VVöA
DE - Landesrecht Bayern

VVöA: Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen

1.  Staatliche Aufträge

1.1  Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung

Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in ihrer jeweiligen Fassung ist von allen staatlichen Auftraggebern nach Maßgabe dieser Verwaltungsvorschrift anzuwenden, sofern der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte gemäß § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterschreitet.

1.2  Wertgrenze für den Direktauftrag

§ 14 UVgO findet mit der Maßgabe Anwendung, dass ein Direktauftrag bis zu einer Wertgrenze von 5 000 € ohne Umsatzsteuer zulässig ist.

1.3  Wertgrenze für die Verhandlungsvergabe und die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb

¹Die Wertgrenze für die Verhandlungsvergabe nach § 8 Abs. 4 Nr. 17 Halbsatz 1 UVgO wird auf 100 000 € ohne Umsatzsteuer festgesetzt. ²Über § 8 Abs. 3 UVgO hinaus können Aufträge bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100 000 € ohne Umsatzsteuer im Wege der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden. ³Auf die Veröffentlichungspflicht nach § 30 Abs. 1 UVgO wird hingewiesen.

1.4  Präqualifizierung

Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern führt für Bayern ein amtliches Verzeichnis für präqualifizierte Unternehmen aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich nach § 35 Abs. 6 UVgO.

1.5  Elektronische Kommunikation

¹Die elektronische Kommunikation einschließlich Angebotsabgabe kann bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen per E-Mail erfolgen, wenn eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird. ²§ 7 Abs. 4, § 39 Satz 1 und § 40 UVgO finden hierauf keine Anwendung. ³Der Auftraggeber hat durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Manipulationsmöglichkeiten verhindert werden (z. B. durch Einrichtung einer Funktions-E-Mail Adresse für die Angebotseinreichung, auf die nur Beschäftigte Zugriff haben, die nicht der Bedarfsstelle angehören).

1.6  Wertgrenzen für den Direktauftrag, die Freihändige Vergabe und die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bei Bauleistungen

¹ § 3a Abs. 4 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) findet mit der Maßgabe Anwendung, dass ein Direktauftrag bis zu einer Wertgrenze von 10 000 € ohne Umsatzsteuer zulässig ist. ²Die Wertgrenze für die Freihändige Vergabe nach § 3a Abs. 3 VOB/A wird auf 100 000 € ohne Umsatzsteuer festgesetzt. ³Die Wertgrenzen für die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A werden generell auf 1 000 000 € ohne Umsatzsteuer festgesetzt. ⁴Auf die Veröffentlichungspflicht nach § 20 Abs. 4 VOB/A wird hingewiesen.

1.7  Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer; Mindestarbeitsbedingungen

Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen oberhalb der Grenze für den Direktauftrag ist in den Vergabeunterlagen durch alle staatlichen Auftraggeber eine Klausel aufzunehmen, die den Auftragnehmer ausdrücklich dazu verpflichtet, bei der Ausführung des Auftrags alle für ihn geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere
– den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag, einer nach den §§ 7, 7a oder 11 AEntG oder § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden, und
– gemäß § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, § 3 Abs.1 des Entgelttransparenzgesetzes und § 2 Nr. 7 AEntG gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu bezahlen.

1.8  Vergabe von freiberuflichen Leistungen

Diese Nummer gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen von freiberuflichen Leistungen gemäß § 50 UVgO durch alle staatlichen Auftraggeber unterhalb der EU-Schwellenwerte.

1.8.1 

Für die Vergabe von freiberuflichen Leistungen findet § 14 UVgO mit der Maßgabe Anwendung, dass ein Direktauftrag bis zu einer Wertgrenze von 10 000 € ohne Umsatzsteuer zulässig ist.

1.8.2 

¹Aufträge für freiberufliche Leistungen können unter Beachtung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bis zu einem geschätzten Auftragswert von 50.000 € ohne Umsatzsteuer nach Verhandlung mit nur einem geeigneten Bewerber vergeben werden. ²Bei der Ermittlung des Auftragswertes ist grundsätzlich die ortsübliche Vergütung zugrunde zu legen. ³Die Bewerber sind regelmäßig zu wechseln. ⁴Sofern das eingeholte Angebot den Wert von 50.000 € ohne Umsatzsteuer übersteigt oder um mehr als 20 % über dem geschätzten Auftragswert liegt, sind mindestens zwei weitere geeignete Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufzufordern und der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. ⁵Das Verfahren ist zu dokumentieren.

1.9  Vorübergehende Erhöhung der Wertgrenzen

Bei allen Beschaffungen, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 eingeleitet werden, dürfen
– abweichend von Nr. 1.2 und Nr. 1.6 Satz 1 Beschaffungen bis zu einer Wertgrenze in Höhe von 25 000 € ohne Umsatzsteuer durch Direktauftrag durchgeführt werden und
– abweichend von Nr. 1.3 Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb des jeweiligen Schwellenwertes gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GWB im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb oder im Wege der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden.

2.  Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie von Existenzgründungen

Diese Nummer gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen durch alle staatlichen Auftraggeber unterhalb der EU-Schwellenwerte.

2.1 

Für die Beurteilung der Zugehörigkeit eines Unternehmens zum Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) findet die Empfehlung 2003/361/EG entsprechend Anwendung.

2.2 

Bei Beschränkter Ausschreibung, Freihändiger Vergabe und Verhandlungsvergabe sind, sofern kein Teilnahmewettbewerb erfolgt, regelmäßig auch KMU und Existenzgründungen in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern.

2.3 

¹Bei Aufträgen mit Nachunternehmerleistungen ist in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen, dass der Auftragnehmer bei der Einholung von Angeboten regelmäßig KMU und Existenzgründungen angemessen beteiligen soll. ²Die Bestimmungen des § 4 Abs. 8 Nr. 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B und des § 4 Nr. 4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) bleiben unberührt. ³Außerdem ist der Auftragnehmer in den Ausschreibungsunterlagen zu verpflichten, bei jeder Unterbeauftragung die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B oder die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen zum Vertragsbestandteil zu machen und dem Nachunternehmer keine davon abweichenden, ungünstigeren Regelungen aufzuerlegen.

2.4 

Werden Aufträge an ausländische Firmen vergeben oder ausländische Firmen als Nachunternehmer beteiligt, ist vor dem Zuschlag oder der Beteiligung des Nachunternehmers der Nachweis zu verlangen, dass das zuständige Arbeitsamt den ausländischen Arbeitnehmern die Arbeitserlaubnis erteilt, soweit nicht aufgrund der Freizügigkeitsbestimmungen in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum die Arbeitserlaubnispflicht entfällt.

2.5 

¹Die Vergabe von Bauleistungen an Generalübernehmer ist nicht zulässig. ²Generalübernehmer sind solche Unternehmen, die Bauleistungen in Auftrag nehmen, ohne sich gewerbsmäßig mit der Ausführung von Bauleistungen zu befassen.

2.6 

Bei Bauleistungen ist in den Ausschreibungsunterlagen vorzuschreiben, dass Nachunternehmer fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig sein müssen und ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Sozialabgaben nachgekommen sein und die gewerberechtlichen Voraussetzungen erfüllen müssen.

2.7 

Das Auftragsberatungszentrum Bayern e. V. benennt für Lieferungen und Leistungen, ausgenommen Bauleistungen, unentgeltlich geeignete KMU.

3.  Berücksichtigung bevorzugter Bieter

Diese Nummer gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen durch alle staatlichen Auftraggeber unterhalb der EU-Schwellenwerte.

3.1 

¹Bei der Vergabe von Aufträgen sind Werkstätten für behinderte Menschen, Inklusionsbetriebe und anerkannte Blindenwerkstätten als bevorzugte Bieter zu berücksichtigen. ²Das Auftragsberatungszentrum Bayern e. V. benennt unentgeltlich bevorzugte Bieter.

3.2 

Inländische Bieter führen den Nachweis der Eigenschaft als
– Werkstatt für behinderte Menschen durch Vorlage der von der Bundesagentur für Arbeit ausgesprochenen Anerkennung nach § 225 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX),
– Blindenwerkstätte durch Vorlage der Anerkennung im Sinn der §§ 5 und 13 des Blindenwarenvertriebsgesetzes,
– Inklusionsbetriebe durch Abgabe einer Eigenerklärung, in der das Vorliegen der Voraussetzungen des § 215 SGB IX dargelegt wird.

3.3 

¹Ausländische Bieter führen die Nachweise nach Nr. 3.2 Spiegelstrich 1 und 2 durch Vorlage einer den dort genannten Bescheinigungen gleichwertigen Anerkennungsurkunde des Herkunftslandes. ²Wenn eine solche Urkunde nicht ausgestellt wird, kann der Nachweis durch eine eidesstattliche Erklärung oder eine förmliche Erklärung vor einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, einem Notar oder einer dafür qualifizierten Berufsorganisation des Herkunftslands geführt werden. ³Für ausländische Inklusionsbetriebe gilt Nr. 3.2 Spiegelstrich 3 entsprechend.

3.4 

Die bevorzugte Berücksichtigung erfolgt auf folgende Weise:

3.4.1 

Bei Beschränkter Ausschreibung, Freihändiger Vergabe und Verhandlungsvergabe sind, sofern kein Teilnahmewettbewerb erfolgt, regelmäßig auch bevorzugte Bieter in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe mit aufzufordern.

3.4.2 

¹Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten wird der von einem bevorzugten Bieter angebotene Preis mit einem Abschlag von 10 % gewertet. ²Falls das Angebot von einer Bietergemeinschaft abgegeben wird, ist der Ermittlung des Abschlags auf den Preis nur derjenige Anteil zugrunde zu legen, den bevorzugte Bieter an dem Gesamtangebot der Bietergemeinschaft haben. ³Ist das Angebot eines bevorzugten Bieters ebenso wirtschaftlich wie das eines sonstigen Bieters, so ist dem bevorzugten Bieter der Zuschlag zu erteilen. ⁴Diese Regelungen der Sätze 1 bis 3 sind in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen anzugeben.

3.4.3 

Auf die Regelung zu vorbehaltenen Aufträgen nach § 1 Abs. 3 UVgO in Verbindung mit § 118 GWB wird hingewiesen.

4.  Zusätzlich zu beachtende Regelungen

Folgende Regelungen sind von allen staatlichen Auftraggebern bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden:
– Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen (öAUmwR)
vom 28. April 2009 (AllMBl. S. 163, StAnz. Nr. 19),
– Korruptionsbekämpfungsrichtlinie (KorruR)
vom 13. April 2004 (AllMBl. S. 87, StAnz. Nr. 17),
– Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung zum öffentlichen Auftragswesen – Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit vom 29. April 2008 (AllMBl. S. 322, StAnz. Nr. 20),
– Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über das öffentliche Auftragswesen – Scientology-Organisation; Verwendung von Schutzerklärungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 29. Oktober 1996 (AllMBl. S. 701, StAnz. Nr. 44).

5.  Übergangsvorschrift

Für vor dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung begonnene Vergabeverfahren finden die Vergabebestimmungen Anwendung, die zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens galten.

6.  Inkrafttreten, Außerkrafttreten

6.1 

Diese Bekanntmachung tritt am 26. März 2020 in Kraft.

6.2 

Mit Ablauf des 25. März 2020 tritt die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über eine Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen vom 14. November 2017 (AllMBl. 2017 S. 507) außer Kraft.

6.3 

Mit Ablauf des 31. Dezember 2023 tritt Nr. 1.9 dieser Bekanntmachung außer Kraft.
Dr. Markus Söder
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