Verordnung über die Rechte und Pflichten des Kommandanten eines Luftfahrzeuges (748.225.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über die Rechte und Pflichten des Kommandanten eines Luftfahrzeuges

vom 22. Januar 1960 (Stand am 1. April 2011)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf Artikel 63 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948¹ (LFG) und auf Artikel 48 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches²,³
beschliesst:
¹ SR 748.0 ² SR 210 ³ Fassung gemäss Ziff. I 4 der V vom 4. März 2011, in Kraft seit 1. April 2011 ( AS 2011 1139 ).
I. Anwendungs- bereich
Art. 1
Diese Verordnung ist anwendbar:
a. auf schweizerische Luftfahrzeuge in der Schweiz,
b. auf schweizerische Luftfahrzeuge im Ausland, unter Vorbehalt zwingender Vorschriften des ausländischen Rechts.
Art. 2
¹ Diese Verordnung findet auf ausländische Luftfahrzeuge sinngemäss Anwendung für alle Vorgänge, die sich auf oder über schweizeri­schem Gebiet abspielen.
² Für ausländische Luftfahrzeuge, die in der Schweiz nicht landen, bleiben die zwingenden Vorschriften des Eintragungsstaates vorbehal­ten und die Bestimmungen dieser Verordnung über die zivilstand­s­amtlichen Aufgaben des Kommandanten finden keine Anwendung.
II. Bestimmung des Komman- danten
Art. 3
¹ Befindet sich nur ein Luftfahrzeugführer an Bord, so gilt dieser als Kommandant.
² Befinden sich mehrere Luftfahrzeugführer an Bord, so ist der Halter des Luftfahrzeuges verpflichtet, vor dem Abflug ein Besatzungs­mit­glied als Kommandanten und ein anderes als seinen Stellvertreter zu bezeichnen. Die Bezeichnung kann durch eine Dienstordnung erfol­gen.
³ Wurde kein Kommandant bezeichnet, oder sind der Kommandant und sein Stellvertreter verhindert, ihre Aufgaben zu erfüllen, so stehen die Rechte und Pflichten des Kommandanten dem ranghöchsten und rangältesten Mitglied der Besatzung an Bord zu.
⁴ Wer die tatsächliche Befehlsgewalt an Bord eines Luftfahrzeuges ausübt, hat die gleichen Pflichten und Verantwortlichkeiten wie der Kommandant.
III. Rechte und Pflichten des Kommandanten
Art. 4
Der Kommandant ist dafür verantwortlich, dass die Vorbereitung der Besatzung auf den Flug und die Übernahme des Luftfahrzeuges durch die Besatzung den bestehenden Vorschriften entsprechen.
Art. 5
¹ Der Kommandant ist dafür verantwortlich, dass sich die vorgeschrie­benen Papiere an Bord des Luftfahrzeuges befinden, und dass die vor­geschriebenen Bordbücher ordnungsgemäss geführt werden.
² Der Halter des Luftfahrzeuges kann den Kommandanten durch Dienstordnung von diesen Aufgaben entlasten und sie andern Per­so­nen übertragen.
Art. 6
¹ Der Kommandant hat im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, der Weisungen des Halters eines Luftfahrzeuges und der anerkannten Regeln der Luftfahrt alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Interessen der Fluggäste, der Besatzung, der an der Ladung Berechtigten und des Luftfahrzeughalters zu wahren.
² In Notfällen hat der Kommandant alle zum Schutze des Lebens, des Luftfahrzeuges und der Ladung unmittelbar erforderlichen Massnah­men zu treffen.
Art. 7
Der Kommandant ist für die Führung des Luftfahrzeuges nach den gesetzlichen Bestimmungen, den Vorschriften der Luftfahrthand­bücher (AIP), den anerkannten Regeln der Luftfahrt und den Weisungen des Halters verantwortlich.
Art. 8
¹ Der Kommandant hat über die Mitglieder der Besatzung Befehls­­gewalt.
² Der Kommandant kann den Mitgliedern der Besatzung bei Bedarf auch andere als die ihnen vom Halter zugewiesenen Aufgaben und auch bestimmte Aufgaben des Kommandanten übertragen. Die Bestimmungen über die Ausweise für Flugpersonal bleiben vorbehalten.
³ Der Kommandant überwacht die Ausführung der den einzelnen Mit­gliedern der Besatzung vom Halter des Luftfahrzeuges übertragenen Aufgaben.
Art. 9
¹ Verstösst ein Mitglied der Besatzung in grober Weise gegen seine Pflichten, so hat der Kommandant den Halter des Luftfahrzeuges zu benachrichtigen.
² Aus Gründen der Sicherheit und Ordnung kann der Kommandant ein Besatzungsmitglied vorübergehend seiner Stellung entheben, es bei nächster Gelegenheit von Bord weisen oder ihm das Betreten des Luftfahrzeuges verbieten.
Art. 10
¹ Die Befehlsgewalt des Kommandanten beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem er die Besatzung zur Vorbereitung des Fluges vor dem Abflug besammelt.
² Sie endet mit der Entlassung nach Erledigung der Arbeiten, die mit der Beendigung des Fluges verbunden sind.
Art. 11
¹ Die an Bord befindlichen Fluggäste unterstehen der Bordgewalt des Kommandanten.
² Sie sind verpflichtet, den zur Wahrung der Flugsicherheit sowie zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Disziplin an Bord erteilten Wei­sungen nachzuleben.
³ Der Kommandant ist berechtigt, einen Fluggast, der den erteilten Weisungen nicht nachkommt, nach erfolgloser Ermahnung bei näch­ster Gelegenheit von Bord zu weisen.
Art. 12
¹ Die Bordgewalt des Kommandanten gegenüber den Fluggästen beginnt mit der Schliessung des Luftfahrzeuges vor Antritt der Reise.
² Sie endet mit der Öffnung des Luftfahrzeuges nach Beendigung der Reise oder des Reiseabschnittes und nach Notlandungen oder Unfällen mit dem Zeitpunkt, in welchem die Sorge für die Fluggäste von ande­ren Stellen übernommen wird.
Art. 13
¹ Der Kommandant verfügt im Rahmen seiner Aufgabe über das Luft­fahrzeug und seine Ladung.
² Seine Verfügungsgewalt beginnt mit der Übernahme und endet mit der Übergabe des Luftfahrzeuges und der Ladung an die vom Luft­fahrzeughalter bezeichnete Stelle, nach Notlandungen oder Unfällen mit dem Zeitpunkt, in welchem Luftfahrzeug und Ladung von andern Stellen übernommen werden.
Art. 14
Der Kommandant vertritt den Halter des Luftfahrzeuges gegenüber Dritten im Rahmen der ihm vom Halter erteilten Ermächtigung.
Art. 15
¹ Wird an Bord eines im gewerbsmässigen Verkehr verwendeten Luft­fahrzeuges ein Verbrechen oder Vergehen verübt, so hat der Kom­mandant die zur Beweissicherung notwendigen Massnahmen zu tref­fen.
² Er nimmt bis zum Eingreifen der zuständigen Behörde die Unter­­suchungshandlungen vor, die keinen Aufschub ertragen.
³ Er ist berechtigt, unter grösster Schonung der Privatgeheimnisse, Fluggäste und Besatzungsmitglieder zu durchsuchen und Gegen­stände, die als Beweismittel dienen können, zu beschlagnahmen.
⁴ Ist Gefahr im Verzug, so steht dem Kommandanten das Recht zu, Verdächtige vorläufig festzunehmen.
⁵ Die Artikel 62–64, 65, 69 und 74–85 des Bundesstrafrechtspflege­­gesetzes⁴ sind sinngemäss an­wendbar.
⁴ [BS 3 303; AS 1971 777 Ziff. III 4, 1974 1857 Anhang Ziff. 2, 1978 688 Art. 88 Ziff. 4, 1979 1170 , 1992 288 Anhang Ziff. 15 2465 Anhang Ziff. 2, 1993 1993 , 1997 2465 Anhang Ziff. 7, 2000 505 Ziff. I 3 2719 Ziff. II 3 2725 Ziff. II, 2001 118 Ziff. I 3 3071 Ziff. II 1 3096 Anhang Ziff. 2 3308, 2003 2133 Anhang Ziff. 9, 2004 1633 Ziff. I 4, 2005 5685 Anhang Ziff. 19, 2006 1205 Anhang Ziff. 10, 2007 6087 , 2008 1607 Anhang Ziff. 1 4989 Anhang 1 Ziff. 6 5463 Anhang Ziff. 3, 2009 6605 Anhang Ziff. II 3. AS 2010 1881 Anhang 1 Ziff. I 1]. Siehe heute: die Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007 ( SR 312.0 ).
Art. 16
¹ Der Kommandant hat das verübte Verbrechen oder Vergehen der am nächsten Landungsort zuständigen Stelle unverzüglich zu melden.
² Wurde das Verbrechen oder Vergehen auf einem im gewerbs­mässi­gen Verkehr verwendeten schweizerischen Luftfahrzeug verübt, so hat der Kommandant
a. sofern der nächste Landungsort im Ausland liegt, den schwei­ze­ri­schen Konsul, in dessen Bezirk sich der Landungsort befindet, zuhanden des Bundesamtes für Polizeiwesen⁵ des Eid­genössi­schen Justiz- und Polizeidepartements unverzüglich zu benach­richtigen und dessen Weisung einzuholen;
nach Beendigung der Reise dem Bundesamt für Zivilluftfahrt⁶ ohne Verzug schriftlich über das Verbrechen oder Vergehen und über die von ihm getroffenen Massnahmen zu berichten.
⁵ Bezeichnung gemäss Art. 71 des Verwaltungsorganisationsgesetzes ( AS 1979 114 ; BBl 1975 I 1453 ).
⁶ Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikationsverordnung vom 17. Nov. 2004 ( SR 170.512.1 ) angepasst.
Art. 17
¹ Landet das Luftfahrzeug ausserhalb eines bewilligten Flugplatzes, so hat der Kommandant durch Vermittlung der Ortsbehörden die Wei­sungen der zuständigen Luftpolizeibehörde einzuholen.
² …⁷
⁷ Aufgehoben durch Art. 45 Bst. b der V vom 20 Aug. 1980 über die Flugunfallunter­suchungen ( AS 1980 1141 ).
Art. 18
¹ Geburten, die sich an Bord eines in der Schweiz landenden Luft­fahr­zeuges ereignen, sind dem schweizerischen Zivilstandsamt des Kreises zu melden, wo die Mutter das Luftfahrzeug verlassen hat.
² Todesfälle, die sich an Bord des Luftfahrzeuges ereignen, sind dem schweizerischen Zivilstandsamt des Kreises zu melden, wo die Leiche dem Luftfahrzeug entnommen wird.
³ Der Kommandant vergewissert sich, dass die Geburt oder der Todes­fall dem Zivilstandsamt gemeldet wird, oder er erstattet die Meldung selber.
Art. 19
¹ Über Geburten und Todesfälle, die sich an Bord eines im Auslande landenden schweizerischen Luftfahrzeuges ereignen, ist vom Kom­mandanten bei der nächsten Landung im Ausland ein Protokoll zu er­stellen, zu unterzeichnen und von zwei andern handlungsfähigen Per­sonen mitunterzeichnen zu lassen.
² Bei Geburten muss dieses Protokoll enthalten:
a. Tag, Monat, Jahr, Stunde, Minute, in Worten geschrieben, und Ort (nach geographischer Länge und Breite) der Geburt;
b. Familienname, Vornamen und Geschlecht des Kindes (ehe­li­cher oder ausserehelicher Sohn, eheliche oder aussereheliche Toch­ter);
c. Familienname (unter Nennung des Mädchenfamiliennamens der Mutter), Vornamen, Staatsangehörigkeit (bei Schweizer­bürgern Heimatort) und Wohnsitz der Eltern, sowie Beruf des Vaters;
d. bei ausserehelichen Geburten überdies das Geburtsdatum und die Eltern der Mutter und, wenn die Mutter verwitwet oder geschie­den ist, anstelle der Abstammung ihr Zivilstand, der Name des früheren Ehegatten und das Datum der Auflösung der Ehe;
e. bei Zwillings- und Mehrgeburten die genaue Zeitfolge der Gebur­ten;
f. bei Ausländern die Staatsangehörigkeit und wenn möglich der Heimat- oder Zuständigkeitsort. Bei Staatenlosigkeit ist diese Tat­sache zu erwähnen und die frühere Staatsangehörigkeit und der Geburtsort anzugeben. Heimatort der Mutter, wenn diese das Schweizerbürgerrecht besitzt;
g. die Urkunden, denen die Personalien unter c und d entnommen worden sind;
h. die Personen (Name, Vornamen, Wohnsitz), die bei der Geburt zugegen waren.
³ Bei Todesfällen muss dieses Protokoll enthalten:
a. Tag, Monat, Jahr, Stunde, Minute, in Worten geschrieben, und Ort (nach geographischer Länge und Breite) des Todes;
b. Familienname, Vornamen, wenn nötig Beinamen, Beruf, Wohn­­sitz, Staatsangehörigkeit (bei Schweizerbürgern Heimat­ort), so­wie Ort und Datum der Geburt des Verstorbenen;
c. Familienname (unter Nennung des Mädchenfamiliennamens der Mutter) und Vornamen der Eltern, bei adoptierten Perso­nen überdies Familienname, Vornamen und Heimatort der Adoptiv­eltern;
d. Zivilstand des Verstorbenen (ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden), unter Angabe des Familiennamens und der Vorna­men des überlebenden, gestorbenen oder geschiedenen Ehe­gatten, so­wie der schweizerische Heimatort der Ehefrau eines Ausländers oder Staatenlosen;
e. die vermutliche Todesursache;
f. bei Ausländern die Staatsangehörigkeit und wenn möglich der Heimat oder Zuständigkeitsort. Bei Staatenlosigkeit ist diese Tat­sache zu erwähnen und die frühere Staatsangehörigkeit anzu­ge­ben;
g. die Urkunden, denen die Personalien entnommen worden sind;
h. die Personen (Name, Vornamen, Wohnsitz), die beim Tode zuge­gen waren, sowie Name, Vornamen und Wohnsitz des Arztes, der zur Feststellung des Todes beigezogen worden ist. Das von diesem ausgestellte Arztzeugnis ist dem Protokoll des Komman­danten beizulegen.
⁴ Das Protokoll ist ohne Rücksicht auf zivilstandsamtliche Handlun­gen ausländischer Behörden nach der ersten Landung in der Schweiz unverzüglich mit eingeschriebenem Brief an das Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen in Bern zu senden.
Art. 20
¹ Verschwindet eine Person aus dem im Flug befindlichen Luftfahr­zeug, so hat der Kommandant nach der nächsten Landung alle Insas­sen des Luftfahrzeuges einzuvernehmen, welche über die Um­stände Auskunft geben können, unter denen die Person verschwunden ist.
² Über die Aussagen der Einvernommenen sowie über seine eigenen Wahrnehmungen ist vom Kommandanten ein Protokoll zu er­stel­len und zu unterzeichnen, worin wie bei erwiesenen Todesfällen alle Angaben über die Person des Verschwundenen aufzunehmen sind.
³ Das Protokoll ist ohne Rücksicht auf zivilstandsamtliche Handlun­gen ausländischer Behörden nach der ersten Landung in der Schweiz unverzüglich mit eingeschriebenem Brief an das Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen in Bern zu senden.
IV. Zivilrecht- liche Haftung
Art. 21
Die zivilrechtliche Haftung des Kommandanten richtet sich nach den Bestimmungen des Zivilrechts.
V. Straf­bestimmungen
Art. 22 ⁸
Nach Artikel 91 Absatz 1 Buchstabe i LFG wird bestraft:
a. wer eine Pflicht nach den Artikeln 5 Absatz 1, 6 Absatz 2, 8 Absatz 3, 9 Absatz 1 und 17 verletzt;
b. wer als Kommandant eines Luftfahrzeuges bei der Planung und Vorbereitung eines Fluges oder der Übernahme und Vorbereitung des Flugzeuges Aufgaben nicht oder nur ungenügend wahrnimmt, deren Nicht- oder nur mangelhafte Erfüllung geeignet ist, die Sicherheit des Fluges zu beeinträchtigen.
⁸ Fassung gemäss Ziff. I 4 der V vom 4. März 2011, in Kraft seit 1. April 2011 ( AS 2011 1139 ).
VI. Inkrafttreten
Art. 23
Diese Verordnung tritt am 1. März 1960 in Kraft.
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