Übereinkommen (0.211.231.011)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkommen (Haager Kindesschutzübereinkommen, HKsÜ)

über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kindesschutzübereinkommen, HKsÜ) Abgeschlossen in Den Haag am 19. Oktober 1996 Von der Bundesversammlung genehmigt am 21. Dezember 2007² Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 27. März 2009 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juli 2009 (Stand am 3. September 2020) ¹ Gemeinsame deutsche Übersetzung nach dem Ergebnis der Übersetzungskonferenz in Bern vom 10. bis 14. Februar 1997. ² Art. 1 Abs. 1 Bst. a des BB vom 21. Dez. 2007 ( AS 2009 3077 ).
Die Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens,
in der Erwägung, dass der Schutz von Kindern im internationalen Bereich verbessert werden muss;
in dem Wunsch, Konflikte zwischen ihren Rechtssystemen in Bezug auf die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Massnahmen zum Schutz von Kindern zu vermeiden;
eingedenk der Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für den Schutz von Kindern;
bekräftigend, dass das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist;
angesichts der Notwendigkeit, das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961³ über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen zu überarbeiten;
in dem Wunsch, zu diesem Zweck unter Berücksichtigung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989⁴ über die Rechte des Kindes gemeinsame Bestimmungen festzulegen,
haben die folgenden Bestimmungen vereinbart:
³ SR 0.211.231.01 ⁴ SR 0.107

Kapitel I Anwendungsbereich des Übereinkommens

Art. 1
(1)  Ziel dieses Übereinkommens ist es:
a) den Staat zu bestimmen, dessen Behörden zuständig sind, Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen;
b) das von diesen Behörden bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit anzuwendende Recht zu bestimmen;
c) das auf die elterliche Verantwortung anzuwendende Recht zu bestimmen;
d) die Anerkennung und Vollstreckung der Schutzmassnahmen in allen Vertragsstaaten sicherzustellen;
e) die zur Verwirklichung der Ziele dieses Übereinkommens notwendige Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Vertragsstaaten einzurichten.
(2)  Im Sinn dieses Übereinkommens umfasst der Begriff «elterliche Verantwortung» die elterliche Sorge⁵ und jedes andere entsprechende Sorgeverhältnis, das die Rechte, Befugnisse und Pflichten der Eltern, des Vormunds oder eines anderen gesetzlichen Vertreters in Bezug auf die Person oder das Vermögen des Kindes bestimmt.
⁵ Österreich (AT): die Obsorge
Art. 2
Dieses Übereinkommen ist auf Kinder von ihrer Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs anzuwenden.
Art. 3
Die Massnahmen, auf die in Artikel 1 Bezug genommen wird, können insbesondere Folgendes umfassen:
a) die Zuweisung, die Ausübung und die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung sowie deren Übertragung;
b) das Sorgerecht einschliesslich der Sorge für die Person des Kindes und insbesondere des Rechts, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, sowie das Recht auf persönlichen Verkehr⁶ einschliesslich des Rechts, das Kind für eine begrenzte Zeit an einen anderen Ort als den seines gewöhnlichen Aufenthalts zu bringen;
c) die Vormundschaft, die Beistandschaft⁷ und entsprechende Einrichtungen;
d) die Bestimmung und den Aufgabenbereich jeder Person oder Stelle, die für die Person oder das Vermögen des Kindes verantwortlich ist, das Kind vertritt oder ihm beisteht;
e) die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim oder seine Betreuung durch Kafala oder eine entsprechende Einrichtung;
f) die behördliche Aufsicht über die Betreuung eines Kindes durch jede Person, die für das Kind verantwortlich ist;
g) die Verwaltung und Erhaltung des Vermögens des Kindes oder die Verfügung darüber.
⁶ Deutschland (DE): das Recht zum persönlichen Umgang
⁷ DE: die Pflegschaft; AT: die besondere Sachwalterschaft
Art. 4
Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden:
a) auf die Feststellung und Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses;
b) auf Adoptionsentscheidungen und Massnahmen zur Vorbereitung einer Adoption sowie auf die Ungültigerklärung und den Widerruf der Adoption;
c) auf Namen und Vornamen des Kindes;
d) auf die Volljährigerklärung;
e) auf Unterhaltspflichten;
f) auf Trusts und Erbschaften;
g) auf die soziale Sicherheit;
h) auf öffentliche Massnahmen allgemeiner Art in Angelegenheiten der Erziehung und Gesundheit;
i) auf Massnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden;
j) auf Entscheidungen über Asylrecht und Einwanderung.

Kapitel II Zuständigkeit

Art. 5
(1)  Die Behörden, seien es Gerichte oder Verwaltungsbehörden, des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind zuständig, Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen.
(2)  Vorbehaltlich des Artikels 7 sind bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einen anderen Vertragsstaat die Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig.
Art. 6
(1)  Über Flüchtlingskinder und Kinder, die infolge von Unruhen in ihrem Land in ein anderes Land gelangt sind, üben die Behörden des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich die Kinder demzufolge befinden, die in Artikel 5 Absatz 1 vor­gesehene Zuständigkeit aus.
(2)  Absatz 1 ist auch auf Kinder anzuwenden, deren gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden kann.
Art. 7
(1)  Bei widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten des Kindes bleiben die Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so lange zuständig, bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat erlangt hat und:
a) jede sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle das Verbringen oder Zurückhalten genehmigt hat; oder
b) das Kind sich in diesem anderen Staat mindestens ein Jahr aufgehalten hat, nachdem die sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle seinen Aufenthaltsort kannte oder hätte kennen müssen, kein während dieses Zeitraums gestellter Antrag auf Rückgabe mehr anhängig ist und das Kind sich in seinem neuen Umfeld eingelebt hat.
(2)  Das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes gilt als widerrechtlich, wenn:
a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; und
b) dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte.
Das unter Buchstabe a genannte Sorgerecht kann insbesondere kraft Gesetzes, auf­grund einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung oder aufgrund einer nach dem Recht des betreffenden Staates wirksamen Vereinbarung bestehen.
(3)  Solange die in Absatz 1 genannten Behörden zuständig bleiben, können die Behörden des Vertragsstaats, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde, nur die nach Artikel 11 zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erforderlichen dringenden Massnahmen treffen.
Art. 8
(1)  Ausnahmsweise kann die nach Artikel 5 oder 6 zuständige Behörde eines Vertragsstaats, wenn sie der Auffassung ist, dass die Behörde eines anderen Vertragsstaats besser in der Lage wäre, das Wohl des Kindes im Einzelfall zu beurteilen:
– entweder diese Behörde unmittelbar oder mit Unterstützung der Zentralen Behörde dieses Staates ersuchen, die Zuständigkeit zu übernehmen, um die Schutzmassnahmen zu treffen, die sie für erforderlich hält;
– oder das Verfahren aussetzen und die Parteien einladen, bei der Behörde dieses anderen Staates einen solchen Antrag zu stellen.
(2)  Die Vertragsstaaten, deren Behörden nach Absatz 1 ersucht werden können, sind:
a) ein Staat, dem das Kind angehört;
b) ein Staat, in dem sich Vermögen des Kindes befindet;
c) ein Staat, bei dessen Behörden ein Antrag der Eltern des Kindes auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anhängig ist;
d) ein Staat, zu dem das Kind eine enge Verbindung hat.
(3)  Die betreffenden Behörden können einen Meinungsaustausch aufnehmen.
(4)  Die nach Absatz 1 ersuchte Behörde kann die Zuständigkeit anstelle der nach Artikel 5 oder 6 zuständigen Behörde übernehmen, wenn sie der Auffassung ist, dass dies dem Wohl des Kindes dient.
Art. 9
(1)  Sind die in Artikel 8 Absatz 2 genannten Behörden eines Vertragsstaats der Auffassung, dass sie besser in der Lage sind, das Wohl des Kindes im Einzelfall zu beurteilen, so können sie:
– entweder die zuständige Behörde des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes unmittelbar oder mit Unterstützung der Zentralen Behörde dieses Staates ersuchen, ihnen zu gestatten, die Zuständigkeit auszuüben, um die von ihnen für erforderlich gehaltenen Schutzmassnahmen zu treffen;
– oder die Parteien einladen, bei der Behörde des Vertragsstaats des gewöhn­lichen Aufenthalts des Kindes einen solchen Antrag zu stellen.
(2)  Die betreffenden Behörden können einen Meinungsaustausch aufnehmen.
(3)  Die Behörde, von welcher der Antrag ausgeht, darf die Zuständigkeit anstelle der Behörde des Vertragsstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes nur ausüben, wenn diese den Antrag angenommen hat.
Art. 10
(1)  Unbeschadet der Artikel 5–9 können die Behörden eines Vertragsstaats in Ausübung ihrer Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern eines Kindes, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat hat, sofern das Recht ihres Staates dies zulässt, Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes treffen, wenn:
a) einer der Eltern zu Beginn des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat und ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind hat; und
b) die Eltern und jede andere Person, welche die elterliche Verantwortung für das Kind hat, die Zuständigkeit dieser Behörden für das Ergreifen solcher Massnahmen anerkannt haben und diese Zuständigkeit dem Wohl des Kindes entspricht.
(2)  Die in Absatz 1 vorgesehene Zuständigkeit für das Ergreifen von Massnahmen zum Schutz des Kindes endet, sobald die stattgebende oder abweisende Entscheidung über den Antrag auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe endgültig geworden ist oder das Verfahren aus einem anderen Grund beendet wurde.
Art. 11
(1)  In allen dringenden Fällen sind die Behörden jedes Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, zuständig, die erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen.
(2)  Massnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat getroffen wurden, treten ausser Kraft, sobald die nach den Artikeln 5–10 zuständigen Behörden die durch die Umstände gebotenen Massnahmen getroffen haben.
(3)  Massnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat getroffen wurden, treten in jedem Vertragsstaat ausser Kraft, sobald dort die durch die Umstände gebotenen und von den Behörden eines anderen Staates getroffenen Massnahmen anerkannt werden.
Art. 12
(1)  Vorbehaltlich des Artikels 7 sind die Behörden eines Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich das Kind oder ihm gehörendes Vermögen befindet, zuständig, vorläufige und auf das Hoheitsgebiet dieses Staates beschränkte Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen, soweit solche Massnahmen nicht mit den Massnahmen unvereinbar sind, welche die nach den Arti­keln 5–10 zuständigen Behörden bereits getroffen haben.
(2)  Massnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat getroffen wurden, treten ausser Kraft, sobald die nach den Artikeln 5–10 zuständigen Behörden eine Entscheidung über die Schutzmassnahmen getroffen haben, die durch die Umstände geboten sein könnten.
(3)  Massnahmen nach Absatz 1, die in Bezug auf ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Nichtvertragsstaat getroffen wurden, treten in dem Vertragsstaat ausser Kraft, in dem sie getroffen worden sind, sobald dort die durch die Umstände gebotenen und von den Behörden eines anderen Staates getroffenen Massnahmen anerkannt werden.
Art. 13
(1)  Die Behörden eines Vertragsstaats, die nach den Artikeln 5–10 zuständig sind, Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen, dürfen diese Zuständigkeit nicht ausüben, wenn bei Einleitung des Verfahrens entsprechende Massnahmen bei den Behörden eines anderen Vertragsstaats beantragt worden sind, die in jenem Zeitpunkt nach den Artikeln 5–10 zuständig waren, und diese Massnahmen noch geprüft werden.
(2)  Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Behörden, bei denen Massnahmen zuerst beantragt wurden, auf ihre Zuständigkeit verzichtet haben.
Art. 14
Selbst wenn durch eine Änderung der Umstände die Grundlage der Zuständigkeit wegfällt, bleiben die nach den Artikeln 5–10 getroffenen Massnahmen innerhalb ihrer Reichweite so lange in Kraft, bis die nach diesem Übereinkommen zuständigen Behörden sie ändern, ersetzen oder aufheben.

Kapitel III Anzuwendendes Recht

Art. 15
(1)  Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Kapitel II wenden die Behörden der Vertragsstaaten ihr eigenes Recht an.
(2)  Soweit es der Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erfordert, können sie jedoch ausnahmsweise das Recht eines anderen Staates anwenden oder berücksichtigen, zu dem der Sachverhalt eine enge Verbindung hat.
(3)  Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in einen anderen Vertragsstaat, so bestimmt das Recht dieses anderen Staates vom Zeitpunkt des Wechsels an die Bedingungen, unter denen die im Staat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts getroffenen Massnahmen angewendet werden.
Art. 16
(1)  Die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes.
(2)  Die Zuweisung oder das Erlöschen der elterlichen Verantwortung durch eine Vereinbarung oder ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne Einschreiten eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in dem Zeitpunkt, in dem die Vereinbarung oder das einseitige Rechtsgeschäft wirksam wird.
(3)  Die elterliche Verantwortung nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes besteht nach dem Wechsel dieses gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat fort.
(4)  Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, so bestimmt sich die Zuweisung der elterlichen Verantwortung kraft Gesetzes an eine Person, die diese Verantwortung nicht bereits hat, nach dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts.
Art. 17
Die Ausübung der elterlichen Verantwortung bestimmt sich nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, so bestimmt sie sich nach dem Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts.
Art. 18
Durch Massnahmen nach diesem Übereinkommen kann die in Artikel 16 genannte elterliche Verantwortung entzogen oder können die Bedingungen ihrer Ausübung geändert werden.
Art. 19
(1)  Die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts zwischen einem Dritten und einer anderen Person, die nach dem Recht des Staates, in dem das Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde, als gesetzlicher Vertreter zu handeln befugt wäre, kann nicht allein deswegen bestritten und der Dritte nicht nur deswegen verantwortlich gemacht werden, weil die andere Person nach dem in diesem Kapitel bestimmten Recht nicht als gesetz­licher Vertreter zu handeln befugt war, es sei denn, der Dritte wusste oder hätte wissen müssen, dass sich die elterliche Verantwortung nach diesem Recht bestimmte.
(2)  Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn das Rechtsgeschäft unter Anwesenden im Hoheitsgebiet desselben Staates geschlossen wurde.
Art. 20
Dieses Kapitel ist anzuwenden, selbst wenn das darin bestimmte Recht das eines Nichtvertragsstaats ist.
Art. 21
(1)  Der Begriff «Recht» im Sinne dieses Kapitels bedeutet das in einem Staat geltende Recht mit Ausnahme des Kollisionsrechts.
(2)  Ist jedoch das nach Artikel 16 anzuwendende Recht das eines Nichtvertragsstaats und verweist das Kollisionsrecht dieses Staates auf das Recht eines anderen Nichtvertragsstaats, der sein eigenes Recht anwenden würde, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Betrachtet sich das Recht dieses anderen Nicht­vertragsstaats als nicht anwendbar, so ist das nach Artikel 16 bestimmte Recht anzuwenden.
Art. 22
Die Anwendung des in diesem Kapitel bestimmten Rechts darf nur versagt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.

Kapitel IV Anerkennung und Vollstreckung

Art. 23
(1)  Die von den Behörden eines Vertragsstaats getroffenen Massnahmen werden kraft Gesetzes in den anderen Vertragsstaaten anerkannt.
(2)  Die Anerkennung kann jedoch versagt werden:
a) wenn die Massnahme von einer Behörde getroffen wurde, die nicht nach Kapitel II zuständig war;
b) wenn die Massnahme, ausser in dringenden Fällen, im Rahmen eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens getroffen wurde, ohne dass dem Kind die Möglichkeit eingeräumt worden war, gehört zu werden, und dadurch gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze des ersuchten Staates verstossen wurde;
c) auf Antrag jeder Person, die geltend macht, dass die Massnahme ihre elter­liche Verantwortung beeinträchtigt, wenn diese Massnahme, ausser in dringenden Fällen, getroffen wurde, ohne dass dieser Person die Möglichkeit eingeräumt worden war, gehört zu werden;
d) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staates offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist;
e) wenn die Massnahme mit einer später im Nichtvertragsstaat des gewöhn­lichen Aufenthalts des Kindes getroffenen Massnahme unvereinbar ist, sofern die spätere Massnahme die für ihre Anerkennung im ersuchten Staat erforderlichen Voraussetzungen erfüllt;
f) wenn das Verfahren nach Artikel 33 nicht eingehalten wurde.
Art. 24
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann jede betroffene Person bei den zuständigen Behörden eines Vertragsstaats beantragen, dass über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer in einem anderen Vertragsstaat getroffenen Massnahme entschieden wird. Das Verfahren bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Staates.
Art. 25
Die Behörde des ersuchten Staates ist an die Tatsachenfeststellungen gebunden, auf welche die Behörde des Staates, in dem die Massnahme getroffen wurde, ihre Zuständigkeit gestützt hat.
Art. 26
(1)  Erfordern die in einem Vertragsstaat getroffenen und dort vollstreckbaren Massnahmen in einem anderen Vertragsstaat Vollstreckungshandlungen, so werden sie in diesem anderen Staat auf Antrag jeder betroffenen Partei nach dem im Recht dieses Staates vorgesehenen Verfahren für vollstreckbar erklärt oder zur Vollstreckung registriert.
(2)  Jeder Vertragsstaat wendet auf die Vollstreckbarerklärung oder die Registrierung ein einfaches und schnelles Verfahren an.
(3)  Die Vollstreckbarerklärung oder die Registrierung darf nur aus einem der in Artikel 23 Absatz 2 vorgesehenen Gründe versagt werden.
Art. 27
Vorbehaltlich der für die Anwendung der vorstehenden Artikel erforderlichen Überprüfung darf die getroffene Massnahme in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden.
Art. 28
Die in einem Vertragsstaat getroffenen und in einem anderen Vertragsstaat für vollstreckbar erklärten oder zur Vollstreckung registrierten Massnahmen werden dort vollstreckt, als seien sie von den Behörden dieses anderen Staates getroffen worden. Die Vollstreckung richtet sich nach dem Recht des ersuchten Staates unter Beachtung der darin vorgesehenen Grenzen, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.

Kapitel V Zusammenarbeit

Art. 29
(1)  Jeder Vertragsstaat bestimmt eine Zentrale Behörde, welche die ihr durch dieses Übereinkommen übertragenen Aufgaben wahrnimmt.
(2)  Einem Bundesstaat, einem Staat mit mehreren Rechtssystemen oder einem Staat, der aus autonomen Gebietseinheiten besteht, steht es frei, mehrere Zentrale Behörden zu bestimmen und deren räumliche und persönliche Zuständigkeit fest­zulegen. Macht ein Staat von dieser Möglichkeit Gebrauch, so bestimmt er die Zentrale Behörde, an welche Mitteilungen zur Übermittlung an die zuständige Zentrale Behörde in diesem Staat gerichtet werden können.
Art. 30
(1)  Die Zentralen Behörden arbeiten zusammen und fördern die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden ihrer Staaten, um die Ziele dieses Übereinkommens zu verwirklichen.
(2)  Im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Übereinkommens treffen sie die geeigneten Massnahmen, um Auskünfte über das Recht ihrer Staaten sowie die in ihren Staaten für den Schutz von Kindern verfügbaren Dienste zu erteilen.
Art. 31
Die Zentrale Behörde eines Vertragsstaats trifft unmittelbar oder mit Hilfe staat­licher Behörden oder sonstiger Stellen alle geeigneten Vorkehrungen, um:
a) die Mitteilungen zu erleichtern und die Unterstützung anzubieten, die in den Artikeln 8 und 9 und in diesem Kapitel vorgesehen sind;
b) durch Vermittlung, Schlichtung oder ähnliche Mittel gütliche Einigungen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes bei Sachverhalten zu erleichtern, auf die dieses Übereinkommen anzuwenden ist;
c) auf Ersuchen der zuständigen Behörde eines anderen Vertragsstaats bei der Ermittlung des Aufenthaltsorts des Kindes Unterstützung zu leisten, wenn der Anschein besteht, dass das Kind sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates befindet und Schutz benötigt.
Art. 32
Auf begründetes Ersuchen der Zentralen Behörde oder einer anderen zuständigen Behörde eines Vertragsstaats, zu dem das Kind eine enge Verbindung hat, kann die Zentrale Behörde des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und in dem es sich befindet, unmittelbar oder mit Hilfe staatlicher Behörden oder sonstiger Stellen:
a) einen Bericht über die Lage des Kindes erstatten;
b) die zuständige Behörde ihres Staates ersuchen zu prüfen, ob Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erforderlich sind.
Art. 33
(1)  Erwägt die nach den Artikeln 5–10 zuständige Behörde die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim oder seine Betreuung durch Kafala oder eine entsprechende Einrichtung und soll es in einem anderen Vertragsstaat untergebracht oder betreut werden, so zieht sie vorher die Zentrale Behörde oder eine andere zuständige Behörde dieses Staates zu Rate. Zu diesem Zweck übermittelt sie ihr einen Bericht über das Kind und die Gründe ihres Vorschlags zur Unterbringung oder Betreuung.
(2)  Die Entscheidung über die Unterbringung oder Betreuung kann im ersuchenden Staat nur getroffen werden, wenn die Zentrale Behörde oder eine andere zuständige Behörde des ersuchten Staates dieser Unterbringung oder Betreuung zugestimmt hat, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.
Art. 34
(1)  Wird eine Schutzmassnahme erwogen, so können die nach diesem Übereinkommen zuständigen Behörden, sofern die Lage des Kindes dies erfordert, jede Behörde eines anderen Vertragsstaats, die über sachdienliche Informationen für den Schutz des Kindes verfügt, ersuchen, sie ihnen mitzuteilen.
(2)  Jeder Vertragsstaat kann erklären, dass Ersuchen nach Absatz 1 seinen Behörden nur über seine Zentrale Behörde zu übermitteln sind.
Art. 35
(1)  Die zuständigen Behörden eines Vertragsstaats können die Behörden eines anderen Vertragsstaats ersuchen, ihnen bei der Durchführung der nach diesem Übereinkommen getroffenen Schutzmassnahmen Hilfe zu leisten, insbesondere um die wirksame Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr⁸ sowie des Rechts sicherzustellen, regelmässige unmittelbare Kontakte aufrechtzuerhalten.
(2)  Die Behörden eines Vertragsstaats, in dem das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, können auf Antrag eines Elternteils, der sich in diesem Staat aufhält und der ein Recht auf persönlichen Verkehr⁹ zu erhalten oder beizubehalten wünscht, Auskünfte oder Beweise einholen und Feststellungen über die Eignung dieses Elternteils zur Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr¹⁰ und die Bedingungen seiner Ausübung treffen. Eine Behörde, die nach den Artikeln 5­–10 für die Entscheidung über das Recht auf persönlichen Verkehr¹¹ zuständig ist, hat vor ihrer Entscheidung diese Auskünfte, Beweise und Feststellungen zuzulassen und zu berücksichtigen.
(3)  Eine Behörde, die nach den Artikeln 5–10 für die Entscheidung über das Recht auf persönlichen Verkehr¹² zuständig ist, kann das Verfahren bis zum Vor­liegen des Ergebnisses des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens aussetzen, insbesondere wenn bei ihr ein Antrag auf Änderung oder Aufhebung des Rechts auf persönlichen Verkehr¹³ anhängig ist, das die Behörden des Staates des früheren gewöhn­lichen Aufenthalts des Kindes eingeräumt haben.
(4)  Dieser Artikel hindert eine nach den Artikeln 5–10 zuständige Behörde nicht, bis zum Vorliegen des Ergebnisses des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens vorläufige Massnahmen zu treffen.
⁸ DE: des Rechts zum persönlichen Umgang
⁹ DE: des Rechts zum persönlichen Umgang
¹⁰ DE: des Rechts zum persönlichen Umgang
¹¹ DE: des Rechts zum persönlichen Umgang
¹² DE: des Rechts zum persönlichen Umgang
¹³ DE: des Rechts zum persönlichen Umgang
Art. 36
Ist das Kind einer schweren Gefahr ausgesetzt, so benachrichtigen die zuständigen Behörden des Vertragsstaats, in dem Massnahmen zum Schutz dieses Kindes getroffen wurden oder in Betracht gezogen werden, sofern sie über den Wechsel des Aufenthaltsorts in einen anderen Staat oder die dortige Anwesenheit des Kindes unterrichtet sind, die Behörden dieses Staates von der Gefahr und den getroffenen oder in Betracht gezogenen Massnahmen.
Art. 37
Eine Behörde darf nach diesem Kapitel weder um Informationen ersuchen noch solche erteilen, wenn dadurch nach ihrer Auffassung die Person oder das Vermögen des Kindes in Gefahr geraten könnte oder die Freiheit oder das Leben eines Fami­lienangehörigen des Kindes ernsthaft bedroht würde.
Art. 38
(1)  Unbeschadet der Möglichkeit, für die erbrachten Dienstleistungen angemessene Kosten zu verlangen, tragen die Zentralen Behörden und die anderen staatlichen Behörden der Vertragsstaaten die Kosten, die ihnen durch die Anwendung dieses Kapitels entstehen.
(2)  Jeder Vertragsstaat kann mit einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten Vereinbarungen über die Kostenaufteilung treffen.
Art. 39
Jeder Vertragsstaat kann mit einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen, um die Anwendung dieses Kapitels in ihren gegenseitigen Beziehungen zu erleichtern. Die Staaten, die solche Vereinbarungen getroffen haben, übermitteln dem Depositar¹⁴ dieses Übereinkommens eine Abschrift.
¹⁴ DE: Verwahrer (so auch in den Artikeln 45, 57 –60, 62 und 63 )

Kapitel VI Allgemeine Bestimmungen

Art. 40
(1)  Die Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem eine Schutzmassnahme getroffen wurde, können dem Träger der elterlichen Verantwortung oder jedem, dem der Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes anvertraut wurde, auf dessen Antrag eine Bescheinigung über seine Berechtigung zum Handeln und die ihm übertragenen Befugnisse ausstellen.
(2)  Die Richtigkeit der Berechtigung zum Handeln und der Befugnisse, die bescheinigt sind, wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.
(3)  Jeder Vertragsstaat bestimmt die für die Ausstellung der Bescheinigung zuständigen Behörden.
Art. 41
Die nach diesem Übereinkommen gesammelten oder übermittelten personenbezogenen Daten dürfen nur für die Zwecke verwendet werden, zu denen sie gesammelt oder übermittelt wurden.
Art. 42
Behörden, denen Informationen übermittelt werden, stellen nach dem Recht ihres Staates deren vertrauliche Behandlung sicher.
Art. 43
Die nach diesem Übereinkommen übermittelten oder ausgestellten Schriftstücke sind von jeder Beglaubigung¹⁵ oder entsprechenden Förmlichkeit befreit.
¹⁵ DE: Legalisation
Art. 44
Jeder Vertragsstaat kann die Behörden bestimmen, an die Ersuchen nach den Artikeln 8, 9 und 33 zu richten sind.
Art. 45
(1)  Die nach den Artikeln 29 und 44 bestimmten Behörden werden dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht mitgeteilt.
(2)  Die Erklärung nach Artikel 34 Absatz 2 wird gegenüber dem Depositar dieses Übereinkommens abgegeben.
Art. 46
Ein Vertragsstaat, in dem verschiedene Rechtssysteme oder Gesamtheiten von Regeln für den Schutz der Person und des Vermögens des Kindes gelten, muss die Regeln dieses Übereinkommens nicht auf Kollisionen anwenden, die allein zwischen diesen verschiedenen Rechtssystemen oder Gesamtheiten von Regeln bestehen.
Art. 47
Gelten in einem Staat in Bezug auf die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten zwei oder mehr Rechtssysteme oder Gesamtheiten von Regeln in verschiedenen Gebietseinheiten, so ist jede Verweisung:
1. auf den gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat als Verweisung auf den gewöhnlichen Aufenthalt in einer Gebietseinheit zu verstehen;
2. auf die Anwesenheit des Kindes in diesem Staat als Verweisung auf die Anwesenheit des Kindes in einer Gebietseinheit zu verstehen;
3. auf die Belegenheit des Vermögens des Kindes in diesem Staat als Verweisung auf die Belegenheit des Vermögens des Kindes in einer Gebietseinheit zu verstehen;
4. auf den Staat, dem das Kind angehört, als Verweisung auf die von dem Recht dieses Staates bestimmte Gebietseinheit oder, wenn solche Regeln fehlen, als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, mit der das Kind die engste Verbindung hat;
5. auf den Staat, bei dessen Behörden ein Antrag auf Scheidung, Trennung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Eltern des Kindes anhängig ist, als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, bei deren Behörden ein solcher Antrag anhängig ist;
6. auf den Staat, mit dem das Kind eine enge Verbindung hat, als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, mit der das Kind eine solche Verbindung hat;
7. auf den Staat, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde, als Verweisung auf die Gebietseinheit zu verstehen, in die das Kind verbracht oder in der es zurückgehalten wurde;
8. auf Stellen oder Behörden dieses Staates, die nicht Zentrale Behörden sind, als Verweisung auf die Stellen oder Behörden zu verstehen, die in der betreffenden Gebietseinheit handlungsbefugt sind;
9. auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde des Staates, in dem eine Massnahme getroffen wurde, als Verweisung auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde der Gebietseinheit zu verstehen, in der diese Massnahme getroffen wurde;
10. auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde des ersuchten Staates als Verweisung auf das Recht, das Verfahren oder die Behörde der Gebietseinheit zu verstehen, in der die Anerkennung oder Vollstreckung geltend gemacht wird.
Art. 48
Hat ein Staat zwei oder mehr Gebietseinheiten mit eigenen Rechtssystemen oder Gesamtheiten von Regeln für die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten, so gilt zur Bestimmung des nach Kapitel III anzuwendenden Rechts Folgendes:
a) Sind in diesem Staat Regeln in Kraft, die das Recht einer bestimmten Gebietseinheit für anwendbar erklären, so ist das Recht dieser Einheit anzuwenden.
b) Fehlen solche Regeln, so ist das Recht der in Artikel 47 bestimmten Gebietseinheit anzuwenden.
Art. 49
Hat ein Staat zwei oder mehr Rechtssysteme oder Gesamtheiten von Regeln, die auf verschiedene Personengruppen hinsichtlich der in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten anzuwenden sind, so gilt zur Bestimmung des nach Kapitel III anzuwendenden Rechts Folgendes:
a) Sind in diesem Staat Regeln in Kraft, die bestimmen, welches dieser Rechte anzuwenden ist, so ist dieses anzuwenden.
b) Fehlen solche Regeln, so ist das Rechtssystem oder die Gesamtheit von Regeln anzuwenden, mit denen das Kind die engste Verbindung hat.
Art. 50
Dieses Übereinkommen lässt das Übereinkommen vom 25. Oktober 1980¹⁶ über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien beider Übereinkommen unberührt. Einer Berufung auf Bestimmungen dieses Übereinkommens zu dem Zweck, die Rückkehr eines widerrechtlich verbrachten oder zurückgehaltenen Kindes zu erwirken oder das Recht auf persönlichen Verkehr¹⁷ durchzuführen, steht jedoch nichts entgegen.
¹⁶ SR 0.211.230.02
¹⁷ DE: das Recht zum persönlichen Umgang
Art. 51
Im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten ersetzt dieses Übereinkommen das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen und das am 12. Juni 1902¹⁸ in Den Haag unterzeichnete Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige, unbeschadet der Anerkennung von Massnahmen, die nach dem genannten Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 getroffen wurden.
¹⁸ [BS 11 800. AS 1977 766 ]
Art. 52
(1)  Dieses Übereinkommen lässt internationale Übereinkünfte unberührt, denen Vertragsstaaten als Vertragsparteien angehören und die Bestimmungen über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten, sofern die durch eine solche Übereinkunft gebundenen Staaten keine gegenteilige Erklärung abgeben.
(2)  Dieses Übereinkommen lässt die Möglichkeit unberührt, dass ein oder mehrere Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen, die in Bezug auf Kinder mit gewöhn­lichem Aufenthalt in einem der Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind, Bestimmungen über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten.
(3)  Künftige Vereinbarungen eines oder mehrerer Vertragsstaaten über Angelegenheiten im Anwendungsbereich dieses Übereinkommens lassen im Verhältnis zwischen solchen Staaten und anderen Vertragsstaaten die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens unberührt.
(4)  Die Absätze 1–3 gelten auch für Einheitsrecht, das auf besonderen Verbindungen insbesondere regionaler Art zwischen den betroffenen Staaten beruht.
Art. 53
(1)  Dieses Übereinkommen ist nur auf Massnahmen anzuwenden, die in einem Staat getroffen werden, nachdem das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft getreten ist.
(2)  Dieses Übereinkommen ist auf die Anerkennung und Vollstreckung von Massnahmen anzuwenden, die getroffen wurden, nachdem es im Verhältnis zwischen dem Staat, in dem die Massnahmen getroffen wurden, und dem ersuchten Staat in Kraft getreten ist.
Art. 54
(1)  Mitteilungen an die Zentrale Behörde oder eine andere Behörde eines Vertragsstaats werden in der Originalsprache zugesandt; sie müssen von einer Übersetzung in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des anderen Staates oder, wenn eine solche Übersetzung nur schwer erhältlich ist, von einer Übersetzung ins Französische oder Englische begleitet sein.
(2)  Ein Vertragsstaat kann jedoch einen Vorbehalt nach Artikel 60 anbringen und darin gegen die Verwendung des Französischen oder Englischen, jedoch nicht beider Sprachen, Einspruch erheben.
Art. 55
(1)  Ein Vertragsstaat kann sich nach Artikel 60:
a) die Zuständigkeit seiner Behörden vorbehalten, Massnahmen zum Schutz des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Vermögens eines Kindes zu treffen;
b) vorbehalten, die elterliche Verantwortung oder eine Massnahme nicht anzuerkennen, soweit sie mit einer von seinen Behörden in Bezug auf dieses Vermögen getroffenen Massnahme unvereinbar ist.
(2)  Der Vorbehalt kann auf bestimmte Vermögensarten beschränkt werden.
Art. 56
Der Generalsekretär der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht beruft in regelmässigen Abständen eine Spezialkommission zur Prüfung der praktischen Durchführung dieses Übereinkommens ein.

Kapitel VII Schlussbestimmungen

Art. 57
(1)  Dieses Übereinkommen liegt für die Staaten, die zur Zeit der Achtzehnten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Mitglied der Konferenz waren, zur Unterzeichnung auf.
(2)  Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung; die Ratifikations‑, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Ministerium für auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, dem Depositar dieses Übereinkommens, hinterlegt.
Art. 58
(1)  Jeder andere Staat kann diesem Übereinkommen beitreten, sobald es nach Artikel 61 Absatz 1 in Kraft getreten ist.
(2)  Die Beitrittsurkunde wird beim Depositar hinterlegt.
(3)  Der Beitritt wirkt nur im Verhältnis zwischen dem beitretenden Staat und den Vertragsstaaten, die innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der in Artikel 63 Buchstabe b vorgesehenen Notifikation keinen Einspruch gegen den Beitritt erhoben haben. Nach dem Beitritt kann ein solcher Einspruch auch von jedem Staat in dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem er dieses Übereinkommen ratifiziert, annimmt oder genehmigt. Die Einsprüche werden dem Depositar notifiziert.
Art. 59
(1)  Ein Staat, der aus zwei oder mehr Gebietseinheiten besteht, in denen für die in diesem Übereinkommen behandelten Angelegenheiten unterschiedliche Rechtssysteme gelten, kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt erklären, dass das Übereinkommen auf alle seine Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere davon erstreckt wird; er kann diese Erklärung durch Abgabe einer neuen Erklärung jederzeit ändern.
(2)  Jede derartige Erklärung wird dem Depositar unter ausdrücklicher Bezeichnung der Gebietseinheiten notifiziert, auf die dieses Übereinkommen angewendet wird.
(3)  Gibt ein Staat keine Erklärung nach diesem Artikel ab, so ist dieses Übereinkommen auf sein gesamtes Hoheitsgebiet anzuwenden.
Art. 60
(1)  Jeder Staat kann spätestens bei der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt oder bei Abgabe einer Erklärung nach Artikel 59 einen der in Artikel 54 Absatz 2 und Artikel 55 vorgesehenen Vorbehalte oder beide anbringen. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.
(2)  Jeder Staat kann einen von ihm angebrachten Vorbehalt jederzeit zurücknehmen. Die Rücknahme wird dem Depositar notifiziert.
(3)  Die Wirkung des Vorbehalts endet am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach der in Absatz 2 genannten Notifikation.
Art. 61
(1)  Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in Artikel 57 vorgesehenen Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt.
(2)  Danach tritt dieses Übereinkommen in Kraft:
a) für jeden Staat, der es später ratifiziert, annimmt oder genehmigt, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung seiner Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitritts­urkunde folgt;
b) für jeden Staat, der ihm beitritt, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Ablauf der in Artikel 58 Absatz 3 vorgesehenen Frist von sechs Monaten folgt;
c) für die Gebietseinheiten, auf die es nach Artikel 59 erstreckt worden ist, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in jenem Artikel vorgesehenen Notifikation folgt.
Art. 62
(1)  Jeder Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen durch eine an den Depositar gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung kann sich auf bestimmte Gebietseinheiten beschränken, auf die das Übereinkommen angewendet wird.
(2)  Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeit­abschnitt von zwölf Monaten nach Eingang der Notifikation beim Depositar folgt. Ist in der Notifikation für das Wirksamwerden der Kündigung ein längerer Zeit­abschnitt angegeben, so wird die Kündigung nach Ablauf des entsprechenden Zeitabschnitts wirksam.
Art. 63
Der Depositar notifiziert den Mitgliedstaaten der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht sowie den Staaten, die nach Artikel 58 beigetreten sind:
a) jede Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme und Genehmigung nach Artikel 57;
b) jeden Beitritt und jeden Einspruch gegen einen Beitritt nach Artikel 58;
c) den Tag, an dem dieses Übereinkommen nach Artikel 61 in Kraft tritt;
d) jede Erklärung nach Artikel 34 Absatz 2 und Artikel 59;
e) jede Vereinbarung nach Artikel 39;
f) jeden Vorbehalt nach Artikel 54 Absatz 2 und Artikel 55 sowie jede Rücknahme eines Vorbehalts nach Artikel 60 Absatz 2;
g) jede Kündigung nach Artikel 62.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen in Den Haag am 19. Oktober 1996 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der Regierung des Königreichs der Niederlande hinterlegt und von der jedem Staat, der zur Zeit der Achtzehnten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Mitglied der Konferenz war, auf diplomatischem Weg eine beglaubigte Abschrift übermittelt wird.
(Es folgen die Unterschriften)

Zentrale Behörden der Schweiz ¹⁹

¹⁹ AS 2017 5235

Zentrale Behörde des Bundes

Bundesamt für Justiz
Fachbereich Internationales Privatrecht
Bundesrain 20
3003 Bern
Telefon: +41 58 463 88 64
Telefax: +41 58 462 78 64
Email: kindesschutz@bj.admin.ch

Zentrale Behörden der Kantone

www.bj.admin.ch/ > Gesellschaft > Internationaler Kindesschutz > Weitere Infos > Dokumente > Adressliste der Zentralen Behörden in der Schweiz

Geltungsbereich am 3. September 2020 ²⁰

²⁰ AS 2009 3085 , 2011 2965 , 2014 543 , 2015 4285 , 2017 5236 , 2020 3775 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Beitritt (B)

Inkrafttreten

Albanien*

18. Mai

2006 B

  1. April

2007

Armenien*

  1. März

2007 B

  1. Mai

2008

Australien

29. April

2003

  1. August

2003

Belgien*

28. Mai

2014

  1. September

2014

Bulgarien*

  8. März

2006 B

  1. Februar

2007

Dänemark*

30. Juni

2011

  1. Oktober

2011

    Grönland

22. April

2016

  1. Juli

2016

Deutschland*

17. September

2010

  1. Januar

2011

Dominikanische Republik

14. Dezember

2009 B

  1. Oktober

2010

Ecuador

  5. November

2002 B

  1. September

2003

Estland*

  6. August

2002 B

  1. Juni

2003

Fidschi*

  5. Juni

2018 B

  1. April

2019

Finnland*

19. November

2010

  1. März

2011

Frankreich*

15. Oktober

2010

  1. Februar

2011

Georgien*

  1. April

2014 B

  1. März

2015

Griechenland*

  7. Februar

2012

  1. Juni

2012

Guyana

  5. Februar

2019 B

  1. Dezember

2019

Honduras

16. Oktober

2017 B

  1. August

2018

Irland*

30. September

2010

  1. Januar

2011

Italien*

30. September

2015

  1. Januar

2016

Kroatien*

  4. September

2009

  1. Januar

2010

Kuba*

  2. Februar

2017 B

  1. Dezember

2017

Lesotho

18. Juni

2012 B

  1. Juni

2013

Lettland*

12. Dezember

2002

  1. April

2003

Litauen*

29. Oktober

2003 B

  1. September

2004

Luxemburg*

  5. August

2010

  1. Dezember

2010

Malta*

24. Februar

2011 B

  1. Januar

2012

Marokko

22. August

2002

  1. Dezember

2002

Monaco

14. Mai

1997

  1. Januar

2002

Montenegro

14. Februar

2012 B

  1. Januar

2013

Nicaragua

  5. Februar

2019 B

  1. Dezember

2019

Niederlande*

31. Januar

2011

  1. Mai

2011

    Curaçao

31. Januar

2011

  1. Mai

2011

    Karibische Gebiete (Bonaire,
    Sint Eustatius und Saba)

31. Januar

2011

  1. Mai

2011

Norwegen*

30. März

2016

  1. Juli

2016

Österreich*

22. Dezember

2010

  1. April

2011

Paraguay

12. September

2018 B

  1. Juli

2019

Polen*

27. Juli

2010

  1. November

2010

Portugal*

14. April

2011

  1. August

2011

Rumänien*

  8. September

2010

  1. Januar

2011

Russland*

20. August

2012 B

  1. Juni

2013

Schweiz*

27. März

2009

  1. Juli

2009

Schweden*

26. September

2012

  1. Januar

2013

Serbien*

15. Januar

2016 B

  1. November

2016

Slowakei*

21. September

2001

  1. Januar

2002

Slowenien*

11. Oktober

2004

  1. Februar

2005

Spanien*

  6. September

2010

  1. Januar

2011

Tschechische Republik*

13. März

2000

  1. Januar

2002

Türkei*

  7. Oktober

2016

  1. Februar

2017

Ukraine*

  3. April

2007 B

  1. Februar

2008

Ungarn*

13. Januar

2006

  1. Mai

2006

Uruguay

17. November

2009

  1. März

2010

Vereinigtes Königreich*

27. Juli

2012

  1. November

2012

    Gibraltar

27. Juli

2012

  1. November

2012

Zypern*

21. Juli

2010

  1. November

2010

* Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite der Haager Konferenz: www.hcch.net/ > Français > Instruments > Conventions eingesehen
oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.

Vorbehalte und Erklärungen

Schweiz
Vorbehalt zu Art. 55 Abs. 1 Bst. b, gemäss Art. 60:
Die Schweiz behält sich das Recht vor, die elterliche Verantwortung oder eine Massnahme nicht anzuerkennen, soweit sie mit einer von ihren Behörden getroffenen Massnahme in Bezug auf das Vermögen eines auf ihrem Hoheitsgebiet befind­lichen Kindes unvereinbar ist.
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