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DE - Landesrecht Saarland

Gesetz Nr. 948 über die Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden Vom 22. März 1972

Gesetz Nr. 948 über die Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden Vom 22. März 1972
Zum 16.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: § 14 aufgehoben durch Artikel 8 Nr. 1 des Gesetzes vom 13. Oktober 2015 (Amtsbl. I S. 790)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz Nr. 948 über die Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 22. März 197201.01.2002
Abschnitt I - Einrichtung, Aufgaben und Verfassung der Gutachterstelle01.01.2002
§ 1 - Einrichtung, Aufgaben01.01.2002
§ 2 - Zusammensetzung01.01.2002
§ 3 - Berufung der Mitglieder07.04.2006
§ 4 - Ende der Mitgliedschaft07.04.2006
§ 5 - Ausschluss im Einzelfall01.01.2002
§ 6 - Rechtsstellung der Mitglieder01.01.2002
§ 7 - Rechte und Pflichten der Gutachterstelle01.01.2002
Abschnitt II - Verfahren01.01.2002
§ 8 - Antrag07.04.2006
§ 9 - Verfahren der Gutachterstelle12.12.2008
§ 10 - Entscheidung01.01.2002
§ 11 - Dauer der Wirksamkeit der Bestätigung01.01.2002
§ 12 - Gebührenfreiheit und Auslagenerstattung12.12.2008
Abschnitt III - Schlussvorschriften01.01.2002
§ 13 - Mitteilungspflicht01.01.2002

Abschnitt I Einrichtung, Aufgaben und Verfassung der Gutachterstelle

§ 1 Einrichtung, Aufgaben

(1) Als Einrichtung der Ärztekammer des Saarlandes wird eine Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden gebildet.
(2) Die Gutachterstelle nimmt die in § 5 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 15. August 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 1143)
[1]
- Kastrationsgesetz - bezeichneten Aufgaben wahr.
Fußnoten
[1])
Gesetz zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 6 des Gesetzes vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164, ber. S. 704).

§ 2 Zusammensetzung

(1) Die Gutachterstelle besteht aus zwei Ärzten und einem Mitglied, das die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz haben muss. Ein ärztliches Mitglied muss Facharzt für Psychiatrie sein und soll besondere Kenntnisse und praktische Erfahrungen bei der Behandlung von Personen aufweisen, die unter den Auswirkungen eines abnormen Geschlechtstriebes leiden. Eines der beiden ärztlichen Mitglieder soll besondere Kenntnisse und praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Endokrinologie haben. Für jedes Mitglied sind zwei Vertreter zu berufen.
(2) Scheidet ein Mitglied aus, so tritt der an erster Stelle berufene Vertreter an seine Stelle. Entsprechendes gilt, wenn ein Mitglied vorübergehend verhindert oder im Einzelfall gemäß § 5 ausgeschlossen ist; hat der Stellvertreter den Betroffenen untersucht, so wirkt er bei der Entscheidung (§ 10 Abs. 1) mit, auch wenn für das von ihm vertretene Mitglied die Hinderungsgründe wieder entfallen sind.
(3) Den Vorsitz bei der Gutachterstelle führt das Mitglied, das die Befähigung zum Richteramt hat. Der Vorsitzende führt die Geschäfte der Gutachterstelle.

§ 3 Berufung der Mitglieder

(1) Die Mitglieder der Gutachterstelle und ihre Vertreter werden auf die Dauer von vier Jahren berufen. Die erneute Berufung nach Ablauf der Amtszeit ist zulässig.
(2) Die Ärztekammer des Saarlandes beruft
1.
die ärztlichen Mitglieder und ihre Vertreter,
2.
das Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt und seine Stellvertreter auf Vorschlag des Ministeriums für Justiz, Gesundheit und Soziales.

§ 4 Ende der Mitgliedschaft

(1) Die Mitglieder der Gutachterstelle können ihr Amt durch schriftliche Erklärung gegenüber der Ärztekammer des Saarlandes niederlegen. Geschieht dies ohne zwingenden Grund, so kann die Kammer verlangen, dass das Mitglied sein Amt bis zum Abschluss anhängiger Gutachterverfahren weiterführt, wenn der Stand der Verfahren dies erfordert.
(2) Ein Mitglied ist abzuberufen, wenn
1.
eine Berufungsvoraussetzung entfällt oder ihr Fehlen sich nachträglich herausstellt,
2.
das Ruhen der Approbation angeordnet wurde,
3.
ihm als Rechtsanwalt die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aberkannt oder er als Richter oder Beamter auf Grund eines Disziplinarverfahrens aus dem Richter- oder Beamtenverhältnis entfernt wird, nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung,
4.
ihm auf Grund Richterspruchs die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkannt wird,
5.
es wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wird.
(3) Sobald ein Verfahren eingeleitet ist, dessen Abschluss die Abberufung zur Folge haben kann, kann dem betroffenen Mitglied die Amtsführung vorläufig untersagt werden. Handelt es sich um den Vorsitzenden oder seinen Vertreter (§ 2 Abs. 3), so ist zuvor das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales zu hören.

§ 5 Ausschluss im Einzelfall

Ein Mitglied ist im Einzelfall von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn es
1.
den Betroffenen selbst ärztlich behandelt oder begutachtet hat,
2.
zu dem Betroffenen in einem Verhältnis von der in
§ 22 Nummern 2 bis 4 Strafprozessordnung bezeichneten Art steht oder gestanden hat.

§ 6 Rechtsstellung der Mitglieder

(1) Die Mitglieder der Gutachterstelle sind bei der Erfüllung ihrer Aufgaben (§ 1 Abs. 2) unabhängig und an Weisungen und Aufträge nicht gebunden.
(2) Die Mitglieder der Gutachterstelle erhalten von der Ärztekammer des Saarlandes eine von dieser festzusetzende Entschädigung.
(3) Verletzt ein Mitglied in Ausübung seiner Tätigkeit die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit das Land.

§ 7 Rechte und Pflichten der Gutachterstelle

(1) Die Gutachterstelle kann, wenn dies für ihre Entscheidung erforderlich ist,
1.
zusätzlich einen anderen Arzt oder einen Diplompsychologen, der Erfahrungen auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Praxis hat und zur Übernahme dieser Aufgaben bereit ist, mit der Erstattung eines Gutachtens über die Betroffenen oder seiner ergänzenden Aufklärung beauftragen,
2.
Gerichtsakten aus Straf-, Verwaltungsgerichts- und Sozialgerichtsverfahren heranziehen und auswerten,
3.
ein ärztliches Mitglied der Gutachterstelle eines anderen Landes um die Vornahme der Aufklärungen und Anhörungen von Betreuern, gesetzlichen Vertretern oder Sorgeberechtigten, die im Kastrationsgesetz oder in diesem Gesetz vorgesehen sind, ersuchen.
(2) Die Gutachterstelle hat Ersuchen der in Absatz 1 Nummer 3 bezeichneten Art, die an sie von einer Gutachterstelle eines anderen Landes gerichtet werden, nachzukommen.

Abschnitt II Verfahren

§ 8 Antrag

(1) Die Gutachterstelle wird auf Antrag tätig.
(2) Antragsberechtigt ist jeder Betroffene, der im Saarland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales kann Befreiung von diesem Erfordernis erteilen.
(3) Außer dem Betroffenen sind die Personen antragsberechtigt, deren Einwilligung in die Behandlung in den Fällen des
§ 3 Absätze 3 und 4 sowie des § 4 Kastrationsgesetz erforderlich ist.

§ 9 Verfahren der Gutachterstelle

(1) Die Gutachterstelle nimmt die nach § 5 Abs. 1 und 2 Kastrationsgesetz vorgeschriebenen Untersuchungen und Aufklärungen vor. Sie stellt die Ermittlungen an, die erforderlich sind, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob die Voraussetzungen für eine freiwillige Kastration oder eine andere Behandlungsmethode nach
§ 4 Kastrationsgesetz vorliegen.
(2) Jedes Mitglied soll den Betroffenen in der Regel persönlich hören.
(3) Ein Betroffener, der auf richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird, ist darüber zu belehren, dass er durch die Kastration keinen Anspruch auf vorzeitige Entlassung erlangt.
(4) Der Ehegatte oder der eingetragene Lebenspartner des Betroffenen ist anzuhören, sofern nicht der Betroffene widerspricht oder die Anhörung im Einzelfall untunlich ist. Die Anhörung soll in der Regel mündlich erfolgen.
(5) Wird der Betroffene auf richterliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt, so soll
1.
bei Untersuchungsgefangenen dem für die Entscheidung über die Untersuchungshaft zuständigen Richter,
2.
dem Leiter und dem Arzt der Anstalt, in der sich der Betroffene befindet,
Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden.
(6) Der Betroffene soll darauf hingewiesen werden, dass es in seinem eigenen Interesse ratsam ist, sich nach der Kastration Nachuntersuchungen zu unterziehen.
(7) Alle für die Entscheidung der Gutachterstelle wesentlichen Ermittlungen und sonstigen Tatsachen, insbesondere der Antrag, die Einwilligung des Betroffenen oder anderer Personen sowie die Ergebnisse der Anhörungen, sind aktenkundig zu machen.

§ 10 Entscheidung

(1) Die Gutachterstelle trifft ihre Entscheidung nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Die Entscheidung ist zu begründen.
(2) Die Entscheidung ist dem Betroffenen und den Personen, die nach § 8 Abs. 3 antragsberechtigt sind, schriftlich bekannt zu geben. In den Fällen der
§§ 3 Abs. 4 und 4 Abs. 2 Kastrationsgesetz entfällt die Mitteilung an den Betroffenen, wenn die Bestätigung versagt wird.
(3) In die Bestätigung sind aufzunehmen
1.
der Zeitpunkt, zu dem die Genehmigung ihre Wirksamkeit verliert,
2.
der Hinweis auf die ärztliche Mitteilungspflicht nach § 13,
3.
der Hinweis, dass Nachuntersuchungen ratsam sind (§ 9 Abs. 6),
4.
in den Fällen des § 6 Kastrationsgesetz der Hinweis, dass die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich ist, sofern sie nicht bereits vor der Bestätigung erteilt ist. In diesem Fall ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts der Bestätigung beizufügen.
(4) Ein Widerspruchsverfahren findet nicht statt.

§ 11 Dauer der Wirksamkeit der Bestätigung

(1) Die Bestätigung wird unwirksam, wenn die Kastration nicht innerhalb eines Jahres durchgeführt oder im Fall von
§ 4 Kastrationsgesetz mit einer anderen Behandlungsmethode nicht innerhalb eines Jahres begonnen wird.
(2) Die Gutachterstelle kann auf Antrag einer der in § 8 Abs. 2 und 3 bezeichneten Person die Wirksamkeit der Bestätigung um ein Jahr verlängern.

§ 12 Gebührenfreiheit und Auslagenerstattung

(1) Das Verfahren vor der Gutachterstelle ist gebühren- und auslagenfrei.
(2) Das Saarland erstattet der Ärztekammer am Ende eines jeden Rechnungsjahres
1.
die den Mitgliedern der Gutachterstelle gezahlte Entschädigung nach § 6 Abs. 2,
2.
die Kosten, die durch die Beauftragung von Sachverständigen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und
3.
die Kosten, die durch die Anhörung nach § 9 Abs. 4 und die Vernehmung von Zeugen entstanden sind.
Die Erstattung nach Nummern 1 bis 3 ist jedoch nur bis zur Höhe des Betrages möglich, der sich aus dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (Artikel 2 des Gesetzes) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) in der jeweils geltenden Fassung ergibt. Der Ehegatte gilt hierbei als Zeuge.

Abschnitt III Schlussvorschriften

§ 13 Mitteilungspflicht

Die Durchführung der Kastration oder, im Fall des
§ 4 Kastrationsgesetz, den Beginn der Behandlung hat der ausführende Arzt der Gutachterstelle unverzüglich mitzuteilen.
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