Verordnung des Obergerichts über das Verfahren bei freiwilligen öffentlichen Versteigerungen
1 Verfahren bei freiwilligen öffentlichen Versteigerungen – V
235.15 Verordnung des Obergerichts über das Verfahren bei fr eiwilligen ö ffentlichen Versteigerungen (vom 19. Dezember 1979)
1 Das Obergericht, gestützt auf Art.
236 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) vom 30. März 1911
7 , §
223 des Einführungsgesetze s zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG zum ZGB) vom 2. April 1911
4 , §
87 des Gemeinde gesetzes vom 6. Juni 1926
2 , §§
76 Abs. 2 und 80 Abs. 2 des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisat ion im Zivil- und Strafprozess (GOG) vom 10. Mai 2010
3 ,
9 beschliesst: I. Durchführungsbefugnis
Gemeinde-
ammann und
Auktionator
§ 1.
1 Freiwillige öffentliche Verstei gerungen sind unter Vorbehalt der Ausnahmen gemäss §
223 EG zum ZGB
4 durchzuführen: a. unter Leitung und Verantwort ung des Gemeindeammanns, b. unter Leitung und Verantwortung einer Privatperson (Auktionator), unter Mitwirkung de s Gemeindeammanns.
2 Der Gemeindeammann kann die ihm obliegenden Aufgaben sei nen Angestellten übertragen. II. Durchführung durch Gemeindeammann
Zuständigkeit
§ 2.
1 Die Durchführung v on freiwilligen öffe ntlichen Versteige rungen obliegt: a. bei Fahrnisversteigerungen grundsätzlich dem Gemeindeammann am Ort der Versteigerung. Vorbehalten bleibt der Fall, wo für meh rere Amtskreise ein gemein sames Gantlokal besteht,
2
235.15 Verfahren bei freiwilligen öffentlichen Versteigerungen – V b. bei Grundstücksversteigerungen dem Gemeindeammann am Ort der gelegenen Sache. Liegt ein Grundstück in ve rschiedenen Amts
- kreisen, ist der Gemeindeammann eines jeden dieser Kreise zu
- ständig. Liegen mehrere gemein sam zu versteig ernde Grundstücke desselben Eigentümers in verschied enen Amtskreisen, kann der Auf
- traggeber wahlweise einen Gemeindeammann dieser Kreise mit der Versteigerung aller Grundstücke beauftragen. Durchführungs pflicht
§ 3.
1 Die Durchführung einer freiwi lligen öffentlichen Versteige
- rung darf nicht abgelehnt, jedoch von der Leistung eines angemessenen Kostenvorschusses abhä ngig gemacht werden.
2 Die Annahme von Gegenständen, deren Versteigerung nicht zu
- mutbar ist, kann verweigert werden. Prüfungs- befugnis
§ 4.
1 Der Gemeindeammann versteige rt die Gegenstände gestützt auf die erhaltenen Angaben.
2 Er kann jedoch eine unterschriftliche Erklärung über die Ver
- fügungsberechtigung sowie den Nachweis verlangen, dass die zu ver
- steigernden Gegenstände nicht mit amtlichem Beschl ag belegt sind.
3 Er ist befugt, den Nachweis für die Richtigkeit von Angaben über die Herkunft von Kunstwerken und Antiquitäten aus bestimmten Sammlungen oder bestimmt em Besitz zu verlangen. Verzeichnis
§ 5.
1 Der Auftraggeber hat dem Gemeindeammann ein Verzeich
- nis des Steigerungsgutes einzurei chen, welches als Grundlage für das Steigerungsprotokoll dienen kann. We nn es sich als zweckmässig erweist, kann das Verzeichnis auch erst be i der Aufnahme des Steigerungsproto
- kolls erstellt werden.
2 Zur Versteigerung von Grundstüc ken ist vom Auftraggeber ein vollständiger Grundbuchauszug und ei n Katasterplan einzureichen, die als Grundlage für die Versteigerung dienen. Veröffent lichung
§ 6.
1 Freiwillige öffentliche Verste igerungen von Fahrnis sind min
- destens drei Tage, von Grundstücken mindestens 20 Tage vor Durch
- führung in einem geeigneten Pub likationsorgan bekanntzumachen. Dabei sind Ort und Zeit der Versteigerung gena u anzugeben. Das Stei
- gerungsgut ist bei Fahr nis mindestens der Gattung nach zu bezeichnen.
2 Grundstücke sind genau zu umschr eiben. Es ist anzugeben, wann die Steigerungsbedingungen beim Am t eingesehen werden können und wann das Grundstück besichtigt werden kann.
3 Bei Fahrnisversteigerungen ist dem Publikum in der Regel Gele
- genheit zu geben, das Steigerungsg ut vor der Versteigerung zu besich
- tigen.
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Steigerungs-
bedingungen
§ 7.
1 Die Steigerungsbedingungen werden vom Gemeindeammann aufgestellt. Die Vorsch läge des Auftraggebers sind im gesetzlich zuläs sigen Rahmen zu berücksichtigen.
2 Aus den Steigerungsbedingungen sollen insbesondere die Zah lungsbedingungen, die Regelung de r Herausgabe des Steigerungsgutes und die allfällige Wegbedingung der Ge währleistung ersichtlich sein, für zu versteigernde Grundstücke ausserdem der Antrittstermin, zu überbin dende Grundpfandschulden, Mietverhält nisse, Versiche rungsverträge, Brennstoffvorräte, Sicherstel lung von Grundsteuern usw.
3 Im Weiteren sollen die Steigerung sbedingungen darauf hinweisen, dass die Versteigerung gestützt auf die Angaben des Auftraggebers erfolgt.
4 Werden Grundstücke versteigert, so sind den Steigerungsbedin gungen Grundbuchauszug und Ka tasterplan beizufügen.
Bekannt-
machung der
Steigerungs
-
bedingungen
§ 8.
Die Steigerungsbedingungen sind nach der Eröffnung der Ver steigerung zu verlesen, sofern sie nicht für jedermann leicht zugänglich und gut sichtbar im Steigerungslokal angeschlagen sind oder in ausrei chender Anzahl zur Selb stbedienung aufliegen.
Angebote
§ 9.
1 Es kann mündlich oder sc hriftlich geboten werden.
2 Angebote sind nur in festen Betr ägen und bedingungslos zulässig. Das höchste schriftliche Ange bot gilt als Mindestangebot.
3 Die Beamten, Angestellten und Hilfspersonen de s Amtes dürfen weder für sich selbst noch für Dritte bieten.
4 Angebote von offensichtlich nich t urteilsfähigen Personen dürfen nicht angenommen werden.
Bindung
des Bieters
§ 10.
1 Der Bietende ist nach Massg abe der Steigerungsbedingun gen an sein Angebot gebunden. Er wird, falls diese nichts anderes be stimmen, frei, wenn ein höheres Angebo t erfolgt oder sein Angebot nicht sofort nach dem üblichen Aufruf angenommen wird (Art. 231 OR
7 ).
2 Die Steigerungsbedingungen kön nen die Bindung des Bietenden an sein Angebot über die Steige rungsverhandlung hinaus für Grund stücke nur vorsehen, wenn die Veräusserung oder der Erwerb der Ge nehmigung einer Behörde bedarf; im Übrigen müssen solche Bindun gen befristet werden.
Aufruf
§ 11.
1 Die Steigerungsgegenstände we rden vorbehältlich abwei chender Weisungen des Auftraggebers einzeln versteigert. Wenn es sich als zweckmässig erweist, können mehrere Gegenstände zusammen auf gerufen werden.
4
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2 Werden Mindestangebote festgelegt, sind diese jeweils vor dem ers
- ten Aufruf bekanntzugeben.
3 Jedes Mehrangebot nach dem erst en oder zweiten Aufruf hat zur Folge, dass der Aufr uf von neuem beginnt.
4 Erfolgen gleichzeitig zwei ode r mehrere Angebote und will kei
- ner der Bieter zurücktreten oder me hr bieten, so wird der Aufruf des nächsttieferen Angebotes wiederholt. Zuschlag
§ 12.
1 Der Zuschlag wird unter Vorbehalt abweichender Steige
- rungsbedingungen nach dem dritte n und letzten Aufruf dem Meist
- bietenden erteilt.
2 Bieten mehrere Personen gemeinsa m und erklären sie nichts an
- deres, so wird ihnen der Zuschlag zu Miteigentum zu gleichen Teilen erteilt.
3 Dem Auftraggeber steht es frei, vor dem dritten Aufruf auf ein Angebot hin, welches ihm nicht annehmbar oder ungenügend erscheint, seine Zustimmung ausdrücklich zu verweigern. Dadurch entfallen der dritte Aufruf und der Zu schlag. In diesem Falle wird der Bieter von seiner Bindung befreit. Streitfälle
§ 13.
In Streitfällen entscheide t der Gemeindeammann, ob und wem eine Sache zugeschlagen ist, oder ob ein neuer Aufruf stattzufin
- den hat. Die Anfechtung des Zuschlages gemäss Art.
230 OR
7
bleibt vorbehalten. Protokoll
§ 14.
1 Es ist ein Steigerungsprotokoll zu führen, in welches Stei
- gerungsgegenstand und Zuschlags preis aufgenommen werden. Wird der Kaufpreis nicht sofort bezahlt ode r handelt es sich um meldepflich
- tige Handänderungen, sind ausserd em Namen und Adresse des Erstei
- gerers zu protokollieren.
2 Werden Grundstücke ve rsteigert, ist jede s Angebot mit Namen und Adresse des Bieter s zu protokollieren.
3 Nach Beendigung der Versteig erung haben Protokollführer und Steigerungsleiter das Steigerungsprot okoll zu unterschreiben. Ist ein Grundstück versteigert worden, hat auch der Ersteigerer zu unter
- zeichnen, und es sind seine Personalien aufzuführen. Ordnungs- befugnis des Gemeinde ammanns
§ 15.
1 Der Gemeindeammann sorgt für gute Ordnung während der Versteigerung. Nötigenfalls kann er die Hilfe der Polizeiorgane beanspruchen.
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2 Jede Beeinflussung der Versteiger ung durch Scheinangebote sowie durch die Versprechung oder Gewährung von Vort eilen, wie zum Bei spiel durch unentgeltliche Abgabe alkoholischer Getränke, Ess- und Raucherwaren, ist untersagt. Der Gemeindeammann is t verpflichtet, solche Vorkommnisse zu verhindern. Er stellt die Versteigerung ein, wenn seinen Anordnungen nicht so fort Folge geleistet wird. III. Durchführung durch Auktionator
Mitwirkender
Gemeinde
-
ammann
§ 16.
1 Die Mitwirkung bei freiwilligen öffentlichen Versteigerun gen, die von einer Privatperson du rchgeführt werden (Auktionen), obliegt dem Gemeindeammann am Ort der Durchführung, bei Grund stücksauktionen dem Gemeindeamma nn am Ort der gelegenen Sache.
2 Versteigerungen, die nur einem beschränkten Personenkreis zu gänglich sind, dürfen nicht als Auktionen angekündigt werden.
Mitwirkungs-
pflicht
§ 17.
1 Der Gemeindeammann darf di e Mitwirkung nicht ableh nen, es sei denn, der Auktionator biete keine Gewähr für ein ordnungs gemässes Verfahren. Letzteres is t namentlich anzunehmen, wenn der Auktionator wiederholt Vorschriften dieser Ve rordnung verletzt hat.
2 Die Mitwirkung kann von der Leis tung eines angemessenen Kos tenvorschusses abhäng ig gemacht werden.
Umfang der
Mitwirkung
§ 18.
1 Die Mitwirkung des Gemeinde ammanns beschränkt sich auf die ihm in diesem Abschnitt sowie durch die §§
13 (Streitfälle) und 15 (Ordnungsbefugnis des Gemeindeam manns) zugewiesenen Aufgaben.
2
§ 9 Abs.
3 findet Anwendung.
Aufgaben und
Pflichten des
Auktionators
§ 19.
1 Dem Auktionator obliegen ne ben der Leitung der Auktion die Veröffentlichung, die Bereitst ellung und Herausgabe des Steige rungsgutes, der Aufruf, der Zuschl ag, die Protokollierung, der Einzug des Steigerungserlöses, die Abrech nung mit den Auftraggebern sowie die gesamte Organisation.
2 Die Bestimmungen der §§
6 (Veröffentlichung), 9 Abs.
1, 4 (Ange bote), 10 (Bindung des Bieters), 11 Abs.
1, 3, 4 (Aufruf) und 12 (Zu schlag) gelten auch für Auktionen.
3 Befolgt der Auktionator Bestimm ungen dieser Ve rordnung nicht und widersetzt er sich den Anordnungen des Gemeindeammanns, stellt dieser die Versteigerung ein.
6
235.15 Verfahren bei freiwilligen öffentlichen Versteigerungen – V Verzeichnis
§ 20.
1 Der Auktionator hat dem Gemeindeammann ein Verzeich
- nis des Steigerungsgutes einzureichen , das als Katalog ausgestaltet sein kann. Es soll enthalten: a. Name und Adresse des verantwortlichen Auktionators, b. die Steigerungsbedingungen, c. eine ausdrückliche Erklärung, fall s die Echtheit de r zu versteigern
- den Gegenstände nicht gewährleistet ist, d. Hinweis auf das Gemeindeammann amt als mitwirkende Behörde, e. Hinweis, dass jede Haftung des mitwirke nden Gemeindeammanns, der Gemeinde und des Staates fü r Handlungen des Auktionators entfällt.
2 Der Auktionator haftet für die ihm zumutbare Sorgfalt bei der Erstellung des Verzeichnisses. Steigerungs bedingungen
§ 21.
1 Die Aufstellung der Steiger ungsbedingungen obliegt dem Auktionator.
2 Auf Grundstücksauktionen findet §
7 Abs.
2 und 4 dieser Verord
- nung Anwendung.
3 In den Steigerungsbedingungen is t ausdrücklich vorzusehen, wenn Angebote und Aufrufe unterhalb der vom Auftraggeber gesetzten Limite zulässig sein sollen und G egenstände ohne Verkauf zugeschlagen oder zurückgenommen werden können, ohne dass dies für die Auk
- tionsteilnehmer vor Abschlu ss der Auktion erkennbar ist. Steigerungszeit
§ 22.
9 Auktionen sind während den ordentlichen Ladenöffnungs
- zeiten durchzuführen. Ausnahmen können nur im Einvernehmen mit dem Gemeindeammann und nach de n Vorschriften des Ruhetags- und Ladenöffnungsgesetzes vom 26. Juni 2000
6 erfolgen. Einsichtsrecht des Gemeinde ammanns
§ 23.
Der Gemeindeammann ist bere chtigt, die Herkunft der zu versteigernden Gegenstände, insbesondere die Herkunft von Kunst
- werken und Antiquitäten aus bestim mten Sammlungen oder Besitz, sowie Preislimiten, Angebote und Zu schläge zu überprüfen und in das Protokoll des Auktionators Einsicht zu nehmen. Protokoll
§ 24.
1 Die Führung des Protokolls obl iegt dem Auktionator. Aus dem Protokoll muss insbesondere hervorgehen, ob und zu welchem Preis ein Steigerungsgegenstand verkauft wurde.
2 Daneben führt der Gemeindeammann ein zusätzliches, amtliches Steigerungsprotokoll, in welches Steigerungsgegenstand und Zuschlags
- preis aufzunehmen sind.
3 Werden Grundstücke versteigert, protokolliert der Gemeinde
- ammann überdies jedes Angebot mi t Namen und Adresse des Bieters.
7 Verfahren bei freiwilligen öffentlichen Versteigerungen – V
235.15
4 Nach Beendigung der Aukti on hat der Gemeindeammann sein Steigerungsprotokoll zu unterschreibe n. Ist ein Grundstück versteigert worden, hat auch der Ersteigerer zu unterzeichnen, und es sind seine Personalien aufzuführen.
Auskunfts
-
pflicht
§ 25.
1 Teilnehmern an der Auktion is t nach deren Abschluss auf Anfrage Auskunft über nicht verkaufte Stücke zu erteilen.
2 In Publikationen über Auktions resultate dürfen nur tatsächlich erfolgte Verkäufe aufgenommen werden. IV. Gebühren-, Straf- und Schlussbestimmung
§ 26.
10
Straf-
bestimmung
§ 27.
1 Verstösse gegen die Vorschrif ten dieser Verordnung werden nach dem Gesetz betreffend die Or dnungsstrafen vom 30. Oktober 1866
5 geahndet. Vorbehalten bleibt die Androhung von Bestrafung wegen Ungehorsams gemäss Art. 292 StGB
8 .
2 Der Gemeindeammann kann v on Amtes wegen einschreiten.
Schluss-
bestimmung
§ 28.
Diese Verordnung tritt mit ih rer Veröffentlichung im Amts blatt in Kraft. Sie ist in di e Gesetzessammlung aufzunehmen.
1 OS 47, 228 und GS II, 292.
2 LS 131.1 .
3 LS 211.1 .
4 LS 230 .
5 LS 312 .
6 LS 822.4 .
7 SR 220 .
8 SR 311.0 .
9 Fassung gemäss B vom 3. November 2010 ( OS 65, 853 ; ABl 2010, 2525 ). In Kraft seit 1. Januar 2011.
10 Aufgehoben durch B vom 22. August 2018 ( OS 74, 224 ; ABl 2018-09-07 ). In Kraft seit 1. Mai 2019.
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