg Avocat
Malta Avukat/Prokuratur Legali
Niederlande Advocaat
Norwegen Advokat
Österreich Rechtsanwalt
Polen Adwokat/Radca prawny
Portugal Advogado
Rumänien Avocat
Schweden Advokat
Slowakische Republik Advokát/Komerčný právnik
Slowenien Odvetnik/Odvetnica
Spanien Abogado/Advocat/Avogado/Abokatu
Tschechische Republik Advokát
Ungarn Ügyvéd
Vereinigtes Königreich Advocate/Barrister/Solicitor
Zypern ό
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