Staatsvertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Freistaat Bayern über die Entnahme von Wasser aus der Donau und die Zusammenarbeit bei wasserwirtschaftlich bedeutsamen Vorhaben vom 13. Mai/1. Juni 1970 (§§ 1–9)
Das Land Baden-Württemberg,
vertreten durch den Ministerpräsidenten,
und
der Freistaat Bayern,
vertreten durch den Bayerischen Ministerpräsidenten,
schließen über die beabsichtigte Entnahme von Wasser aus der Donau bei Leipheim durch den Zweckverband Landeswasserversorgung in Stuttgart und über die Zusammenarbeit bei wasserwirtschaftlich bedeutsamen Vorhaben folgenden
§ 1 Vorhaben
(1) Der Zweckverband Landeswasserversorgung in Stuttgart (Landeswasserversorgung) fördert in der Donauniederung nördlich und nordwestlich der Donaustrecke Leipheim-Gundremmingen auf baden-württembergischem Gebiet bis zu 2 500 l/s Grundwasser in den beiden Werken Niederstotzingen und Schotthof.
(2) ¹Die Landeswasserversorgung beabsichtigt, die Leistung ihrer Anlagen in der Donauniederung wesentlich zu erweitern, um ihre Versorgungsaufgabe ausreichend erfüllen zu können. ²Dazu sollen aus der Donau und deren linkem Entwässerungsgraben auf bayerischem Gebiet bei Fluß-km 20 + 080 (alt) = Fluß-km 2 567 + 920 (international) in der Gemarkung Leipheim, Landkreis Günzburg, im Endzustand bis zu 4 000 l/s Wasser entnommen, auf badenwürttembergisches Gebiet abgeleitet, aufbereitet und nach Maßgabe der Regelung des § 3 als Trinkwasser genutzt werden. ³Zunächst wird die Entnahme von Donauwasser auf 2 300 l/s beschränkt. ⁴Die Landeswasserversorgung wird bevorzugt die für sie verfügbaren Grundwasservorkommen nutzen.
§ 2 Zustimmung des Freistaates Bayern
¹Der Freistaat Bayern stimmt der von der Landeswasserversorgung beabsichtigten Wasserentnahme aus der Donau bei Leipheim für Zwecke der öffentlichen Wasserversorgung nach Maßgabe dieses Vertrags und der ihm beigefügten Anlagen
Beschreibung der Gewinnung von Trinkwasser durch Entnahme von Flußwasser aus der Donau bei Leipheim vom 1. Juli 1967 (Anlage 1)
Übersichtslageplan Maßstab 1:50 000 vom 1. Juli 1967 (Anlage 2)
Lageplan Maßstab 1:5 000 vom 1. Juli 1967 (Anlage 3)
Skizze der Meß- und Registriervorrichtung vom 1 .Juli 1967 (Anlage 4)
unter Vorbehalt des Ergebnisses der wasserrechtlichen Prüfung und Verbescheidung des Vorhabens, insbesondere auch der von den Beteiligten erhobenen Einwendungen zu. ²Der Freistaat Bayern legt dabei zugrunde, daß die Wasserentnahme im Interesse des Wohls der Allgemeinheit liegt und mit Rücksicht auf die festgelegten Ausgleichsmaßnahmen im Hinblick auf die übrigen Belange des Wohls der Allgemeinheit gemeinverträglich ist.
§ 3 Umfang und Dauer der Wasserentnahme
(1) Das Wasser wird wie folgt entnommen:
Die Entnahme aus der Donau wird vorerst auf maximal 2 300 l/s begrenzt. Dabei dürfen aus dem Einzugsgebiet der Donau im täglichen Mittel nicht mehr als 2 000 l/s abgeleitet werden. Voraussetzung für die Entnahme ist, daß Ausgleichsmaßnahmen nach § 4 getroffen sind.
Sobald der Speicherraum betriebsbereit ist (vgl. § 4), wird die Entnahme aus der Donau auf maximal 4 000 l/s begrenzt. Davon dürfen aus dem Einzugsgebiet der Donau im täglichen Mittel nicht mehr als 3 300 l/s abgeleitet werden.
(2) ¹Mit der Wasserentnahme aus der Donau kann im Jahr 1973 begonnen werden. ²Die Dauer der Gewässerbenutzung wird ab ihrem Beginn auf 60 Jahre festgelegt. ³Wünscht das Land Baden-Württemberg, daß die Wasserbenutzung fortgesetzt wird, so werden die vertragschließenden Länder rechtzeitig vor Ablauf der Frist über eine Verlängerung verhandeln.
§ 4 Ausgleich der Wasserentnahme
(1) ¹Als Voraussetzung für die Zustimmung des Freistaates Bayern gemäß § 2 müssen
ab dem Jahr 1981 die Entnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 durch Umleitung des zum Rheineinzugsgebiet versikkernden Wassers oder durch entsprechenden Speicherraum auf baden-württembergischem Gebiet ausgeglichen werden,
eine Entnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 durch einen Speicher in der Größe von 30 Mio m³ auf baden-württembergischem Gebiet ausgeglichen werden – wobei auf den Speicherraum eine Umleitung versickernden Wassers angerechnet wird –,
um während der Niedrigwasserzeiten in der Donau – Unterschreiten eines Niedrigwasserabflusses in der Donau von 48 m³/s am Pegel Neu-Ulm, Bad Held – die Wasserableitung aus dem Einzugsgebiet der Donau zu ersetzen; sollte die über 2 300 l/s hinausgehende Wasserentnahme durch Entnahmen aus dem Grundwasser im Illertal ersetzt werden, so wird Baden-Württemberg Maßnahmen ergreifen, um etwaige nachteilige Auswirkungen auf das Gebiet des Freistaates Bayern in Niedrigwasserzeiten angemessen ausgleichen zu können. ²Die Größe des bereitzustellenden Speicherraums kann so lange und in dem Verhältnis vermindert werden, als die Wasserentnahme aus der Donau auf Grund der Festlegungen im wasserrechtlichen Verfahren hinter dem Umfang nach § 3 Abs. 1 zurückbleibt.
(2) ¹Der Freistaat Bayern wird der Landeswasserversorgung im wasserrechtlichen Verfahren die Auflage zur Erfüllung der Forderung des Absatzes 1 machen. ²Das Land Baden-Württemberg stimmt dem zu.
(3) Das Land Baden-Württemberg sorgt dafür, daß die Forderung des Absatzes 1 erfüllt wird.
(4) ¹Betrieb und Bewirtschaftung des Speicherraums oder der Umleitungsmaßnahmen werden einvernehmlich zwischen dem Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg und dem Bayerischen Staatsministerium des Innern festgelegt. ²Das Ersatzwasser muß, von unvermeidlichen Laufwegverlusten abgesehen, ungeschmälert an der Landesgrenze zur Verfügung stehen.
(5) ¹Sollte die Wasserentnahme nach 60 Jahren nicht fortgesetzt werden, so werden sich das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Bayern über die weitere Verwendung des Speicherraumes verständigen. ²Ist das Land Baden-Württemberg bereit, den Speicherraum weiterhin unter Beachtung des Absatzes 4 zum Zweck der Niedrigwasseraufbesserung der Donau vorzuhalten, so ist der Freistaat Bayern zu seiner finanziellen Ablösung bereit.
(6) Die Landeswasserversorgung wird die Wasserentnahme (§ 3 Abs. 1) während der Niedrigwasserzeiten in der Donau (Absatz 1) nach den Möglichkeiten des innerbetrieblichen Ausgleichs und des Verbundes mit anderen Fernwasserversorgungen herabsetzen.
(7) Im Hinblick darauf, daß ein Ausgleich nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 nicht oder nicht vollständig möglich ist, gilt dieser Ausgleich auch als dadurch erbracht, daß das Land Baden-Württemberg neben der Umleitung des zum Rheineinzugsgebiet versickernden Wassers folgende Ausgleichsmaßnahmen sicherstellt:
Verbesserung der Wasserführung im Flußbett der Iller unterhalb des Wehres Mooshausen (Flußkilometer 52,925)
Es wird die im „Sonderuntersuchungsprogramm Iller“ vorgeschlagene Mindestwassermenge von durchschnittlich 5,6 m³/s belassen und zusätzlich um weitere 18 Mio. m³/Jahr erhöht, um eine jahresdurchschnittliche Mindestwasserabgabe von insgesamt 6,18 m³/s zu erreichen, die jahreszeitlich entsprechend dem Sonderuntersuchungsprogramm zu staffeln ist. Ferner wird das aus dem Rottachspeicher in Niedrigwasserzeiten (§ 4 Abs. 1) zur Aufbesserung der donau abgegebene Wasser im Flußbett der Iller belassen.
Das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Bayern werden, soweit erforderlich, die Durchführung der erforderlichen wasserrechtlichen Verfahren sicherstellen. Das Land Baden-Württemberg trägt die Kosten für die Ansprüche der Wasserkraftunternehmen, die sich aus der Erhöhung der Wassermengen im Flußbett der Iller ergeben.
Verbesserung des Wasser- und Naturhaushalts im schwäbischen Donaumoos
Zur Verbesserung des Wasser- und Naturhaushalts im schwäbischen Donaumoos, das auch Teil des international bedeutsamen Feuchtgebiets „Donauaue und Donaumoos“ ist, sind eine Wasserzuleitung in diese Moosgebiete und sonstige geeignete Verbesserungsmaßnahmen vorgesehen. Das Land Baden-Württemberg wird hierfür an den Bayerischen Naturschutzfonds einen Ausgleichsbetrag von 20 Millionen Deutsche Mark leisten, der zweckgebunden im genannten Bereich zu verwenden ist. Der Ausgleichsbetrag wird in vier gleichen Raten bezahlt, die erste einen Monat nach Hinterlegung des Staatsvertrags und die folgenden Raten jeweils am 2. Januar 1993, 1994 und 1995. Das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Bayern werden die erforderlichen Maßnahmen miteinander abstimmen und sich hierbei gegenseitig, insbesondere bei erforderlichen Verwaltungsverfahren, unterstützen.
Diese Ausgleichsmaßnahmen werden auf den Speicherraum nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 mit 18 Mio. m³ angerechnet. Der Freistaat Bayern wird die der Landeswasserversorgung erteilte Bewilligung zur Wasserentnahme aus der Donau bei Leipheim entsprechend dieser Regelung ergänzen. Das Land Baden-Württemberg stimmt dem zu.
§ 5 Meß- und Registriervorrichtungen
¹Zur Überwachung des Umfangs der Wasserentnahme (§ 3) sind geeignete Meß- und Registriervorrichtungen für die Entnahme aus der Donau und die Gesamtableitung aus dem Einzugsgebiet der Donau einzurichten, zu betreiben und die Registrierergebnisse dem Wasserwirtschaftsamt Krumbach zu übersenden. ²Dies gilt sinngemäß auch für Wasserentnahmen und Umleitungsmaßnahmen nach § 4 Abs. 1 sowie für Meßeinrichtungen zum Nachweis der Wassermengen im Sinn des § 4 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 unterhalb des Wehres Mooshausen.
§ 6 Besondere Pflichten
Das Land Baden-Württemberg sorgt dafür, daß
die Anlagen nach § 4 Abs. 1 nach den Weisungen des Ministeriums für Umwelt Baden-Württemberg betrieben werden und
die Landeswasserversorgung die Verpflichtungen nach § 4 Abs. 6 und § 5 erfüllt.
§ 7 Wasserrechtliches Verfahren
(1) ¹Das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren wird auf Antrag der Landeswasserversorgung vom Landratsamt Günzburg durchgeführt. ²Das Bayerische Staatsministerium des Innern wird dem Landratsamt die erforderlichen Weisungen für die zu treffende Entscheidung erteilen; es wird hierbei im Benehmen mit dem Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg handeln.
(2) Der Freistaat Bayern wird dafür sorgen, daß das wasserrechtliche Verfahren zügig durchgeführt wird; dabei wird vorausgesetzt, daß die Landeswasserversorgung die zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Unterlagen beibringt.
(3) Auflagen, Ausgleichsmaßnahmen und Entschädigungen aufgrund von Einwendungen Beteiligter bleiben der Entscheidung im wasserrechtlichen Verfahren vorbehalten.
§ 8 Zusammenarbeit bei wasserwirtschaftlich bedeutsamen Vorhaben
¹Das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Bayern werden sich von allen Vorhaben, die sich auf das Gebiet des anderen Landes wasserwirtschaftlich auswirken können, rechtzeitig unterrichten. ²Sie werden solche Vorhaben nicht zulassen, bevor sie sich nicht darüber ins Benehmen gesetzt haben, wie etwaige nachteilige Auswirkungen auf das Gebiet des anderen abgewendet werden können.
§ 9 Inkrafttreten
Dieser Staatsvertrag bedarf der Zustimmung durch die verfassungsmäßig zuständigen Organe der vertragschließenden Länder und tritt mit dem Tage in Kraft, an dem die Ratifikationsurkunden bei der Bayerischen Staatskanzlei hinterlegt sind.
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