MVollzG LSA
DE - Landesrecht Sachsen-Anhalt

Maßregelvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt (MVollzG LSA) Vom 21. Oktober 2010

Maßregelvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt (MVollzG LSA) Vom 21. Oktober 2010
Zum 12.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: mehrfach geändert sowie §§ 9a und 20a neu eingefügt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. März 2021 (GVBl. S. 120)1**
Fußnoten
**)
[Gemäß Artikel 4 des Gesetzes vom 25. März 2021 (GVBl. S. 120, 125) ist Folgendes zu beachten: Einschränkung von Grundrechten Durch dieses Gesetz werden das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit im Sinne des Artikels 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und des Artikels 5 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und das Grundrecht auf Freiheit der Person im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes und des Artikels 5 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt eingeschränkt.]
1)
Artikel 1 Nrn. 2 und 3 [Red.Anm.: betrifft § 4 Abs. 1a und § 7] dieses Gesetzes dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 1).

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Maßregelvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt (MVollzG LSA) vom 21. Oktober 201030.10.2010
Inhaltsverzeichnis01.04.2021
Abschnitt 1 - Allgemeines30.10.2010
§ 1 - Anwendungsbereich30.10.2010
§ 2 - Ziele des Maßregelvollzugs30.10.2010
§ 3 - Einrichtungen des Maßregelvollzugs10.08.2019
§ 4 - Ausstattung der Einrichtungen01.04.2021
§ 5 - Vollstreckungsplan und Verlegung30.10.2010
§ 6 - Zusammenarbeit30.10.2010
Abschnitt 2 - Aufnahme, Behandlung und Gestaltung des Vollzugs30.10.2010
§ 7 - Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Untersuchung Jugendlicher auf Antrag01.04.2021
§ 8 - Ärztliche und therapeutische Behandlung01.04.2021
§ 9 - Sonstige medizinische Behandlungen01.04.2021
§ 9a - Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge01.04.2021
§ 10 - Abstinenzüberwachung30.10.2010
§ 11 - Gestaltung der Unterbringung30.10.2010
§ 12 - Unterricht, Ausbildung, berufliche Eingliederung30.10.2010
§ 13 - Behandlungsplan30.10.2010
§ 14 - Arbeit, Einkünfte30.10.2010
§ 15 - Freizeitgestaltung30.10.2010
§ 16 - Religionsausübung30.10.2010
Abschnitt 3 - Sicherungsmaßnahmen30.10.2010
§ 17 - Verhaltensgrundsätze30.10.2010
§ 18 - Hausordnung30.10.2010
§ 19 - Allgemeine Sicherungsmaßnahmen30.10.2010
§ 20 - Besondere Sicherungsmaßnahmen ohne Richtervorbehalt01.04.2021
§ 20a - Fixierung01.04.2021
§ 21 - Disziplinarmaßnahmen30.10.2010
§ 22 - Persönliche Habe, Besuchsrecht30.10.2010
§ 23 - Postverkehr und Telekommunikation30.10.2010
§ 24 - Durchsuchung30.10.2010
Abschnitt 4 - Vollzugslockerungen, Urlaub, Entlassungsvorbereitung30.10.2010
§ 25 - Formen des Vollzugs30.10.2010
§ 26 - Lockerungen des Vollzugs30.10.2010
§ 27 - Offener Vollzug, Probewohnen30.10.2010
§ 28 - Urlaub30.10.2010
§ 29 - Entlassungsvorbereitungen30.10.2010
§ 30 - Überbrückungsgeld30.10.2010
§ 31 - Nachsorgende Hilfen, forensische Ambulanz30.10.2010
Abschnitt 5 - Datenverarbeitung10.08.2019
§ 32 - Grundsätze10.08.2019
§ 33 - Optisch-elektronische Beobachtung und Verarbeitung von Bildaufzeichnungen01.04.2021
§ 34 - Datenverwendung10.08.2019
§ 35 - Datenübermittlung10.08.2019
§ 36 - Datenübermittlung zu archivarischen, wissenschaftlichen und statistischen Zwecken10.08.2019
§ 37 - Datenlöschung10.08.2019
§ 38 - Ergänzende Geltung von Gesetzen10.08.2019
Abschnitt 6 - Kosten30.10.2010
§ 39 - Kosten der Unterbringung30.10.2010
§ 40 - Ersatz von Aufwendungen30.10.2010
Abschnitt 7 - Rechtsbehelfe30.10.2010
§ 41 - Verwaltungsvorverfahren30.10.2010
Abschnitt 8 - Schlussvorschriften30.10.2010
§ 42 - Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung22.10.2020
§ 43 - Einschränkung von Grundrechten30.10.2010
§ 44 - Übergangsvorschrift30.10.2010
§ 45 - Folgeänderung30.10.2010
§ 46 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten30.10.2010
Inhaltsübersicht
Abschnitt 1 Allgemeines
§ 1Anwendungsbereich
§ 2Ziele des Maßregelvollzugs
§ 3Einrichtungen des Maßregelvollzugs
§ 4Ausstattung der Einrichtungen
§ 5Vollstreckungsplan und Verlegung
§ 6Zusammenarbeit
Abschnitt 2 Aufnahme, Behandlung und Gestaltung des Vollzugs
§ 7Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Untersuchung Jugendlicher auf Antrag
§ 8Ärztliche und therapeutische Behandlung
§ 9Sonstige medizinische Behandlungen
§ 9aZwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
§ 10Abstinenzüberwachung
§ 11Gestaltung der Unterbringung
§ 12Unterricht, Ausbildung, berufliche Eingliederung
§ 13Behandlungsplan
§ 14Arbeit, Einkünfte
§ 15Freizeitgestaltung
§ 16Religionsausübung
Abschnitt 3 Sicherungsmaßnahmen
§ 17Verhaltensgrundsätze
§ 18Hausordnung
§ 19Allgemeine Sicherungsmaßnahmen
§ 20Besondere Sicherungsmaßnahmen ohne Richtervorbehalt
§ 20aFixierung
§ 21Disziplinarmaßnahmen
§ 22Persönliche Habe, Besuchsrecht
§ 23Postverkehr und Telekommunikation
§ 24Durchsuchung
Abschnitt 4 Vollzugslockerungen, Urlaub, Entlassungsvorbereitung
§ 25Formen des Vollzugs
§ 26Lockerungen des Vollzugs
§ 27Offener Vollzug, Probewohnen
§ 28Urlaub
§ 29Entlassungsvorbereitungen
§ 30Überbrückungsgeld
§ 31Nachsorgende Hilfen, forensische Ambulanz
Abschnitt 5 Datenverarbeitung
§ 32Grundsätze
§ 33Optisch-elektronische Beobachtung und Verarbeitung von Bildaufzeichnungen
§ 34Datenverwendung
§ 35Datenübermittlung
§ 36Datenübermittlung zu archivarischen, wissenschaftlichen und statistischen Zwecken
§ 37Datenlöschung
§ 38Ergänzende Geltung von Gesetzen
Abschnitt 6 Kosten
§ 39Kosten der Unterbringung
§ 40Ersatz von Aufwendungen
Abschnitt 7 Rechtsbehelfe
§ 41Verwaltungsvorverfahren
Abschnitt 8 Schlussvorschriften
§ 42Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung
§ 43Einschränkung von Grundrechten
§ 44Übergangsvorschrift
§ 45Folgeänderung
§ 46Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Abschnitt 1 Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt sowie die Aufsicht über den Vollzug.

§ 2 Ziele des Maßregelvollzugs

(1) Ziel einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es, die untergebrachte Person so weit wie möglich zu heilen oder deren Zustand so weit zu bessern, dass sie keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt. Ziel einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist es, die untergebrachte Person von ihrem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben. Beide Maßregeln dienen zugleich dem Schutz der Allgemeinheit.
(2) Behandlung und Betreuung während der Unterbringung haben medizinisch-therapeutischen und pädagogischen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Mitarbeit und Verantwortungsbewusstsein der untergebrachten Person sollen geweckt und gefördert werden. So weit wie möglich soll die Unterbringung den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden und die untergebrachte Person auf eine selbständige Lebensführung vorbereiten. Dazu gehört auch ihre familiäre, soziale und berufliche Eingliederung.

§ 3 Einrichtungen des Maßregelvollzugs

(1) Die Unterbringung erfolgt in psychiatrischen Krankenhäusern oder Entziehungsanstalten (Einrichtungen) des Landes. Das für Maßregelvollzug zuständige Ministerium kann die Aufgabe auch geeigneten Einrichtungen anderer Träger mit deren vorheriger Zustimmung (Einwilligung) widerruflich übertragen. Die Einrichtungen sind einer Leiterin oder einem Leiter zu unterstellen. Die Bestellung der Leiterin oder des Leiters bedarf der Einwilligung der Aufsichtsbehörde.
(2) Einrichtungen unterstehen der Aufsicht des für Maßregelvollzug zuständigen Ministeriums, soweit in ihnen eine Unterbringung erfolgt. Im Rahmen der Fachaufsicht ist der Aufsichtsbehörde Auskunft zu erteilen sowie Einsicht in sämtliche Dateien und Akten zu gewähren. Den Weisungen der Aufsichtsbehörde ist Folge zu leisten. Der Aufsichtsbehörde ist jederzeit Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren.
(3) Soweit die Unterbringung in einer Einrichtung eines anderen Trägers erfolgt, sind die für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse einzusetzenden Beschäftigten durch die Aufsichtsbehörde als Verwaltungsvollzugsbeamte gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 9 der Verordnung über Verwaltungsvollzugsbeamte vom 7. Februar 1992 (GVBl. LSA S. 124), zuletzt geändert durch § 1 Abs. 1 der Verordnung vom 30. Juli 2003 (GVBl. LSA S. 198), zu bestellen. Sie dürfen nur bestellt werden, wenn sie die erforderliche Zuverlässigkeit und die erforderliche Sachkunde besitzen.
(4) Im Fall der Übertragung nach Absatz 1 Satz 2 kann das für Maßregelvollzug zuständige Ministerium anstelle und auf Kosten des Trägers der Einrichtung tätig werden oder Dritte tätig werden lassen, wenn der Träger eine Weisung innerhalb einer bestimmten Frist nicht befolgt. Das für Maßregelvollzug zuständige Ministerium kann das Selbsteintrittsrecht nach Satz 1 auch durch Weisungen gegenüber den Bediensteten des Trägers in der Einrichtung ausüben.
(5) Auf der Grundlage besonderer Vereinbarungen kann mit Einwilligung der Aufsichtsbehörde und der Vollstreckungsbehörde die Unterbringung auch in Einrichtungen außerhalb des Landes Sachsen-Anhalt vollzogen werden, wenn dadurch die Ziele des Maßregelvollzugs wirksamer gefördert werden.

§ 4 Ausstattung der Einrichtungen

(1) Die Einrichtungen sind so zu gliedern und auszustatten, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen an die Unterbringung abgestimmte Behandlung ermöglicht und die Eingliederung der untergebrachten Personen gefördert wird. Die Bedürfnisse Schwangerer und die Bedürfnisse von Eltern mit Kindern, die in die Einrichtung aufgenommen wurden, sind angemessen zu berücksichtigen. Kinder dürfen nur aufgenommen werden, wenn sie das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und der Aufenthalt in der Einrichtung das Kindeswohl nicht gefährdet.
(1a) Jugendliche sind getrennt von Erwachsenen unterzubringen, soweit dies dem Kindeswohl entspricht. Heranwachsende können gemeinsam mit Jugendlichen untergebracht werden, soweit dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.
(2) Die untergebrachten Personen sind durch entsprechende Fachkräfte aus dem ärztlichen, pflegerischen, therapeutischen, pädagogischen, sozialen und technischen Bereich zu behandeln und zu betreuen.

§ 5 Vollstreckungsplan und Verlegung

(1) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Einrichtungen sind in einem Vollstreckungsplan zu regeln und nach allgemeinen Merkmalen zu bestimmen.
(2) Auf Anordnung der Leiterin oder des Leiters der Einrichtung oder der stellvertretenden Leiterin oder des stellvertretenden Leiters der Einrichtung kann die untergebrachte Person mit Einwilligung der Aufsichtsbehörde und der Vollstreckungsbehörde abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der jeweiligen Maßregel vorgesehene Einrichtung eingewiesen oder verlegt werden, wenn
1.
hierdurch die Behandlung oder die Eingliederung gefördert wird,
2.
das Verhalten oder der Zustand der betroffenen Person eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung, in der sie untergebracht ist, darstellt oder in erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht oder die andere Einrichtung für eine sichere Unterbringung besser geeignet ist oder
3.
dies aus Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist.
Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden.
(3) Die untergebrachte Person kann in eine Einrichtung, die für Personen ihres Alters nicht vorgesehen ist, verlegt werden, wenn dies zu ihrer Behandlung notwendig ist. Die Behandlung der übrigen in dieser Einrichtung untergebrachten Personen darf dadurch nicht gefährdet werden.

§ 6 Zusammenarbeit

(1) Zur Förderung von Behandlung, Betreuung und Eingliederung soll der Träger der Einrichtung mit geeigneten Personen, Organisationen und Behörden zusammenarbeiten. Mit Zustimmung der untergebrachten Person soll die Behandlung, Betreuung und Beratung auch nach ihrer Entlassung im Benehmen insbesondere mit der Führungsaufsicht, dem Sozialen Dienst der Justiz, der freien Wohlfahrtspflege sowie den verantwortlichen Ärztinnen und den verantwortlichen Ärzten fortgesetzt werden. Die verantwortlichen Ärztinnen oder die verantwortlichen Ärzte nach diesem Gesetz werden von der Leiterin oder dem Leiter der Einrichtung oder von der stellvertretenden Leiterin oder dem stellvertretenden Leiter der Einrichtung bestimmt.
(2) In Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Forschung und Lehre sollen insbesondere die Behandlungsmethoden wissenschaftlich fortentwickelt und deren Ergebnisse für die Zwecke des Maßregel- und Strafvollzugs nutzbar gemacht werden.

Abschnitt 2 Aufnahme, Behandlung und Gestaltung des Vollzugs

§ 7 Aufnahme, Eingangsuntersuchung, Untersuchung Jugendlicher auf Antrag

(1) Bei der Aufnahme wird die untergebrachte Person über ihre Rechte und Pflichten mündlich und schriftlich unterrichtet. Hat die untergebrachte Person eine gesetzliche Vertreterin oder einen gesetzlichen Vertreter, soll diese oder dieser Gelegenheit erhalten, an der Unterrichtung teilzunehmen. Auf Wunsch der untergebrachten Person ist eine Person ihres Vertrauens unverzüglich über die erfolgte Aufnahme zu benachrichtigen.
(2) Die untergebrachte Person wird unverzüglich nach ihrer Aufnahme ärztlich untersucht. Die Untersuchung berücksichtigt zugleich die Umstände, die maßgeblich für die Unterbringung waren und deren Kenntnis für die Erarbeitung des Behandlungs- und Eingliederungsplanes notwendig ist.
(3) Jugendliche sind zur Beurteilung ihrer allgemeinen körperlichen und geistigen Verfassung auch auf ihren Antrag oder auf Antrag ihrer gesetzlichen Vertreter oder Rechtsbeistände unverzüglich ärztlich zu untersuchen.

§ 8 Ärztliche und therapeutische Behandlung

(1) Während ihrer Unterbringung erhält die untergebrachte Person die nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst gebotene Behandlung der Erkrankung, die zur Anordnung der Unterbringung geführt hat (therapeutische Behandlung).
(2) Für die therapeutische Behandlung ist ein Behandlungsplan auf der Grundlage der Eingangsuntersuchung aufzustellen. Dieser umfasst auch die die gebotene therapeutische Behandlung fördernden heilpädagogischen und psychotherapeutischen sowie beschäftigungs- und arbeitstherapeutischen Maßnahmen.
(3) Das Ergebnis der Untersuchungen, die vorgesehene therapeutische Behandlung und der Behandlungsplan sind der untergebrachten Person zu erläutern, soweit dies ärztlich zu verantworten ist. Ist die untergebrachte Person fähig, Grund, Bedeutung und Tragweite der Behandlungs- und Fördermaßnahmen einzusehen, soll die Erläuterung auch dem Ziel dienen, ihre Einwilligung zur Behandlung zu erhalten. § 7 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Erfordert die therapeutische Behandlung einen operativen Eingriff oder ist sie mit Gefahr für Leben oder Gesundheit der untergebrachten Person verbunden oder würde sie ihre Persönlichkeit wesentlich oder auf Dauer verändern, so darf sie nur mit deren Einwilligung und nur dann vorgenommen werden, wenn sie nicht außer Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg steht.
(5)
(aufgehoben)
(6) Kann eine Untersuchung oder die therapeutische Behandlung nicht in der Einrichtung durchgeführt werden, in der sich die untergebrachte Person befindet, so ist diese auf Anordnung der Leiterin oder des Leiters der Einrichtung oder der stellvertretenden Leiterin oder des stellvertretenden Leiters der Einrichtung mit Einwilligung der Aufsichtsbehörde und der Vollstreckungsbehörde in eine geeignete andere Einrichtung oder, wenn eine solche nicht zur Verfügung steht, in ein geeignetes Krankenhaus zu verlegen. Der Schutz der Allgemeinheit ist sicherzustellen.

§ 9 Sonstige medizinische Behandlungen

(1) Die untergebrachte Person hat über die therapeutische Behandlung hinaus gegenüber dem Träger der Einrichtung Anspruch auf weitere gesundheitliche Betreuung nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088, BGBl. I 1977 S. 436), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274, 2278), über die Gesundheitsfürsorge und über Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft unter Einschluss der nach den krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften zu gewährenden Vorsorgeleistungen. Art und Umfang der zu gewährenden Leistungen richten sich dabei nach den am Ort der Unterbringung für die Allgemeine Ortskrankenkasse geltenden Vorschriften. Eingeschlossen in den Leistungsumfang sind auch die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente, soweit deren Einnahme ärztlich verordnet wurde. § 8 Abs. 4 und 6 gilt entsprechend.
(2) Der Anspruch auf Leistungen nach Absatz 1 ruht, solange die untergebrachte Person aufgrund eines freien Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses oder wegen Bezugs einer gesetzlichen Rente krankenversichert ist.

§ 9a Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) Eine medizinische Untersuchung, eine Behandlung und Zwangsernährung ist gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person zulässig, wenn
1.
die untergebrachte Person zur Einsicht in die Schwere ihrer Krankheit und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist,
2.
die Maßnahme darauf abzielt,
a)
die Entlassungsfähigkeit der untergebrachten Person zu erreichen oder
b)
eine bestehende Lebensgefahr oder gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit der untergebrachten Person oder anderer Personen abzuwenden,
3.
eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahme gerichtet sind, nicht vorliegt,
4.
die Maßnahme zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich ist,
5.
der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen und die durch das Unterlassen der Maßnahme möglichen Schäden deutlich überwiegt,
6.
die untergebrachte Person durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer ihrer Auffassungsgabe und ihrem Gesundheitszustand angemessenen Weise informiert wurde und
7.
der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer Ärztin oder eines Arztes, ein Einverständnis der untergebrachten Person zu der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist.
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung Erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. Die Anordnung bedarf der Einwilligung des Gerichts.
(3) Anordnungen nach Absatz 2 sind der untergebrachten Person unverzüglich bekannt zu geben. Dabei ist die untergebrachte Person über die gegen die Anordnung möglichen Rechtsbehelfe und den beabsichtigten Beginn der Maßnahme rechtzeitig zu informieren.
(4) Die Gründe für die Anordnung der Maßnahme und das Vorliegen der Voraussetzungen, die ergriffene Maßnahme, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren. Gleiches gilt für Erklärungen der untergebrachten Person, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.
(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 kann bei Gefahr im Verzug von den Vorgaben gemäß Absatz 1 Nrn. 6 und 7, Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 2 abgesehen werden. Die Handlungen sind unverzüglich nachzuholen.
(6) § 8 Abs. 4 und 6 findet Anwendung.
(7) Soweit die Maßnahmen dem Gesundheitsschutz oder der körperlichen Hygiene dienen, dürfen ohne Einwilligung der untergebrachten Person Untersuchungen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, Entnahmen von Blutproben sowie die Abgabe einer Urinprobe und Röntgenuntersuchungen ohne Kontrastmittelgabe angeordnet werden. Die Maßnahmen bedürfen jeweils der Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes und sind unter deren oder dessen Leitung durchzuführen.
(8) Die Anwendbarkeit anderer Vorschriften, nach denen Maßnahmen nach Absatz 1 angeordnet werden dürfen, wird nicht eingeschränkt.

§ 10 Abstinenzüberwachung

Die in einer Entziehungsanstalt untergebrachte Person hat zur Abstinenzüberwachung regelmäßige Kontrollen, insbesondere Atemalkohol-, Speichel- oder Hauttests sowie Urinkontrollen, entsprechend den Weisungen der verantwortlichen Ärztin oder des verantwortlichen Arztes auch ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte zu dulden. Blutentnahmen durch die verantwortliche Ärztin oder den verantwortlichen Arzt sind auch ohne Einwilligung der untergebrachten Person zulässig, soweit diese eine Mitwirkung an einer Kontrolle nach Satz 1 verweigert oder konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die auf die Einnahme von berauschenden Mitteln hinweisen, die sich mit den Kontrollen nach Satz 1 nicht nachweisen lassen. Die Sätze 1 und 2 gelten in anderen Einrichtungen entsprechend, soweit die Kenntnis über den Konsum berauschender Mittel für eine sachgerechte medizinische Behandlung der Erkrankung notwendig ist, die zur Anordnung der Unterbringung geführt hat.

§ 11 Gestaltung der Unterbringung

Während der Unterbringung werden die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer sozialer Kontakte gefördert, soweit sie das Verantwortungsbewusstsein der untergebrachten Person für ein geordnetes Zusammenleben stärken und damit der Eingliederung dienen.

§ 12 Unterricht, Ausbildung, berufliche Eingliederung

(1) Geeigneten untergebrachten Personen soll Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer oder beruflicher Kenntnisse sowie zur Förderung in einer arbeitstherapeutischen Einrichtung oder zur Berufsausübung gegeben werden, soweit es die Besonderheiten des Maßregelvollzugs zulassen.
(2) Aus einem Zeugnis oder einer Teilnahmebescheinigung darf die Unterbringung in einer Einrichtung nicht erkennbar sein.
(3) Zur beruflichen Eingliederung kann die Ausübung eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Einrichtung gewährt werden. Die Durchführung richtet sich nach den §§ 25 bis 28.

§ 13 Behandlungsplan

Der Behandlungsplan ist innerhalb von sechs Wochen nach Beginn der Unterbringung aufzustellen. Er ist spätestens sechs Monate nach Beginn der Unterbringung und in der Folge alle sechs Monate unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erzielten Therapieerfolge und der Ergebnisse der medizinischen, heilpädagogischen, psychotherapeutischen sowie beschäftigungs- und arbeitstherapeutischen Maßnahmen zu überprüfen und anzupassen. Sobald es die im Rahmen der Unterbringung eingetretenen Therapieerfolge erlauben, ist der Eingliederung verstärktes Gewicht beizumessen.

§ 14 Arbeit, Einkünfte

(1) Für eine Tätigkeit im Rahmen der Arbeitstherapie erhält die untergebrachte Person eine Zuwendung, die vom Träger der Einrichtung festzusetzen ist. Zuwendungen können auch für die Teilnahme an Maßnahmen zur Verbesserung schulischer oder beruflicher Kenntnisse sowie an heilpädagogischer Förderung gewährt werden. Über die Höhe der Zuwendung ist die untergebrachte Person schriftlich zu unterrichten.
(2) Voraussetzungen und Höhe der Zuwendungen bestimmen sich nach den vom Träger der Einrichtung aufzustellenden Grundsätzen. Bei der Aufstellung der Grundsätze ist den besonderen Bedingungen der Unterbringung, dem Unterbringungsziel, den Arbeitsergebnissen und der Verwertbarkeit in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Eine Mindestzuwendung kann festgelegt werden. Die nach Satz 1 aufzustellenden Grundsätze und die Höhe der Mindestzuwendung bedürfen der Einwilligung der Aufsichtsbehörde. An der Entscheidung über die Verteilung der darüber hinaus für Zuwendungen zur Verfügung stehenden Mittel sind die Beschäftigten der Einrichtung und die untergebrachten Personen angemessen zu beteiligen.
(3) Ist eine untergebrachte Person beruflich tätig und erzielt hierfür Arbeitsentgelt, ist ihr davon ein angemessener Betrag zu belassen, dessen Höhe sich nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes richtet. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Geht die untergebrachte Person einer beruflichen Tätigkeit außerhalb der Einrichtung nach, kann die Einrichtung verlangen, dass ihr das Entgelt zur Gutschrift für die untergebrachte Person überwiesen wird.
(4) Die untergebrachte Person erhält, soweit sie bedürftig ist, während der Unterbringung einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (Taschengeld). Die Höhe des Taschengeldes und die Bedürftigkeit sind nach den vom Zwölften Buch Sozialgesetzbuch dafür gesetzten Maßstäben zu bemessen.
(5) Die untergebrachte Person kann über Taschengeld frei verfügen. Auch über Zuwendungen und Arbeitsentgelt kann frei verfügt werden, soweit dieses Geld nicht für Eingliederungsmaßnahmen entsprechend der Regelung in § 30 zurückgelegt wird (Überbrückungsgeld), als Beitrag zu den Unterbringungskosten dient, für einen Schadensausgleich gemäß § 39 Abs. 3 verwendet oder für andere Verpflichtungen, insbesondere Unterhaltsleistungen, in Anspruch genommen wird.

§ 15 Freizeitgestaltung

(1) Der untergebrachten Person soll bei der Gestaltung ihrer Freizeit durch Angebote zur Fortbildung sowie zu sportlicher, kultureller und gesellschaftlicher Betätigung geholfen werden.
(2) Der untergebrachten Person ist täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien zu ermöglichen.
(3) Einschränkungen der Freizeitgestaltung sind nur aus therapeutischen Gründen, aus Gründen des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung und zum Schutz der Allgemeinheit zulässig.

§ 16 Religionsausübung

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, innerhalb der Einrichtung am Gottesdienst und an Veranstaltungen von Religions- und Glaubensgemeinschaften teilzunehmen.
(2) Religions- und Glaubensgemeinschaften ist die Möglichkeit einzuräumen, innerhalb der Einrichtung Gottesdienste und religiöse Veranstaltungen abzuhalten, soweit die Besonderheiten der Einrichtung oder therapeutische Gründe nicht entgegenstehen.
(3) Die §§ 53 bis 55 und § 157 des Strafvollzugsgesetzes gelten entsprechend.

Abschnitt 3 Sicherungsmaßnahmen

§ 17 Verhaltensgrundsätze

Die untergebrachte Person soll sich so verhalten, dass das Ziel der Unterbringung auch für die anderen untergebrachten Personen nicht gefährdet und das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung nicht gestört wird. Anordnungen der Beschäftigten der Einrichtung sind zu befolgen.

§ 18 Hausordnung

(1) Das Nähere über die persönliche Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der untergebrachten Personen nach diesem Gesetz unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Einrichtung wird in einer Hausordnung bestimmt. Die Hausordnung enthält insbesondere einheitliche Grundsätze
1.
für den Besitz, den Erwerb und die Verwendung von Gegenständen,
2.
zur Sicherstellung eines angemessenen Nichtraucherschutzes sowie
3.
für den Zeitpunkt und die Dauer von Besuchen.
(2) Die Hausordnung erlässt die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung. Sie ist den untergebrachten Personen bekannt zu geben und an allgemein zugänglicher Stelle in der Einrichtung auszuhängen.

§ 19 Allgemeine Sicherungsmaßnahmen

(1) Der Umfang der der untergebrachten Person auferlegten Beschränkungen richtet sich nach dem Stand und Erfolg der therapeutischen Behandlung, wobei Gefährdungen zu berücksichtigen sind, die von der untergebrachten Person ausgehen können. Beschränkungen sind im Verlaufe der therapeutischen Behandlung regelmäßig zu überprüfen und der Entwicklung anzupassen.
(2) Eingriffe in die Rechte der untergebrachten Person sind dieser vor der Maßnahme anzukündigen. Eine schriftliche Begründung dafür hat unverzüglich zu folgen. Eingriffsmaßnahmen und deren Begründung sind in den Behandlungsakten zu dokumentieren.
(3) Die Beschäftigten der Einrichtung sind befugt, unmittelbaren Zwang anzuwenden, soweit dies im Zusammenhang mit der Unterbringung erforderlich ist. Die §§ 94 bis 101 des Strafvollzugsgesetzes finden entsprechende Anwendung. Der Gebrauch von Schusswaffen zur Ausübung unmittelbaren Zwangs ist unzulässig.
(4) Die Polizei leistet den Verwaltungsbehörden, Einrichtungen und Krankentransportunternehmen Vollzugshilfe.

§ 20 Besondere Sicherungsmaßnahmen ohne Richtervorbehalt

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind
1.
die Wegnahme von Gegenständen mit dem Ziel des Verfalls, der Einziehung oder der Vernichtung,
2.
die Beschränkung oder die Versagung des Aufenthalts im Freien,
3.
die Absonderung in einen besonderen Raum oder
4.
(aufgehoben)
5.
die Fesselung.
Die Beschränkung des Aufenthalts im Freien ist eine besondere Sicherungsmaßnahme, soweit die in § 15 Abs. 2 genannte Mindestzeit unterschritten wird.
(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur ausnahmsweise und nur dann zulässig, wenn und solange die gegenwärtige Gefahr besteht, dass
1.
die untergebrachte Person sich selbst tötet oder sich einen schwerwiegenden gesundheitlichen Schaden zufügt,
2.
die untergebrachte Person gewalttätig wird und andere Personen gefährdet oder erheblichen materiellen Schaden anzurichten droht oder
3.
die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Erlaubnis verlässt,
und wenn der Gefahr nicht anderweitig begegnet werden kann.
(3) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung zulässig, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht.
(4) Eine besondere Sicherungsmaßnahme darf nur vom verantwortlichen Arzt oder von der verantwortlichen Ärztin angeordnet werden. Sie ist zu befristen, ärztlich zu überwachen und unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Der verantwortliche Arzt oder die verantwortliche Ärztin kann für Maßnahmen nach Absatz 3 auch eine allgemeine Festlegung treffen. Anordnung und Aufhebung der besonderen Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren und der Aufsichtsbehörde wöchentlich mitzuteilen. Der Aufsichtsbehörde ist jährlich eine Auflistung der ergriffenen besonderen Sicherungsmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 vorzulegen.
(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen, die über einen Zeitraum von einer Woche hinausgehen, bedürfen der Einwilligung der Aufsichtsbehörde.

§ 20a Fixierung

(1) Eine Fesselung, durch die die Bewegungsfreiheit der untergebrachten Person vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist.
(2) Eine Fixierung ist von der verantwortlichen Ärztin oder dem verantwortlichen Arzt anzuordnen.
(3) Eine Fixierung, die die Dauer von einer halben Stunde voraussichtlich überschreiten wird, bedarf der Einwilligung des Gerichts. Einer gerichtlichen Einwilligung bedarf es nicht bei Gefahr im Verzug. In diesem Fall ist unverzüglich eine richterliche Genehmigung zu beantragen, es sei denn, es ist bereits eindeutig absehbar, dass die Entscheidung erst nach Wegfall der Gefahr nach Absatz 1 ergehen wird oder die Fixierung vor Erlangung der Entscheidung tatsächlich beendet sein wird und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
(4) Fixierungen sind in Räumlichkeiten durchzuführen, zu denen andere untergebrachte Personen keinen Zutritt haben. Sie sind ärztlich zu überwachen und unverzüglich aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Während der Durchführung der Fixierung stellen ärztlich in solche Aufgaben eingewiesene Bedienstete durch ständigen Sicht- und Sprechkontakt die Betreuung der untergebrachten Person sicher (Eins-zu-Eins-Betreuung). Sofern eine solche Betreuung aus zwingenden therapeutischen Gründen nicht geboten ist, findet § 33 Abs. 2 Anwendung. Eine ärztliche Betreuung ist jederzeit sicherzustellen.
(5) Nach Beendigung einer Fixierung ist, sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt, von der verantwortlichen Ärztin oder dem verantwortlichen Arzt eine Nachbesprechung durchzuführen. Sofern eine Fixierung ohne gerichtliche Entscheidung durchgeführt wurde, ist die untergebrachte Person auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der Fixierung nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen.
(6) Die Anordnung einer Fixierung, die maßgeblichen Gründe für die Anordnung, Entscheidungen zu ihrer Fortdauer, ihre Durchsetzung, ihre Dauer und die Art und Weise der Überwachung, einschließlich der Beteiligung der Ärztin oder des Arztes, die Nachbesprechung sowie der Hinweis nach Absatz 5 Satz 2 sind zu dokumentieren.
(7) Die Anordnung und Aufhebung von Fixierungen sind der Aufsichtsbehörde wöchentlich mitzuteilen. Der Aufsichtsbehörde ist jährlich eine Auflistung der durchgeführten Fixierungen vorzulegen.

§ 21 Disziplinarmaßnahmen

(1) Verstößt eine untergebrachte Person in vorwerfbarer Weise gegen Pflichten, die ihr durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, können gegen sie Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden. Dies gilt auch, wenn die untergebrachte Person wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstößt oder das Zusammenleben in der Einrichtung stört.
(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind:
1.
die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über Bargeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten,
2.
die Beschränkung des Hörfunk- und Fernsehempfangs im Patientenzimmer bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen,
3.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit, insbesondere von elektronischen Spielgeräten, bis zu drei Monaten,
4.
die Beschränkung der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu drei Monaten,
5.
die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
6.
der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen,
7.
die getrennte Unterbringung in einem Patientenzimmer während des gesamten Tages bis zu vier Wochen bei gleichzeitiger Gewährung der Mindestaufenthaltsdauer im Freien.
(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden. Eine Maßnahme nach Absatz 2 Nr. 6 darf nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung in Zusammenhang mit der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung steht. Eine Maßnahme nach Absatz 2 Nr. 7 darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.
(4) Maßnahmen nach Absatz 2 werden von der Leiterin oder dem Leiter der Einrichtung oder von der stellvertretenden Leiterin oder dem stellvertretenden Leiter der Einrichtung angeordnet. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden.

§ 22 Persönliche Habe, Besuchsrecht

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, ihre persönliche Kleidung zu tragen, persönliche Gegenstände in ihrem Zimmer aufzubewahren und Besuch zu empfangen. § 83 des Strafvollzugsgesetzes gilt entsprechend.
(2) Aus therapeutischen Gründen sowie Gründen der Sicherheit und des geordneten Zusammenlebens kann der Besitz von bestimmten Gegenständen untersagt oder in der Zahl oder der Nutzung beschränkt werden. Dies gilt insbesondere für gefährliche oder zur Vorbereitung einer Flucht geeignete Gegenstände. Weiterhin ist der Besitz von
1.
Ausweispapieren sowie Zeugnissen und anderen Urkunden, die im Verkehr als Ausweis verwendet werden,
2.
Kameras,
3.
Computern, insbesondere solchen mit der Möglichkeit der drahtlosen Datenübertragung, und
4.
Datenspeichergeräten jeglicher Art
nicht gestattet. In begründeten Einzelfällen sind Ausnahmen zulässig. Die Nutzung von Fernsehgeräten in den Patientenzimmern kann untersagt werden. Die Gewährung des Besitzes technischer Geräte kann von einer vorherigen Untersuchung, Versiegelung oder Unbrauchbarmachung von Anschlussmöglichkeiten für Datenspeichermedien oder von Abspielgeräten abhängig gemacht werden. Es können bestimmte Nutzungszeiten für technische Geräte festgelegt werden, wobei dies durch entsprechende zeitlich befristete Stromunterbrechungen begleitet werden kann. Der Besitz größerer Summen an Bargeld kann untersagt werden.
(3) Wird ein Siegel beschädigt, abgelöst oder unwirksam gemacht, kann die Einrichtung den weiteren Besitz des betreffenden Gegenstandes von einer auf Kosten der untergebrachten Person vorzunehmenden Nachkontrolle und Wiederversiegelung abhängig machen.
(4) Aus therapeutischen Gründen sowie Gründen der Sicherheit und des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung können Besuche überwacht, abgebrochen, eingeschränkt oder untersagt werden. Aus den in Satz 1 genannten Gründen können Besuche in der Weise gestaltet werden, dass Besuchende und untergebrachte Personen durch eine Scheibe oder eine andere die Übergabe von Gegenständen und berauschenden Mitteln verhindernde Schutzmaßnahme getrennt werden. Ein Besuch kann davon abhängig gemacht werden, dass Besuchende sich durchsuchen und die von ihnen mitgeführten Gegenstände überprüfen lassen. Besuche einer gesetzlichen Vertreterin oder eines gesetzlichen Vertreters sowie von Verteidigerinnen, Verteidigern, Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen oder Notaren in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache sind zu gewähren; auch für diesen Personenkreis gilt Satz 3.
(5) Besuche von Verteidigerinnen, Verteidigern, Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen oder Notaren dürfen nicht überwacht, von diesen mitgeführte Schriftstücke und Unterlagen dürfen nicht auf ihren Inhalt überprüft werden. Die Übergabe von Gegenständen mit Ausnahme von Schriftstücken bedarf der Prüfung und der Erlaubnis durch die Einrichtung.

§ 23 Postverkehr und Telekommunikation

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, Postsendungen abzusenden und zu empfangen, soweit sich nicht aus Absatz 2 Einschränkungen ergeben.
(2) Liegen Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Therapie, der Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens vor, kann der Schriftverkehr der untergebrachten Person überwacht und beschränkt werden. Dies gilt nicht für den Schriftverkehr mit
1.
Gerichten,
2.
Staatsanwaltschaften,
3.
Verteidigerinnen, Verteidigern, Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen oder Notaren,
4.
der Aufsichtsbehörde,
5.
Volksvertretungen des Bundes und der Länder, dem Europäischen Parlament sowie deren Mitgliedern,
6.
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
7.
dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und weiteren Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist,
8.
dem Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung,
9.
dem oder der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
10.
dem oder der Landesbeauftragten für den Datenschutz.
Bei ausländischen Staatsangehörigen ist ferner eine Überwachung und Beschränkung des Schriftverkehrs mit der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes nicht zulässig.
(3) Maßnahmen der Überwachung und der Beschränkung des Schriftverkehrs werden von der Leiterin oder dem Leiter der Einrichtung oder von der stellvertretenden Leiterin oder dem stellvertretenden Leiter der Einrichtung angeordnet. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Die anordnende Person hat im Einzelfall zu überprüfen, ob und in welchem Umfang derartige Maßnahmen geboten sind. Maßnahmen sind insbesondere geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Gefahr
1.
erheblicher gesundheitlicher Nachteile für die untergebrachte Person,
2.
für die Sicherheit,
3.
des Einschmuggelns von berauschenden Mitteln oder gefährlichen Gegenständen oder
4.
der Verabredung von Straftaten besteht.
(4) Über Maßnahmen der Überwachung und Beschränkung des Schriftverkehrs ist die untergebrachte Person zu unterrichten. Angehaltene Schreiben werden der absendenden Person unter Angabe des Grundes zurückgesandt oder, wenn dies nicht möglich oder aus Gründen des Absatzes 3 Satz 4 untunlich ist, aufbewahrt.
(5) Kenntnisse, die bei der Überwachung und Beschränkung des Schriftverkehrs gewonnen werden, sind vertraulich zu behandeln. Sie dürfen nur verwertet werden, soweit dies erforderlich ist, um die Sicherheit und Ordnung der Einrichtung zu bewahren oder Straftaten zu verhüten, zu unterbinden oder zu verfolgen oder um eine Gefährdung der Therapie zu vermeiden. Aufzeichnungen über gewonnene Erkenntnisse, die nicht verwertet werden dürfen, sind zu vernichten.
(6) Die vorstehenden Bestimmungen gelten sinngemäß für Pakete und andere Sendungen, Telefaxe, Telefongespräche und andere Möglichkeiten der Telekommunikation. Die Überwachung eines Telefongesprächs wird in der Weise vorgenommen, dass eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter der Einrichtung das Gespräch in Gegenwart der untergebrachten Person mithört. Die Einrichtung ist berechtigt, bei fremdsprachlich geführten Telefonaten oder Schriftverkehren eine allgemein beeidigte und öffentlich bestellte Dolmetscherin oder einen allgemein beeidigten und öffentlich bestellten Dolmetscher hinzuzuziehen.
(7) Der untergebrachten Person ist der Besitz und der Betrieb von Mobilfunkendgeräten und sonstigen Telekommunikationsanlagen auf dem Gelände der Einrichtung untersagt. Für den Bereich des offenen Vollzugs können die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung mit Einwilligung der Aufsichtsbehörde Ausnahmen gewähren. Die Einrichtung darf technische Maßnahmen ergreifen, die der Verhinderung und Unterdrückung von unerlaubter Telekommunikation in der Einrichtung dienen. Insbesondere darf sie technische Geräte
1.
zur Aktivierung von Mobilfunkendgeräten zum Zwecke ihres Auffindens sowie
2.
zur Störung und Unterbindung von Frequenzen, die der Herstellung unerlaubter Mobilfunkverbindungen dienen,
betreiben. Frequenznutzungen außerhalb des Geländes der Einrichtung dürfen nicht erheblich gestört werden. Die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2821, 2826), festgelegten Rahmenbedingungen sind einzuhalten.

§ 24 Durchsuchung

(1) Die untergebrachte Person, die sich in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände und die Unterbringungsräume können aus therapeutischen Gründen sowie Gründen der Sicherheit und des geordneten Zusammenlebens durchsucht und mit technischen Mitteln abgesucht werden. Kann eine Durchsuchung das Schamgefühl verletzen, so wird sie von einer Person gleichen Geschlechts vorgenommen.
(2) Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Untersuchung ist nur bei Gefahr im Verzug zulässig. Sie muss in einem geschlossenen Raum und in Gegenwart einer dritten Person gleichen Geschlechts durchgeführt werden. Andere untergebrachte Personen dürfen nicht anwesend sein. Geht die Durchsuchung über eine Nachschau am Körper hinaus, wie beispielsweise die Inspektion von nicht frei einsehbaren Körperhöhlen, darf sie nur durch eine verantwortliche Ärztin oder einen verantwortlichen Arzt vorgenommen werden.
(3) Die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung kann Durchsuchungen nach Absatz 1 anordnen. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden.

Abschnitt 4 Vollzugslockerungen, Urlaub, Entlassungsvorbereitung

§ 25 Formen des Vollzugs

(1) Personen, deren Unterbringung oder einstweilige Unterbringung angeordnet wurde, sind grundsätzlich in einer gegen Flucht ausreichend gesicherten Einrichtung unterzubringen. Die Vollzugslockerungen des Absatzes 2 gelten nicht für Personen, die nach § 126a der Strafprozessordnung einstweilig untergebracht sind oder gegen die Überhaft notiert worden ist.
(2) Unter Berücksichtigung der von der untergebrachten Person ausgehenden Gefährdung und des Behandlungsergebnisses soll die Unterbringung nach Möglichkeit gelockert und in weitgehend freien Formen durchgeführt werden, wenn dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird und nicht zu befürchten ist, dass sie die ihr eingeräumten Möglichkeiten missbrauchen wird, insbesondere sich oder die Allgemeinheit gefährdet oder sich dem Vollzug entzieht. Der untergebrachten Person können dazu Lockerungen des Vollzugs oder Urlaub gewährt werden, sie kann in den offenen Vollzug oder in Wohneinrichtungen außerhalb der Einrichtung zum Zwecke des Probewohnens verlegt werden.
(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 2 sind nur zu gewähren, wenn der Einrichtung ein zu Fahndungszwecken geeignetes aktuelles Lichtbild der untergebrachten Person vorliegt. Das Lichtbild ist spätestens mit Beendigung der Führungsaufsicht zu vernichten.
(4) Für die Überwachung von Maßnahmen nach Absatz 2 Satz 2 ist die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter zuständig. Ergibt sich der Verdacht auf einen Verstoß gegen Vorgaben, die im Zusammenhang mit der Gewährung von Maßnahmen gemacht wurden, entscheidet die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter über eine Sanktion auf diesen Verstoß. Soweit die Gewährung der Maßnahme der Einwilligung der Vollstreckungsbehörde bedurfte, ist eine Einwilligung der Vollstreckungsbehörde zu einer vorzuschlagenden Sanktion einzuholen. Ist ein Einvernehmen nicht zu erzielen, so ist nach Maßgabe der Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde zu verfahren. Bei Gefahr im Verzug darf die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter sofort handeln, sofern eine rechtzeitige Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nicht herbeigeführt werden kann.

§ 26 Lockerungen des Vollzugs

(1) Als Lockerung des Vollzugs kann insbesondere gewährt werden, dass die untergebrachte Person
1.
außerhalb der Einrichtung regelmäßig einer Beschäftigung unter Beobachtung (Außenbeschäftigung) oder ohne Beobachtung (Freigang) nachgeht oder
2.
für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Tages die Einrichtung unter Beobachtung (Ausführung) oder ohne Beobachtung (Ausgang) verlässt.
Die Beobachtung wird durch Beschäftigte der Einrichtung wahrgenommen.
(2) Ausgang kann insbesondere zur Erledigung persönlicher, familiärer, rechtlicher oder geschäftlicher Angelegenheiten, zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen oder aus anderen wichtigen Gründen gewährt werden.
(3) Über die Gewährung von Lockerungen des Vollzugs entscheidet die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Die erstmalige Gewährung von Ausgang oder Freigang bedarf der Einwilligung der Vollstreckungsbehörde.

§ 27 Offener Vollzug, Probewohnen

(1) Die untergebrachte Person soll in den offenen Vollzug eingewiesen oder verlegt werden, wenn zu erwarten ist, dass dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird, und nicht zu befürchten ist, dass sie die Möglichkeiten des offenen Vollzugs missbrauchen wird, insbesondere sich oder die Allgemeinheit gefährdet oder sich dem Vollzug entzieht.
(2) Kommt im Hinblick auf den Therapiefortschritt in absehbarer Zeit eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung in Betracht, soll die Entlassungsfähigkeit der untergebrachten Person durch eine Zeit des Probewohnens außerhalb der Einrichtung weiter überprüft werden. Das Probewohnen soll in einem Bereich erfolgen, der für die untergebrachte Person auch nach einer Entlassung in Betracht kommen könnte. Das Probewohnen soll in der Regel einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(3) Die Gewährung offenen Vollzugs oder des Probewohnens bedarf der Einwilligung der untergebrachten Person und der Vollstreckungsbehörde.

§ 28 Urlaub

(1) Der untergebrachten Person kann Urlaub bis zur Dauer von zwei Wochen in einem Kalenderjahr durch die Leiterin oder den Leiter der Einrichtung oder durch die stellvertretende Leiterin oder den stellvertretenden Leiter der Einrichtung gewährt werden, insbesondere, wenn der Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse der untergebrachten Person dies rechtfertigen und zu erwarten ist, dass dadurch das Behandlungsziel gefördert wird und ein Missbrauch des Urlaubs nicht zu befürchten ist. Die in Satz 1 genannte Zuständigkeit darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Der Urlaub kann auf bis zu vier Wochen je Kalenderjahr verlängert werden, wenn dies aus den in Satz 1 genannten Gründen angezeigt ist.
(2) Die Gewährung des Urlaubs kann mit Vorgaben verbunden werden, soweit dies im Hinblick auf das Behandlungsziel und zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Der untergebrachten Person können insbesondere die Vorgaben erteilt werden,
1.
ärztliche Anweisungen zu befolgen,
2.
sich einer Behandlung zu unterziehen,
3.
sich der Beobachtung einer bestimmten Stelle oder Person zu unterstellen,
4.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthalt oder ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Einrichtung beziehen,
5.
in bestimmten Abständen für kurze Zeit in die Einrichtung zurückzukehren.
(3) Für die Gewährung von Urlaub und dessen Verlängerung gilt § 26 Abs. 3 entsprechend.
(4) Der Urlaub kann jederzeit widerrufen werden, wenn Vorgaben nicht oder nicht vollständig erfüllt werden, der Gesundheitszustand der beurlaubten Person sich wesentlich verschlechtert hat oder ein Missbrauch des Urlaubs zu befürchten ist.
(5) Während des Urlaubs hat die untergebrachte Person nur Anspruch auf Behandlung und Pflege durch die für sie zuständige Einrichtung oder eine andere geeignete Einrichtung, die die Behandlung im Einvernehmen mit der zuständigen Einrichtung übernommen hat. Kosten, die mit der Erfüllung einer Vorgabe in Zusammenhang stehen, werden nur übernommen, soweit keine Ansprüche gegen einen Sozialleistungsträger bestehen.

§ 29 Entlassungsvorbereitungen

Wenn abzusehen ist, dass die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wird, oder wenn die Entlassung einer untergebrachten Person bevorsteht, ist die untergebrachte Person in Zusammenarbeit mit dem Träger der Sozialhilfe, dem sozialpsychiatrischen Dienst, der Führungsaufsichtsstelle, dem Sozialen Dienst der Justiz und, soweit vorhanden, einer forensischen Ambulanz sowie bei einem entsprechenden Alter der zu entlassenden Person mit Einrichtungen der Jugendhilfe und der Jugendgerichtshilfe auf das Leben außerhalb der Einrichtung vorzubereiten. Dazu sollen auch weitgehende Lockerungen, insbesondere offener Vollzug oder Probewohnen, gewährt werden.

§ 30 Überbrückungsgeld

(1) Zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes nach der Entlassung soll von den Zuwendungen, Arbeitsentgelten und sonstigen Einkünften der untergebrachten Person ein Betrag zurückgelegt werden, der zu ihrer Eingliederung bestimmt ist (Überbrückungsgeld). § 51 des Strafvollzugsgesetzes gilt entsprechend.
(2) Die Einrichtung hat das Überbrückungsgeld entsprechend § 1807 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches für die Zeit der Unterbringung verzinslich anzulegen. Für die Zinshöhe gilt im Mindestmaß der Zinssatz für Sparguthaben mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten.

§ 31 Nachsorgende Hilfen, forensische Ambulanz

(1) Nachsorgende Hilfen sollen in enger Zusammenarbeit zwischen der Einrichtung und forensischen Ambulanzen, sozialpsychiatrischen Diensten, dem Träger der Sozialhilfe, dem Sozialen Dienst der Justiz und der Führungsaufsicht so umfassend und rechtzeitig eingeleitet und vorbereitet werden, dass eine weiterhin erforderliche ambulante Betreuung der aus der Unterbringung entlassenen Person gesichert ist. Die Nachsorge soll auch dazu beitragen, dass von der aus der Unterbringung entlassenen Person in der Einrichtung begonnene Maßnahmen zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer oder beruflicher Kenntnisse sowie zur Förderung in einer arbeitstherapeutischen Einrichtung oder zur Berufsausübung fortgesetzt werden und abgeschlossen werden können.
(2) Bei den nachsorgenden Hilfen ist ein besonderes Gewicht auf die Beratung der aus der Unterbringung entlassenen Person über die erforderliche gesunde Lebensführung und die Einhaltung etwaiger Vorgaben zu legen. Über mögliche Konsequenzen einer Nichtbeachtung von Bewährungsauflagen und Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht ist zu informieren. Die Wahrnehmung von Angeboten forensischer Ambulanzen oder damit zusammenarbeitender Institutsambulanzen soll empfohlen werden, wenn dies nach Einschätzung der Einrichtung der weiteren Stabilisierung und Eingliederung dient. Es soll auch auf die mögliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen hingewiesen werden. Alle nachsorgenden Hilfen sind auf das Ziel der Eingliederung in die Gemeinschaft auszurichten.
(3) Mit dem Antrag auf Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung soll der Leiter oder die Leiterin der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung dem Vollstreckungsgericht und der Vollstreckungsbehörde auf die jeweilige untergebrachte Person zugeschnittene Vorschläge für Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht unterbreiten. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Die Vorschläge sollen zuvor mit der für die Nachbetreuung der untergebrachten Person vorgesehenen forensischen Ambulanz abgestimmt werden. Forensische Ambulanzen sollen gemeinsam mit dem Vollstreckungsgericht, der Vollstreckungsbehörde, der Führungsaufsicht und dem Sozialen Dienst der Justiz die Einhaltung der Weisungen überwachen. Dafür sollen ergänzend auch individuelle Netzwerke genutzt werden, die nicht nur der Förderung der Integration dienen, sondern auch helfen sollen, Krisensituationen rechtzeitig zu erkennen.
(4) Das für Maßregelvollzug zuständige Ministerium kann andere Träger mit deren Einwilligung mit dem Betrieb forensischer Ambulanzen im Sinne des § 68a Abs. 7 des Strafgesetzbuches widerruflich beauftragen.

Abschnitt 5 Datenverarbeitung

§ 32 Grundsätze

(1) Über die in der therapeutischen Behandlung gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen sind die erforderlichen Aufzeichnungen in der für jede untergebrachte Person zu führenden Behandlungsakte, einschließlich von Angaben zur Herkunft von bei Dritten erhobenen Daten, vorzunehmen. Die Einrichtung darf dazu Daten über die untergebrachte Person verarbeiten, soweit dies im Zusammenhang mit dem Vollzug der Unterbringung, zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben oder zur Verhinderung weiterer rechtswidriger Taten erforderlich ist. Zu den Daten gehören insbesondere
1.
die der Identifizierung dienenden Angaben (Familienname, Vornamen, Geschlecht, Geburtstag und -ort sowie Geburtsland, Anschrift, Staatsangehörigkeit) einschließlich aktueller Lichtbilder und Messungen hinsichtlich Körpergröße und Gewicht,
2.
Angaben zu Untersuchungsergebnissen, Diagnosen und Behandlungsmaßnahmen,
3.
Angaben über gerichtliche Verfahren sowie über Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse,
4.
Namen und Anschriften von Ärztinnen und Ärzten und sonstigen Personen oder Stellen, die die untergebrachte Person behandeln oder betreuen,
5.
der Lebenslauf der untergebrachten Person mit Angaben zu ihrer bisherigen Entwicklung,
6.
gerichtliche Entscheidungen, die mit der Unterbringung in Zusammenhang stehen, sowie psychiatrische und psychologische Gutachten,
7.
Angaben über gegenwärtige und frühere Krankheiten, Körperschäden und Verhaltensauffälligkeiten.
Die Daten dürfen auch bei Dritten erhoben werden, soweit diese zur Identifizierung der untergebrachten Person, zur Beurteilung des Gesundheitszustands oder zur Eingliederung erforderlich sind und soweit eine Erhebung bei der untergebrachten Person nicht möglich ist.
(2) Soweit im Zusammenhang mit dem Vollzug der Unterbringung, zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben oder zur Verhinderung weiterer rechtswidriger Taten erforderlich, darf die Einrichtung
1.
Daten über Verwandte, über Personen aus dem beruflichen und sozialen Umfeld der untergebrachten Person sowie über Geschädigte,
2.
Namen und Anschriften von Besuchenden, einschließlich eventueller Erkenntnisse über Verwandtschafts- oder Beziehungsverhältnisse zur untergebrachten Person,
verarbeiten. Die über die Daten für eine Kontaktaufnahme hinausgehenden personenbezogenen Daten sind bei den betroffenen Personen zu erheben. Die nach den Sätzen 1 und 2 erhobenen Daten sind in einem gesonderten Teil der Behandlungsakte zu führen.
(3) Die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung hat der von der Datenverarbeitung nach den Absätzen 1 und 2 betroffenen Person auf Antrag das Auskunftsrecht zu gewähren. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Soweit und solange durch die Einsicht in bestimmte Abschnitte der Behandlungsakte Selbstverletzungs- oder Selbsttötungshandlungen der untergebrachten Person oder eine Gefährdung Dritter zu befürchten sind, kann die Einsicht in die entsprechenden Abschnitte versagt werden. Solche Abschnitte sind für die Einsichtnahme aus der Behandlungsakte herauszunehmen oder, falls eine Herausnahme auch andere nicht gefährdende Abschnitte betreffen würde, in geeigneter Form unkenntlich zu machen. Dies gilt auch für die Auskunftserteilung über gespeicherte Daten.

§ 33 Optisch-elektronische Beobachtung und Verarbeitung von Bildaufzeichnungen

(1) Der Einsatz technischer Mittel zur optisch-elektronischen Beobachtung und die Anfertigung von Bildaufzeichnungen ist außerhalb von besonderen Räumen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie von Wohn- und Schlafräumen zulässig, soweit dies
1.
zum Schutz vor Ausbrüchen und sonstigen Fluchthandlungen,
2.
zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3.
zum Schutz des Eigentums oder des Besitzes des Trägers der Einrichtung
erforderlich ist. Die Bildaufzeichnungen sind spätestens zwei Werktage nach ihrer Anfertigung zu löschen oder zu vernichten, soweit sie nicht für die Aufklärung einer Flucht oder einer Straftat oder für die Klärung der Frage nach einer Beteiligung einer untergebrachten Person an Verstößen gegen das Hausrecht sowie an Eigentums- oder Besitzverletzungen erforderlich sind; in diesen Fällen sind die entsprechenden Bildaufzeichnungen der betreffenden untergebrachten Person zuzuordnen. Für Bildaufzeichnungen, die einer untergebrachten Person zugeordnet wurden, gelten für die Verarbeitung die §§ 32 und 34 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4, Abs. 2 sowie die §§ 35 bis 38 entsprechend.
(2) In besonderen Räumen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie in Wohn- und Schlafräumen ist der Einsatz technischer Mittel zur optisch-elektronischen Beobachtung bei einer Fixierung oder bei konkreten Anhaltspunkten der unmittelbaren Gefahr einer Selbsttötung oder einer erheblichen Selbstverletzung zulässig, wenn eine Beobachtung der untergebrachten Person nicht anders sichergestellt werden kann. Eine Anfertigung von Bildaufzeichnungen ist im Einzelfall zulässig, soweit der Gefahr nicht anders begegnet werden kann; Absatz 1 Satz 2 und 3 findet entsprechende Anwendung.
(3) Der Einsatz technischer Mittel zur optisch-elektronischen Beobachtung und die Anfertigung von Bildaufzeichnungen erfolgt durch schriftlich begründete Anordnung der Leiterin oder des Leiters der Einrichtung oder der stellvertretenden Leiterin oder des stellvertretenden Leiters der Einrichtung. Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden.
(4) Der Einsatz technischer Mittel zur optisch-elektronischen Beobachtung und die Anfertigung von Bildaufzeichnungen kann auch erfolgen, wenn Personen unvermeidlich betroffen werden, hinsichtlich derer die Voraussetzungen des Einsatzes nicht vorliegen.

§ 34 Datenverwendung

(1) Die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung darf personenbezogene Daten verwenden, soweit dies erforderlich ist für
1.
den Vollzug der Unterbringung,
2.
die Fortsetzung oder Wiederaufnahme einer Behandlung,
3.
die Anfertigung von Gutachten, auch für Verfahren über eine rechtliche Betreuung der untergebrachten Person,
4.
die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, zur Geltendmachung von Ansprüchen der Einrichtung oder zur Abwehr von Ansprüchen, die gegen die Einrichtung oder gegen die Beschäftigten der Einrichtung gerichtet sind,
5.
die Auswertung der Tätigkeit der Einrichtung zu organisatorischen oder statistischen Zwecken,
6.
die Überprüfung der Tätigkeit der Beschäftigten der Einrichtung oder
7.
die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten der Einrichtung.
Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Die Verwendung von Daten für den in Satz 1 Nr. 5 genannten Zweck ist nur nach einer Anonymisierung zulässig.
(2) Die Beschäftigten der Einrichtung dürfen personenbezogene Daten nur verwenden und anderen Beschäftigten der Einrichtung bereitstellen, soweit dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Sind mit den benötigten Daten andere personenbezogene Daten derart verbunden, dass sie nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand getrennt werden können, dürfen auch die anderen Daten verwendet und anderen Beschäftigten der Einrichtung bereitgestellt werden, soweit nicht berechtigte Interessen der untergebrachten Person oder Dritter an der Geheimhaltung offensichtlich überwiegen.

§ 35 Datenübermittlung

(1) Die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder die stellvertretende Leiterin oder der stellvertretende Leiter der Einrichtung darf personenbezogene Daten, die nach den §§ 32 und 33 verarbeitet wurden, an Dritte übermitteln, soweit dies erforderlich ist
1.
zur Unterrichtung der Vollstreckungsbehörde, des Vollstreckungsgerichts, der Führungsaufsicht, des Sozialen Dienstes der Justiz oder der für eine Weiterbetreuung vorgesehenen forensischen Ambulanz,
2.
zur Weiterbehandlung der untergebrachten Person durch eine Einrichtung, in die sie verlegt worden ist oder verlegt werden soll,
3.
zur Beantwortung einer von der untergebrachten Person erhobenen Petition oder sonstiger Beschwerden,
4.
für die Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens über eine rechtliche Betreuung der untergebrachten Person,
5.
für die Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
6.
zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten,
7.
für die Festnahme einer entflohenen oder nicht zurückgekehrten untergebrachten Person,
8.
zur Geltendmachung von Ansprüchen der Einrichtung,
9.
zur Abwehr von Ansprüchen, die gegen die Einrichtung oder ihre Beschäftigten gerichtet sind,
10.
zur Abwehr erheblicher Nachteile für die untergebrachte Person,
11.
zur Vorbereitung der Nachsorge für die untergebrachte Person durch eine forensische Ambulanz im Sinne von § 68a Abs. 7 des Strafgesetzbuches,
12.
zur Sicherstellung einer sachgerechten Nachsorge nach der Entlassung oder
13.
zur Unterrichtung des Landeskriminalamtes über Beginn, Unterbrechung und Beendigung des Maßregelvollzugs.
Die in Satz 1 genannte Befugnis darf durch Dienstanweisung, die der Einwilligung der Aufsichtsbehörde bedarf, auch auf Beschäftigte der Einrichtung übertragen werden. Dritte dürfen die übermittelten Daten nur für die Zwecke verarbeiten, zu denen sie ihnen übermittelt wurden.
(2) Flüchtet eine untergebrachte Person oder hält sie sich ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung auf, können die diese Person betreffenden personenbezogenen Daten und Unterlagen, insbesondere deren Lichtbild, die nach § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 erhobenen Besuchsdaten sowie alle weiteren für ein Wiederaufgreifen und eine Identifizierung der Person erforderlichen Daten und Erkenntnisse, der Strafvollstreckungsbehörde und der Polizei zur Fahndung und zur Identifizierung übermittelt werden.
(3) Die in § 203 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 5 des Strafgesetzbuches genannten Beschäftigten der Einrichtung sind befugt, Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des durch § 203 des Strafgesetzbuches geschützten Verhältnisses anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, gegenüber einer forensischen Ambulanz zu offenbaren, soweit dies notwendig ist, um der untergebrachten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden.

§ 36 Datenübermittlung zu archivarischen, wissenschaftlichen und statistischen Zwecken

Für die Übermittlung von Daten, die zu archivarischen, wissenschaftlichen und statistischen Zwecken verarbeitet werden sollen, gilt § 6 des Datenschutzrichtlinienumsetzungsgesetzes Sachsen-Anhalt. Sollen in diesem Zusammenhang Gesundheitsdaten im Sinne von § 2 Nr. 17 des Datenschutzrichtlinienumsetzungsgesetzes Sachsen-Anhalt übermittelt werden, gilt für diese § 4 des Datenschutzrichtlinienumsetzungsgesetzes Sachsen-Anhalt.

§ 37 Datenlöschung

Die unter dem Namen der untergebrachten Person vorhandenen personenbezogenen Daten sind von der Einrichtung spätestens zehn Jahre nach Vollzugsende zu löschen oder zu vernichten.

§ 38 Ergänzende Geltung von Gesetzen

Für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zum Zwecke des Maßregelvollzugs gilt im Übrigen das Datenschutzrichtlinienumsetzungsgesetz Sachsen-Anhalt.

Abschnitt 6 Kosten

§ 39 Kosten der Unterbringung

(1) Die Kosten der Maßnahmen nach diesem Gesetz trägt das Land, soweit nicht ein Sozialleistungsträger oder die untergebrachte Person zu den Kosten beizutragen haben.
(2) Hinsichtlich der Pflicht der untergebrachten Person, zu den Kosten beizutragen, gilt § 138 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend. Die Bildung eines angemessenen Überbrückungsgeldes darf dadurch nicht beeinträchtigt werden.
(3) Soweit die untergebrachte Person in vorwerfbarer Weise Schäden verursacht, hat sie die Kosten der Schadensbeseitigung zu tragen. Der Träger der Einrichtung ist berechtigt, die entstandenen Kosten der Schadensbeseitigung gegenüber dem Anspruch der untergebrachten Person auf eine Zuwendung, ein Einkommen oder auf Taschengeld aufzurechnen. Dabei ist der untergebrachten Person ein Mindestbetrag von 30 Euro monatlich zu belassen.
(4) Der Träger der Einrichtung ist für die Erhebung von Kosten zuständig. Dies gilt auch für Kosten gemäß § 19 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Für die Geltendmachung von Ansprüchen gilt ergänzend das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt.

§ 40 Ersatz von Aufwendungen

(1) Aufwendungen der Einrichtung, die eine untergebrachte Person durch Flucht, Selbstverletzung, Verletzung anderer untergebrachter Personen oder von Beschäftigten der Einrichtung oder durch eine Sachbeschädigung verursacht, hat diese zu ersetzen, soweit sie dies zu vertreten hat. § 39 Abs. 3 gilt entsprechend.
(2) Die Forderung darf nur so durchgesetzt werden, dass Behandlung und Eingliederung der untergebrachten Person nicht behindert werden.

Abschnitt 7 Rechtsbehelfe

§ 41 Verwaltungsvorverfahren

(1) Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 Abs. 1 und 2 des Strafvollzugsgesetzes kann erst nach vorausgegangenem Verwaltungsvorverfahren gestellt werden.
(2) Für die Einleitung eines Verwaltungsvorverfahrens ist eine schriftliche Beschwerde an die Leiterin oder den Leiter der Einrichtung erforderlich. Mit der Beschwerde muss eine Maßnahme angefochten werden oder die Ablehnung einer beantragten Maßnahme oder die Unterlassung einer erforderlichen Maßnahme beanstandet werden.
(3) Die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung prüft die Beschwerde, die Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, ihrer Ablehnung oder ihrer Unterlassung und erteilt einen Beschwerdebescheid. Die Antragsfrist gemäß § 112 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes beginnt mit dem Zugang des Ablehnungsbescheides. Auf die Möglichkeit eines Verfahrens nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes ist im Ablehnungsbescheid ebenso wie auf die Frist nach § 112 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes hinzuweisen.
(4) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen und ist der untergebrachten Person nach Ablauf eines Monats nach Einreichung der Beschwerde ein Beschwerdebescheid nicht zugegangen, kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden.
(5) Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

Abschnitt 8 Schlussvorschriften

§ 42 Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung

Der Ausschuss gemäß § 37 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Personen mit einer psychischen Erkrankung des Landes Sachsen-Anhalt nimmt die ihm obliegenden Aufgaben auch für die im Maßregelvollzug untergebrachten Personen wahr. § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8, § 37 Abs. 3 bis 6 und § 38 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Personen mit einer psychischen Erkrankung des Landes Sachsen-Anhalt gelten sinngemäß.

§ 43 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die folgenden Grundrechte eingeschränkt:
1.
das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 5 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt),
2.
das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 5 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt),
3.
das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 14 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt) und
4.
das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 6 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt).

§ 44 Übergangsvorschrift

(1) Für vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gewährte Maßnahmen der Lockerung des Vollzugs, des offenen Vollzugs sowie für gewährten Urlaub finden die Regelungen des Maßregelvollzugsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 9. Oktober 1992 (GVBl. LSA S. 736) bis zur Beendigung der jeweiligen Maßnahme weiterhin Anwendung.
(2) Für Beschwerden nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eingelegt wurden, bedarf es keines Verwaltungsvorverfahrens nach § 41.

§ 45 Folgeänderung

Änderungsanweisung zum Untersuchungshaftvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt vom 22. März 2010 (GVBl. LSA S. 157)

§ 46 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Maßregelvollzugsgesetz für das Land Sachsen-Anhalt vom 9. Oktober 1992 (GVBl. LSA S. 736) außer Kraft.
Magdeburg, den 21. Oktober 2010.
Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Der Minister für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt
Steinecke Prof. Dr. Böhmer Bischoff
Markierungen
Leseansicht