Schulversuch „Inklusives Bildungsangebot an Berufsfachschulen in Bayern“
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Schulversuch „Inklusives Bildungsangebot an Berufsfachschulen in Bayern“

Mit Beginn des Schuljahres 2021/2022 erprobt das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Staatsministerium) ein inklusives Bildungsangebot an ausgewählten Berufsfachschulen für Ernährung und Versorgung sowie für Sozialpflege.

1.  Grundlegende Ziele und Inhalte des Schulversuchs

1.1 

¹Mit dem Schulversuch an Berufsfachschulen für Ernährung und Versorgung sowie für Sozialpflege wird ein inklusives Bildungsangebot an Berufsfachschulen in Bayern erprobt, welches für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen lernzieldifferenten Erwerb von beruflichen Handlungskompetenzen ermöglicht. ²Ungeachtet dessen ist dabei das Erreichen des Ausbildungsziels nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 1 und 3 der Berufsfachschulordnung Ernährung und Versorgung, Kinderpflege, Sozialpflege, Hotel- und Tourismusmanagement, Informatik (Berufsfachschulordnung – BFSO) nicht ausgeschlossen. ³Die Anforderungen an den jeweiligen Abschluss der Berufsausbildungen an Berufsfachschulen für Ernährung und Versorgung sowie für Sozialpflege bleiben unberührt.
⁴Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann die Schule differente Lernziele festlegen. ⁵In diesem Fall sind diese sowie ggf. deren rechtliche Betreuungspersonen schriftlich vor Beginn der Fachstufe darauf hinzuweisen, dass bei einem Abweichen von den in der BFSO festgelegten Ausbildungszielen der jeweilige Berufsabschluss nicht erworben werden kann.

1.2 

¹Der Schulversuch besteht aus
einem Vorbereitungsjahr
sowie einem inklusiven Bildungsangebot im Rahmen der zweijährigen Fachstufe an Berufsfachschulen für Ernährung und Versorgung sowie für Sozialpflege.
²Die Aufnahme in die Fachstufe ist auch ohne das Durchlaufen des Vorbereitungsjahres möglich.

1.3 

Der Schulversuch wird als vollzeitschulisches Angebot durchgeführt.

1.4  Anzuwendende Vorschriften

Soweit im Folgenden keine abweichenden Regelungen getroffen werden, sind in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden:
– das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG)
– das Bayerische Schulfinanzierungsgesetz (BaySchFG)
– das Gesetz über die Kostenfreiheit des Schulwegs (SchKFrG)
– die Bayerische Schulordnung (BaySchO)
– die Berufsfachschulordnung (BFSO)
– die Berufsschulordnung (BSO)

2. 

Der Schulversuch gliedert sich auf in ein fakultatives Vorbereitungsjahr (s. n. unter Nr. 2.1) und in eine obligatorische zweijährige Fachstufe (s. n. unter Nr. 2.2):

2.1  Das Vorbereitungsjahr

2.1.1  Ziel

Ziel des Vorbereitungsjahres ist eine Heranführung an die berufliche Bildung sowie ein Kennenlernen verschiedener Berufsfelder im hauswirtschaftlichen und sozialpflegerischen Bereich, auch für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (insbesondere im Bereich geistige Entwicklung).

2.1.2  Eingesetztes (Lehr-)Personal

¹Der theoretische und der praktische Unterricht wird durch die Lehrkräfte der Schule erteilt, die über eine einschlägige Qualifikation gemäß den Vorgaben des Staatsministeriums verfügen. ²Die Schulen arbeiten außerdem mit einem Kooperationspartner zusammen. ³Das vom Kooperationspartner eingesetzte Personal muss ebenfalls über einschlägige Qualifikationen gemäß den Vorgaben des Staatsministeriums verfügen. ⁴Der Kooperationspartner übernimmt die sozialpädagogische Betreuung sowie die Organisation und Begleitung der Praxisphasen. ⁵Alternativ kann die sozialpädagogische Betreuung auch durch eine Sozialpädagogin oder einen Sozialpädagogen der Schule durchgeführt werden. ⁶Hierfür sind 20 Zeitstunden pro Woche anzusetzen.

2.1.3  Stundentafel

¹Dem Unterricht des Vorbereitungsjahres (Nr. 1.2 Buchst. a) ist abweichend von Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 BSO die als Anlage beigefügte Stundentafel zugrunde zu legen. ²Die Schülerinnen und Schüler, die abweichend von § 38 Abs. 3 und Abs. 5 BFSO an einer fachpraktischen Ausbildung außerhalb der Berufsfachschule und an Praktika nicht teilnehmen können, werden in dieser Zeit in der Schule betreut.

2.1.4  Leistungsnachweise und Vorrücken

¹Für die Leistungsnachweise des Vorbereitungsjahres gilt § 12 der Berufsschulordnung (BSO) in der jeweils geltenden Fassung entsprechend. ²Zum Ende des einjährigen Vorbereitungsjahres erhalten die Schülerinnen und Schüler eine Rückmeldung zu ihren schulischen Leistungen und ihrer Entwicklung. ³Dies erfolgt durch eine allgemeine Bewertung (Bescheinigung), die auch eine Empfehlung zu sinnvollen (schulischen) Anschlussmöglichkeiten umfasst, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 BSO. ⁴Diese Bescheinigung umfasst nicht die Berechtigung des erfolgreichen Abschlusses der Mittelschule gemäß § 20 Satz 1 Nr. 3 MSO. ⁵Über die weiterführende Beschulung innerhalb der Maßnahme und das Vorrücken in die Fachstufe entscheidet die Schulleitung unter Berücksichtigung der Leistungen der Schülerin/des Schülers und der Möglichkeit der Wiederholung des Vorbereitungsjahres.

2.1.5  Aufnahmevoraussetzungen, Schülerinnen und Schüler sowie Klassenbildung

¹Über die Aufnahme in das Vorbereitungsjahr entscheidet die Schulleitung. ²Das Vorbereitungsjahr ist vorrangig für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf vorgesehen und dient in erster Linie den in Nr. 2.1.1 genannten Zielen. ³Eine Teilnahme von Schülerinnen und Schülern ist jedoch auch ohne sonderpädagogischen Förderbedarf möglich, beispielsweise wenn die nötige Reife für den unmittelbaren Beginn einer Ausbildung an der Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung bzw. der Sozialpflege noch nicht vorliegt. ⁴Die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern erfolgt in der Regel zum Schuljahresbeginn, vgl. Art. 5 BayEUG. ⁵Für die Bildung einer Klasse des Vorbereitungsjahres sind mindestens acht Schülerinnen und Schüler erforderlich. ⁶Für das Vorbereitungsjahr soll die maximale Klassengröße von 16 Schülerinnen und Schüler nicht überschritten werden. ⁷Innerhalb dieser Klasse soll die Anzahl der Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung höchstens sechs Schülerinnen und Schüler umfassen.

2.1.6  Höchstausbildungsdauer

Das Vorbereitungsjahr kann einmal wiederholt werden.

2.2  Die Fachstufe

2.2.1  Ziel

¹Ziel der Fachstufe ist es, Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam in einer Klasse inklusiv zu beschulen. ²Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird dabei ein lernzieldifferenter Erwerb von beruflichen Handlungskompetenzen ermöglicht.

2.2.2  Eingesetztes (Lehr-)Personal

¹Der theoretische und der praktische Unterricht wird durch die Lehrkräfte der Schule erteilt. ²Die Schule übernimmt die sozialpädagogische Betreuung sowie die Begleitung der Praxisphasen in einem Umfang von 20 Zeitstunden pro Woche durch einschlägig qualifiziertes sozialpädagogisches Personal. ³Die hierfür notwendigen Mittel werden durch das Staatsministerium zur Verfügung gestellt.

2.2.3  Die Stundentafel

¹Für den Unterricht der Fachstufe (Nr. 1.2 Buchst. b) ist grundsätzlich die jeweilige Stundentafel der BFSO zugrunde zu legen. ²Eine Auswahl differenter Lernziele für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf obliegt der Schule, in diesem Fall sind jedoch Nr. 1.1 Sätze 4 und 5 zu beachten.

2.2.4  Leistungsnachweise und Vorrücken

¹Für die Fachstufe gelten grundsätzlich die Vorgaben der BFSO. ²Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf können lernzieldifferent unterrichtet werden. ³Abweichend von §§ 40, 44 BFSO können Leistungserhebungen ebenfalls lernzieldifferent erhoben werden. ⁴Ungeachtet des § 47 Satz 1 bis 4 BFSO entscheidet die Klassenkonferenz über das Vorrücken der Schülerinnen und Schüler, die lernzieldifferent unterrichtet werden.
⁵Den lernzieldifferent unterrichteten Schülerinnen und Schüler wird von der Schule nach Beendigung der Maßnahme abweichend von § 66 BFSO eine Bescheinigung ausgestellt. ⁶Die Bescheinigung kann Beobachtungen zum Sozialverhalten, zum Lern- und Arbeitsverhalten und zur individuellen Lernentwicklung enthalten, die dem Übergang in das Berufsleben förderlich sind.

2.2.5  Aufnahmevoraussetzungen, Schülerinnen und Schüler sowie Klassenbildung

¹Für die Aufnahme in die Fachstufe gilt grundsätzlich § 26 BFSO. ²Bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf entscheidet abweichend von § 26 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 5 BFSO ggf. die Schulleitung über die Aufnahme in die Fachstufe. ³Abweichend von § 27 BFSO kann bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf eine Probezeit verzichtet werden. ⁴Die Schule soll bei der Klassenstruktur in der Fachstufe den inklusiven Ansatz berücksichtigen. ⁵Zur Bildung einer Klasse sind mindestens acht Schülerinnen und Schüler zu Unterrichtsbeginn des jeweiligen Schuljahres erforderlich; auf Grund der besonderen Anforderungen sollte die Klassengröße abweichend von § 29 Abs. 1 und 2 BFSO die Zahl von 16 Schülerinnen und Schülern nicht überschreiten. ⁶Innerhalb dieser Klasse soll die Anzahl der Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung höchstens sechs Schülerinnen und Schüler umfassen. ⁷Abweichungen können auf Antrag der Schule von der zuständigen Regierung zugelassen werden.

2.2.6  Höchstausbildungsdauer

Die Höchstausbildungsdauer bemisst sich nach § 33 BFSO.

3.  Evaluation

¹Der Schulversuch wird evaluiert. ²Die teilnehmenden Schulen verpflichten sich, an der Evaluation mitzuwirken und die dazu erforderlichen Auskünfte zu geben.

4.  Laufzeit des Schulversuchs

Während der Laufzeit des Schulversuchs können Schülerinnen und Schüler jährlich in das Vorbereitungsjahr an den teilnehmenden Schulen aufgenommen werden, letztmalig zum Schuljahr 2025/2026.

5.  Teilnehmende Schulen

¹Die staatlichen Berufsfachschulen mit den Fachrichtungen Ernährung und Versorgung sowie Sozialpflege wurden mit Schreiben des Staatsministeriums auf die Möglichkeit der Bewerbung zur Teilnahme am Schulversuch informiert.
²Die Erlaubnis zur Teilnahme am Modellversuch geht der Schule ebenfalls mit Schreiben des Staatsministeriums zu.

6.  Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Bekanntmachung tritt am 1. August 2021 in Kraft und mit Ablauf des 31. Juli 2028 außer Kraft.
Stefan Graf
Ministerialdirektor

Anlagen 

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