Richtlinie zum Vollzug des § 27 BJagdG zur Verhinderung übermässigen Wildschadens durch Schalenwild
DE - Landesrecht Bayern

Richtlinie zum Vollzug des § 27 BJagdG zur Verhinderung übermässigen Wildschadens durch Schalenwild

Nach § 27 Abs. 1 BJagdG kann die zuständige Behörde anordnen, dass der Jagdausübungsberechtigte unabhängig von den Schonzeiten innerhalb einer bestimmten Frist in bestimmtem Umfang den Wildbestand zu verringern hat, wenn dies mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl, insbesondere auf die Interessen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, notwendig ist.

1. 

Die Bestimmung des § 27 BJagdG bezieht sich nicht nur auf Schadwild im Sinn von § 29 BJagdG, also Schalenwild, Wildkaninchen und Fasanen, sondern auf alle Wildarten, die Wildschäden verursachen. Der Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt sich aber auf Schalenwild, vor allem auf Rot- und Schwarzwild.

2. 

§ 27 BJagdG räumt als Kannvorschrift der zuständigen Behörde Ermessen ein. Dies bedeutet, dass das Handeln der Behörde nicht schon durch die Rechtsvorschrift eindeutig und abschließend vorgezeichnet und determiniert ist, sondern, dass die Behörde einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Entscheidung hat. Dabei bezieht sich das Ermessen auf die Frage des „Ob“ und auf die des „Wie“ des Handelns der Behörde.

2.1 

Die Behörde hat im Rahmen der Abwägung alle typischen Gesichtspunkte (Tatsachen, Belange, Einwendungen, Möglichkeiten der Kompensation von Nachteilen durch Auflagen usw.) miteinzubeziehen, die nach Lage der Dinge für die Entscheidung Bedeutung haben oder haben können. Insbesondere sind bei der zu treffenden Ermessensentscheidung die wirtschaftlichen Interessen der durch Wildschäden Betroffenen und die Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege sowie des Tierschutzes gegenseitig abzuwägen.

2.2 

In den Setzzeiten dürfen bis zum Selbständigwerden der Jungtiere die für die Aufzucht notwendigen Elterntiere nicht zur Bejagung freigegeben werden (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 1 BJagdG). Einzelanordnungen auf führendes Mutterwild vor der Jagdzeit sind deshalb nicht möglich. Vor den Setzzeiten ist bei Abschussanordnungen für trächtiges Wild den tierschützerischen Belangen im Rahmen der Ermessensentscheidung ausreichend Rechnung zu tragen.

3. 

§ 27 Abs. 1 BJagdG erfordert eine notstandsähnliche Situation für die von Wildschäden bedrohten Wirtschaftsbereiche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die mit normalen und zumutbaren Möglichkeiten nicht zu meistern ist und Abhilfe durch außerordentliche Maßnahmen verlangt. Eine notstandsähnliche Situation kann etwa vorliegen,
– wenn trotz der Durchführung fachgerechter Schutzmaßnahmen in einem Waldgebiet die Realisierung der waldbaulich notwendigen und standortgemäßen Verjüngungs- und Bestockungsziele durch Wildschäden verhindert oder maßgeblich negativ beeinträchtigt wird oder weitere schwerwiegende Wildschäden zu befürchten sind,
– wenn unerwartet eine im Verhältnis zur Äsungs- und Fütterungskapazität eines Gebietes zu große Zahl von Schalenwild massiert auftritt, so dass irreparable Vegetationsschäden größeren Ausmaßes in diesem Gebiet zu befürchten sind,
– wenn zur Sanierung der Schutzwälder (Art. 10 BayWaldG) eine rasche Anpassung der Schalenwildbestände an die landeskulturellen Verhältnisse erforderlich und diese bei Ausschöpfung der normalen und zumutbaren Möglichkeiten innerhalb der festgesetzten Jagdzeiten nicht möglich ist.

4. 

„Notwendig“ ist eine Einzelmaßnahme nach § 27 Abs. 1 BJagdG nur dann, wenn zur Erreichung des Zwecks weniger einschneidende, zumutbare Mittel nicht zur Verfügung stehen. Die Anwendung des § 27 lediglich zur Erfüllung des Abschussplans ist ausgeschlossen.

4.1 

In aller Regel hat bei abschussplanpflichtigen Wildarten die Regulierung im Rahmen des Abschussplanes, bei sonstigen Wildarten innerhalb der festgesetzten Jagdzeiten zu erfolgen. Der Revierinhaber ist gesetzlich verpflichtet, den Abschussplan für Schalenwild zu erfüllen. Die Jagdbehörde trifft die zur Erfüllung des Abschussplans erforderlichen Anordnungen und kann diese ggf. mit dem Zwangsmittel der Ersatzvornahme ohne die Einschränkung des Art. 32 Satz 2 VwZVG vollstrecken (Art. 32 Abs. 2 BayJG).

4.2 

Nach § 27 Abs. 1 BJagdG angeordnete Abschüsse sind auf den Abschussplan des laufenden Jagdjahres anzurechnen. Das gilt entsprechend für die Anrechnung der Abschüsse auf den Dreijahresabschussplan bei Rehwild. Ist der Abschussplan erfüllt, so findet eine Anrechnung auf den Abschussplan des nächsten Jagdjahres/der nächsten 3 Jagdjahre nicht statt.

4.3 

Dem Geschädigten dürfen andere zumutbare Maßnahmen zur Wildschadensverhütung (§§ 26, 32 Abs. 2 BJagdG) nicht zur Verfügung stehen.

5.

Die sachliche Zuständigkeit der unteren Jagdbehörden ergibt sich aus Art. 52 Abs. 3 BayJG. Für Verwaltungsjagdreviere der Bayerischen Staatsforstverwaltung sind die höheren Forstbehörden zuständig, für verpachtete Staatsjagdreviere der Staatsforstverwaltung und für sonstige Staatsjagdreviere (= Jagdreviere anderer staatlicher Verwaltungen des Freistaates Bayern) die unteren Forstbehörden (Art. 9 und 54 BayJG i. Verb. mit Nr. 27 – 1. und der Anlage 1 der JNA).

5.1

Anordnungen nach § 27 Abs. 1 BJagdG ergehen von Amts wegen. „Anträge“ von geschädigten Grundeigentümern sind nur Anregungen; Ausnahme: Art. 44 BayJG, der einen besonderen Anwendungsfall des § 27 BJagdG gesetzlich regelt und insoweit dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten ein Antragsrecht einräumt. Anregungen und Anträge von Betroffenen sind unverzüglich zu bearbeiten. Die Behörde muss bei der Entscheidung davon überzeugt sein, dass die oben unter Ziffern 3 und 4 aufgeführten Voraussetzungen vorliegen. Dabei soll sie in aller Regel Ortseinsicht nehmen, in der die betroffenen Grundeigentümer und Jagdausübungsberechtigten zum Zwecke der Anhörung zu verständigen sind und ggf. die Stellungnahme des Jagdberaters bei der unteren Jagdbehörde einholen.

5.2

Die Beteiligung des Jagdbeirats bei der unteren Jagdbehörde soll wegen der dadurch möglicherweise eintretenden zeitlichen Verzögerung nur in den Fällen erfolgen, in denen in einem Bescheid eine größere Anzahl von Wild zur Bejagung freigegeben werden soll oder der Angelegenheit wegen der Vielzahl gleichgelagerter Fälle grundsätzlich Bedeutung zukommt.

5.3

Die Anordnungen sind zeitlich zu befristen, müssen sich auf ein bestimmtes Jagdrevier oder einen Revierteil beziehen und haben Zahl, Art und Geschlecht, ggf. auch Alter, Güte- und Stärkeklasse zu bezeichnen.

5.4

Bei Anordnungen haben sich die zuständigen Jagd- und Forstbehörden gegenseitig zu unterrichten.

6. 

Die Anordnungen sind mit der gleichzeitigen schriftlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Androhung der Ersatzvornahme nach fruchtlosem Fristablauf dem Jagdausübungsberechtigten schnellstmöglich zuzustellen. In der Anordnung ist, soweit die Vorschriften über die Erfüllung des Abschussplanes nicht zur Anwendung kommen, durch Auflage sicherzustellen, dass über getätigte Abschüsse innerhalb einer angemessenen Frist eine Meldung erstellt, ggf. der körperliche Nachweis geführt wird.

7.  Schlussvorschrift

Diese Richtlinie tritt am 1. Oktober 1987 in Kraft. Gleichzeitig wird die LMBek. vom 4. März 1969 Nr. J-5078/519 aufgehoben.
I. A.
Schuh
Ministerialdirektor
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