Unfallfürsorge für Gefangene
1.
Gefangenen, die während einer Freiheitsentziehung im Bereich der Justizverwaltung einen Unfall erleiden, der nicht Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) ist, kann eine Billigkeitsentschädigung gewährt werden, wenn der Unfall in den besonderen Verhältnissen der Freiheitsentziehung begründet ist. Dies gilt nicht, wenn ein Schadensersatzanspruch gegen das Land oder ein realisierbarer Schadensersatzanspruch gegen Dritte besteht. Die Gewährung einer Billigkeitsentschädigung ist auch ausgeschlossen, wenn der Gefangene den Unfall schuldhaft herbeigeführt oder durch eigenes Verschulden mit verursacht hat; ausnahmsweise kann auch in diesen Fällen eine Billigkeitsentschädigung gewährt werden, wenn die Gesamtumstände des Falles dies rechtfertigen.
2.
Die Entschädigung darf die Leistungen nicht übersteigen, die der Gefangene oder seine Hinterbliebenen erhalten würden, wenn es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt hätte.
3.
Billigkeitsentschädigungen werden nur widerruflich und jeweils für die Dauer von höchstens drei Jahren bewilligt.
4.
Jeder Unfall, den ein Gefangener außerhalb der Arbeit erleidet, ist alsbald zu untersuchen.
4.1
Die Untersuchung obliegt dem Anstaltsleiter. Er kann sie einem Bediensteten, der nicht mit der unmittelbaren Beaufsichtigung des Gefangenen betraut war, übertragen.
4.2
Die Untersuchung soll Hergang und Ursache des Unfalls möglichst genau aufklären. Das Ergebnis ist schriftlich festzuhalten. Eine Unfallanzeige ist zu den Akten zu bringen. Der Anstaltsarzt hat den Befund festzustellen.
4.3
Die Erklärungen von Personen, die zu dem Unfall vernommen werden, sind schriftlich niederzulegen.
4.4
Die Untersuchung hat sich insbesondere darauf zu erstrecken,
4.4.1
ob der Gefangene den Unfall - z.B. durch Verstoß gegen Vollzugsvorschriften - schuldhaft herbeigeführt oder durch eigenes Verschulden mit verursacht hat,
4.4.2
ob die Erwerbsfähigkeit des Gefangenen zur Zeit des Unfalls bereits voll oder teilweise gemindert war, gegebenenfalls in welchem Grade,
4.4.3
ob die Erwerbsfähigkeit des Gefangenen infolge des Unfalls voll oder teilweise gemindert worden ist, gegebenenfalls in welchem Grade und voraussichtlich für welche Zeit,
4.4.4
in welcher Höhe dem Gefangenen zur Zeit des Unfalls ein Arbeitsentgelt oder eine Ausbildungsbeihilfe gutgeschrieben worden ist oder ohne den Unfall gutgeschrieben worden wäre,
4.4.5
ob der Gefangene gegen Krankheit versichert ist.
4.5
Bei einem Unfall mit Todesfolge ist außerdem festzustellen, ob Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Gefangene zum Unterhalt seiner Angehörigen nicht beigetragen hätte, wenn er auf freiem Fuß geblieben wäre. Die Feststellungen haben sich auch darauf zu erstrecken, ob der Ehegatte des Gefangenen sich vor dessen Inhaftierung ohne gesetzlichen Grund seit mindestens einem Jahr von der häuslichen Gemeinschaft ferngehalten und ohne Beihilfe des Gefangenen seinen Lebensunterhalt gefunden hat.
5.
Der Anstaltsleiter berichtet über das Ergebnis der Untersuchung dem Generalstaatsanwalt in München unter Beifügung der Unfallvorgänge und der Gefangenenpersonalakten, wenn
5.1
der Unfall den Tod des Gefangenen zur Folge hatte,
5.2
die Verletzung voraussichtlich den Verlust der Erwerbsfähigkeit oder eine dauernde Erwerbsminderung zur Folge haben wird,
5.3
ein Transportunfall vorliegt,
5.4
es sonst aus besonderen Gründen angezeigt erscheint.
6.
Über die Gewährung oder Ablehnung von Billigkeitsentschädigungen entscheidet der Generalstaatsanwalt in München. Zur Vorbereitung seiner Entscheidung kann er die Bayerische Landesunfallkasse um eine Stellungnahme ersuchen.
7.
Die Auszahlung und der rechnungsmäßige Nachweis der Billigkeitsentschädigungen obliegen der Landesjustizkasse Bamberg.
8.
Der Gefangene kann über eine Billigkeitsentschädigung wie über das Arbeitsentgelt oder die Ausbildungsbeihilfe (§§ 43, 44, 176, 177 StVollzG) verfügen.
9.
Über Beschwerden gegen die Ablehnung von Billigkeitsentschädigungen entscheidet das Staatsministerium der Justiz.
10.
Diese Bekanntmachung tritt am 1. Juni 2006 in Kraft. Mit Ablauf des 31. Mai 2006 tritt die Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz, der Finanzen und für Arbeit und Sozialordnung vom 19. Oktober 1982 (JMBl S. 260) außer Kraft.
Bayerisches Staatsministerium
der Justiz
Klotz
Ministerialdirektor
Bayerisches Staatsministerium
der Finanzen
Weigert
Ministerialdirektor
Bayerisches Staatsministerium
für Arbeit und Sozialordnung,
Familie und Frauen
Seitz
Ministerialdirektor
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