PsychHG
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Gesetz zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen (PsychHG) Vom 11. Dezember 2020

Gesetz zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen (PsychHG) Vom 11. Dezember 2020
Zum 09.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: Berichtigung (GVOBl. 2021, S. 310)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen (PsychHG) vom 11. Dezember 202024.12.2020
Eingangsformel24.12.2020
Inhaltsverzeichnis24.12.2020
Teil 1 - Allgemeines24.12.2020
§ 1 - Anwendungsbereich, Grundsätze24.12.2020
§ 2 - Sozialpsychiatrischer Dienst24.12.2020
§ 3 - Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie24.12.2020
Teil 2 - Hilfen24.12.2020
§ 4 - Begriff und Ziel der Hilfen24.12.2020
§ 5 - Gewährung von Hilfen24.12.2020
§ 6 - Kontaktaufnahme, Vorladung, Untersuchung24.12.2020
Teil 3 - Unterbringung24.12.2020
Abschnitt 1 - Gerichtliches Unterbringungsverfahren24.12.2020
§ 7 - Voraussetzung der Unterbringung24.12.2020
§ 8 - Unterbringungsantrag24.12.2020
§ 9 - Zuständigkeit der Amtsgerichte24.12.2020
§ 10 - Geltung der Vorschriften über die freiwillige Gerichtsbarkeit24.12.2020
§ 11 - Vorläufige Unterbringung24.12.2020
Abschnitt 2 - Rechtsstellung während der Unterbringung und Behandlung24.12.2020
§ 12 - Rechtsstellung des betroffenen Menschen24.12.2020
§ 13 - Vollzug der Unterbringung24.12.2020
§ 14 - Behandlung24.12.2020
§ 15 - Ordnung im Krankenhaus24.12.2020
§ 16 - Religionsausübung und Seelsorge24.12.2020
§ 17 - Aufenthalt im Freien und Freizeit24.12.2020
§ 18 - Außenkontakte24.12.2020
§ 19 - Schriftwechsel24.12.2020
§ 20 - Pakete24.12.2020
§ 21 - Telekommunikation24.12.2020
§ 22 - Besuche24.12.2020
§ 23 - Durchsuchung24.12.2020
§ 24 - Beurlaubung24.12.2020
§ 25 - Beendigung der Unterbringung24.12.2020
§ 26 - Anliegenvertretung24.12.2020
Abschnitt 3 - Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen während der Unterbringung24.12.2020
§ 27 - Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen24.12.2020
§ 28 - Besondere Sicherungsmaßnahmen24.12.2020
§ 29 - Ärztliche Zwangsmaßnahme24.12.2020
§ 30 - Unmittelbarer Zwang24.12.2020
Teil 4 - Verschwiegenheitspflicht, Datenschutz und Dokumentation24.12.2020
§ 31 - Berufs- und Amtsverschwiegenheitspflicht24.12.2020
§ 32 - Datenverarbeitung24.12.2020
§ 33 - Datenspeicherung24.12.2020
§ 34 - Besonders schutzwürdige Daten24.12.2020
§ 35 - Unterrichtung in besonderen Fällen24.12.2020
§ 36 - Datenlöschung24.12.2020
§ 37 - Auskunft, Akteneinsicht24.12.2020
§ 38 - Dokumentations- und Berichtspflicht24.12.2020
Teil 5 - Kosten24.12.2020
§ 39 - Grundsatz24.12.2020
§ 40 - Kosten der Unterbringung24.12.2020
§ 41 - Bedürftigkeit des betroffenen Menschen24.12.2020
Teil 6 - Übergangs- und Schlussvorschriften24.12.2020
§ 42 - Einschränkung von Grundrechten24.12.2020
§ 43 - Verordnungsermächtigungen24.12.2020
§ 44 - Übergangsvorschriften24.12.2020
§ 45 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten24.12.2020
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Inhaltsübersicht
Teil 1 Allgemeines
§ 1Anwendungsbereich, Grundsätze
§ 2Sozialpsychiatrischer Dienst
§ 3Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie
Teil 2 Hilfen
§ 4Begriff und Ziel der Hilfen
§ 5Gewährung von Hilfen
§ 6Kontaktaufnahme, Vorladung, Untersuchung
Teil 3 Unterbringung
Abschnitt 1 Gerichtliches Unterbringungsverfahren
§ 7Voraussetzung der Unterbringung
§ 8Unterbringungsantrag
§ 9Zuständigkeit der Amtsgerichte
§ 10Geltung der Vorschriften über die freiwillige Gerichtsbarkeit
§ 11Vorläufige Unterbringung
Abschnitt 2 Rechtsstellung während der Unterbringung und Behandlung
§ 12Rechtsstellung des betroffenen Menschen
§ 13Vollzug der Unterbringung
§ 14Behandlung
§ 15Ordnung im Krankenhaus
§ 16Religionsausübung und Seelsorge
§ 17Aufenthalt im Freien und Freizeit
§ 18Außenkontakte
§ 19Schriftwechsel
§ 20Pakete
§ 21Telekommunikation
§ 22Besuche
§ 23Durchsuchung
§ 24Beurlaubung
§ 25Beendigung der Unterbringung
§ 26Anliegenvertretung
Abschnitt 3 Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen während der Unterbringung
§ 27Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen
§ 28Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 29Ärztliche Zwangsmaßnahme
§ 30Unmittelbarer Zwang
Teil 4 Verschwiegenheitspflicht, Datenschutz und Dokumentation
§ 31Berufs- und Amtsverschwiegenheitspflicht
§ 32Datenverarbeitung
§ 33Datenspeicherung
§ 34Besonders schutzwürdige Daten
§ 35Unterrichtung in besonderen Fällen
§ 36Datenlöschung
§ 37Auskunft, Akteneinsicht
§ 38Dokumentations- und Berichtspflicht
Teil 5 Kosten
§ 39Grundsatz
§ 40Kosten der Unterbringung
§ 41Bedürftigkeit des betroffenen Menschen
Teil 6 Übergangs- und Schlussvorschriften
§ 42Einschränkung von Grundrechten
§ 43Verordnungsermächtigungen
§ 44Übergangsvorschriften
§ 45Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Teil 1 Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich, Grundsätze

(1) Dieses Gesetz regelt
1.
die Gewährung von Hilfen für Menschen, die aufgrund psychischer Störungen hilfsbedürftig sind (betroffene Menschen), und
2.
die Durchführung einer Unterbringung zur Abwendung von Eigen- oder Fremdgefährdungen aufgrund psychischer Störungen.
(2) Psychische Störung im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche, die nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftig sind, unabhängig von ihrer Ursache.
(3) Bei allen Hilfen und Schutzmaßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist die Würde des betroffenen Menschen und sein Recht auf Selbstbestimmung zu achten. Dabei sind besondere Bedürfnisse des betroffenen Menschen zu berücksichtigen und seine Persönlichkeit sowie seine individuelle Autonomie zu respektieren.
(4) Zur Stärkung des Rechts auf Selbstbestimmung soll die Partizipation des betroffenen Menschen gefördert werden. Dabei sind insbesondere die Erstellung von Patientenverfügungen, Behandlungsvereinbarungen, Vorsorgevollmachten und ähnlichen Instrumenten zu fördern.
(5) Maßnahmen gegen den natürlichen oder freien Willen des betroffenen Menschen sind nur in den in diesem Gesetz geregelten Ausnahmefällen zulässig. Auf Wunsch des betroffenen Menschen sind Personen seines Vertrauens in geeigneter Weise einzubeziehen.
(6) Ambulante und teilstationäre Formen der Hilfen haben Vorrang vor stationären und sollen frühzeitig und unter Ausschöpfung der verfügbaren erfolgversprechenden Möglichkeiten erbracht werden.
(7) Um eine Unterbringung nach diesem Gesetz zu vermeiden, soweit wie möglich zu verkürzen oder einem betroffenen Menschen nach Beendigung der Unterbringung die notwendige Hilfestellung mit dem Ziel einer gesundheitlichen Verbesserung und sozialen Eingliederung zu gewähren, sind alle vorhandenen vorsorgenden, begleitenden und nachsorgenden Hilfen im Sinne von § 4 auszuschöpfen.

§ 2 Sozialpsychiatrischer Dienst

(1) Träger der Aufgaben nach diesem Gesetz sind die Kreise und kreisfreien Städte. Sie nehmen die Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr.
(2) Die Kreise und kreisfreien Städte richten zur Erfüllung ihrer in diesem Gesetz genannten Aufgaben Sozialpsychiatrische Dienste ein. Mehrere Kreise und kreisfreien Städte können mit Zustimmung der für Gesundheit zuständigen obersten Landesbehörde einen gemeinsamen Sozialpsychiatrischen Dienst einrichten. Der Sozialpsychiatrische Dienst ist multiprofessionell zu besetzen. Dabei können qualifizierte Peers, EX-IN-Kräfte und Genesungsbegleitungen eingebunden werden, um die Peer-Beratung zu stärken.
(3) Der Sozialpsychiatrische Dienst steht unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes oder einer psychologischen Psychotherapeutin oder eines psychologischen Psychotherapeuten.
(4) Zu den Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes zählen insbesondere
1.
die Beratung und Gewährung von Hilfen,
2.
die Krisenintervention und Unterbringungsmaßnahmen,
3.
die Koordinierung der psychiatrischen Versorgung in den Kommunen,
4.
die Fachaufsicht über die beliehenen Krankenhäuser,
5.
das Beschwerdemanagement und
6.
die ärztliche psychiatrische Beurteilung.
(5) Der Sozialpsychiatrische Dienst soll im Interesse des betroffenen Menschen zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes mit anderen Stellen zusammenarbeiten. Zu anderen Stellen zählen insbesondere Gemeinden, Krankenhäuser, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie niedergelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Einrichtungen und Dienste der gemeindepsychiatrischen Versorgung, Eingliederungshilfe- und Pflegeeinrichtungen, Träger der Sozial-, Eingliederungs- und Jugendhilfe sowie der Suchthilfe, Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, Betroffenen- und Angehörigenorganisationen, Betreuungsbehörden und -vereine, Polizei-, Ordnungs- und Justizbehörden sowie Stellen der Arbeitsverwaltung.
(6) Kinder- und jugendpsychiatrische Belange sowie die Belange von Kindern psychisch erkrankter Eltern sind besonders zu berücksichtigen.

§ 3 Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie

(1) Zur Koordination der Hilfsangebote für betroffene Menschen richten die Kreise und kreisfreien Städte Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie ein. Die für Gesundheit zuständige oberste Landesbehörde erlässt eine Empfehlung zur Zusammensetzung der Arbeitskreise.
(2) Der Arbeitskreis für gemeindenahe Psychiatrie wirkt auf eine Zusammenarbeit aller an der Versorgung von betroffenen Menschen beteiligten Personen, Behörden, Institutionen und Verbände innerhalb des Kreises oder der kreisfreien Stadt hin und unterstützt ihre Arbeit.

Teil 2 Hilfen

§ 4 Begriff und Ziel der Hilfen

(1) Hilfen nach diesem Gesetz sind Maßnahmen für betroffene Menschen, die sie befähigen sollen, menschenwürdig und selbstbestimmt in der Gemeinschaft zu leben. Sie sollen den betroffenen Menschen in Form von vorsorgenden, begleitenden sowie nachsorgenden Hilfemaßnahmen gewährt werden. Sie sind im Sinne von Subsidiarität und Vorrangigkeit von freier Wohlfahrtspflege entsprechend des § 17 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - zu leisten.
(2) Ziel der Hilfen ist es insbesondere
1.
die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten oder wiederherzustellen,
2.
die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erleichtern und zu fördern,
3.
Behandlungen zu unterstützen,
4.
Maßnahmen nach § 6 oder eine Unterbringung zu vermeiden oder auf das für eine nachhaltige soziale Integration erforderliche Maß zu beschränken,
5.
dazu beizutragen, dass Funktionseinschränkungen, Störungen, Krankheiten und Behinderungen frühzeitig erkannt und angemessen behandelt werden, und
6.
den betroffenen Menschen zu befähigen, die Angebote zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes in geeigneter Form und im geeigneten Umfeld selbstständig in Anspruch zu nehmen.
(3) Die Hilfen sollen sich auch auf die Beratung von Personen erstrecken, die betroffene Menschen gesetzlich vertreten oder die zu dem persönlichen Umfeld des betroffenen Menschen gehören, um bei ihnen Verständnis für die besondere Lage zu wecken und ihre Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Wahrnehmung der Hilfen zu erhalten und zu fördern. Durch Aufklärung über psychische Störungen und Beratung soll Stigmatisierung entgegengewirkt und das Verständnis und damit die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gefördert werden.
(4) Im Anschluss an eine stationäre Behandlung sollen die Hilfen den betroffenen Menschen vornehmlich den Übergang zu einem selbstverantwortlichen Leben und das Leben außerhalb des Krankenhauses erleichtern.

§ 5 Gewährung von Hilfen

(1) Hilfen werden nach dem individuellen Hilfebedarf durch Informationen, persönliche Beratung und Begleitung, Vermittlung von geeigneten Hilfs- und Leistungsangeboten sowie Kooperationen mit Einrichtungen und Institutionen erbracht; dafür sollen auch Hausbesuche angeboten werden.
(2) Der betroffene Mensch hat einen Anspruch auf Hilfen nach diesem Gesetz, wenn eine Hilfebedürftigkeit aufgrund der psychischen Störung vorliegt und die Aufgaben nicht von anderen Stellen erfüllt werden. Weitere Ansprüche, insbesondere auf Heilbehandlung, Pflege, Geld- oder Sachleistungen bestehen nach diesem Gesetz nicht.
(3) Ehrenamtliche Hilfe, Angehörigenarbeit und Selbsthilfe sollen in die Versorgung von betroffenen Menschen einbezogen werden.

§ 6 Kontaktaufnahme, Vorladung, Untersuchung

(1) Liegen Anzeichen dafür vor, dass ein betroffener Mensch infolge seiner psychischen Störung eigene Rechtsgüter oder bedeutende Rechtsgüter anderer gefährdet, nimmt der Kreis oder die kreisfreie Stadt in geeigneter Weise Kontakt zu ihm auf, um eine Klärung herbeizuführen, Hilfen anzubieten oder eine ärztliche Untersuchung durchzuführen. Bleibt die Kontaktaufnahme ohne Erfolg, sind ein oder mehrere Hausbesuche durchzuführen.
(2) Wenn mindestens ein Hausbesuch erfolglos war und Anzeichen dafür vorliegen, dass der betroffene Mensch infolge seiner psychischen Störung bedeutende eigene oder fremde Rechtsgüter gefährdet, kann er vorgeladen werden. Der betroffene Mensch ist verpflichtet, einer Vorladung zu folgen und eine ärztliche Untersuchung zu dulden. § 30 gilt entsprechend. Auf die Pflicht, der Vorladung zu folgen, und auf die Möglichkeit zur zwangsweisen Durchsetzung, ist in der Vorladung hinzuweisen.
(3) In der Vorladung ist dem betroffenen Menschen anheim zu stellen, statt der Vorladung zu folgen, sich unverzüglich in die Behandlung einer Ärztin oder eines Arztes zu begeben. Der betroffene Mensch hat dem Kreis oder der kreisfreien Stadt den Namen und die Anschrift dieser Ärztin oder dieses Arztes mitzuteilen und die Ärztin oder den Arzt zu ermächtigen, den Kreis oder die kreisfreie Stadt von der Übernahme der Behandlung zu unterrichten.
(4) Bei Gefahr im Verzuge kann der Kreis oder die kreisfreie Stadt die Wohnung oder den Raum, in dem sich der betroffene Mensch aufhält, betreten, um ihn in diesen Räumlichkeiten ärztlich zu untersuchen oder ihn einer ärztlichen Untersuchung zuzuführen, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für bedeutende eigene oder fremde Rechtsgüter aufgrund der psychischen Störung erforderlich ist.
(5) Das Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung ist dem betroffenen Menschen mitzuteilen. Die Mitteilung kann unterbleiben, wenn nach ärztlicher Einschätzung durch die Mitteilung erhebliche Nachteile für seinen Gesundheitszustand zu erwarten sind. Begibt sich der betroffene Mensch nach der Untersuchung in ärztliche, psychologisch-psychotherapeutische oder kinder- und jugendlichenpsychotherapeutische Behandlung, teilt der Kreis oder die kreisfreie Stadt den Untersuchungsbefund den Behandelnden mit; der betroffene Mensch ist darüber zu informieren.

Teil 3 Unterbringung

Abschnitt 1 Gerichtliches Unterbringungsverfahren

§ 7 Voraussetzung der Unterbringung

(1) Der betroffene Mensch kann gegen oder ohne seinen natürlichen Willen in einem geeigneten Krankenhaus untergebracht werden, wenn und solange er infolge seiner psychischen Störung sein Leben, seine Gesundheit oder bedeutende Rechtsgüter anderer erheblich gefährdet und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann.
(2) Eine Unterbringung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn ein betroffener Mensch gegen seinen natürlichen Willen in den abgeschlossenen Teil einer geeigneten Einrichtung eingewiesen wird oder dort verbleiben soll. Eine Unterbringung liegt auch dann vor, wenn ihm untersagt wird, eine nicht abgeschlossene Einrichtung zu verlassen, oder wenn er daran gehindert wird.
(3) Eine Gefahr im Sinne von Absatz 1 besteht insbesondere dann, wenn sich die psychische Störung so auswirkt, dass ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder unvorhersehbar ist, jedoch wegen besonderer Umstände jederzeit damit gerechnet werden muss.
(4) Absatz 1 ist auch anwendbar, wenn eine zur Unterbringung des betroffenen Menschen befugte Vertretung untätig bleibt oder der Unterbringung widerspricht.
(5) Erfolgt bereits eine Unterbringung auf einer anderen Rechtsgrundlage, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Gefahr durch die andere Unterbringung abgewendet werden kann.

§ 8 Unterbringungsantrag

(1) Die Unterbringung kann nur auf schriftlichen Antrag des Kreises oder der kreisfreien Stadt angeordnet werden.
(2) Dem Antrag ist eine ärztliche Stellungnahme einer auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Ärztin oder eines auf dem Gebiet der Psychiatrie erfahrenen Arztes beizufügen, in dem die Erfüllung der Voraussetzungen für die Unterbringung durch entsprechende Tatsachenfeststellungen bescheinigt wird. Die ärztliche Stellungnahme muss auf einer persönlichen Begutachtung des betroffenen Menschen beruhen.

§ 9 Zuständigkeit der Amtsgerichte

Für gerichtliche Entscheidungen nach diesem Gesetz sind die Amtsgerichte zuständig.

§ 10 Geltung der Vorschriften über die freiwillige Gerichtsbarkeit

Für das gerichtliche Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294).

§ 11 Vorläufige Unterbringung

(1) Kann eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann der Kreis oder die kreisfreie Stadt die Unterbringung im Rahmen des Artikels 104 Absatz 2 des Grundgesetzes vorläufig vornehmen, längstens jedoch bis zum Ablauf des auf die Unterbringung folgenden Tages; § 8 Absatz 2 gilt entsprechend. In diesem Falle ist unverzüglich beim Gericht ein Antrag auf Unterbringung zu stellen.
(2) Der Kreis oder die kreisfreie Stadt hat eine der nachstehend genannten Personen unverzüglich über die Unterbringung nach Absatz 1 zu unterrichten:
1.
die Ehegattin oder den Ehegatten, die eingetragene Lebenspartnerin oder den eingetragenen Lebenspartner des betroffenen Menschen, wenn beide nicht dauernd getrennt leben,
2.
einen Elternteil oder ein Kind, bei dem der betroffene Mensch lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat,
3.
bei minderjährigen Kindern eine personensorgeberechtigte Person,
4.
eine gesetzliche Vertreterin oder einen gesetzlichen Vertreter,
5.
die Vorsorgebevollmächtigte oder der Vorsorgebevollmächtigte,
6.
eine volljährige Person, mit der der betroffene Mensch eine Lebensgemeinschaft führt,
7.
die Leiterin oder den Leiter der Einrichtung, in der der betroffene Mensch lebt, sowie
8.
eine Person des Vertrauens des betroffenen Menschen, nach welcher der betroffene Mensch zu befragen ist, sofern eine solche nicht bereits bekannt ist.
Ein betroffener volljähriger Mensch hat das Recht, eine Unterrichtung der in den Nummern 1, 2, 6, 7 oder 8 genannten Personen zu untersagen.

Abschnitt 2 Rechtsstellung während der Unterbringung und Behandlung

§ 12 Rechtsstellung des betroffenen Menschen

(1) Während der Unterbringung und Behandlung dürfen einem betroffenen Menschen nur die in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit auferlegt werden, soweit sie sich zwingend aus den Zwecken der Unterbringung oder aus den Anforderungen zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in einem Krankenhaus ergeben. Dabei sind alle vorzunehmenden Beschränkungen mit dem geringstmöglichen Eingriff in die persönliche Freiheit und die körperliche Unversehrtheit vorzunehmen, regelmäßig zu überprüfen und im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit anzupassen.
(2) Der betroffene Mensch ist unverzüglich in geeigneter Weise aufzuklären
1.
über seine Rechte und Pflichten während der Unterbringung einschließlich des Rechts auf gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Vollzug einer Unterbringungsmaßnahme,
2.
über die bestellte Anliegenvertretung (§ 26) und deren Kontaktdaten,
3.
über sein Petitionsrecht und die Kontaktdaten des Petitionsausschusses des Landtags sowie
4.
über seine Kommunikationsmöglichkeiten in der Einrichtung (§§ 18 bis 22).
Die Informationen sind dem betroffenen Menschen in schriftlicher Form auszuhändigen und für jeden Betroffenen zugänglich in der Einrichtung auszuhängen. Im Rahmen der Aufklärung des betroffenen Menschen ist bei Bedarf auf eine Übersetzung hinzuwirken.
(3) Den Wünschen und Bedürfnissen des betroffenen Menschen zur Gestaltung der Unterbringung und Behandlung ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Dabei sind auch geschlechtsspezifische Aspekte zu beachten.
(4) Sofern eine Unterbringungsnotwendigkeit besteht, sollen Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht und behandelt werden.

§ 13 Vollzug der Unterbringung

(1) Die Entscheidung, durch welche die Unterbringung angeordnet worden ist, wird von dem Kreis oder der kreisfreien Stadt vollzogen.
(2) Die Unterbringung erfolgt grundsätzlich in einem für die Behandlung der psychischen Störung geeigneten psychiatrischen Krankenhaus oder in einer geeigneten psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses. Erfordert die psychische Störung oder eine sonstige Erkrankung vorrangig eine somatische Behandlung, kann die Unterbringung in einem dafür geeigneten somatischen Krankenhaus oder einer geeigneten somatischen Abteilung eines Krankenhauses vollzogen werden. Der Kreis oder die kreisfreie Stadt bestimmt, in welchem geeigneten Krankenhaus die Unterbringung erfolgt. Bei der Bestimmung des Krankenhauses ist der von der für Gesundheit zuständigen obersten Landesbehörde veröffentlichte Unterbringungsplan zu beachten, in dem Einzugsbereiche festgelegt werden. Ein Wunsch des betroffenen Menschen bei der Auswahl des Krankenhauses ist nach Möglichkeit zu berücksichtigen.
(3) Die Kreise und kreisfreien Städte können den natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts, die den Krankentransport durchführen, den Trägern privater oder freigemeinnütziger Krankenhäuser sowie einem Zweckverband als Träger eines Krankenhauses Aufgaben der öffentlichen Verwaltung beim Vollzug der Unterbringungsanordnung und der Unterbringung zur Erledigung in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts übertragen. Die Landrätin oder der Landrat oder die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister der kreisfreien Stadt ist Aufsichtsbehörde. Für den Umfang und die Mittel der Aufsicht gelten § 15 Absatz 2, § 16 Absatz 1, 3 und 4 und § 18 Absatz 3 des Landesverwaltungsgesetzes entsprechend. Die Beschäftigung des Personals der nicht öffentlichen Krankenhausträger, das am Vollzug der Unterbringung beteiligt ist, bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf die fachliche und persönliche Eignung. Wenn andere Maßnahmen nicht ausreichend erscheinen, um den rechtmäßigen und zweckmäßigen Vollzug der Unterbringung sicherzustellen, kann die Aufsichtsbehörde gegenüber dem Personal eines beliehenen Krankenhauses Einzelweisungen in Bezug auf die Durchführung des Vollzugs der Unterbringung erteilen.
(4) Beim Transport in das in Absatz 2 bestimmte Krankenhaus dürfen Vollzugskräfte nach § 252 des Landesverwaltungsgesetzes auch außerhalb des Bezirks des zuständigen Kreises oder der zuständigen kreisfreien Stadt unmittelbaren Zwang anwenden. § 27 Absatz 2 und 3, § 28 Absatz 3 Nummer 2 und 3, Absatz 4, 6 Satz 3 sowie § 30 Absatz 1 gelten entsprechend.

§ 14 Behandlung

(1) Ein betroffener Mensch hat Anspruch auf die notwendige Behandlung. Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan. Sie umfasst ebenfalls Maßnahmen, die erforderlich sind, um dem betroffenen Menschen nach der Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen.
(2) Der Behandlungsplan ist mit dem betroffenen Menschen und gegebenenfalls seiner befugten Vertretung in geeigneter Weise zu erörtern und nach Möglichkeit gemeinsam zu entwickeln. Sie sind über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken umfassend aufzuklären. Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, soll die Unterbringung nach Möglichkeit in offenen und freien Formen erfolgen, soweit der Zweck der Unterbringung dies zulässt.
(3) Ist der betroffene Mensch einwilligungsfähig, bedarf die Behandlung seiner Einwilligung. Die Behandlung darf nicht gegen den natürlichen Willen des betroffenen Menschen vorgenommen werden. Ärztliche Eingriffe, die mit Lebensgefahr oder erheblicher Gefahr für die Gesundheit des betroffenen Menschen verbunden sind, dürfen nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden. Bei Volljährigen, welche den Grund, die Bedeutung und Tragweite der Behandlung wie auch der Einwilligung nicht beurteilen können, sowie bei Minderjährigen, ist für die Einwilligung der Wille der gesetzlichen Vertretung maßgebend. § 29 bleibt unberührt.
(4) Die Behandlung muss von einer Ärztin oder einem Arzt angeordnet oder selbst durchgeführt werden. Sie muss fachgerecht überwacht und dokumentiert werden.
(5) Bei der Aufnahme ist der betroffene Mensch unverzüglich ärztlich zu untersuchen. Hierbei muss eigenverantwortlich festgestellt werden, ob die Voraussetzungen der Unterbringung noch vorliegen.
(6) Der betroffene Mensch kann den Wunsch äußern, bei der Untersuchung sowie im Rahmen der weiteren Behandlung und bei ärztlichen Eingriffen entweder von einer Ärztin oder von einem Arzt untersucht zu werden. Der Wunsch sollte in einer Patientenverfügung festgehalten werden. Dem Wunsch ist nach Möglichkeit zu entsprechen.

§ 15 Ordnung im Krankenhaus

(1) Die notwendigen Regelungen zur Ordnung im Krankenhaus erlassen unbeschadet der §§ 16 bis 24 sowie der §§ 27 und 30 die Träger der öffentlichen und die nach § 13 Absatz 3 Satz 1 beliehenen Träger der privaten oder freigemeinnützigen Krankenhäuser durch Satzung, insbesondere über
1.
die Einbringung und Verwahrung von Geld, Wertsachen und anderen Gegenständen,
2.
die Ausgestaltung der Räume,
3.
die Einkaufsmöglichkeiten,
4.
ein Rauchverbot oder die Festlegung von Raucherbereichen,
5.
ein Alkohol- und Drogenverbot,
6.
ein Verbot der Einnahme mitgebrachter oder beschaffter Medikamente,
7.
die Besuchszeiten,
8.
die Freizeitgestaltung und
9.
den Aufenthalt im Freien.
(2) Der betroffene Mensch unterliegt der Hausordnung des Krankenhauses. Durch die Hausordnung dürfen seine Rechte nicht über die Regelungen dieses Gesetzes hinaus eingeschränkt werden. Die Hausordnung ist dem Kreis oder der kreisfreien Stadt zur Kenntnisnahme vorzulegen.

§ 16 Religionsausübung und Seelsorge

(1) Der betroffene Mensch ist berechtigt, seinen Glauben nach den Regeln der Religions-, Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft auszuüben, soweit andere Menschen dadurch nicht beeinträchtigt werden. Er hat das Recht, innerhalb des Krankenhauses an Gottesdiensten oder anderen religiösen Veranstaltungen seines Bekenntnisses teilzunehmen, sofern diese angeboten werden.
(2) Ein Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung kann nur erfolgen, wenn und solange der Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit im Krankenhaus gefährdet oder die Ordnung im Krankenhaus schwerwiegend gestört wird. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für einen Eingriff vorliegen, trifft das Krankenhaus nach vorheriger Anhörung der Seelsorge.
(3) Das Recht auf Inanspruchnahme der Seelsorge bleibt unberührt.

§ 17 Aufenthalt im Freien und Freizeit

(1) Dem betroffenen Menschen soll der tägliche Aufenthalt im Freien für mindestens eine Stunde ermöglicht werden, solange die Sicherheit im Krankenhaus dadurch nicht gefährdet wird.
(2) Der betroffene Mensch erhält für die Gestaltung der therapiefreien Zeit Gelegenheit zur sinnvollen Beschäftigung. Das Krankenhaus macht den untergebrachten Menschen regelmäßige Angebote zu sportlichen, künstlerischen, musikalischen und gesellschaftlichen Betätigungen.

§ 18 Außenkontakte

Der betroffene Mensch hat unter Berücksichtigung des § 15 ein Recht auf Außenkontakte. Die Aufrechterhaltung bestehender sozialer und familiärer Kontakte sowie der Aufbau neuer Kontakte ist während der Unterbringung zu erhalten und zu stärken, soweit nicht therapeutische Gründe entgegenstehen. Einschränkungen sind nur aufgrund der §§ 19 bis 22 zulässig.

§ 19 Schriftwechsel

(1) Der betroffene Mensch ist berechtigt, Schriftwechsel zu führen. Die Nutzung neuer Kommunikationsmedien soll durch das Krankenhaus ermöglicht werden.
(2) Der Schriftwechsel eines betroffenen Menschen mit
1.
seiner anwaltlichen und gesetzlichen Vertretung, seiner rechtlichen Betreuerin oder seinem rechtlichen Betreuer und die oder den nach § 317 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellte Verfahrenspflegerin oder den bestellten Verfahrenspfleger, Behörden, Gerichten oder Staatsanwaltschaften, Seelsorgerinnen und Seelsorgern, Beschwerdestellen sowie Mitgliedern der Anliegenvertretung,
2.
Ärztinnen und Ärzten sowie psychologischen Psychotherapeutinnen und psychologischen Psychotherapeuten, in deren Behandlung sich der betroffene Mensch vor seiner Unterbringung befunden hat,
3.
Volksvertretungen der Europäischen Union, des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern,
4.
Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren Mitgliedern,
5.
Verfassungsgerichten des Bundes und der Länder,
6.
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
7.
Mitgliedern der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter, des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen, des Ausschusses der Vereinten Nationen gegen Folter sowie des zugehörigen Unterausschusses zur Verhütung von Folter und
8.
bei ausländischen Staatsangehörigen auch mit der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes unterliegt keiner Einschränkung.
(3) Für den übrigen Schriftwechsel darf die für die Behandlung verantwortliche Ärztin oder der für die Behandlung verantwortliche Arzt im Einzelfall die Überwachung des Schriftwechsels anordnen, wenn Tatsachen dafürsprechen, dass bei freiem Schriftwechsel aufgrund der psychischen Störung erhebliche Nachteile für den Gesundheitszustand des betroffenen Menschen zu erwarten sind oder der Zweck der Unterbringung gefährdet werden könnte.
(4) Ergibt die Überwachung, dass durch einen konkreten Schriftverkehr eine der Voraussetzungen nach Absatz 3 vorliegt, kann die Sendung angehalten werden. Das Anhalten der Sendung ist dem betroffenen Menschen mitzuteilen. Die Unterrichtung des betroffenen Menschen kann solange unterbleiben, wie dies aus Gründen der Behandlung zwingend erforderlich ist. In diesem Fall ist die bestellte Verfahrenspflegerin oder der bestellte Verfahrenspfleger des betroffenen Menschen zu unterrichten. Die Sendung ist der absendenden Person zurückzugeben. Diese ist auf die Möglichkeit hinzuweisen, gegen das Anhalten der Sendung eine Entscheidung des Gerichts beantragen zu können.

§ 20 Pakete

(1) Der betroffene Mensch ist berechtigt, Pakete abzusenden und zu empfangen.
(2) Der Inhalt von Paketen kann in Gegenwart des betroffenen Menschen daraufhin überprüft werden, ob darin
1.
Schreiben oder sonstige Nachrichten oder
2.
Gegenstände, deren Besitz den Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben im Krankenhaus gefährden würde, enthalten sind. Für Schreiben und sonstige Nachrichten gilt § 19 entsprechend.
(3) Enthält ein Paket Gegenstände der in Absatz 2 Nummer 2 genannten Art, sind diese Gegenstände der absendenden Person oder der Person, in deren Eigentum sich dieser Gegenstand befindet, zurückzugeben. Ist dies nicht möglich oder aus besonderen Gründen nicht zweckmäßig, sollen sie aufbewahrt oder an eine von dem betroffenen Menschen oder seiner gesetzlichen Vertretung benannte Person versandt werden, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist. Begründet die Art oder Beschaffenheit eines aufgefundenen Gegenstandes den Verdacht der Begehung einer Straftat, sind die Strafverfolgungsbehörden hiervon in Kenntnis zu setzen. Im Übrigen gilt § 19 Absatz 4 entsprechend.

§ 21 Telekommunikation

(1) Der betroffene Mensch ist berechtigt, Telefongespräche zu führen. § 19 Absatz 1 bis 3 gilt entsprechend.
(2) Telefongespräche dürfen nur dadurch überwacht werden, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Krankenhauses in Gegenwart des betroffenen Menschen den Gesprächsverlauf verfolgt und das Gespräch mithört. Wird ein Telefongespräch überwacht, ist die Gesprächspartnerin oder der Gesprächspartner zu Beginn des Gesprächs darüber zu unterrichten.
(3) Ergibt die Überwachung, dass durch den konkreten Gesprächsverlauf erhebliche Nachteile für den Gesundheitszustand des betroffenen Menschen zu erwarten sind oder der Zweck der Unterbringung gefährdet werden könnte, kann die Fortsetzung des Gesprächs untersagt werden.

§ 22 Besuche

(1) Der betroffene Mensch ist berechtigt Besuch zu empfangen oder abzulehnen. Besuche von Angehörigen, insbesondere von Kindern, werden besonders unterstützt. Die Besuchsdauer richtet sich nach den individuellen Umständen des untergebrachten Menschen. § 19 Absatz 2 gilt entsprechend.
(2) Sofern es unerlässlich ist, um erhebliche Nachteile für den Gesundheitszustand des betroffenen Menschen abzuwenden oder den Zweck der Unterbringung nicht zu gefährden, darf die für die Behandlung verantwortliche Ärztin oder der für die Behandlung verantwortliche Arzt im Einzelfall ein Besuchsverbot aussprechen. Die Betroffenen sind darüber zu unterrichten. Für die Überwachung eines zugelassenen Besuchs gelten § 21 Absatz 2 und 3 entsprechend.
(3) Für mitgebrachte Schriftstücke und Gegenstände gelten § 19 und § 20 entsprechend. Aus Gründen der Sicherheit oder zur Sicherung des Zwecks der Unterbringung können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucherin oder der Besucher durchsuchen lässt; dies gilt nicht für die in § 19 Absatz 2 genannten Personen.

§ 23 Durchsuchung

(1) Zur Sicherung des Zwecks der Unterbringung oder der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Krankenhaus dürfen die Sachen des betroffenen Menschen sowie die Unterbringungsräume durchsucht werden.
(2) Eine körperliche Durchsuchung des betroffenen Menschen ist im Einzelfall zulässig, um eine aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmende Gefahr für die Sicherheit oder die Ordnung des Krankenhauses abzuwenden. Eine körperliche Durchsuchung soll durch eine Person gleichen Geschlechts erfolgen.
(3) Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist im Einzelfall zulässig, um eine aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmende Gefahr für die Sicherheit des Krankenhauses oder Leib oder Leben des betroffenen Menschen abzuwenden. Die Durchsuchung ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen und zu dokumentieren. Das Schamgefühl ist zu schonen. Andere Patientinnen oder Patienten dürfen nicht anwesend sein. Bei der Durchsuchung dürfen nur Personen gleichen Geschlechts anwesend sein. Ist dies bei der Person nach § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639) nicht möglich, kann die betroffene Person das Geschlecht der Anwesenden wählen.

§ 24 Beurlaubung

(1) Das Krankenhaus kann den betroffenen Menschen bis zu 14 Tage unter vorheriger Benachrichtigung des Kreises oder der kreisfreien Stadt und einer der in § 11 Absatz 2 genannten Personen beurlauben. Werden Medikamente mit Depotwirkung verabreicht, kann die Frist von 14 Tagen erweitert werden bis zum Zeitpunkt der nächsten Gabe der Depotmedikamente.
(2) Ergibt eine ärztliche Untersuchung, dass die Tatsachen und ärztlichen Beurteilungen, die der Unterbringung zugrunde liegen, nicht oder nicht mehr vorliegen, hat das Krankenhaus den betroffenen Menschen sofort zu beurlauben und den Kreis oder die kreisfreie Stadt sowie das zuständige Amtsgericht darüber unverzüglich zu benachrichtigen. Die Beurlaubung kann mit Auflagen verbunden werden.
(3) Der Kreis oder die kreisfreie Stadt hat
1.
die Personen nach § 6 Absatz 5 Satz 3, die den betroffenen Menschen behandelten,
2.
eine der in § 11 Absatz 2 Satz 1 genannten Personen unverzüglich über die Beurlaubung zu unterrichten.

§ 25 Beendigung der Unterbringung

(1) Die Unterbringung ist beendet, wenn
1.
die Unterbringungsfrist abgelaufen ist und das Gericht nicht vorher die Fortdauer der Unterbringung angeordnet hat,
2.
das Gericht die Anordnung der Unterbringung aufgehoben hat oder
3.
das Gericht im Falle der vorläufigen Unterbringung nicht spätestens bis zum Ablauf des auf den Beginn der vorläufigen Unterbringung folgenden Tages die Unterbringung und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet hat.
(2) Das Krankenhaus informiert möglichst im Einvernehmen mit dem betroffenen Menschen frühzeitig den Kreis oder die kreisfreie Stadt über die bevorstehende Beendigung der Unterbringung und hierzu bereits eingeleitete Maßnahmen. Je nach Betreuungs- und Behandlungsbedarf des betroffenen Menschen soll die Vorbereitung und Einleitung nachgehender Hilfsangebote in Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhaus, dem zuständigen Kreis oder der zuständigen kreisfreien Stadt, der weiterbehandelnden Ärztin oder dem weiterbehandelnden Arzt oder der weiterbehandelnden psychologischen Psychotherapeutin oder dem weiterbehandelnden psychologischen Psychotherapeuten erfolgen.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 3 benachrichtigt das Krankenhaus das Amtsgericht, die bestellte Verfahrenspflegerin oder den bestellten Verfahrenspfleger, den Kreis oder die kreisfreie Stadt und eine der in § 11 Absatz 2 Satz 1 genannten Personen von der Beendigung der Unterbringung.

§ 26 Anliegenvertretung

(1) Zur Vertretung der Belange und Anliegen der betroffenen Menschen bestellt der Kreis oder die kreisfreie Stadt für die Krankenhäuser, in denen in seinem Bezirk Unterbringungen vollzogen werden, eine Besuchskommission. Zusätzlich kann eine Patientenfürsprecherin und ihr Vertreter oder ein Patientenfürsprecher und seine Vertreterin zur Anliegenvertretung bestellt werden. Der Sozialpsychiatrische Dienst unterstützt die Anliegenvertretung und führt ihre Geschäfte.
(2) Die Anliegenvertretung soll die Krankenhäuser mindestens zweimal jährlich besuchen. Zwischen zwei Besuchen dürfen nicht mehr als sechs Monate liegen. Es ist sicherzustellen, dass die Anliegenvertretung auch zwischen den Besuchen für Anliegen und Beschwerden erreichbar ist. Die Anliegenvertretung soll prüfen, ob die Rechte der betroffenen Menschen gewahrt werden und der Zweck der Unterbringung erfüllt wird. Sie wirkt bei der Gestaltung der Unterbringung beratend mit. Aufgabe der Anliegenvertretung ist es, Anregungen und Beschwerden der betroffenen Menschen entgegenzunehmen und zu prüfen. Mitglieder von Anliegenvertretungen dürfen Aufgaben der Anliegenvertretung nicht in Krankenhäusern wahrnehmen, in denen sie beschäftigt sind. Die Anliegenvertretung kann zu einem Besuch weitere geeignete Personen hinzuziehen, die nicht im besuchten Krankenhaus beschäftigt sind. Dazu zählen insbesondere Beauftragte für Menschen mit Behinderung sowie Vertreterinnen und Vertreter der unabhängigen Beschwerdestellen oder eines Betreuungsvereins. Die Anliegenvertretung ist berechtigt, die Krankenhäuser unangemeldet zu besuchen.
(3) Einer Besuchskommission gehören mindestens vier Personen an; jeweils hälftig sollen Frauen und Männer berücksichtigt werden. Mitglieder sind
1.
eine Ärztin oder ein Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie,
2.
eine in Unterbringungsangelegenheiten erfahrene Person mit Befähigung zum Richteramt,
3.
ein Mitglied sowie bei Bedarf eine Assistenzperson auf Vorschlag von Vereinigungen der Psychiatrie-Erfahrenen und
4.
ein Mitglied auf Vorschlag der Vereinigungen der Angehörigen und Freunde psychisch kranker Menschen.
Die Mitglieder wählen die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und die Vertreterin oder den Vertreter; Wiederwahl ist zulässig. Beim Ausscheiden eines Mitgliedes ist für die Restdauer der Amtszeit der Besuchskommission ein Ersatzmitglied zu bestellen.
(4) In den Krankenhäusern ist durch Aushang an geeigneter Stelle unter Bekanntgabe des Namens und der Anschrift der oder des Vorsitzenden der Besuchskommission sowie gegebenenfalls der Patientenfürsprecherin und ihres Vertreters oder des Patientenfürsprechers und seiner Vertreterin auf die Anliegenvertretung und ihre Aufgaben hinzuweisen.
(5) Der Anliegenvertretung ist ungehinderter Zugang zu den Krankenhäusern zu gewähren. Ihr sind die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in die vorhandenen Unterlagen zu gewähren. Personenbezogene Auskünfte bedürfen der Zustimmung des betroffenen Menschen. Bei den Besuchen ist den betroffenen Menschen auch Gelegenheit zu geben, in Abwesenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Krankenhauses Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Das Krankenhaus hat die Anliegenvertretung bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen.
(6) Über ihre Tätigkeit berichtet die Anliegenvertretung dem Kreis oder der kreisfreien Stadt einmal jährlich.
(7) Für die Tätigkeit in der Anliegenvertretung und für die nach Absatz 2 Satz 8 hinzugezogenen Personen gelten die Vorschriften für ehrenamtliche Tätigkeit. Für die Tätigkeit in der Anliegenvertretung ist eine Amtsdauer von mindestens vier und höchstens sechs Jahren festzulegen; Wiederbestellung ist zulässig. Die Anliegenvertretung bleibt nach Ablauf ihrer Amtsdauer bis zum Amtsantritt der neuen Anliegenvertretung im Amt.

Abschnitt 3 Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen während der Unterbringung

§ 27 Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen

(1) Auf Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen gegenüber dem betroffenen Menschen soll möglichst verzichtet werden. In den Krankenhäusern sind Methoden und Instrumentarien zu entwickeln, zu evaluieren und anzuwenden, um Krisensituationen ohne Zwang zu bewältigen. Es ist sicherzustellen, dass bei der Anwendung von Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen das nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand am wenigsten eingreifende geeignete Mittel zur Verfügung steht. Dazu haben die Krankenhäuser der Fachaufsicht ein auf die konkreten Gegebenheiten vor Ort abzustellendes Konzept zur Vermeidung von Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen vorzulegen und mit ihr abzustimmen.
(2) Wenn es zur Sicherung des Zwecks der Unterbringung, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung des Krankenhauses unerlässlich ist, dürfen Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen angeordnet werden. In Betracht kommen insbesondere
1.
der Entzug oder das Vorenthalten von Gegenständen,
2.
die Beobachtung des betroffenen Menschen,
3.
die Absonderung von anderen Patientinnen und Patienten oder
4.
das Festhalten des betroffenen Menschen.
Eine Maßnahme hat zu unterbleiben, wenn die Gefahr unter Beachtung des aktuellen wissenschaftlichen Stands auch anders abgewendet werden kann oder ein durch die Maßnahme zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
(3) Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen sind vor ihrer Anwendung dem betroffenen Menschen anzukündigen und zu begründen. Die Ankündigung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen.
(4) Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen dürfen nur von einer Ärztin oder einem Arzt aufgrund eigener Untersuchung angeordnet werden. Sie sind zu befristen und unverzüglich aufzuheben, sobald die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen. Die weitere Notwendigkeit der Maßnahme ist regelmäßig in angemessenen Zeitabständen durch eine Ärztin oder einen Arzt zu überprüfen.
(5) Bei Gefahr im Verzug dürfen die Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen auch von Vollzugskräften nach § 252 Absatz 1 und 2 des Landesverwaltungsgesetzes vorläufig durchgeführt werden; die Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes ist unverzüglich herbeizuführen.

§ 28 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Bei einem betroffenen Menschen dürfen zeitweise besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn und solange die Gefahr besteht, dass der betroffene Mensch gegen Personen gewalttätig wird oder sich selbst tötet oder erheblich verletzt. Für besondere Sicherungsmaßnahmen gilt § 27 nach Maßgabe dieses Paragraphen.
(2) Eine besondere Sicherungsmaßnahme darf nur angeordnet werden, wenn und soweit mildere Mittel nicht in Betracht kommen, insbesondere, weil Maßnahmen nach § 27 in der konkreten Situation aussichtslos erscheinen oder bereits erfolglos geblieben sind und ein durch die Maßnahme zu erwartender Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.
(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:
1.
die Unterbringung in einem besonderen Raum ohne gefährdende Gegenstände (Kriseninterventionsraum) oder
2.
die sedierende Medikation oder
3.
die Fixierung durch mechanische Hilfsmittel, welche die Fortbewegungsfreiheit des betroffenen Menschen nach jeder Richtung hin vollständig aufhebt, einschließlich der hiermit medizinisch notwendig verbundenen Medikation (Fixierungsmaßnahme). Nicht umfasst ist die Fixierung an weniger als zwei Gliedern (sogenannte 1-Punkt-Fixierung) zur Sicherstellung einer laufenden somatischen Behandlung.
(4) Der von einer besonderen Sicherungsmaßnahme betroffene Mensch ist in besonderem Maße zu überwachen und betreuen. Nach Beendigung der Maßnahme ist ihm die Möglichkeit einer Nachbesprechung im Hinblick auf eine therapeutische Aufarbeitung einzuräumen.
(5) Eine nicht nur kurzfristige Fixierungsmaßnahme bedarf einer Anordnung des Gerichts auf schriftlichen Antrag des Kreises oder der kreisfreien Stadt. Dem Antrag ist eine ärztliche Stellungnahme beizufügen.
(6) Bei Gefahr im Verzug darf eine Fixierungsmaßnahme von einer Ärztin oder einem Arzt aufgrund eigener Untersuchung angeordnet werden. Die Ärztin oder der Arzt unterrichtet unverzüglich den Kreis oder die kreisfreie Stadt, so dass der Kreis oder die kreisfreie Stadt einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt. Die Beendigung der Maßnahme ist dem Gericht sowie dem Kreis oder der kreisfreien Stadt mitzuteilen. Der betroffene Mensch ist nach Beendigung einer Fixierungsmaßnahme, über die nicht richterlich entschieden wurde, auf die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung der durchgeführten Maßnahme hinzuweisen.
(7) Bei Fixierungsmaßnahmen ist kontinuierlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch hinreichend geschultes Krankenhauspersonal sicherzustellen. Auf eine unmittelbare räumliche Anwesenheit kann auf Wunsch des betroffenen Menschen oder in medizinisch oder therapeutisch begründeten Ausnahmefällen verzichtet werden; eine ständige Betreuung des fixierten Menschen ist sicherzustellen. Fixierungs- und Isolierungsmaßnahmen müssen in gesonderten Räumen so durchgeführt werden, dass die Privatsphäre des betroffenen Menschen soweit wie möglich gewahrt wird.
(8) Die Anordnung und Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen sind zu dokumentieren; es sind mindestens aufzuzeichnen:
1.
die Ankündigung und Begründung gegenüber dem betroffenen Menschen oder ihr Unterbleiben,
2.
die Gründe für die Anordnung,
3.
gegebenenfalls die gerichtliche Entscheidung,
4.
die Art und der Beginn der Maßnahme,
5.
die Art der Betreuung,
6.
eine etwaige Verlängerung oder das Ende der Maßnahme,
7.
die Nachbesprechung und
8.
der Hinweis auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme.
Die Aufzeichnung ist zu den Krankenakten zu nehmen und von einer Ärztin oder einem Arzt zu verantworten.
(9) Von der Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme ist die gesetzliche Vertretung des untergebrachten Menschen unverzüglich zu benachrichtigen.

§ 29 Ärztliche Zwangsmaßnahme

(1) Eine Behandlung gegen den natürlichen Willen des betroffenen Menschen (ärztliche Zwangsmaßnahme) mit dem Ziel, die fortdauernde oder wiederkehrende Notwendigkeit einer Unterbringung nach § 7 zu beseitigen, darf nur dann durchgeführt werden, wenn
1.
der betroffene Mensch aufgrund einer psychischen Störung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
2.
sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg verspricht,
3.
mildere Mittel, insbesondere eine weniger eingreifende Behandlung, aussichtslos sind und
4.
der zu erwartende Nutzen der Behandlung die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich feststellbar überwiegt.
(2) Die Behandlung muss von einer Ärztin oder einem Arzt selbst durchgeführt werden. Sie muss ärztlich überwacht und dokumentiert werden. Die Notwendigkeit der Behandlung ist regelmäßig zu überprüfen und unverzüglich zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, unerwartete Nebenwirkungen auftreten oder eine Verbesserung des Zustandes nicht absehbar ist. Eine wirksame Patientenverfügung ist zu beachten.
(3) Eine ärztliche Zwangsmaßnahme setzt voraus, dass durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt
1.
eine den Verständnismöglichkeiten des betroffenen Menschen entsprechende Information über die beabsichtigte Behandlung und ihre Wirkungen vorausgegangen ist,
2.
vor Beginn der Behandlung ernsthaft versucht wurde, eine auf Vertrauen gegründete, freiwillige Zustimmung des betroffenen Menschen zu erreichen und
3.
dem betroffenen Menschen nach Scheitern des Gespräches nach Nummer 2 die Beantragung der gerichtlichen Anordnung nebst der Möglichkeit der Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme, im Falle der vorläufigen ärztlichen Zwangsmaßnahme ohne vorherige gerichtliche Anordnung, angekündigt worden ist.
Die Durchführung der Gespräche nach Satz 1 muss durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt dokumentiert werden.
(4) Die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der vorherigen Anordnung des zuständigen Gerichtes auf Antrag des Kreises oder der kreisfreien Stadt. § 8 Absatz 2 gilt entsprechend. Kann eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, kann die ärztliche Zwangsmaßnahme vorläufig vorgenommen werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des auf die Zwangsmaßnahme folgenden Tages. Der Antrag auf Anordnung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme ist unverzüglich beim zuständigen Gericht nachzuholen.
(5) § 7 Absatz 3 gilt entsprechend.

§ 30 Unmittelbarer Zwang

(1) Anordnungen nach diesem Gesetz dürfen von Vollzugskräften nach § 252 des Landesverwaltungsgesetzes im Wege des unmittelbaren Zwangs nach § 251 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Landesverwaltungsgesetzes gegenüber dem betroffenen Menschen durchgesetzt werden. Die Anwendung des unmittelbaren Zwangs ist mündlich anzudrohen. Von einer vorherigen Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen.
(2) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs aufgrund anderer Vorschriften bleibt unberührt.
(3) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs einschließlich der Gründe hierfür und der Begründung, warum Alternativen nicht möglich sind, sind zu dokumentieren.

Teil 4 Verschwiegenheitspflicht, Datenschutz und Dokumentation

§ 31 Berufs- und Amtsverschwiegenheitspflicht

(1) Personenbezogene Daten, die Ärztinnen und Ärzten im Rahmen der Unterbringung von einem betroffenen Menschen als Geheimnis anvertraut oder über einen betroffenen Menschen sonst bekanntgeworden sind, unterliegen der Schweigepflicht. Eine Weitergabe gegenüber anderem Personal des Krankenhauses, den Kreisen und kreisfreien Städten, dem Gericht oder sonstigen Stellen ist zulässig, wenn und soweit dies nach diesem Gesetz vorgesehen oder im Einzelfall für den Zweck der Unterbringung oder zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit des betroffenen Menschen oder Dritter erforderlich ist. Sonstige Offenbarungsbefugnisse bleiben unberührt. Der betroffene Mensch ist vor der Erhebung über die nach Satz 2 bestehenden Offenbarungsbefugnisse zu unterrichten.
(2) Absatz 1 gilt für sonstige Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger entsprechend.

§ 32 Datenverarbeitung

(1) Für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen nach diesem Gesetz gelten die Verordnung (EU) 2016/679
1
, die nachfolgenden Regelungen (§§ 33 bis 37) sowie die allgemeinen Datenschutzvorschriften.
(2) Personenbezogene Daten dürfen nur dann zur Erfüllung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen sowie zur Rechnungsprüfung verarbeitet werden, wenn dies erforderlich ist, weil die Aufgabe auf andere Weise, insbesondere mit anonymisierten Daten, nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erfüllt werden kann.
Fußnoten
1)
Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 S. 1, zuletzt ber. 2018, ABl. L 127 S. 2)

§ 33 Datenspeicherung

(1) Schutzwürdige Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterfallen, dürfen nur gespeichert werden, soweit dies für die Erfüllung der in diesem Gesetz vorgesehenen Aufgaben oder für die Dokumentation von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen erforderlich ist. Sie sind in Akten aufzunehmen.
(2) Untersuchungs- oder Behandlungsergebnisse sind gesondert aufzubewahren.

§ 34 Besonders schutzwürdige Daten

(1) Personenbezogene Daten nach § 33 Absatz 1 Satz 1 dürfen die Kreise oder kreisfreien Städte oder die an einem Unterbringungsverfahren beteiligten Stellen für andere Zwecke als die, für welche die Daten erhoben und gespeichert worden sind, nur weiterverarbeiten, wenn
1.
der betroffene Mensch eingewilligt hat,
2.
eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder
3.
eine Lebensgefahr oder eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit nicht anders abgewendet werden kann.
Eine Übermittlung an das Gericht, an die Betreuungsbehörde oder an eine rechtliche Betreuerin oder einen rechtlichen Betreuer, ist darüber hinaus zulässig, soweit dies für eine Unterbringung oder vorläufige Unterbringung nach diesem Gesetz oder für die Betreuung erforderlich ist.
(2) Werden in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Daten übermittelt, hat die datenempfangende Person diese gegen unbefugte Kenntnisnahme zu sichern; hierauf ist sie hinzuweisen.

§ 35 Unterrichtung in besonderen Fällen

Ist aufgrund der Art und Schwere seiner psychischen Störung anzunehmen, dass der betroffene Mensch sich oder andere durch das Führen eines motorisierten Verkehrsmittels oder durch den Umgang mit Waffen gefährden könnte, kann die Leitung des Sozialpsychiatrischen Dienstes oder die ärztliche Leitung des Krankenhauses, in dem der betroffene Mensch untergebracht ist, die zuständige öffentliche Stelle über die getroffenen Feststellungen unterrichten. Dem betroffenen Menschen ist vorher Gelegenheit zu geben, sich zu der Unterrichtung zu äußern; eine Äußerung ist der Unterrichtung beizufügen.

§ 36 Datenlöschung

Die unter dem Namen des betroffenen Menschen gespeicherten personenbezogenen Daten sind zu löschen
1.
von der für die Gewährung von Hilfen zuständigen Stelle spätestens zehn Jahre nach der Beendigung der Gewährung von Hilfen,
2.
von der für die Untersuchung nach § 6 Absatz 3 zuständigen Stelle spätestens zehn Jahre nach der letzten Untersuchung,
3.
von der für die Beantragung oder Anordnung einer Unterbringung zuständigen Stelle spätestens zehn Jahre nach der Beendigung des Unterbringungsverfahrens, sofern die Daten nicht nach Nummer 1 oder Nummer 2 länger aufbewahrt werden dürfen,
4.
von dem Krankenhaus spätestens 15 Jahre nach der Beendigung der Unterbringung.
Ist zu den in Satz 1 genannten Zeitpunkten ein Rechtsstreit anhängig, sind die für den Rechtsstreit benötigten Daten erst nach dessen Beendigung zu löschen.

§ 37 Auskunft, Akteneinsicht

(1) Die Auskunft über die nach diesem Gesetz zum betroffenen Menschen gespeicherten Daten kann im beiderseitigen Einvernehmen mündlich durch eine Ärztin oder einen Arzt erteilt werden; ansonsten werden gebührenfrei Kopien gefertigt. Die Auskunft oder Einsicht kann versagt werden, soweit eine Untersuchung nach § 6 Absatz 4, eine Unterbringung nach § 7 Absatz 1 oder eine vorläufige Unterbringung nach § 11 Absatz 1 wesentlich gefährdet oder Hilfen wesentlich erschwert würden.
(2) Die Mitglieder einer Delegation des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), des Unterausschuss zur Prävention von Folter der Vereinten Nationen (SPT) sowie der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter erhalten während des Besuchs in dem Krankenhaus Einsicht in die vorhandenen Akten des betroffenen Menschen, mit Ausnahme der Therapiegespräche, soweit dies zur Wahrnehmung der Aufgaben des Ausschusses oder der Stelle erforderlich ist.

§ 38 Dokumentations- und Berichtspflicht

(1) Im Rahmen der Unterbringung sind alle Entscheidungen, Maßnahmen, Eingriffe sowie besondere Vorkommnisse und ihre Umstände von dem Krankenhaus zu dokumentieren. Dies gilt insbesondere für
1.
die Aufklärung nach § 12 Absatz 2,
2.
die Behandlungsplanung und die Behandlungsmaßnahmen im Sinne von § 14,
3.
die Beschränkungen hinsichtlich des Schriftwechsel, bei Paketen, Telekommunikation, Besuchen und Religionsausübung nach §§ 16, 19 bis 22,
4.
Art, Beginn und Ende von Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen nach § 27 und von besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 28 sowie die Gründe für ihre Anordnung, die Art der Betreuung und die Maßnahmen, die zur Deeskalation eingeleitet wurden,
5.
die Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme nach § 29,
6.
die Anwendung unmittelbaren Zwangs gemäß § 30,
7.
die Beschränkung der Auskunfts- und Einsichtsrechte,
8.
die Beurlaubung gemäß § 24 unter Angabe von Gründen und
9.
die Beendigung der Unterbringung gemäß § 25.
(2) Die im von der für Gesundheit zuständigen obersten Landesbehörde veröffentlichtem Unterbringungsplan aufgeführten Krankenhäuser berichten den Kreisen und kreisfreien Städten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich jährlich über
1.
die Anzahl und Dauer von Unterbringungen nach diesem Gesetz,
2.
die Anzahl der vorläufigen Unterbringungen nach § 11,
3.
die Art, die Anzahl und die Dauer von besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 28,
4.
die Anzahl der ärztlichen Zwangsmaßnahmen nach § 29.

Teil 5 Kosten

§ 39 Grundsatz

Für die Durchführung dieses Gesetzes erheben die Kreise und kreisfreien Städte keine Kosten.

§ 40 Kosten der Unterbringung

(1) Die Kosten der Unterbringung nach dem Dritten Teil trägt der betroffene Mensch. Für die nach dem Pflegesatzrecht festgesetzten Krankenhauskosten ist der Krankenhausträger Kostengläubiger gegenüber diesem Menschen. Auf Gesetz oder Vertrag beruhende Verpflichtungen Dritter zur Kostentragung, insbesondere von Unterhaltspflichtigen oder Trägern der Sozialversicherung, bleiben unberührt.
(2) Hat der Kreis oder die kreisfreie Stadt die Unterbringung vorläufig vorgenommen, trägt er oder sie die Kosten der Unterbringung, wenn das Gericht die Unterbringung nicht anordnet, weil sie zum Zeitpunkt der Anordnung nicht erforderlich war.

§ 41 Bedürftigkeit des betroffenen Menschen

Soweit der betroffene Mensch bei freiwilligem Aufenthalt in einem Krankenhaus Anspruch auf Sozialhilfe hätte, sind in den Fällen der Unterbringung nach dem Dritten Teil vom Träger der Sozialhilfe Leistungen in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren.

Teil 6 Übergangs- und Schlussvorschriften

§ 42 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden im Rahmen des Artikels 19 Absatz 2 des Grundgesetzes die Rechte
1.
auf körperliche Unversehrtheit und auf Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes),
2.
auf ungestörte Religionsausübung (Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes),
3.
auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) und
4.
auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 43 Verordnungsermächtigungen

Die für Gesundheit zuständige oberste Landesbehörde wird ermächtigt, durch Verordnung
1.
die Qualifikationsanforderungen für die Leitung des Sozialpsychiatrischen Dienstes festzulegen,
2.
zu bestimmen,
a)
welche weiteren Anforderungen die ärztliche Stellungnahme nach § 8 Absatz 2 erfüllen muss,
b)
welche Qualifikation Verfasserinnen und Verfasser ärztlicher Stellungnahmen haben müssen und
c)
dass die örtlichen Träger der Sozialhilfe Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 41 durchführen.

§ 44 Übergangsvorschriften

(1) Bis zum 31. Dezember 2026 ist § 28 Absatz 2 und Absatz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass besondere Sicherungsmaßnahmen auch dann angeordnet werden können, wenn und soweit mildere Mittel aufgrund der baulichen Situation in dem Krankenhaus nicht zur Verfügung stehen.
(2) Der erste Berichtszeitraum im Sinne des § 38 Absatz 2 beginnt am 1. Januar 2022. In dieser Übergangzeit sind die Voraussetzungen für die Datenerhebung anhand einheitlicher definitorischer Merkmale zu schaffen. Für die ersten beiden Berichtsjahre ist die Berichterstattung quartalsweise vorzunehmen.

§ 45 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Psychisch-Kranken-Gesetz vom 14. Januar 2000 (GVOBl. Schl.-H. S. 106, ber. S. 206)
*)
, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Mai 2018 (GVOBl. Schl.-H. S. 162), außer Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Kiel, 11. Dezember 2020
Daniel Günther Dr. Heiner Garg
Ministerpräsident Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren
Fußnoten
*)
GS Schl.-H. II, Gl.Nr. 2126-10
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