Übereinkommen
zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend den Postdienst auf den Linien Frasne–Vallorbe und Pontarlier–Vallorbe sowie im internationalen Bahnhof Vallorbe Abgeschlossen am 11. Juli 1914 Von der Bundesversammlung genehmigt am 9. April 1915¹ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 26. April 1915 In Kraft getreten am 26. April 1915 (Stand am 26. April 1915) ¹ Ziff. 1 Bst. a des BB vom 9. April 1915 ( AS 31 113 )
Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Französischen Republik,
in der Absicht, den Postdienst auf den Linien Frasne–Vallorbe und Pontarlier–Vallorbe sowie im internationalen Bahnhof Vallorbe durch ein Übereinkommen zu ordnen, in Ausführung des Staatsvertrags vom 18. Juni 1909² betreffend die Zufahrtslinien zum Simplon und der Art. 20 und 21 des Weltpostvertrags von Rom³, haben zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und dieselben in guter und gehöriger Form befunden, folgende Bestimmungen vereinbart haben:
² SR 0.742.140.334.94 ³ [ AS 23 409 ]
Art. 1
Unter Vorbehalt der abweichenden Bestimmungen des gegenwärtigen Übereinkommens gelten im Postverkehr zwischen der Schweiz und Frankreich in allen Teilen die Bestimmungen der Verträge, Übereinkommen und Ausführungsvorschriften des Weltpostvereins, ferner die zwischen den beiden Ländern oder ihren Postverwaltungen abgeschlossenen besondern Verträge und Übereinkommen.
Art. 2
Den regelmässigen Austausch von Briefpostgegenständen, Poststücken und Postfrachtstücken im unmittelbaren sowie im Durchgangsverkehr zwischen dem schweizerischen und dem französischen Gebiet über die Linien Frasne–Vallorbe und Pontarlier–Vallorbe besorgt die französische Verwaltung.
Die beiden Länder verpflichten sich, jedes soweit es in Frage kommt, die ihm übergebenen Briefschaften, Poststücke und Postfrachtstücke mit möglichster Beschleunigung zu befördern. Insbesondere sollen für die Briefpostsendungen jederzeit die schnellsten zur Verfügung stehenden Beförderungsgelegenheiten benutzt werden.
Art. 3
Die Übergabe der Briefpostgegenstände, Poststücke und Postfrachtstücke, die zwischen der Schweiz und Frankreich über die Linien Frasne–Vallorbe und Pontarlier–Vallorbe ausgewechselt werden, erfolgt im Bahnhof Vallorbe.
Die französische Verwaltung wird zum Zweck der Auswechslung der Poststücke und Postfrachtstücke im Bahnhof Vallorbe ein Büro errichten.
Gemäss Art. 13 des am 14./15. Oktober 1902 zwischen der Paris–Lyon–Mittelmeer- Bahn und der Jura–Simplon‑Bahn abgeschlossenen Vertrages, betreffend den Bau und Betrieb einer Linie durch den Mont d’Or mit Anschluss an das schweizerische Netz in Vallorbe, werden die für die Einrichtung des genannten Büros nötigen Diensträume der französischen Verwaltung zu den in diesem Vertrag erwähnten Bedingungen geliefert.
Art. 4
Die Übergabe in Vallorbe erfolgt:
a) für die Briefpostsendungen: durch das französische Postpersonal an das schweizerische Personal in den Bahnpostwagen der Züge nach der Schweiz und durch das schweizerische Postpersonal an das französische Personal in den Bahnpostwagen nach Frankreich;
b) für die Poststücke und Postfrachtstücke: durch das Personal der übergebenden Verwaltung in den Diensträumen der übernehmenden Verwaltung.
Die Angestellten, die die Übergaben besorgen, haben Dienstabzeichen zu tragen.
Die gegenseitige Übergabe der Poststücke und Postfrachtstücke erfolgt täglich wenigstens zweimal.
Art. 5
Die Übergabe der Briefkartenschlüsse geschieht auf Grund von Übergangsfrachtzetteln in doppelter Ausfertigung, von denen einer, gehörig unterzeichnet, der überliefernden Anstalt zurückzugeben ist; die Übergabe der Poststücke und Postfrachtstücke erfolgt durch Eintragung auf einer in drei Ausfertigungen zu erstellenden Frachtkarte, von denen eine für den Zolldienst, die zweite für die übernehmende Anstalt und die dritte, gehörig unterzeichnete, für die überliefernde Anstalt bestimmt ist. Allfällige Bemerkungen oder Vorbehalte sind auf der unterschriebenen Ausfertigung des Übergangsfrachtzettels oder der Frachtkarte anzubringen.
Art. 6
Die Postverwaltungen der beiden Länder bezeichnen in gegenseitigem Einverständnis die Poststellen und Bahnposten, die zum Austausch von Briefpostkartenschlüssen und Poststücken über die Linien Frasne–Vallorbe und Pontarlier–Vallorbe miteinander in Verbindung, zu setzen sind. Sie bestimmen ebenfalls die Abfertigungszeiten und die Zusammensetzung der Brief‑ und der Poststückkartenschlüsse unter Berücksichtigung der Fahrtordnung der Züge und der Postwagen sowie der Bedürfnisse des Dienstes.
Die Verständigung hinsichtlich des Austausches der Postfrachtstücke hat zwischen der Verwaltung der Paris–Lyon–Mittelmeer‑Bahn und der schweizerischen Postverwaltung zu erfolgen.
Art. 7
Die Postverwaltungen räumen sich gegenseitig das Recht des unentgeltlichen Transites der Briefpostsendungen des innern Verkehrs ein. Der Transit hat in geschlossenen Kartenschlüssen zu erfolgen. Ausnahmsweise und wenn es sich um eine kleine Zahl von Gegenständen handelt, können Briefpostsendungen auch offen übergeben werden.
Die amtlichen Briefpostgegenstände, die zwischen dem in französischen Bahnhöfen im Dienst stehenden schweizerischen Post‑ und Zollpersonal und den Verwaltungen des Staates, denen dieses Personal angehört, ausgewechselt werden, können im Sinne einer Ausnahme durch die schweizerischen Bahnposten oder Postkurse, die in diesen Bahnhöfen ausmünden, dem genannten Personal ausgehändigt oder von diesem Personal entgegengenommen werden.
Umgekehrt können die zwischen dem französischen, in schweizerischen Bahnhöfen im Dienste stehenden Post- und Zollpersonal und den Verwaltungen des Staates, denen dieses Personal angehört, auszuwechselnden Briefpostgegenstände, durch die französischen Bahnposten oder Postkurse, die in diesen Bahnhöfen ausmünden, dem genannten Personal ausgehändigt oder von diesem Personal entgegengenommen werden.
Art. 8
Die französischen Bahnposten und Postkurse, die ihre Fahrt auf schweizerisches Gebiet verlängern und umgekehrt, die schweizerischen Bahnposten oder Postkurse, die ihre Fahrt auf französisches Gebiet verlängern, können auf schweizerischem oder französischem Gebiet weder vom Publikum private Briefe in Empfang nehmen, noch solche an das Publikum abgeben.
Briefpostgegenstände dieser Art sind den abgehenden Kursen durch die Ortspost zu übergeben und von den ankommenden Kursen der Ortspost abzuliefern.
Die Briefeinwürfe der französischen und der schweizerischen Bahnposten und Postkurse werden während der Fahrt oder dem Aufenthalt in schweizerischem oder französischem Gebiet nicht zur Verfügung des Publikums gestellt.
Art. 9
Die Bahnpostwagen und die Abteile der Postwagen und der Fourgons, die in den Zügen zur Beförderung der Briefpost aus der Schweiz nach Frankreich oder aus Frankreich nach der Schweiz dienen, können beim Überschreiten der Grenze im Innern durch die Vorsteher der schweizerischen oder der französischen Zollstätten untersucht werden.
Die zollamtliche Untersuchung kann nur im Beisein der Postbeamten des zu untersuchenden Bahnpostbüros oder des die Kartenschlüsse begleitenden Angestellten stattfinden; sie soll soviel als möglich bei der Ankunft des Zuges auf der ersten Haltstelle, wo ein Zollposten steht und immer in der Weise vorgenommen werden, dass dadurch weder die Postgeschäfte gehemmt werden, noch eine Verspätung der Züge verursacht wird.
Die Vorsteher der Zollämter können sich die Frachtzettel oder Stundenpässe, auf denen die Postkartenschlüsse eingetragen sind, vorweisen lassen; dagegen dürfen sie in keinem Fall geschlossene und mit der Bezeichnung des Bestimmungsorts versehene Kartenschlüsse öffnen. Es steht ihnen zu, im Fall der Vermutung von Schmuggel, die Sendungen während des Aufenthaltes des Zuges im Bahnhof zu überwachen und, nachher, wenn sie es für nötig erachten, die Kartenschlüsse bis zu dem darauf vermerkten Bestimmungspostbüro oder bis zur Grenze des Gebietes, über welches sich ihre Amtsgewalt erstreckt, zu begleiten.
Art. 10
Die französische Postverwaltung ist für den Betrieb des internationalen Postdienstes im Bahnhof Vallorbe und für das zur Ausübung dieses Betriebes dienende Material von jeder Steuer zugunsten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, des Kantons Waadt oder der Gemeinde Vallorbe enthoben. Das Material ist auch von den schweizerischen Zollgebühren befreit.
Art. 11
Die Behörden jedes der beiden Länder werden den Beamten und Angestellten des andern Landes in der Ausübung ihres Dienstes den nämlichen Schutz angedeihen lassen wie den Organen des eigenen Landes.
Art. 12
In allem, was den Dienst und die Disziplin anbetrifft, sind die in Vallorbe im Dienste stehenden Beamten und Angestellten des französischen Postbetriebes ausschliesslich den französischen Behörden unterstellt. Ebenso untersteht das schweizerische Postpersonal, das sich dienstlich auf französischem Gebiet befindet, den schweizerischen Behörden.
Im Falle der Übertretung von in der Schweiz oder in Frankreich zu Kraft bestehenden Strafgesetzen oder Polizeiverordnungen untersteht das im vorhergehenden Absatz erwähnte Personal beider Länder den Gesetzen und Vorschriften des Landes, auf dessen Gebiet die Übertretung stattgefunden hat.
Art. 13
Die in Vallorbe wohnenden Beamten und Angestellten französischer Herkunft, die den französischen Postdienst besorgen, sowie die Glieder ihrer Familien dürfen zu keinem Militärdienst und zu keiner persönlichen Dienstleistung zugunsten des schweizerischen Staates, des Kantons Waadt oder der Gemeinde Vallorbe herangezogen werden. Sie dürfen keiner Taxe und keiner Steuer unterworfen werden, die nicht auch die andern Bewohner von Vallorbe zu bezahlen haben.
Art. 14
Die beiden Regierungen behalten sich vor allfällige, durch die Erfahrung als nötig sich erweisende Abänderungen des vorliegenden Übereinkommens im Wege des einfachen Notenaustausches herbeizuführen.
Art. 15
Das vorliegende Übereinkommen ist zu ratifizieren, und der Austausch der Ratifikation hat sobald als möglich in Paris stattzufinden.
Es tritt mit dem Tage des Ratifikationsaustausches in Kraft und bleibt gültig bis zum Ablaufe eines Jahres von dem Tage an, da dessen Kündigung vom einen oder andern der hohen vertragschliessenden Teile erfolgen sollte.
Unterschriften
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten das gegenwärtige Übereinkommen unterzeichnet und mit ihrem Siegel versehen.
So geschehen in Paris, in doppelter Ausfertigung, den 11. Juli 1914.
Lardy | René Viviani |
Feedback