Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesre... (0.142.111.369)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Übernahme von Personen an der Grenze

Abgeschlossen am 25. Oktober 1954 In Kraft getreten durch Notenwechsel am 1. Januar 1955 (Stand am 10. Juni 1997)
In der Absicht, die Frage der gegenseitigen Übernahme von eigenen Staatsange­höri­gen und Ausländern an der gemeinsamen Grenze nach Grundsätzen der Menschlichkeit und Billigkeit sowie im Geiste der Freundschaft zu regeln und ins­besondere um Ausschaffungen (Abschiebungen) ausserhalb von gemeinsam be­stimm­ten Grenzübergangsstellen auszuschliessen, wurde folgendes vereinbart:

Abschnitt A

1.  Die Schweiz wird Schweizerbürger, deren Abschiebung (Ausschaffung) die Behörden der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigen, übernehmen, selbst dann, wenn sie nicht im Besitze eines gültigen Reisepasses sind, sofern durch die Vorlage von Urkunden der Nachweis erbracht wird oder Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass diese Personen das Schweizerbürgerrecht besitzen.
Solche Urkunden sind Heimatscheine, Reisepässe, auch wenn sie durch Zeit­ablauf ungültig geworden sind, und behördliche Identitätsausweise für Schweizerbürger.
Diese Personen sind an einer vereinbarten Grenzübergangsstelle unter Vorlage vorhandener Urkunden zu übernehmen. Die Übernahme ist zu bescheinigen.
Die Bundesrepublik Deutschland wird Personen, bei denen die Nachprüfung durch die schweizerischen Behörden ergibt, dass sie bei der Abschiebung (Ausschaffung) nicht im Besitze des Schweizerbürgerrechtes waren, zurücknehmen.
2.  Die Schweiz wird Drittausländer, die rechtswidrig aus ihrem Gebiet in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, zurücknehmen, wenn die deutschen Behörden dies innerhalb von sechs Monaten seit Grenzübertritt verlangen.
Personen, die innerhalb von sieben Tagen nach dem Grenzübertritt in der Bundes­republik Deutschland aufgegriffen werden, können den schweizerischen Grenz­behörden sofort übergeben werden. Für andere Personen ist den kantonalen Polizeibehörden vor der Rückstellung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wenn diese begründete Bedenken gegen die Übernahme geltend machen, wird der Fall dem Bundesministerium des Innern unterbreitet, das mit der Polizeiabteilung des Eid­genössischen Justiz‑ und Polizeidepartements die Frage der Übernahme endgültig klärt.
Diese Personen werden an einer vereinbarten Grenzübergangsstelle nach einem zwischen den Grenzbehörden der beiden Länder festgelegten Verfahren übergeben.
3.  Die Übernahme erfolgt nicht, wenn die Person Angehörige eines Nachbarstaates der Bundesrepublik Deutschland ist und in diesen Nachbarstaat abgeschoben (ausgeschafft) werden kann.
4.  Die Schweiz erklärt sich bereit, Ersuchen der deutschen Behörden um polizeiliche Durchbeförderung von Drittausländern zu entsprechen, wenn die Weiterreise und die Übernahme durch den Zielstaat gesichert sind.
Die Durchbeförderung kann abgelehnt werden,
wenn die Person im Zielstaat oder in einem Staat, durch dessen Gebiet sie befördert werden soll, der Gefahr der politischen Verfolgung ausgesetzt wäre oder eine Bestrafung zu erwarten hat,
oder wenn sie in der Schweiz wegen einer strafbaren Handlung verfolgt werden müsste; den deutschen Behörden ist hiervon vor der Durchbeförderung Kenntnis zu geben.
Das Ersuchen um Durchbeförderung ist vom Bundesministerium des Innern unmittelbar an die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz‑ und Polizeidepartements zu richten.
Ein schweizerisches Transitvisum ist nicht erforderlich.
Trotz erteilter Bewilligung können zur Durchbeförderung übernommene Personen der Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben werden, wenn nachträglich Tat­sachen eintreten oder bekannt werden, die einer Durchbeförderung entgegenstehen.

Abschnitt B

1.  Die Bundesrepublik Deutschland wird deutsche Staatsangehörige, deren Ausschaffung (Abschiebung) die schweizerischen Behörden beabsichtigen, übernehmen, selbst dann, wenn sie nicht im Besitze eines gültigen Reisepasses sind, sofern durch die Vorlage von Urkunden der Nachweis erbracht wird oder Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass diese Personen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Solche Urkunden sind Heimatscheine, Staatsangehörigkeitsausweise, Einbürgerungsurkunden, deutsche Reisepässe und Bundespersonalausweise, auch wenn sie durch Zeitablauf ungültig geworden sind.
Diese Personen sind an einer vereinbarten Grenzübergangsstelle unter Vorlage vorhandener Urkunden zu übernehmen. Die Übernahme ist zu bescheinigen.
Die Schweiz wird Personen, bei denen die Nachprüfung durch die deutschen Behörden ergibt, dass sie bei der Ausschaffung (Abschiebung) nicht im Besitze der deutschen Staatsangehörigkeit waren, zurücknehmen.
2.  Die Bundesrepublik Deutschland wird Drittausländer, die rechtswidrig aus ihrem Gebiet in die Schweiz eingereist sind, zurücknehmen, wenn die schweizerischen Behörden dies innerhalb von sechs Monaten seit Grenzübertritt verlangen.
Personen, die innerhalb von sieben Tagen nach dem Grenzübertritt in der Schweiz aufgegriffen werden, können den deutschen Grenzbehörden sofort übergeben werden. Für andere Personen ist dem deutschen Passkontrollamt vor der Rückstellung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wenn dieses begründete Bedenken gegen die Übernahme geltend macht, wird der Fall der Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz‑ und Polizeidepartements unterbreitet, die mit dem Bundesministerium des Innern die Frage der Übernahme endgültig klärt.
Diese Personen werden an einer vereinbarten Grenzübergangsstelle nach einem zwischen den Grenzbehörden der beiden Länder festgelegten Verfahren übergeben.
3.  Soweit in diesen Bestimmungen für die Übernahme die deutsche Staatsangehörigkeit massgebend ist, erstreckt sich die Verpflichtung zur Übernahme auch auf diejenigen Flüchtlinge oder Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit oder deren Ehegatten oder deren Abkömmlinge, die im Gebiet des deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden haben.
4.  Die Übernahme erfolgt nicht, wenn die Person Angehörige eines Nachbarstaates der Schweiz ist und in diesen Nachbarstaat ausgeschafft (abgeschoben) werden kann.
5.  Die Bundesrepublik Deutschland erklärt sich bereit, Ersuchen der schweizerischen Behörden um polizeiliche Durchbeförderung von Drittausländern zu entsprechen, wenn die Weiterreise und die Übernahme durch den Zielstaat gesichert sind.
Die Durchführung kann abgelehnt werden,
wenn die Person im Zielstaat oder in einem Staat, durch dessen Gebiet sie befördert werden soll, der Gefahr der politischen Verfolgung ausgesetzt wäre oder eine Bestrafung zu erwarten hat,
oder wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer strafbaren Handlung verfolgt werden müsste; den schweizerischen Behörden ist hiervon vor der Durch­beförderung Kenntnis zu geben.
Das Ersuchen um Durchbeförderung ist von der Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz‑ und Polizeidepartements unmittelbar an das Bundesministerium des Innern zu richten.
Ein Durchreisesichtvermerk der Bundesrepublik Deutschland ist nicht erforderlich.
Trotz erteilter Bewilligung können zur Durchbeförderung übernommene Personen der Schweiz zurückgegeben werden, wenn nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die einer Durchbeförderung entgegenstehen.

Abschnitt C

1.  Die Kosten der Beförderung auszuschaffender (abzuschiebender) Personen werden von der Behörde, die die Ausschaffung (Abschiebung) veranlasst, bis zur Grenzübergangsstelle getragen.
Die Kosten der Durchbeförderung bis an die Grenze des Zielstaates und gegebe­nenfalls auch die des Rücktransportes trägt der ersuchende Staat.
2.  Die Verpflichtungen aus den zwischenstaatlichen Verträgen über die Auslieferung und Durchlieferung sowie über die Niederlassung bleiben unberührt.
3.  Dieses Abkommen wird durch Notenwechsel zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland in Kraft gesetzt. Es kann jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
Paraphiert in Bern, den 25. Oktober 1954.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die Regierung
der Bundesrepublik Deutschland:

Max Petitpierre

Holzapfel

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