HebBVO
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Landesverordnung über die Berufspflichten der Hebammen (Hebammenberufsverordnung - HebBVO) Vom 26. November 2020

Landesverordnung über die Berufspflichten der Hebammen (Hebammenberufsverordnung - HebBVO) Vom 26. November 2020
Zum 09.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Landesverordnung über die Berufspflichten der Hebammen (Hebammenberufsverordnung - HebBVO) vom 26. November 202001.01.2021
Eingangsformel01.01.2021
§ 1 - Geltungsbereich01.01.2021
§ 2 - Aufgaben01.01.2021
§ 3 - Zusammenwirken mit Ärztinnen und Ärzten01.01.2021
§ 4 - Anwendung von Arzneimitteln01.01.2021
§ 5 - Schweigepflicht01.01.2021
§ 6 - Dokumentationspflicht01.01.2021
§ 7 - Fortbildung01.01.2021
§ 8 - Besondere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit01.01.2021
§ 9 - Verletzung von Berufspflichten01.01.2021
§ 10 - Inkrafttreten und Außerkrafttreten01.01.2021
Aufgrund des § 1 Absatz 3 des Gesetzes über die Berufsausübung in Gesundheitsfachberufen vom 5. März 1991 (GVOBl. Schl.-H. S. 129), zuletzt geändert durch Artikel 37 des Gesetzes vom 2. Mai 2018 (GVOBl. Schl.-H. S. 162), Ressortbezeichnungen zuletzt ersetzt durch Artikel 21 der Verordnung vom 16. Januar 2019 (GVOBl. Schl.-H. S. 30), verordnet das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren:

§ 1 Geltungsbereich

Diese Verordnung gilt für alle Hebammen im Sinne des § 3 des Hebammengesetzes vom 22. November 2019 (BGBl. I S. 1759), die im Land Schleswig-Holstein ihren Beruf ausüben. Sie gilt auch für Hebammen, die in Schleswig-Holstein im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs nach dem Recht der Europäischen Union als Dienstleistungserbringerinnen und Dienstleistungserbringer tätig sind.

§ 2 Aufgaben

(1) Hebammen sind verpflichtet, ihren Beruf entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse gewissenhaft auszuüben.
(2) Hebammen beraten, betreuen und beobachten Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt, während des Wochenbettes und der Stillzeit selbständig und umfassend. In besonderen Fällen nehmen sie diese Aufgaben bis zu einem Jahr nach der Geburt wahr. Hebammen leiten physiologische Geburten selbständig und untersuchen, pflegen und überwachen Neugeborene und Säuglinge.
(3) Hebammen führen folgende Aufgaben selbständig durch:
1.
eine Schwangerschaft feststellen,
2.
die physiologisch verlaufende Schwangerschaft mittels der hierfür erforderlichen Untersuchungen beobachten und überwachen und in diesem Rahmen Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden leisten,
3.
Frauen und Familien auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vorbereiten sowie zur Ernährung, Pflege, Hygiene und Versorgung des Neugeborenen und des Säuglings anleiten und beraten,
4.
belastende Lebenssituationen und psychosoziale Problemlagen bei Frauen und deren Familien erkennen und gegebenenfalls auf erforderliche Maßnahmen zur Unterstützung hinwirken,
5.
über die Untersuchungen aufklären, die für eine möglichst frühzeitige Feststellung von Risikoschwangerschaften oder Regelwidrigkeiten und Komplikationen in der Schwangerschaft erforderlich sind,
6.
Anzeichen von Regelwidrigkeiten, die eine ärztliche Behandlung erforderlich machen, in der Schwangerschaft, bei der Geburt, während des Wochenbettes und während der Stillzeit erkennen und die im jeweiligen Fall angemessenen Maßnahmen für eine ärztliche Behandlung ergreifen,
7.
Frauen und Familien bei Totgeburten und Fehlgeburten sowie bei Abbrüchen von Schwangerschaften nach der zwölften Schwangerschaftswoche betreuen und begleiten,
8.
während der Geburt Frauen betreuen und das ungeborene Kind mit Hilfe geeigneter klinischer und technischer Mittel überwachen,
9.
physiologisch verlaufende Geburten bei Schädellage durchführen,
10.
im Dringlichkeitsfall Steißgeburten durchführen,
11.
erforderlichenfalls Dammschnitte durchführen und unkomplizierte Risse oder Dammschnitte nähen,
12.
die Frau und das Neugeborene fachgerecht in die ärztliche Regelversorgung zur Weiterbehandlung übergeben,
13.
Hilfe bei ärztlichen Maßnahmen unter Fortsetzung der Hebammenhilfe leisten,
14.
im Notfall und bei Abwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes die medizinisch erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die manuelle Ablösung der Plazenta, an die sich gegebenenfalls eine manuelle Nachuntersuchung der Gebärmutter anschließt, einleiten und durchführen,
15.
im Notfall Wiederbelebungsmaßnahmen bei der Frau und dem Neugeborenen durchführen,
16.
das Neugeborene und die Frau nach der Geburt, im Wochenbett und in besonders belastenden Lebenssituationen bis zu einem Jahr nach der Geburt untersuchen, beraten, pflegen und deren körperlichen und seelischen Gesundheitszustand überwachen,
17.
über Fragen der Familienplanung aufklären und beraten,
18.
die angewendeten Maßnahmen, den Schwangerschaftsverlauf, die Geburt und das Wochenbett dokumentieren,
19.
Bescheinigungen im Rahmen der Berufsausübung ausstellen.
(4) Hebammen führen ärztlich angeordnete Maßnahmen eigenständig durch, insbesondere Maßnahmen der Erstversorgung von Frau und Neugeborenem nach geburtshilflichen Eingriffen und Operationen.

§ 3 Zusammenwirken mit Ärztinnen und Ärzten

(1) Bei Regelwidrigkeiten oder Verdacht auf Regelwidrigkeiten haben Hebammen die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen.
(2) Wird die notwendige Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes von der Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerin oder Mutter abgelehnt, sind Hebammen verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass eine Ärztin oder ein Arzt hinzugezogen wird oder eine Einweisung in eine Klinik erfolgt. Wird die notwendige Hinzuziehung weiterhin abgelehnt, hat sich die Hebamme dies schriftlich bestätigen zu lassen. Sofern dies nicht möglich ist, hat sie dies ihrerseits zu dokumentieren.
(3) Übernimmt eine Ärztin oder ein Arzt die Behandlung im Falle einer Regelwidrigkeit, ist sie oder er gegenüber der Hebamme weisungsbefugt.
(4) Verlangt eine Ärztin oder ein Arzt von der Hebamme eine geburtshilfliche Handlung, die dieser Verordnung oder den anerkannten Regeln der Geburtshilfe widerspricht, hat die Hebamme die Ärztin oder den Arzt darauf hinzuweisen und dies zu dokumentieren. Hebammen können in diesem Fall die Ausführung verweigern.

§ 4 Anwendung von Arzneimitteln

Hebammen dürfen folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel, die gemäß Anlage 1 zu § 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 5 Arzneimittelverschreibungsverordnung vom 21. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3632), zuletzt geändert durch Artikel 37 der Verordnung vom 14. Februar 2020 (BGBl. I S. 234), für die ordnungsgemäße Berufsausübung von der Verschreibungspflicht ausgenommen sind, ohne ärztliche Verordnung anwenden und über Apotheken beziehen:
1.
krampflösende oder schmerzstillende Arzneimittel, die für die Geburtshilfe angezeigt sind, bei gegebener Indikation in der Eröffnungsperiode,
2.
wehenhemmende Arzneimittel während der Geburt bei gegebener Indikation zur Überbrückung einer Notfallsituation,
3.
wehenfördernde, blutungsstillende Arzneimittel oder eine Kombination der Wirkstoffe aus diesen beiden Arzneimittelgruppen bei bedrohlichen Blutungen in der Nachgeburtsperiode, falls eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig hinzugezogen werden kann oder die rechtzeitige Behandlung in einem Krankenhaus nicht möglich ist,
4.
ein Lokalanästhetikum im Falle einer Dammnaht.

§ 5 Schweigepflicht

Hebammen haben über die ihnen im Rahmen der Berufsausübung anvertrauten oder sonst bekanntgewordenen Tatsachen zu schweigen (§ 203 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1648)), soweit sie nicht zur Offenbarung befugt sind. Das gilt auch gegenüber Ärztinnen und Ärzten, Angehörigen anderer Gesundheitsberufe sowie Hebammen, die nicht bei der Behandlung oder Betreuung mitwirken oder mitgewirkt haben. Hebammen sind zur Offenbarung befugt, soweit sie von der Schweigepflicht entbunden worden sind oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist. Gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten bleiben unberührt.

§ 6 Dokumentationspflicht

(1) Hebammen haben die in Ausübung ihres Berufes getroffenen Feststellungen und Maßnahmen sowie die Anwendung von Arzneimitteln schriftlich oder elektronisch zu dokumentieren. Die Dokumentation ist so abzufassen, dass die gesamte Tätigkeit während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes sowie die Versorgung des Neugeborenen nachvollziehbar ist. Gleiches gilt für die in dieser Verordnung gesondert benannten Handlungen und Vorkommnisse, die zu dokumentieren sind.
(2) Die Dokumentation ist unter Verschluss mindestens zehn Jahre aufzubewahren oder zu speichern, sofern nicht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine längere Aufbewahrungspflicht besteht.
(3) Hebammen haben ihre Dokumentation auch nach dem Ende ihrer beruflichen Tätigkeit entsprechend den Anforderungen des Absatzes 2 aufzubewahren oder dafür Sorge zu tragen, dass sie in gehörige Obhut gegeben wird. Bei Aufgabe oder Übergabe ihrer Praxis dürfen sie ihre Dokumentation nur mit schriftlicher Einwilligung der betroffenen Frauen und der Neugeborenen oder deren vertretungsberechtigten Sorgeberechtigten an die Praxisnachfolgerin oder den Praxisnachfolger übergeben. Die Einwilligung muss schriftlich oder in elektronischer Form erfolgen.
(4) Dokumentationen auf elektronischen Datenträgern oder anderen Speichermedien bedürfen besonderer Sicherungs- und Schutzmaßnahmen, um deren Veränderung, Vernichtung oder unrechtmäßige Verwendung zu verhindern.

§ 7 Fortbildung

(1) Hebammen sind verpflichtet, sich über die für ihre Berufsausübung geltenden Vorschriften zu unterrichten und sich regelmäßig beruflich fortzubilden.
(2) Geeignet für die Fortbildung sind insbesondere die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen der Hebammenschulen, der für die Hebammenwissenschaft zuständigen Fachbereiche der Hochschulen oder der Hebammenverbände, an Qualitätszirkeln und Fallkonferenzen, an Kongressen und Tagungen sowie das Studium der Fachliteratur.

§ 8 Besondere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit

(1) Freiberuflich tätige Hebammen sind verpflichtet,
1.
Arzneimittel nach § 4 verfügbar zu halten,
2.
den Kreis oder die kreisfreie Stadt unverzüglich zu benachrichtigen, wenn eine von ihnen betreute Schwangere, Gebärende oder Wöchnerin aus Gründen der Schwangerschaft, bei der Geburt oder im Wochenbett verstorben ist; eine solche Benachrichtigung hat auch im Falle einer Totgeburt oder des Todes eines Neugeborenen zu erfolgen; unberührt bleiben sonstige Melde- und Anzeigepflichten, insbesondere die Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz, die Anzeigepflichten nach dem Personenstandsgesetz und die Pflicht zur Sicherung der Beratung von Menschen mit Behinderung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch,
3.
sicherzustellen, dass die Dokumentation nach § 6 Absatz 1 bei endgültiger Aufgabe ihrer Berufstätigkeit oder im Falle ihres Todes verschlossen dem Kreis oder der kreisfreien Stadt übergeben wird,
4.
sich an Perinatalerhebungen im Rahmen von landes- und bundesweiten Qualitätssicherungsmaßnahmen zu beteiligen,
5.
ihre Tätigkeit dem Kreis oder der kreisfreien Stadt nach § 12 Absatz 1 des Gesundheitsdienst-Gesetzes vom 14. Dezember 2001 (GVOBl. Schl.-H. S. 398), zuletzt geändert durch Artikel 31 des Gesetzes vom 2. Mai 2018 (GVOBl. Schl.-H. S. 162), zu melden,
6.
dem Kreis oder der kreisfreien Stadt die gemäß § 15 Gesundheitsdienst-Gesetz vom 14. Dezember 2001 (GVOBl. Schl.-H. S. 398), zuletzt geändert durch Artikel 31 des Gesetzes vom 2. Mai 2018 (GVOBl. Schl.-H. S. 162), notwendigen Auskünfte zu erteilen und, soweit dies erforderlich ist, Einblick in ihre Dokumentation zu gewähren,
7.
dem Kreis oder der kreisfreien Stadt auf deren Verlangen Fortbildungen in geeigneter Form nachzuweisen,
8.
sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche aus der beruflichen Tätigkeit zu versichern,
9.
ihre Praxis durch ein Schild zu kennzeichnen, aus dem sich Name, Berufsbezeichnung und Erreichbarkeit ergeben,
10.
nicht in einer Weise zu werben, die geeignet ist, dem Ansehen des Berufsstandes in der Öffentlichkeit zu schaden.
(2) Freiberuflich tätige Hebammen sollen sich gegenseitig vertreten.

§ 9 Verletzung von Berufspflichten

(1) Stellt der Kreis oder die kreisfreie Stadt fest, dass eine Hebamme eine Berufspflicht verletzt hat, kann er oder sie die Hebamme schriftlich über die Berufspflichten belehren. Bei wiederholten oder schwerwiegenden Verstößen unterrichtet der Kreis oder die kreisfreie Stadt schriftlich das Landesamt für soziale Dienste.
(2) Der Hebamme ist eine Abschrift der Unterrichtung nach Absatz 1 Satz 2 zu übersenden.

§ 10 Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2021 in Kraft.
Die vorstehende Verordnung wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Kiel, 26. November 2020
Dr. Heiner Garg
Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren
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