Abkommen
zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik bezüglich der Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft Abgeschlossen am 26. November 2004 Von der Bundesversammlung genehmigt am 8. Juni 2005² In Kraft getreten durch Notenaustausch am 19. Juli 2005 (Stand am 9. Mai 2006) ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französische Ausgabe dieser Sammlung. ² AS 2006 1781
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Französischen Republik,
nachfolgend die Parteien genannt,
in Anbetracht des Übereinkommens vom 19. Juni 1995³ zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (PfP-Truppenstatut) und des Zusatzprotokolls vom 19. Juni 1995⁴ zum Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen,
unter Hinweis auf die strategische Bedeutung des Luftraums für die Sicherheit jedes Staates und seiner Umgebung,
im Wunsch, einen geeigneten Rahmen für die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums festzulegen,
haben Folgendes vereinbart:
³ SR 0.510.1 ⁴ SR 0.510.11
Art. 1 Begriffsbestimmungen
In diesem Abkommen gelten folgende Begriffe:
1. Gegenseitiges Interessengebiet: bezeichnet den Luftraum über den Gebieten der Parteien.
2. Nichtmilitärische Bedrohung aus der Luft: bezeichnet ein Luftfahrzeug, das unter feindliche Kontrolle geraten ist, oder ein zu feindlichen Zwecken genutztes ziviles Luftfahrzeug.
3. Allgemeine Massnahmen zur Sicherung des Luftraums: bezeichnen die Identifizierung mit Hilfe von technischen Mitteln und die Klassifizierung.
4. Aktive Massnahmen zur Sicherung des Luftraums bezeichnet:
4.1 für die französische Partei: a) die Aufklärung,
b) die Überwachung,
c) die Befragung,
d) den Begleitschutz,
e) die Erzwingung der Einhaltung der Flugroute,
f) das Überflugverbot,
g) die Erzwingung der Landung,
h) den Warnschuss mit Hilfe von Infrarotlockzielen im Schweizer Luftraum;
4.2 für die Schweizer Partei: a) die Identifizierung durch besetzte Luftfahrzeuge einschliesslich der Aufklärung und der Überwachung nach Artikel 1 Absatz 4.1,
b) die Intervention einschliesslich Befragung, Begleitschutz, Erzwingung der Einhaltung der Flugroute, Überflugverbot und Erzwingung der Landung nach Artikel 1 Absatz 4.1 sowie Warnschuss mit Hilfe von Infrarotlockzielen im französischen Luftraum.
5. Aufnahmepartei: bezeichnet die Partei, in deren nationalem Luftraum die Ausführungsmassnahmen dieses Abkommens zum Tragen kommen.
6. Entsendepartei: bezeichnet die Partei, der das im Rahmen dieses Abkommens eingesetzte militärische Luftfahrzeug gehört.
Art. 2 Gegenstand
1. Dieses Abkommen hat zum Ziel, den Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen den Parteien im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft festzulegen. Diese Zusammenarbeit dient dazu:
– den systematischen Austausch von Auskünften zu fördern, die zu einer Erweiterung der Kenntnisse jeder Partei insbesondere bezüglich der allgemeinen Luftlagesituation beitragen;
– die Interventionskapazitäten der Parteien gegenüber einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft zu erhöhen.
2. Im Rahmen dieses Abkommens bemüht sich jede Partei:
a) die Luftannäherungen an das gegenseitige Interessengebiet der Parteien zu überwachen und die in Artikel 1 Absätze 3 und 4 dieses Abkommens festgelegten Massnahmen zu ergreifen;
b) die Bedrohung auszumachen und zu evaluieren;
c) den Regierungsbehörden und dem Militärkommando der anderen Partei die Elemente der Luftlagesituation zu liefern, dank denen sie die ihnen obliegenden Entscheidungen treffen können;
d) einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft im gegenseitigen Interessengebiet vorzubeugen und darauf zu reagieren, dies unter Ergreifung der in Artikel 1 Absätze 3 und 4 dieses Abkommens festgelegten Massnahmen zur Sicherung des Luftraums.
Art. 3 Souveränität
Die in diesem Abkommen vorgesehene Zusammenarbeit erfolgt unter Einhaltung der Souveränität sowie der jeweiligen Befugnisse jeder Partei.
Art. 4 Zusammenarbeit
1. Die im Rahmen dieses Abkommens getroffenen Anordnungen betreffen:
a) sämtliche militärischen Mittel der Parteien, die zur Sicherung des Luftraums beitragen;
b) sämtliche Massnahmen, die eine illegale Nutzung des gegenseitigen Interessengebietes im Zusammenhang mit einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft verhindern. Sie umfassen: – den Transit und den Warteraum eines jeden Luftfahrzeuges einer der Parteien im nationalen Luftraum der anderen Partei,
– die Kursänderung und den erneuten Einsatz eines jeden Luftfahrzeuges einer der Parteien auf einem Flughafen der anderen Partei,
– die Luftbetankung von Flugzeugen der beiden Parteien im Luftraum einer Partei,
– die Kontrolle von Luftfahrzeugen der beiden Parteien durch ein Organ zur Luftraumkontrolle der anderen Partei,
– das Verladen von Personal und/oder Ausrüstungen der Parteien an Bord eines Luftfahrzeuges der anderen Partei, sobald deren Anwesenheit durch einen operationellen Grund gerechtfertigt ist,
– die in Artikel 1 Absätze 3 und 4 dieses Abkommens festgelegten Massnahmen zur Sicherung des Luftraums.
2. Die Parteien legen die Massnahmen zur Ausführung und Umsetzung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Luftraum in gemeinsamer Absprache mittels Abschluss von technischen Vereinbarungen fest.
Art. 5 Einsatz
1. Der Entscheid zum Einsatz eines Luftfahrzeuges einer der Parteien im Luftraum der anderen Partei ist der Bewilligung der Einsatzbehörde der Entsendepartei des Luftfahrzeuges unterstellt. Wird diese Bewilligung erteilt, so werden auf Anordnung der Einsatzbehörde der Aufnahmepartei sämtliche in Artikel 1 Absatz 4 dieses Abkommens festgelegten aktiven Massnahmen zur Sicherung des Luftraumes ergriffen.
Die Ergreifung von grenzüberschreitenden Massnahmen zur Sicherung des Luftraumes erfordert eine Koordination zwischen den taktischen Kommandos (TACOM) und einen Transfer der taktischen Kontrolle (TACON) der Luftverkehrsmittel der Parteien.
2. Der Warnschuss, der die Anwendung von Waffen beinhaltet, und der Zerstörungsschuss fallen ausschliesslich in den Zuständigkeitsbereich und die Kompetenz jeder Partei und können somit nur mit einem nationalen Interventionsmittel über nationalem Hoheitsgebiet unter nationalen Kontroll- und Einsatzketten und nach nationaler Authentifizierung in Betracht gezogen werden.
3. Die militärischen Mittel einer Partei können im Rahmen dieses Abkommens bei Aufbewahrung von Waffen und Munition auf dem Gebiet der anderen Partei zirkulieren.
4. Die Parteien verpflichten sich, regelmässig grenzüberschreitende Übungen zur Sicherung des Luftraums durchzuführen.
Art. 6 Sicherung und Sicherheit von Personen und Sachen
1. Die Sicherung von Materialien, Waffen, Munition, Fahrzeugen und Luftfahrzeugen, die sich im Rahmen einer in diesem Abkommen vorgesehenen Mission im nationalen Luftraum der Aufnahmepartei befinden, wird durch die Entsendepartei gewährleistet.
2. Die Sicherheit obliegt der Aufnahmepartei. Die Streitkräfte der Entsendepartei arbeiten bei ihrem Sicherheitsauftrag mit der Aufnahmepartei zusammen.
Art. 7 Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften
Die Parteien beachten die geltenden Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften und die Sicherheitsvorschriften für Material, Waffen, Munition, Fahrzeuge und Luftfahrzeuge.
Art. 8 Austausch von Informationen
Der Austausch von Informationen zur allgemeinen Luftlagesituation jeder Partei wird in einer technischen Vereinbarung festgelegt. Die Parteien tauschen die Auskünfte und Informationen operationeller Art aus, die zu einer Erweiterung der Kenntnisse jeder Partei beitragen könnten.
Art. 9 Ausgaben
Jede Partei übernimmt die mit der Umsetzung dieses Abkommens verbundenen Ausgaben ihrer jeweiligen Streitkräfte.
Art. 10 Rechtsstellung der Streitkräfte
Während des Einsatzes der Streitkräfte der Parteien im Zusammenhang mit diesem Abkommen sind die Bestimmungen des Übereinkommens vom 19. Juni 1995 zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen und des Zusatzprotokolls vom 19. Juni 1995 zum Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen anwendbar.
Art. 11 Untersuchung von Flugunfällen oder -zwischenfällen
Im Falle eines Flugunfalls oder eines Zwischenfalls im Luftraum der einen Partei, in den ein Luftfahrzeug der anderen Partei verwickelt ist, ist es den Militärexperten dieser anderen Partei erlaubt, in der Untersuchungskommission der Partei, auf deren Hoheitsgebiet der Unfall oder Zwischenfall stattgefunden hat, Einsitz zu nehmen.
Art. 12 Medizinische Unterstützung
1. Die Mitglieder der Streitkräfte und der zivilen Elemente der Entsendepartei haben bei den militärischen oder zivilen Gesundheitsstellen der Aufnahmepartei Zugang zur erforderlichen medizinischen Pflege, und zwar zu den gleichen Bedingungen wie die Mitglieder der Streitkräfte und der zivilen Elemente der Aufnahmepartei.
2. Die medizinischen Leistungen nach Artikel 12 Absatz 1 gehen bis zu dem Augenblick, da der Patient heimgeschafft werden kann, zu Lasten der Aufnahmepartei; alle zusätzlichen Pflegeleistungen gehen zu Lasten der Entsendepartei.
Art. 13 Konflikt
Jede Partei kann dieses Abkommen im Falle eines Krieges, eines Belagerungszustandes, einer Krise oder aus einem beliebigen anderen Grund von nationalem Interesse durch Notifizierung an die andere Partei suspendieren. Die Suspendierung kann mit sofortiger Wirkung erfolgen.
Art. 14 Beilegung von Streitigkeiten
Streitigkeiten, die sich bei der Umsetzung oder der Auslegung dieses Abkommens zwischen den Parteien ergeben könnten, werden auf dem Verhandlungsweg beigelegt.
Art. 15 Schlussbestimmungen
1. Dieses Abkommen wird von den beiden Parteien nach den jeweiligen Verfahren ratifiziert oder angenommen. Beide Parteien notifizieren einander den Abschluss der für das Inkrafttreten dieses Abkommens erforderlichen innerstaatlichen Verfahren. Das Abkommen tritt an dem Tag in Kraft, der auf den Tag des Eingangs der zweiten Notifikation folgt.
2. Dieses Abkommen kann im gegenseitigen Einverständnis zwischen den Parteien jederzeit abgeändert werden.
3. Dieses Abkommen gilt für eine unbestimmte Dauer. Jede Partei kann es unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs (6) Monaten jederzeit durch schriftliche Notifikation an die andere Partei kündigen. Diese Kündigung stellt die aus der Zusammenarbeit im Rahmen dieses Abkommens entstandenen Rechte und Pflichten der beiden Parteien nicht in Frage.
So geschehen in Bern, am 26. November 2004, im beglaubigten Doppel in französischer Sprache.
Für den | Für die Regierung |
Samuel Schmid | Jacques Rummelhardt |
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