Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende ... (0.131.11)
CH - Schweizer Bundesrecht

Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften 1

Abgeschlossen in Strassburg am 9. November 1995 Von der Bundesversammlung genehmigt am 9. Juni 1998² Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 1. September 1998 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Dezember 1998 (Stand am 23. Januar 2018) ¹ Für die Schweiz: oder Behörden. Diese Terminologie wird im ganzen Text eingehalten. ² Art. 1 Abs. 1 des BB vom 9. Juni 1998 ( AS 2002 3496 )
Die Mitgliedstaaten des Europarats,
die dieses Protokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüber­schreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften³ (im Folgenden als «Rahmenübereinkommen» bezeichnet) unterzeichnen,
in Bestätigung der Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften in Grenzgebieten,
entschlossen, weitere Massnahmen zu ergreifen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften zu gewährleisten,
in dem Wunsch, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörper­schaften in Grenzgebieten zu erleichtern und weiterzuentwickeln,
in Anerkennung der Notwendigkeit, das Rahmenübereinkommen mit der derzeitigen Situation in Europa in Einklang zu bringen,
in der Erwägung, dass es angebracht wäre, das Rahmenübereinkommen zu ergänzen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften zu stärken,
eingedenk der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung⁴,
in Anbetracht der anlässlich des 40. Jahrestags des Europarats vom Ministerkomitee abgegebenen Erklärung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa, in der unter anderem zu weiteren Massnahmen zum allmählichen Abbau der Schran­ken jeder Art – seien es administrative, rechtliche, politische oder psychologische – aufgerufen wird, welche die Entwicklung grenzüberschreitender Vorhaben hemmen könnten,
haben folgende Zusatzbestimmungen vereinbart:
³ SR 0.131.1 ⁴ SR 0.102
Art. 1
1.  Jede Vertragspartei erkennt das Recht der ihrer Zuständigkeit unterstehenden, in den Artikeln 1 und 2 des Rahmenübereinkommens bezeichneten Gebietskörper­schaften an, Vereinbarungen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Gebietskörperschaften anderer Staaten in gemeinsamen Zuständigkeitsbereichen im Einklang mit den in ihren Satzungen festgelegten Verfahren, in Übereinstim­mung mit dem innerstaatlichen Recht und unter Beachtung der internationalen Ver­pflichtungen der betreffenden Vertragspartei zu schliessen, und achtet dieses Recht.
2.  Eine Vereinbarung über grenzüberschreitende Zusammenarbeit begründet die Verantwortlichkeit nur derjenigen Gebietskörperschaften, die sie geschlossen haben.
Art. 2
Die im Rahmen einer Vereinbarung über grenzüberschreitende Zusammenarbeit gemeinsam gefassten Beschlüsse werden von den Gebietskörperschaften innerhalb ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatli­chen Recht umgesetzt. Die auf diese Weise umgesetzten Beschlüsse werden angese­hen, als hätten sie dieselbe Rechtskraft und die gleichen rechtlichen Auswirkungen wie Massnahmen, die von diesen Körperschaften im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung getroffen werden.
Art. 3
Von Gebietskörperschaften geschlossene Vereinbarungen über grenzüberschrei­tende Zusammenarbeit können eine für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zuständige Einrichtung mit oder ohne Rechtspersönlichkeit einsetzen. Unter Beachtung der innerstaatlichen Gesetzgebung wird in der Vereinbarung festgelegt, ob diese Einrichtung unter Berücksichtigung der ihr übertragenen Aufgaben innerhalb der Rechtsordnung des Staates, dem die Gebietskörperschaften, welche die Ver­ein­barung geschlossen haben, angehören, als Einrichtung des öffentlichen oder des privaten Rechts angesehen werden soll.
Art. 4
1.  Ist die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Rechtsper­sönlichkeit ausgestattet, so wird diese nach dem Recht der Vertragspartei bestimmt, in der sie ihren Sitz hat. Die anderen Vertragsparteien, denen die an der Vereinba­rung beteiligten Gebietskörperschaften angehören, erkennen die Rechtspersönlich­keit der Einrichtung in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht an.
2.  Die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit führt die ihr von den Gebietskörperschaften übertragenen Aufgaben in Übereinstimmung mit ihrem Zweck und unter den von ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzun­gen wie folgt aus:
a. Die Massnahmen der Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammen­arbeit unterliegen ihrer Satzung und dem Recht des Sitzstaats;
b. die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist jedoch nicht befugt, allgemein anwendbare Massnahmen oder Massnahmen, welche die Rechte und Freiheiten Einzelner berühren könnten, zu treffen;
c. die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird aus dem Haushalt der betreffenden Gebietskörperschaften finanziert. Sie ist nicht befugt, Abgaben steuerlicher Art zu erheben. Gegebenenfalls kann sie Ein­nahmen in Bezug auf Dienstleistungen erhalten, die sie für Gebietskörper­schaften, Nutzer oder Dritte erbringt;
d. die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stellt einen jährlichen Haushaltsvoranschlag sowie eine Schlussabrechnung auf, die von Rechnungsprüfern bestätigt wird, die von den an der Vereinbarung beteilig­ten Gebietskörperschaften unabhängig sind.
Art. 5
1.  Die Vertragsparteien können, falls ihr innerstaatliches Recht dies zulässt, beschliessen, dass die Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist und dass ihre Massnahmen innerhalb der Rechtsordnung jeder Vertragspartei dieselbe Rechtskraft und die gleichen rechtli­chen Auswirkungen haben wie die von den Gebietskörperschaften, welche die Vereinbarung geschlossen haben, getroffenen Massnahmen.
2.  Die Vereinbarung kann jedoch vorsehen, dass es Sache der Gebietskörperschaf­ten ist, welche die Vereinbarung geschlossen haben, solche Massnahmen durchzu­führen, insbesondere dann, wenn sie die Rechte, Freiheiten und Interessen Einzelner berühren könnten. Darüber hinaus kann jede Vertragspartei bestimmen, dass der Ein­richtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit keine allgemeinen Aufgaben übertragen werden können und dass eine solche Einrichtung nicht befugt ist, allge­mein anwendbare Massnahmen zu treffen.
Art. 6
1.  Massnahmen, die von Gebietskörperschaften aufgrund einer Vereinbarung über grenzüberschreitende Zusammenarbeit getroffen werden, unterliegen denselben Kontrollen, wie sie im Recht jeder Vertragspartei für Massnahmen der Gebietskör­perschaften vorgeschrieben sind, welche die Vereinbarung geschlossen haben.
2.  Massnahmen, die von der aufgrund einer Vereinbarung eingesetzten Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit getroffen werden, unterliegen den Kontrollen, die im Recht des Staates vorgesehen sind, in dem die Einrichtung ihren Sitz hat, wobei die Interessen der Gebietskörperschaften der anderen Staaten ebenfalls nicht vernachlässigt werden dürfen. Die Einrichtung für die grenzüber­schreitende Zusammenarbeit hat den Informationsanforderungen der Behörden der Staaten, denen die Gebietskörperschaften angehören, nachzukommen. Die Auf­sichtsbehörden der Vertragsparteien bemühen sich, geeignete Koordinierungs- und Informationsmöglichkeiten zu schaffen.
3.  Massnahmen, die von einer in Artikel 5 Absatz 1 bezeichneten Einrichtung getroffen werden, unterliegen denselben Kontrollen, wie sie im Recht jeder Vertrags­partei für Massnahmen der Gebietskörperschaften vorgeschrieben sind, welche die Vereinbarung geschlossen haben.
Art. 7
Streitigkeiten, die sich aus der Arbeit einer Einrichtung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ergeben, werden Gerichten unterbreitet, die nach innerstaatlichem Recht oder einer völkerrechtlichen Übereinkunft zuständig sind.
Art. 8
1.  Jede Vertragspartei erklärt bei der Unterzeichnung dieses Protokolls oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde, ob sie die Artikel 4 und 5 oder nur einen dieser Artikel anwenden wird.
2.  Eine solche Erklärung kann in der Folge jederzeit modifiziert werden.
Art. 9
Vorbehalte zu diesem Protokoll sind nicht zulässig.
Art. 10
1.  Dieses Protokoll liegt für die Staaten, die das Rahmenübereinkommen unter­zeichnet haben, zur Unterzeichnung auf; sie können ihre Zustimmung, gebunden zu sein, ausdrücken,
a. indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder
b. indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen.
2.  Ein Mitgliedstaat des Europarats kann nicht dieses Protokoll ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder eine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn er nicht bereits eine Rati­fikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zum Rahmenübereinkommen hinterlegt hat oder gleichzeitig hinterlegt.
3.  Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Gene­ralsekretär des Europarats hinterlegt.
Art. 11
1.  Dieses Protokoll tritt drei Monate nach dem Tag in Kraft, an dem vier Mitglied­staaten des Europarats nach Artikel 10 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein.
2.  Für jeden Mitgliedstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch das Proto­koll gebunden zu sein, tritt es drei Monate nach dem Tag der Unterzeichnung oder der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.
Art. 12
1.  Nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann jeder Staat, der dem Rahmenüberein­kommen beigetreten ist, auch dem Protokoll beitreten.
2.  Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim General­sekretär des Europarats; der Beitritt wird drei Monate nach ihrer Hinterlegung wirk­sam.
Art. 13
1.  Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll jederzeit durch eine an den General­sekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.
2.  Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim General­sekretär wirksam.
Art. 14
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats und jedem Staat, der diesem Protokoll beigetreten ist,
a. jede von den Vertragsparteien nach Artikel 8 abgegebene Erklärung;
b. jede Unterzeichnung;
c. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Bei­trittsurkunde;
d. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 11 und 12;
e. jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Proto­koll unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 9. November 1995 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats über­mittelt jedem Mitgliedstaat des Europarats und jedem Staat, der zum Beitritt zu die­sem Protokoll eingeladen worden ist, beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 23. Januar 2018 ⁵

⁵ AS 2002 3497 , 2006 1149 , 2009 1655 , 2013 397 , 2018 535 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Unterzeichnet ohne Ratifikations­vorbehalt (U)

Inkrafttreten

Albanien a

11. Dezember

2001

12. März

2002

Armenien a

31. Oktober

2003

  1. Februar

2004

Aserbaidschan* b

30. März

2004

  1. Juli

2004

Belgien *

12. Juni

2009

13. September

2009

Bosnien und Herzegowina a

  7. Oktober

2008

  8. Januar

2009

Bulgarien b

30. Juni

2005

  1. Oktober

2005

Deutschland b

16. September

1998

17. Dezember

1998

Frankreich b

  4. Oktober

1999

  5. Januar

2000

Lettland b

  1. Dezember

1998

  2. März

1999

Litauen a

26. November

2002

27. Februar

2003

Luxemburg a

25. Februar

1997

  1. Dezember

1998

Moldau

27. Juni

2001 U

28. September

2001

Monaco b

18. September

2007

19. Dezember

2007

Montenegro b

  8. Dezember

2010

  9. März

2011

Niederlande a c

  9. Mai

1997

  1. Dezember

1998

Norwegen *

18. Oktober

2010

19. Januar

2011

Österreich b

17. März

2004

18. Juni

2004

Russland a

27. November

2008

28. Februar

2009

Schweden b

  9. November

1995

  1. Dezember

1998

Schweiz b

  1. September

1998

  1. Dezember

1998

Slowakei b

  1. Februar

2000

  2. Mai

2000

Slowenien a

17. September

2003

18. Dezember

2003

Ukraine a

  4. November

2004

  5. Februar

2005

Zypern*

17. April

2014

18. Juli

2014

* Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite des Europarates: http://conventions.coe.int/treaty/ eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern bezogen werden.
a
Gemäss Art. 8 Abs. 1 des Zusatzprot. hat diese Vertragspartei erklärt, dass sie die Bestimmungen der Artikel 4 und 5 anwenden wird.
b
Gemäss Art. 8 Abs. 1 des Zusatzprot. hat diese Vertragspartei erklärt, dass sie nur die Bestimmungen des Artikels 4 anwenden wird.
c
Das Zusatzprot. gilt für das Königreich in Europa.
Markierungen
Leseansicht