PsychKHG
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Hessisches Gesetz über Hilfen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG) Vom 4. Mai 2017

Hessisches Gesetz über Hilfen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG) Vom 4. Mai 2017
*)
Gesamtausgabe in der Gültigkeit vom 04.04.2023 bis 31.12.2028
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. März 2023 (GVBl. S. 160, 167)
Fußnoten
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Verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Hilfen und Unterbringung bei psychischen Krankheiten vom 4. Mai 2017 (GVBl. S. 66)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Hessisches Gesetz über Hilfen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG) vom 4. Mai 201701.08.2017 bis 31.12.2028
Inhaltsverzeichnis24.12.2021 bis 31.12.2028
Eingangsformel01.08.2017 bis 31.12.2028
Erster Teil - Anwendungsbereich und Grundsatz01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 1 - Anwendungsbereich01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 2 - Grundsatz04.04.2023 bis 31.12.2028
Zweiter Teil - Hilfen01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 3 - Begriff und Ziel der Hilfen24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 4 - Ausgestaltung der Hilfeleistung24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 5 - Ambulante Hilfen des Sozialpsychiatrischen Dienstes01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 6 - Koordinierung der Hilfsangebote vor Ort24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 6a - Gemeindepsychiatrische Verbünde24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 7 - Ehrenamtliche Hilfe und Selbsthilfe01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 7a - Genesungsbegleitung24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 8 - Finanzierung01.01.2023 bis 31.12.2028
Dritter Teil - Unterbringung01.08.2017 bis 31.12.2028
Abschnitt 1 - Unterbringungsvoraussetzungen, Organisation von Unterbringung, Besuchskommission und Fachaufsicht01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 9 - Voraussetzungen von Unterbringung01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 10 - Psychiatrische Krankenhäuser01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 11 - Beleihung und Bestellung01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 12 - Ausübung der Befugnisse im psychiatrischen Krankenhaus24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 13 - Besuchskommission24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 14 - Berichtspflicht01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 15 - Fachaufsicht01.08.2017 bis 31.12.2028
Abschnitt 2 - Unterbringungsverfahren01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 16 - Unterbringungsverfahren01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 17 - Sofortige vorläufige Unterbringung01.01.2023 bis 31.12.2028
Abschnitt 3 - Rechtsstellung und Behandlung untergebrachter Personen01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 18 - Rechtsstellung24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 19 - Behandlung01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 20 - Behandlungsmaßnahmen01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 21 - Besondere Sicherungsmaßnahmen01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 22 - Anwendung unmittelbaren Zwangs24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 23 - Persönlicher Besitz, Besuche, Telefongespräche24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 24 - Schriftverkehr24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 25 - Religionsausübung24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 26 - Beurlaubung01.08.2017 bis 31.12.2028
Abschnitt 4 - Entlassung01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 27 - Mitteilung des Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 28 - Entlassung24.12.2021 bis 31.12.2028
Abschnitt 5 - Datenschutz01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 29 - Datenschutz24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 29a - Unterrichtung in besonderen Fällen24.12.2021 bis 31.12.2028
Abschnitt 6 - Kosten01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 30 - Kosten01.08.2017 bis 31.12.2028
Vierter Teil - Fachbeirat Psychiatrie, Unabhängige Beschwerdestelle, Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 31 - Fachbeirat Psychiatrie01.01.2023 bis 31.12.2028
§ 32 - Unabhängige Beschwerdestelle24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 33 - Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher01.08.2017 bis 31.12.2028
Fünfter Teil - Schlussbestimmungen01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 34 - Verordnungsermächtigungen24.12.2021 bis 31.12.2028
§ 35 - Einschränkung von Grundrechten01.08.2017 bis 31.12.2028
§ 36 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten24.12.2021 bis 31.12.2028
Inhaltsübersicht
Präambel
Erster Teil Anwendungsbereich und Grundsatz
§ 1Anwendungsbereich
§ 2Grundsatz
Zweiter Teil Hilfen
§ 3Begriff und Ziel der Hilfen
§ 4Ausgestaltung der Hilfeleistung
§ 5Ambulante Hilfen des Sozialpsychiatrischen Dienstes
§ 6Koordinierung der Hilfsangebote vor Ort
§ 6aGemeindepsychiatrische Verbünde
§ 7Ehrenamtliche Hilfe und Selbsthilfe
§ 7aGenesungsbegleitung
§ 8Finanzierung
Dritter Teil Unterbringung
Abschnitt 1 Unterbringungsvoraussetzungen, Organisation von Unterbringung, Besuchskommission und Fachaufsicht
§ 9Voraussetzungen von Unterbringung
§ 10Psychiatrische Krankenhäuser
§ 11Beleihung und Bestellung
§ 12Ausübung der Befugnisse im psychiatrischen Krankenhaus
§ 13Besuchskommission
§ 14Berichtspflicht
§ 15Fachaufsicht
Abschnitt 2 Unterbringungsverfahren
§ 16Unterbringungsverfahren
§ 17Sofortige vorläufige Unterbringung
Abschnitt 3 Rechtsstellung und Behandlung untergebrachter Personen
§ 18Rechtsstellung
§ 19Behandlung
§ 20Behandlungsmaßnahmen
§ 21Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 22Anwendung unmittelbaren Zwangs
§ 23Persönlicher Besitz, Besuche, Telefongespräche
§ 24Schriftverkehr
§ 25Religionsausübung
§ 26Beurlaubung
Abschnitt 4 Entlassung
§ 27Mitteilung des Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen
§ 28Entlassung
Abschnitt 5 Datenschutz
§ 29Datenschutz
§ 29aUnterrichtung in besonderen Fällen
Abschnitt 6 Kosten
§ 30Kosten
Vierter Teil Fachbeirat Psychiatrie, Unabhängige Beschwerdestelle, Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher
§ 31Fachbeirat Psychiatrie
§ 32Unabhängige Beschwerdestelle
§ 33Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher
Fünfter Teil Schlussbestimmungen
§ 34Verordnungsermächtigungen
§ 35Einschränkung von Grundrechten
§ 36Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Präambel
Ziel der psychiatrischen Versorgung ist die Sicherstellung möglichst personenzentrierter und individuell passgenauer Hilfsangebote. Dabei sollen die UN-Behindertenrechtskonvention und so weit wie möglich die Interessen der Personen mit psychischen Störungen und ihrer Angehörigen und Vertrauenspersonen berücksichtigt werden. In der Versorgung und Behandlung von Personen mit psychischen Störungen soll der Grundsatz ambulant vor stationär gelten. Eine Zusammenarbeit und Vernetzung ambulanter und stationärer Angebote ist wünschenswert. Die im vorliegenden Gesetz beschriebenen Hilfen sollen niederschwellig zugänglich sein, präventiv, begleitend und nachsorgend wirken. Personen mit psychischen Störungen sollen persönliche Krisen begleitende Hilfen finden. Chronifizierungen psychischer Störungen sollen vermieden und ein möglichst selbstbestimmtes Leben dauerhaft erhalten werden. Die Person muss in höchstmöglichem Maße in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.
Zwangsunterbringungen und -behandlungen sind auf die Fälle zu beschränken, in denen sie unerlässlich sind. Zwangsunterbringungen und -behandlungen von Personen mit psychischen Störungen stellen einen Grundrechtseingriff dar, der nur erfolgen darf, wenn Hilfsangebote nicht ausreichen, um erhebliche Gefahren für diese Personen und andere Personen abzuwenden.

Erster Teil Anwendungsbereich und Grundsatz

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt
1.
Hilfen für Personen und
2.
die Unterbringung und Behandlung von Personen,
die infolge einer psychischen Störung funktionseingeschränkt, krank oder behindert sind oder bei denen Anzeichen für eine solche Funktionseinschränkung, Krankheit oder Behinderung bestehen.

§ 2 Grundsatz

(1) Bei den Hilfen und bei der Unterbringung ist auf die individuelle Situation der Person nach § 1 besondere Rücksicht zu nehmen. Ihre Würde, ihre Rechte und ihr Wille sind zu achten. Gleiches gilt für kulturelle und soziale Aspekte. Die Prävention psychischer Störungen hat einen hohen Stellenwert.
(2) Bei Hilfen und bei der Unterbringung ist mit der Person nach § 1 in einer für sie leicht verständlichen Sprache und barrierefrei zu kommunizieren.

Zweiter Teil Hilfen

§ 3 Begriff und Ziel der Hilfen

(1) Hilfen im Sinne dieses Gesetzes sind Leistungen, die im Rahmen einer bedarfsgerechten Versorgung ergänzend über die Hilfen nach anderen Rechtsvorschriften hinaus die Personen nach § 1 befähigen sollen, eigenverantwortlich und selbstbestimmt leben zu können. Zu den Hilfen gehören insbesondere die Beratung, Begleitung, Hinführung zu ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung, die Vermittlung von Hilfen zur Selbsthilfe und Angeboten des gemeindepsychiatrischen Versorgungssystems sowie ehrenamtliche Hilfen.
(2) Ziel der Hilfen ist es,
1.
die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten oder wiederherzustellen,
2.
die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu erleichtern und zu fördern,
3.
die selbstständige Lebensführung beeinträchtigende und die persönliche Freiheit einschränkende Maßnahmen entbehrlich zu machen oder zu verkürzen und die Selbstbestimmungsfähigkeit zu fördern,
4.
dazu beizutragen, dass Funktionseinschränkungen, Krankheiten und Behinderungen frühzeitig erkannt und behandelt werden, und
5.
Maßnahmen der Unterbringung und Behandlung nach dem Dritten Teil zu vermeiden.

§ 4 Ausgestaltung der Hilfeleistung

(1) Hilfen mit Ausnahme derer nach § 5 Abs. 2 bis 4 werden geleistet, soweit sie freiwillig angenommen werden.
(2) Die Hilfen sollen wohnortnah vorgehalten werden. Sie sollen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und so wenig wie möglich in die gewohnten Lebensverhältnisse der Person nach § 1 eingreifen.
(3) Eine stationäre Behandlung soll nur dann erfolgen, wenn das Ziel der Hilfen durch ambulante Maßnahmen nicht erreicht werden kann.
(4) Art, Ausmaß und Dauer der Hilfen richten sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls, soweit dieses Gesetz nicht bestimmte Maßnahmen vorschreibt. Bei der Ausgestaltung der Hilfen ist die Vielfalt der Lebensumstände, insbesondere die kulturelle und soziale Lebenssituation der betroffenen Person, angemessen zu beachten.
(5) Personen, die Menschen mit psychischen Störungen nahestehen, sollen entlastet und unterstützt sowie in die Therapie einbezogen werden. Ihre Bereitschaft zur Mitwirkung bei den Hilfen soll erhalten und gefördert werden. Die besondere Situation von Kindern von Eltern mit psychischen Störungen ist zu berücksichtigen.

§ 5 Ambulante Hilfen des Sozialpsychiatrischen Dienstes

(1) In Ergänzung der ambulanten Leistungen nach § 7 Abs. 3 des Hessischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst vom 28. September 2007 (GVBl. I S. 659), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Dezember 2022 (GVBl. S. 764), leisten die Sozialpsychiatrischen Dienste bei den Gesundheitsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte (Sozialpsychiatrischer Dienst) auch die Hilfen nach Abs. 2 bis 4; hiervon ausgenommen sind Kinder und Jugendliche.
(2) Macht eine Person nach § 1 von den angebotenen Hilfen keinen Gebrauch und liegen Anzeichen dafür vor, dass sie infolge ihrer psychischen Störung ihr Leben, ihre Gesundheit oder das Leben, die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Anderer erheblich gefährdet, kann der Sozialpsychiatrische Dienst sie einladen oder einen Hausbesuch anbieten, um ihr Hilfen anzubieten oder eine ärztliche Untersuchung durchzuführen. In der Einladung kann ihr anheimgestellt werden, sich unverzüglich in ärztliche Behandlung zu begeben, statt der Einladung zu folgen. Sie hat dann Namen und Anschrift der Ärztin oder des Arztes dem Sozialpsychiatrischen Dienst mitzuteilen und die Ärztin oder den Arzt zu ermächtigen, diesen von der Übernahme der Behandlung zu unterrichten.
(3) Wird von keinem der Angebote nach Abs. 2 Satz 1 und 2 Gebrauch gemacht, soll ein Hausbesuch durchgeführt werden. Ist der Hausbesuch nicht durchführbar oder kann während des Hausbesuchs eine gegebenenfalls erforderliche ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt werden, ist die Person nach § 1 vorzuladen. Sie ist verpflichtet, dieser Vorladung zu folgen und eine ärztliche Untersuchung zu dulden. Darauf ist in der Vorladung hinzuweisen.
(4) Der Sozialpsychiatrische Dienst hat das Recht auf Zugang in die Wohnung der Person nach § 1, wenn eine gegenwärtige unmittelbare Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit oder für das Leben, die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Anderer zu befürchten ist, die nicht anders abgewendet werden kann. Das Zugangsrecht nach Satz 1 kann im Wege des unmittelbaren Zwangs durchgesetzt werden. § 22 ist entsprechend, auch in Verbindung mit § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, anwendbar.
(5) Der betroffenen Person, ihrer Betreuerin oder ihrem Betreuer, wenn sie oder er mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge betraut ist, und mit ihrer Einwilligung auch ihren Angehörigen oder einer Vertrauensperson ist das Ergebnis der Untersuchung nach Abs. 3 Satz 3 unverzüglich mitzuteilen sowie auf Verlangen Einsicht in die vollständige, sie betreffende Akte zu gewähren, soweit der Mitteilung und der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Anderer entgegenstehen. Die Verweigerung der Akteneinsichtnahme ist schriftlich zu begründen. Begibt sich die betroffene Person nach der Untersuchung in ärztliche Behandlung, so teilt der Sozialpsychiatrische Dienst der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt den Untersuchungsbefund mit, wenn die betroffene Person in die Mitteilung eingewilligt hat.
(6) Außerhalb der Regelarbeitszeiten sind Krisenhilfen vorzuhalten. Diese sind von den Sozialpsychiatrischen Diensten unter Einbeziehung aller an der Versorgung Beteiligten zu koordinieren. Krisenhilfen können auch überörtlich in Kooperation mehrerer Sozialpsychiatrischer Dienste vorgehalten werden.
(7) Die Sozialpsychiatrischen Dienste berichten dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium einmal im Jahr über die Maßnahmen nach Abs. 2 bis 4 und 6 in anonymisierter Form.

§ 6 Koordinierung der Hilfsangebote vor Ort

(1) Die Sozialpsychiatrischen Dienste koordinieren die Hilfsangebote in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich und wirken an deren Planung mit. Eine Psychiatriekoordination ist vorzusehen.
(2) Die Sozialpsychiatrischen Dienste werten die nach § 14 Abs. 2 übermittelten Daten mit dem Ziel aus, Unterbringungen so weit wie möglich zu vermeiden. Sie leiten die Ergebnisse der Auswertung dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium zu.
(3) Mindestens einmal im Jahr laden die Sozialpsychiatrischen Dienste die an der psychiatrischen Versorgung in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich beteiligten Einrichtungen und Personen zu einer Erörterung ein, um die psychiatrische Versorgung und die Hilfsangebote vor Ort zu analysieren mit dem Ziel, Unterbringungen zu vermeiden und die psychiatrische Versorgung und die Hilfsangebote vor Ort anzupassen und weiterzuentwickeln. Zu der Erörterung sind auch die zuständigen Gerichte, Betreuungsbehörden und Polizei- und Ordnungsbehörden einzuladen. Die Ergebnisse der Auswertung nach Abs. 2 Satz 1 sollen in die Erörterung einfließen.

§ 6a Gemeindepsychiatrische Verbünde

Auf Ebene der kreisfreien Städte und der Landkreise sollen Gemeindepsychiatrische Verbünde gebildet werden, in denen sich insbesondere Träger ambulanter, teilstationärer oder stationärer Versorgungseinrichtungen und Dienste sowie Angebote der Selbsthilfe zusammenschließen. Sie schließen hierzu eine Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel, in den von ihnen angebotenen Leistungsbereichen für Personen nach § 1 eine möglichst bedarfsgerechte wohnortnahe Versorgung zu erreichen. Die Gemeindepsychiatrischen Verbünde sollen mit Verbünden und Netzwerken aus anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung zusammenarbeiten.

§ 7 Ehrenamtliche Hilfe und Selbsthilfe

Ehrenamtliche Hilfen einschließlich der Arbeit der Angehörigen und Psychiatrie-Erfahrenen sowie Projekte der Selbsthilfe können unterstützt werden. Sie sind in die Versorgung von Personen nach § 1 einzubeziehen.

§ 7a Genesungsbegleitung

Genesungsbegleiterinnen und Genesungsbegleiter sollen in die Behandlung und Versorgung von Personen nach § 1 eingebunden werden.

§ 8 Finanzierung

(1) Für die Erfüllung der Aufgaben der Sozialpsychiatrischen Dienste nach § 5 Abs. 2 bis 4, § 6 und § 28 Abs. 3 leistet das Land an die Landkreise und kreisfreien Städte einen Mehrbelastungsausgleich. Zuständig hierfür ist das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege.
(2) Die Landkreise und kreisfreien Städte berichten dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium jährlich über die Verwendung des Mehrbelastungsausgleichs nach Abs. 1 Satz 1.

Dritter Teil Unterbringung

Abschnitt 1 Unterbringungsvoraussetzungen, Organisation von Unterbringung, Besuchskommission und Fachaufsicht

§ 9 Voraussetzungen von Unterbringung

(1) Eine Person nach § 1 wird ohne oder gegen ihren Willen untergebracht, wenn und solange infolge einer psychischen Störung eine erhebliche Gefahr für ihr Leben, ihre Gesundheit oder das Leben, die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Anderer besteht und nicht anders abgewendet werden kann.
(2) Eine Unterbringung nach diesem Gesetz darf nicht angeordnet werden oder fortdauern, wenn und solange eine Unterbringung aufgrund
1.
§ 81 oder § 126a der Strafprozessordnung,
2.
§ 63 oder § 64 des Strafgesetzbuches oder
3.
§ 7 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2099),
vollzogen wird.
(3) Der Vollzug einer gleichfalls angeordneten Unterbringung nach den §§ 1831 oder 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuches ist vorrangig.

§ 10 Psychiatrische Krankenhäuser

(1) Die Unterbringung nach diesem Gesetz erfolgt in psychiatrischen Fachkrankenhäusern oder in psychiatrischen Fachabteilungen eines Krankenhauses nach § 108 Nr. 1 oder 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (psychiatrisches Krankenhaus). Die regionale Pflichtversorgung besteht nach Maßgabe des Bescheides zur Aufnahme des psychiatrischen Krankenhauses in den Krankenhausplan nach § 19 des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 vom 21. Dezember 2010 (GVBl. I S. 587), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Februar 2022 (GVBl. S. 79), oder nach Maßgabe des Beleihungsvertrages.
(2) Die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen erfolgt in kinder- und jugendpsychiatrischen Fachkrankenhäusern oder kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen der Krankenhäuser.
(3) Die Unterbringung kann in geschlossenen und offenen Stationen erfolgen. Die Unterbringung soll so weit wie möglich in offenen und freien Formen durchgeführt werden, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt und dies von der ärztlichen Leitung des psychiatrischen Krankenhauses verantwortet wird.
(4) Die psychiatrischen Krankenhäuser haben durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich die untergebrachten Personen der Unterbringung nicht entziehen.

§ 11 Beleihung und Bestellung

(1) Sofern die Träger der psychiatrischen Krankenhäuser keine juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind, werden sie durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Aufgabe der Unterbringung nach diesem Gesetz beliehen. Im Beleihungsvertrag hat sich der Träger zu verpflichten, sicherzustellen, dass in dem psychiatrischen Krankenhaus jederzeit die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Unterbringung erforderlichen personellen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind.
(2) Die ärztlichen Leitungen der psychiatrischen Krankenhäuser und ihre Stellvertretungen sowie die weiteren Ärztinnen und Ärzte werden auf Vorschlag des Trägers des psychiatrischen Krankenhauses widerruflich für die Durchführung der Aufgaben nach diesem Gesetz bestellt. Die vorgeschlagenen Personen müssen fachlich und persönlich geeignet sein. Die Träger der psychiatrischen Krankenhäuser stellen sicher, dass die bestellten Ärztinnen und Ärzte über ihre Aufgaben nach diesem Gesetz unterwiesen werden.
(3) Für die Beleihungen nach Abs. 1 Satz 1 ist das für die Gesundheit zuständige Ministerium und für die Bestellungen nach Abs. 2 Satz 1 ist das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege zuständig.

§ 12 Ausübung der Befugnisse im psychiatrischen Krankenhaus

(1) Entscheidungen über grundrechtseinschränkende Maßnahmen, insbesondere Entscheidungen nach § 17 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 und 2, § 21 Abs. 1 mit Ausnahme von Anordnungen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 3 und Anordnungen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 21 Abs. 4, § 23 Satz 2, § 24 Abs. 2, § 25 Abs. 1 Satz 2, sowie die Entscheidung über eine Nichtaufnahme nach § 17 Abs. 1 Satz 1 oder eine Entlassung nach § 17 Abs. 3, sind den nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Personen vorbehalten.
(2) Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete des psychiatrischen Krankenhauses besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 21 vorläufig anordnen. In den Fällen des Satzes 1 ist unverzüglich eine nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellte Person zu unterrichten.

§ 13 Besuchskommission

(1) Das für die Gesundheit zuständige Ministerium richtet für die Dauer von jeweils fünf Jahren Besuchskommissionen ein. Bei der Berufung der Mitglieder sollen nach Möglichkeit die Vorschläge des Fachbeirats Psychiatrie berücksichtigt werden.
(2) Der Besuchskommission sollen angehören:
1.
eine Fachärztin oder ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, beim Besuch einer Einrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Fachärztin oder ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eine Gesundheits- oder Krankenpflegerin oder ein Gesundheits- oder Krankenpfleger oder eine Pflegefachfrau oder ein Pflegefachmann; die Person muss über Berufserfahrung im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie verfügen,
3.
eine Psychologische Psychotherapeutin oder ein Psychologischer Psychotherapeut oder eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut, beim Besuch einer Einrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut,
4.
eine Betreuungsrichterin oder ein Betreuungsrichter, beim Besuch einer Einrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Familienrichterin oder ein Familienrichter,
5.
eine Vertreterin oder ein Vertreter eines Sozialpsychiatrischen Dienstes,
6.
eine Vertreterin oder ein Vertreter der unabhängigen Beschwerdestellen,
7.
eine Vertreterin oder ein Vertreter aus dem Kreis der Psychiatrie-Erfahrenen,
8.
eine Vertreterin oder ein Vertreter aus dem Kreis der Angehörigen.
Die in Satz 1 genannten Personen dürfen weder in der zu besichtigenden Einrichtung gegenwärtig beschäftigt noch mit der Bearbeitung von Unterbringungssachen im Einzugsbereich der zu besichtigenden Einrichtung unmittelbar befasst sein. Die Besuchskommission kann tätig werden, wenn sie mit mindestens der Hälfte der Mitglieder besetzt ist.
(3) Die Besuchskommission besucht in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes mindestens ein Mal pro Jahr, danach mindestens alle zwei Jahre die psychiatrischen Krankenhäuser, in denen Personen nach diesem Gesetz untergebracht werden, und überprüft sie daraufhin, ob die mit der Unterbringung verbundenen Aufgaben erfüllt werden. Die Besuche dürfen unangekündigt oder mit einer bis drei Tage vorher erfolgenden Ankündigung stattfinden. Der Besuchskommission ist ungehinderter Zugang zu den psychiatrischen Krankenhäusern zu gewähren. Bei den Besichtigungen ist den untergebrachten Personen Gelegenheit zu geben, Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Die psychiatrischen Krankenhäuser sind verpflichtet, die Besuchskommission bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen und ihr die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Die Patientenfürsprecherin oder der Patientenfürsprecher soll zu dem Besuch hinzugezogen werden. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben ist der Besuchskommission Einsicht in die hierfür erforderlichen Unterlagen zu gewähren. Personenbezogene Patientenunterlagen dürfen nur mit schriftlicher Einwilligung der betroffenen untergebrachten Person eingesehen werden.
(4) Die Besuchskommission legt alsbald, spätestens drei Monate nach einem Besuch, dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium einen Besuchsbericht mit dem Ergebnis der Überprüfung vor. Das psychiatrische Krankenhaus erhält eine Durchschrift des Berichts zur vertraulichen Kenntnisnahme. Angaben über persönliche Belange untergebrachter Personen, die identifizierende Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen, dürfen in den Bericht nicht aufgenommen werden, es sei denn, diese Angaben sind zur Darstellung des Sachzusammenhangs im Bericht unerlässlich und die untergebrachte Person hat einer Aufnahme in den Bericht zugestimmt. Das für die Gesundheit zuständige Ministerium legt dem Hessischen Landtag jährlich einen anonymisierten Bericht über die Tätigkeit der Besuchskommission und über die wesentlichen Ergebnisse der Besuchsberichte nach Satz 1 vor.
(5) Die Mitglieder der Besuchskommission sind nicht an Weisungen gebunden. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie sollen sich jährlich zum Zweck des Erfahrungsaustauschs treffen. Ihre Aufgaben nehmen sie ehrenamtlich wahr. Die Mitglieder der Besuchskommission erhalten eine pauschale Aufwandsentschädigung sowie die Erstattung ihrer Fahrtkosten.

§ 14 Berichtspflicht

(1) Das psychiatrische Krankenhaus meldet der Fachaufsichtsbehörde die Fälle
1.
der Unterbringung nach den §§ 16 und 17 dieses Gesetzes sowie den §§ 1631b und 1831 des Bürgerlichen Gesetzbuches und
2.
nach § 32 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, in denen keine Unterbringungsentscheidung erfolgt,
für das vorangegangene Kalenderjahr jeweils bis zum 31. März. Maßgeblich für die Aufnahme in die Meldung des jeweiligen Kalenderjahres ist der Zeitpunkt des Beginns der Unterbringung oder der Zuführung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. In die Meldung sind für jeden Fall nach Satz 1 Nr. 1 und 2 folgende Daten aufzunehmen:
1.
das Institutionskennzeichen des psychiatrischen Krankenhauses und die Standortnummer des Unterbringungsortes nach § 293 Abs. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
2.
eine pseudonymisierte Patientennummer der untergebrachten Person,
3.
das Geschlecht und das Alter in Jahren der untergebrachten Person am Tag des Beginns der Unterbringung,
4.
die gesetzliche Grundlage der Unterbringung bei Unterbringungsbeginn, getrennt nach § 16 und § 17 sowie nach § 1831 des Bürgerlichen Gesetzbuches und § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuches,
5.
die Haupt- und Nebendiagnosen, aufgrund derer die Unterbringung nach § 9 Abs. 1 erfolgt,
6.
der Wochentag des Unterbringungsbeginns, im Falle einer Unterbringung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 auch die Uhrzeit des Unterbringungsbeginns,
7.
die Angabe, ob eine Zuführung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung erfolgt,
8.
im Fall des § 32 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, ob eine Aufnahme nach § 17 Abs. 1 Satz 1 erfolgt oder ob die zugeführte Person aufgrund eigener Entscheidung in der Klinik verbleibt,
9.
die Angabe über eine Entlassung nach § 17 Abs. 3 Satz 1,
10.
die Angabe, ob sich nach einer Unterbringung nach § 17 Abs. 1 Satz 1
a)
eine Behandlung aufgrund eigener Entscheidung der Patientin oder des Patienten,
b)
eine Unterbringung nach § 16 Abs. 1 oder
c)
eine Unterbringung auf der Grundlage des § 1831 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder § 1631b des Bürgerlichen Gesetzbuches anschließt,
11.
eine Angabe über jede Behandlungsmaßnahme nach § 20 Abs. 1 oder 2,
12.
eine Angabe über jede vorgenommene Sicherungsmaßnahme nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 und 6 sowie im Fall von § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 6, ob eine richterliche Entscheidung beantragt wurde,
13.
die Dauer der Unterbringung in Tagen nach diesem Gesetz.
Die Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der statistischen Auswertung zur Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen von dem für Gesundheit zuständigen Ministerium erhoben und verarbeitet werden; Abs. 2 bleibt unberührt. Die Meldedaten sind drei Jahre nach deren Meldung vom psychiatrischen Krankenhaus und von der Fachaufsichtsbehörde zu löschen.
(2) Das für die Gesundheit zuständige Ministerium übermittelt den Sozialpsychiatrischen Diensten die für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich relevanten Daten nach Abs. 1 in anonymisierter Form.

§ 15 Fachaufsicht

(1) Das für die Gesundheit zuständige Ministerium führt die Fachaufsicht über die psychiatrischen Krankenhäuser in Angelegenheiten nach diesem Gesetz.
(2) Die Fachaufsichtsbehörde hat ein Weisungsrecht gegenüber dem Träger des psychiatrischen Krankenhauses. Kommt der Träger eines psychiatrischen Krankenhauses einer Weisung der Fachaufsichtsbehörde nicht innerhalb der von ihr gesetzten Frist nach, kann diese die erforderlichen Maßnahmen für den Träger selbst und auf dessen Kosten vornehmen. Sie tritt dabei kommissarisch in die Rechte des Trägers ein und kann sich der personellen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Ausstattung des Trägers bedienen. Die Fachaufsichtsbehörde hat ein Weisungsrecht gegenüber den nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Personen. Das Weisungsrecht betrifft nicht die ärztliche Therapiefreiheit.
(3) Im Rahmen der Fachaufsicht ist der zuständigen Fachaufsichtsbehörde Auskunft zu erteilen, Einsicht in Akten und sonstige Schriftstücke sowie Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren.

Abschnitt 2 Unterbringungsverfahren

§ 16 Unterbringungsverfahren

(1) Ein gerichtliches Verfahren über die Unterbringung nach § 151 Nr. 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juni 2022 (BGBl. I S. 959), oder die Unterbringung nach § 312 Nr. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird durch einen Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde eingeleitet.
(2) Zuständige Verwaltungsbehörde für den Antrag nach Abs. 1 und für den Antrag auf Verlängerung einer gerichtlich angeordneten Unterbringung nach Abs. 1 ist das Gesundheitsamt.
(3) Örtlich zuständig ist die Verwaltungsbehörde des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der unterzubringenden Person. Bei Fehlen eines Wohnsitzes oder eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes oder wenn diese nicht feststellbar sind oder außerhalb des Landes Hessen liegen, ist die Verwaltungsbehörde des aktuellen Aufenthaltsortes zuständig.
(4) Dem Antrag nach Abs. 1 soll eine ausführliche Stellungnahme einer Ärztin, eines Arztes, einer psychologischen Psychotherapeutin, eines psychologischen Psychotherapeuten, einer Psychotherapeutin oder eines Psychotherapeuten beigefügt werden, die auch Aussagen über die Notwendigkeit und Dauer von Behandlungsmaßnahmen nach § 20 Abs. 1 und 2 enthalten soll und die auf einer höchstens 14 Tage zurückliegenden Untersuchung beruht.

§ 17 Sofortige vorläufige Unterbringung

(1) Liegen die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 9 Abs. 1 mit hoher Wahrscheinlichkeit vor und ist Gefahr im Verzug, so kann eine nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellte Ärztin oder ein nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellter Arzt die sofortige vorläufige Unterbringung anordnen. Bei der Entscheidung über die Anordnung nach Satz 1 sind die Angaben der nach § 32 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuführenden örtlichen Ordnungsbehörde oder der Polizeibehörde über die Umstände der vorläufigen Ingewahrsamnahme sowie die Angaben des örtlich zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienstes, soweit konkrete Kenntnisse über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sofortige vorläufige Unterbringung nach Satz 1 bestehen, zu berücksichtigen. In diesem Fall ist unverzüglich eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 331, auch in Verbindung mit § 332, des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch eine nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellte Ärztin oder einen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Arzt zu beantragen. Satz 3 gilt entsprechend für die Verlängerung der Unterbringung nach Satz 1.
(2) Die Person ist unverzüglich von einer Ärztin oder einem Arzt des psychiatrischen Krankenhauses zu untersuchen.
(3) Bestätigt die Untersuchung die Annahme der Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht, so ist die Person unverzüglich zu entlassen. Die Nichtaufnahme oder die Entlassung ist unter Angabe von Gründen zu dokumentieren; in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist die örtliche Ordnungsbehörde oder die zuständige Polizeibehörde über die Nichtaufnahme oder die Entlassung zu informieren.
(4) Im Falle einer sofortigen vorläufigen Unterbringung oder ihrer Verlängerung ist unverzüglich die gesetzliche Vertreterin oder der gesetzliche Vertreter oder die Betreuerin oder der Betreuer zu informieren, sofern Kenntnis über eine gesetzliche Vertretung oder eine Betreuung besteht.

Abschnitt 3 Rechtsstellung und Behandlung untergebrachter Personen

§ 18 Rechtsstellung

(1) Die nach diesem Gesetz untergebrachte Person wird so untergebracht, behandelt und betreut, dass der Unterbringungszweck mit dem geringstmöglichen Eingriff in die persönliche Freiheit und die körperliche Unversehrtheit erreicht wird.
(2) Die untergebrachte Person ist bei der Aufnahme unverzüglich über ihre Rechte und Pflichten während der Unterbringung aufzuklären. Sollte die Aufklärung bei der Aufnahme im Hinblick auf den Gesundheitszustand der untergebrachten Person nicht möglich sein, ist sie unverzüglich nachzuholen. Die Aufklärung ist zu dokumentieren.
(3) Entscheidungen über Eingriffe in die Rechte der untergebrachten Person sind dieser unverzüglich mitzuteilen und mit ihr oder ihrer gesetzlichen Vertreterin, ihrem gesetzlichen Vertreter, ihrer Betreuerin oder ihrem Betreuer, sofern Kenntnis über eine gesetzliche Vertretung oder eine Betreuung besteht, zu erörtern. Entscheidungen nach Satz 1 sind zu dokumentieren und zu begründen. Bei Gefahr im Verzug kann die Dokumentation nachgeholt werden.
(4) Die untergebrachte Person unterliegt während der Unterbringung den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Diese müssen im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Gewähr der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung erforderlich sein. Die Beschränkungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen die untergebrachte Person nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 19 Behandlung

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf Behandlung. Die Behandlung umfasst die gebotenen medizinischen und therapeutischen Maßnahmen. Behandlungsziel und Behandlungsplanung sind unverzüglich nach der Aufnahme der untergebrachten Person durch das psychiatrische Krankenhaus gemeinsam mit ihr zu erarbeiten und zu dokumentieren. Sofern das psychiatrische Krankenhaus mit der untergebrachten Person eine Behandlungsvereinbarung geschlossen hat oder einen Krisenplan erstellt hat, sind diese zu beachten.
(2) Die medizinische Untersuchung und Behandlung bedürfen, vorbehaltlich des § 20, der umfassenden ärztlichen Aufklärung und der Einwilligung der untergebrachten Person, ihrer gesetzlichen Vertreterin, ihres gesetzlichen Vertreters, ihrer Betreuerin oder ihres Betreuers, sofern Kenntnis über eine gesetzliche Vertretung oder eine Betreuung besteht. Die untergebrachte Person ist nicht einwilligungsfähig, wenn sie störungsbedingt nicht fähig ist, Grund, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einzusehen und ihren Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen. Die Vorschriften zur Patientenverfügung (§ 1827 des Bürgerlichen Gesetzbuches) und zur Feststellung des Patientenwillens (§ 1828 des Bürgerlichen Gesetzbuches) bleiben unberührt.

§ 20 Behandlungsmaßnahmen

(1) Gegen den natürlichen Willen einer nicht einwilligungsfähigen untergebrachten Person sind medizinische Untersuchungen und Behandlungen sowie die Ernährung zulässig, wenn
1.
eine erhebliche Gefahr für das Leben der untergebrachen Person oder einer schwerwiegenden Schädigung ihrer Gesundheit vorliegt oder
2.
dies zur Wiederherstellung der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der untergebrachten Person erforderlich ist und wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ohne die Maßnahme ihre Entlassung nicht möglich sein wird.
(2) Gegen den natürlichen Willen einer untergebrachten Person sind bei erheblicher Gefahr des Lebens oder einer gegenwärtigen schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit anderer Personen medizinische Untersuchungen und Behandlungen zulässig.
(3) Behandlungsmaßnahmen nach Abs. 1 und 2 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1.
erfolglos versucht worden ist, die auf Vertrauen gegründete Zustimmung der untergebrachten Person zu der Untersuchung, Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
2.
deren Anordnung der untergebrachten Person angekündigt wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme durch eine Ärztin oder einen Arzt aufgeklärt wurde,
3.
die Maßnahme zur Abwendung der Lebens- oder Gesundheitsgefahr oder zur Wiederherstellung der Freiheit geeignet, erforderlich, für die betroffene Person nicht mit unverhältnismäßigen Belastungen und Folgen verbunden ist und mildere Mittel keinen Erfolg versprechen und
4.
der zu erwartende Nutzen der Maßnahme den möglichen Schaden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt.
Von den Anforderungen nach Nr. 1 und Nr. 2 kann abgesehen werden, wenn Gefahr im Verzug ist.
(4) Behandlungsmaßnahmen nach Abs. 1 und 2 sind durch eine Ärztin oder einen Arzt nach § 11 Abs. 2 Satz 1 einzuleiten und zu überwachen. Die Gründe für die Anordnung einer Maßnahme nach Abs. 1 und 2, das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 3 sowie die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.
(5) Die Anordnung einer Behandlungsmaßnahme nach Abs. 1 und 2 auf Antrag einer nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Ärztin oder eines nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Arztes bedarf der Genehmigung des zuständigen Betreuungsgerichts nach § 312 Nr. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 kann von einer Genehmigung nach Satz 1 abgesehen werden, wenn hierdurch die Behandlung verzögert würde und sich hieraus erhebliche Nachteile für das Leben oder die Gesundheit der gefährdeten Person ergeben würden. In den Fällen des Satzes 2 ist die Genehmigung unverzüglich einzuholen, wenn die Behandlungsmaßnahme fortgesetzt werden muss.
(6) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der untergebrachten Person zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

§ 21 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Bei einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person oder für das Leben, die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Anderer können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn und solange die Gefahr nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen abgewendet werden kann. Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind im Einzelfall zulässig:
1.
die Absonderung von anderen Patienten,
2.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände,
3.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Aufhebung der Bewegungsfreiheit an allen Gliedmaßen,
6.
die sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch eine mechanische Vorrichtung,
7.
die Beobachtung der untergebrachten Person, auch durch technische Hilfsmittel.
Über eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Satz 2 Nr. 7 ist die betroffene Person vorab zu informieren. Aufzeichnungen sind spätestens 24 Stunden nach Beendigung der Maßnahme zu löschen.
(2) Bei einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Abs. 1 Satz 2
1.
Nr. 2 und 6 hat eine engmaschige Überwachung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu erfolgen,
2.
Nr. 5 ist stets die Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu gewährleisten.
Besondere Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 oder 6 sind nachzubesprechen, sobald der Zustand der untergebrachten Person es zulässt.
(3) Eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, durch die die Bewegungsfreiheit der untergebrachten Person nicht nur kurzfristig vollständig aufgehoben wird, oder ihre Verlängerung darf nur durch das Gericht auf Antrag einer nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Ärztin oder eines nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Arztes angeordnet werden. Sie gilt dann als nicht nur kurzfristig, wenn im Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme davon auszugehen ist, dass ihre Dauer eine halbe Stunde überschreiten wird oder dies im Verlauf erkennbar wird. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung einer nicht nur kurzfristigen besonderen Sicherungsmaßnahme nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 durch eine Ärztin oder einen Arzt nach § 11 Abs. 2 Satz 1 getroffen werden. In diesem Fall ist unverzüglich eine nachträgliche richterliche Genehmigung zu beantragen, es sei denn,
1.
es ist bereits zu Beginn der Maßnahme abzusehen, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird oder
2.
die Maßnahme ist vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und es ist auch keine Wiederholung zu erwarten.
Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Maßnahme vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Nach Beendigung der besonderen Sicherungsmaßnahme nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 ist die untergebrachte Person durch eine Ärztin oder einen Arzt auf die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung ihrer Zulässigkeit hinzuweisen.
(4) Eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, durch die die Bewegungsfreiheit der untergebrachten Person über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig entzogen wird, oder ihre Verlängerung darf nur durch das Gericht auf Antrag einer nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Ärztin oder eines nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellten Arztes angeordnet werden. Abs. 3 Satz 3 bis 6 gelten entsprechend.
(5) Für das Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen über die Anordnung, die Genehmigung oder sonstige Überprüfung einer Maßnahme nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und Nr. 6 gelten bei Volljährigen die Bestimmungen für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei Minderjährigen die Bestimmungen nach § 151 Nr. 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich bei Volljährigen nach § 313 Abs. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei Minderjährigen nach den §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 313 Abs. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(6) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 1 Satz 2 dürfen nur aufrechterhalten werden, soweit und solange es ihr Zweck erfordert.
(7) Während der Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen sind eine ärztliche Mitwirkung und Überwachung zu gewährleisten.
(8) Die Durchführung einer besonderen Sicherungsmaßnahme ist zu dokumentieren. Im Fall einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 und 6 sind die Anordnung und ihre Begründung, ihre Dauer, die Art der Betreuung und Überwachung, die Beendigung, die Nachbesprechung sowie im Fall der besonderen Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und 6 zusätzlich die in der Sache ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und der Hinweis auf die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung zu dokumentieren.

§ 22 Anwendung unmittelbaren Zwangs

(1) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel ist den Bediensteten des psychiatrischen Krankenhauses, in dem die Unterbringung erfolgt, gegen die aufzunehmenden oder untergebrachten Personen gestattet, soweit und solange dies im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder des Transportes oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung des psychiatrischen Krankenhauses unerlässlich ist.
(2) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist anzukündigen. Die Ankündigung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn der unmittelbare Zwang sofort angewendet werden muss, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.
(3) Abhängig vom Gesundheitszustand der untergebrachten Person soll eine Nachbesprechung der Anwendung unmittelbaren Zwangs zeitnah und möglichst gemeinsam mit einer pflegerischen oder therapeutischen Bezugsperson erfolgen. Eine Person des Vertrauens kann hinzugezogen werden.
(4) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und Dritte voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs hat zu unterbleiben, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
(5) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist zu dokumentieren.

§ 23 Persönlicher Besitz, Besuche, Telefongespräche

Die untergebrachte Person hat das Recht, persönliche Gegenstände im Zimmer zu haben, Besuch zu empfangen sowie auf ihre Kosten Telefongespräche zu führen. Diese Rechte können im Einzelfall eingeschränkt werden, wenn und solange der Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit oder Ordnung in dem psychiatrischen Krankenhaus gefährdet wird. Maßnahmen nach Satz 2 sind zu dokumentieren. Satz 2 gilt nicht für Besuche von und Telefonate mit den in § 24 Abs. 3 genannten Personen und Stellen.

§ 24 Schriftverkehr

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.
(2) Der Schriftwechsel darf im Einzelfall überwacht und angehalten werden, wenn und solange Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit oder Ordnung in dem psychiatrischen Krankenhaus gefährdet werden. Angehaltene Schreiben werden an die Absenderin oder den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich ist, von dem psychiatrischen Krankenhaus verwahrt. Maßnahmen nach Satz 1 und 2 sind zu dokumentieren.
(3) Der Schriftwechsel der untergebrachten Person mit
1.
Gerichten,
2.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten,
3.
Notarinnen und Notaren,
4.
der Besuchskommission nach § 13,
5.
der Patientenfürsprecherin oder dem Patientenfürsprecher,
6.
der unabhängigen Beschwerdestelle nach § 32,
7.
Seelsorgerinnen oder Seelsorgern,
8.
der Betreuerin oder dem Betreuer, der Betreuungsbehörde,
9.
der Fachaufsichtsbehörde nach § 15,
10.
den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder,
11.
den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern,
12.
dem Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe,
13.
der konsularischen und diplomatischen Vertretung ihres Heimatlandes,
14.
Ärztinnen und Ärzte, in deren Behandlung sich die untergebrachte Person vor ihrer Unterbringung befunden hat, sowie
15.
den Personen und Stellen nach § 119 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5, 6, 8 bis 12 und 14 bis 17 der Strafprozessordnung
unterliegt nicht den Einschränkungen des Abs. 2.
(4) Die Abs. 1 bis 3 gelten entsprechend für Pakete und Nachrichten auf Bild- oder Tonträgern sowie elektronischen Schriftverkehr.

§ 25 Religionsausübung

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, in dem psychiatrischen Krankenhaus an Gottesdiensten oder sonstigen religiösen oder seelsorgerischen Veranstaltungen im Rahmen der Krankenhausseelsorge nach § 6 des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 teilzunehmen. Sie kann von der Teilnahme ausgeschlossen werden, wenn und solange der Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit oder Ordnung in dem psychiatrischen Krankenhaus gefährdet wird. Maßnahmen nach Satz 2 sind zu dokumentieren.
(2) Abs. 1 gilt für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse entsprechend.

§ 26 Beurlaubung

(1) Die ärztliche Leitung des psychiatrischen Krankenhauses kann die untergebrachte Person bis zu zwei Wochen beurlauben, wenn der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse es rechtfertigen und ein Missbrauch des Urlaubs nicht zu befürchten ist. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden. Sie kann jederzeit widerrufen werden.
(2) Eine bevorstehende Beurlaubung oder deren Widerruf ist dem zuständigen Gericht und der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter oder der Betreuerin oder dem Betreuer rechtzeitig mitzuteilen. Satz 1 gilt nicht für eine stundenweise Beurlaubung (Ausgang).

Abschnitt 4 Entlassung

§ 27 Mitteilung des Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen

Fallen die Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 9 Abs. 1 weg, hat die ärztliche Leitung des psychiatrischen Krankenhauses dies dem zuständigen Gericht unverzüglich mitzuteilen.

§ 28 Entlassung

(1) Die untergebrachte Person ist zu entlassen
1.
in den Fällen des § 17 Abs. 1 Satz 1
a)
sobald der Grund für die sofortige vorläufige Unterbringung weggefallen ist,
b)
spätestens 24 Stunden nach der Aufnahme zur sofortigen vorläufigen Unterbringung, wenn sie nicht vorher der Richterin oder dem Richter zugeführt worden ist,
c)
in jedem Fall spätestens bis zum Ende des Tages nach der Aufnahme zur sofortigen vorläufigen Unterbringung, wenn nicht vorher die Fortdauer der Unterbringung durch richterliche Entscheidung angeordnet ist,
2.
wenn das Gericht die von ihm angeordnete Unterbringung aufgehoben oder die Vollziehung der Unterbringung ausgesetzt hat,
3.
wenn die vom Gericht bestimmte Dauer der Unterbringung abgelaufen ist.
(2) Das psychiatrische Krankenhaus hat der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter oder der Betreuerin oder dem Betreuer die bevorstehende Entlassung mitzuteilen.
(3) Die Entlassung ist dem für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort der untergebrachten Person örtlich zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst mitzuteilen. Der Sozialpsychiatrische Dienst hat nachgehende Hilfen zu erbringen. Ziel der Hilfen ist es, der aus der Unterbringung zu entlassenden Person durch individuelle medizinische und psychosoziale Beratung und Betreuung Unterstützung im Übergang aus dem Krankenhaus zu bieten. § 1 Abs. 6 Satz 1 und 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist anwendbar.

Abschnitt 5 Datenschutz

§ 29 Datenschutz

(1) Es gelten die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 in der jeweils geltenden Fassung.
(2) Die Mitglieder der Delegation des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und die Mitglieder einer durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe legitimierten Stelle erhalten während des Besuchs des psychiatrischen Krankenhauses auf Verlangen Einsicht in die Patientenakte der untergebrachten Person, soweit dies zur Wahrnehmung der Aufgaben des Ausschusses oder der Stelle erforderlich ist.

§ 29a Unterrichtung in besonderen Fällen

Ist aufgrund der Art und Schwere der psychischen Störung anzunehmen, dass die betroffene Person sich oder andere durch das Führen eines motorisierten Verkehrsmittels oder durch den Umgang mit Waffen oder Sprengstoff gefährden könnte, kann der Sozialpsychiatrische Dienst oder eine nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bestellte Person des psychiatrischen Krankenhauses, in dem die betroffene Person untergebracht ist, die zuständige öffentliche Stelle über die getroffenen Feststellungen unterrichten. Der betroffenen Person ist vorher Gelegenheit zu geben, sich zu der Unterrichtung zu äußern, eine Äußerung ist der Unterrichtung beizufügen.

Abschnitt 6 Kosten

§ 30 Kosten

Die Kosten einer Unterbringung nach diesem Gesetz, einschließlich der Transportkosten, hat die untergebrachte Person zu tragen, soweit nicht ein Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder ein sonstiger Dritter zur Leistung verpflichtet ist.

Vierter Teil Fachbeirat Psychiatrie, Unabhängige Beschwerdestelle, Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher

§ 31 Fachbeirat Psychiatrie

(1) Das für die Gesundheit zuständige Ministerium richtet einen Fachbeirat Psychiatrie ein, in den Vertreterinnen und Vertreter der an der psychiatrischen Versorgung beteiligten Organisationen, insbesondere Leistungsträger, Leistungserbringer, Sozialverbände sowie Vertreterinnen und Vertreter aus den Kreisen der Psychiatrie-Erfahrenen und Angehörigen, berufen werden können. Der Vorsitz und die Geschäftsführung obliegen dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium. Der Fachbeirat Psychiatrie tagt mindestens jährlich.
(2) Der Fachbeirat Psychiatrie berät die Landesregierung in Fragen der psychiatrischen Versorgung und dient der Koordination der verschiedenen Beteiligten des psychiatrischen Versorgungssystems. Die von den Sozialpsychiatrischen Diensten ausgewerteten Daten nach § 6 Abs. 2 Satz 1 sowie die Berichte über die Tätigkeit der Besuchskommissionen nach § 13 Abs. 4 Satz 4 werden ihm für die Beratung von dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium zur Verfügung gestellt.
(3) Die ehrenamtlichen Mitglieder des Fachbeirats Psychiatrie erhalten eine Erstattung ihrer Fahrtkosten.

§ 32 Unabhängige Beschwerdestelle

(1) Die Landkreise und kreisfreien Städte richten unabhängige Beschwerdestellen ein. Die unabhängige Beschwerdestelle prüft neutral Anregungen und Beschwerden von Personen nach § 1, ihren Angehörigen und Vertrauenspersonen und wirkt in Zusammenarbeit mit ihnen auf eine Problemlösung hin. Die Tätigkeit der unabhängigen Beschwerdestelle erfolgt unentgeltlich.
(2) Mitglied der unabhängigen Beschwerdestelle sollen insbesondere Personen mit langjähriger Erfahrung in der Behandlung und Betreuung von Personen nach § 1 sein. Es sollen nach Möglichkeit mindestens je eine Vertreterin oder ein Vertreter aus dem Kreis der Psychiatrie-Erfahrenen und aus dem Kreis der Angehörigen sowie eine Person mit Berufserfahrung im psychiatrischen Versorgungssystem vertreten sein. Die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, gleichberechtigt und nicht weisungsgebunden.
(3) Die unabhängige Beschwerdestelle bestimmt, ob die eingegangenen Beschwerden und Anregungen von einzelnen Mitgliedern oder gemeinsam bearbeitet werden. Die Vertraulichkeit der Daten ist sicherzustellen; eine Weitergabe von Daten darf nur mit Zustimmung der beschwerdeführenden oder betroffenen Person erfolgen.
(4) In psychiatrischen Krankenhäusern, bei den Sozialpsychiatrischen Diensten und in sonstigen für die Hilfe von Personen nach § 1 zuständigen Einrichtungen ist in geeigneter Weise über Namen, Anschrift, Aufgabenbereich und Erreichbarkeit der Mitglieder der unabhängigen Beschwerdestelle zu unterrichten. Die Beschwerden und Anregungen sowie die Tätigkeit der unabhängigen Beschwerdestelle sind zu dokumentieren. Die Dokumentation ist dem zuständigen Gesundheitsamt jährlich in anonymisierter Form zur Verfügung zu stellen.
(5) Die unabhängige Beschwerdestelle legt dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium jährlich einen anonymisierten Tätigkeitsbericht vor. Das für die Gesundheit zuständige Ministerium legt dem Hessischen Landtag jährlich einen zusammenfassenden anonymisierten Bericht über die Tätigkeit der unabhängigen Beschwerdestelle vor.
(6) Die Landkreise und kreisfreien Städte können der unabhängigen Beschwerdestelle den Zugang zu Telefon, elektronischen Medien, Aktenaufbewahrungssystemen und Sachmitteln gewähren.
(7) Für die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen gewährt das Land den Landkreisen und kreisfreien Städten eine jährliche Pauschale.

§ 33 Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher

Mit Einverständnis der Person nach § 1 kann die Patientenfürsprecherin oder der Patientenfürsprecher nach § 7 des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 in einem psychiatrischen Krankenhaus mit der unabhängigen Beschwerdestelle zusammenarbeiten.

Fünfter Teil Schlussbestimmungen

§ 34 Verordnungsermächtigungen

Die für die Gesundheit zuständige Ministerin oder der hierfür zuständige Minister wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung
1.
Standards für die Auswertung der Daten nach § 6 Abs. 2 Satz 1 zu bestimmen,
2.
nähere Regelungen über die Höhe und Auszahlung des Mehrbelastungsausgleichs nach § 8 Abs. 1 und die Berichtspflicht nach § 8 Abs. 2 zu treffen,
3.
nähere Regelungen über die Höhe und Auszahlung der Pauschale und der Fahrtkostenerstattung nach § 13 Abs. 5 Satz 4 zu treffen,
4.
die Art der zu übermittelnden Daten, den Zeitpunkt der Übermittlung und Standards für die Datenübermittlung nach § 14 Abs. 1 zu bestimmen,
5.
nähere Regelungen über die Höhe und die Auszahlung der Fahrtkostenerstattung nach § 31 Abs. 3 zu treffen,
6.
nähere Regelungen über die Höhe und Auszahlung der Pauschale nach § 32 Abs. 6 zu treffen.

§ 35 Einschränkung von Grundrechten

Aufgrund dieses Gesetzes können eingeschränkt werden die Grundrechte auf
1.
die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Art. 3 der Verfassung des Landes Hessen),
2.
die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes und Art. 5 der Verfassung des Landes Hessen),
3.
das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes und Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen) und
4.
die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes und Art. 8 der Verfassung des Landes Hessen).

§ 36 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. August 2017 in Kraft. Abweichend hiervon tritt § 34 am Tage nach der Verkündigung in Kraft. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2028 außer Kraft.
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