Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen im Programm „Schule öffnet sich“
Im Vollzug des Art. 60 Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) erlässt das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus folgende Richtlinien für den Einsatz von Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen im Programm „Schule öffnet sich“:
1. Zielsetzung des Programms „Schule öffnet sich“
¹Das Programm „Schule öffnet sich“ stärkt die Bildungs- und Erziehungsarbeit an Schulen. ²Neben einem Ausbau der Schulpsychologie etabliert es dauerhaft die Berufsgruppe der Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen als an der Schule tätiges pädagogisches Personal.
³Die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen setzen mit ihren besonderen fachlichen Kompetenzen ergänzend zu den bestehenden Säulen der Schulberatung – Schulpsychologinnen und Schulpsychologen und Beratungslehrkräften – einen neuen pädagogischen Impuls.
2. Aufgaben und Einsatzbereiche
¹Die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen unterstützen die Erziehungsarbeit gemäß Art. 60 Abs. 3 BayEUG durch klassen- und gruppenbezogene Präventionsmaßnahmen, die sich grundsätzlich an alle Schülerinnen und Schüler richten, und unterstützen die Lehrkräfte bei der Wertebildung. ²Durch die gruppenbezogene Arbeit grenzt sich die Schulsozialpädagogik von der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) im Sinne des § 13 SGB VIII mit deren Schwerpunkt der Einzelfallintervention als auch von der Schulberatung im Sinne des Art. 78 BayEUG ab.
³Zu den Kernaufgaben der Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen gehören:
– Gewalt- und Mobbingprävention,
– Werte- und Persönlichkeitsbildung.
⁴Insbesondere bei den folgenden Handlungsfeldern können sie nach den jeweiligen schulischen Erfordernissen einbezogen werden:
– Prävention sexuellen Missbrauchs,
– Förderung der Gesundheit und Suchtprävention,
– Förderung von Partizipation und Demokratie,
– Förderung der Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund.
⁵Der Einsatz der Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen erstreckt sich dabei auf die
– Konzeption und Durchführung von Kurseinheiten für Schülerinnen und Schüler mit Methoden der Gewalt-, Mobbing- und Missbrauchsprävention, der interkulturellen Arbeit, der Erlebnispädagogik und der Medienerziehung,
– Mitwirkung bei Projekttagen, bei schulinternen Fortbildungen und Pädagogischen Tagen für Lehrkräfte sowie bei Veranstaltungen für Eltern,
– Teilnahme als Begleitperson an Schülerfahrten, vgl. Nr. 4 der „Durchführungshinweise zu Schülerfahrten“, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. Juli 2010, Az. II.1-5S4432-6.61 208.
⁶Dieser Einsatz erfolgt in Zusammenarbeit mit den Lehrkräften der Schule.
⁷Falls im Anschluss an gruppenbezogene Angebote der Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen Nachgespräche erforderlich werden, kann dies der Abrundung der Präventionsarbeit dienen. ⁸Ist eine weitergehende Intervention oder individuelle Beratung erforderlich, fällt dies gemäß der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über die Schulberatung in Bayern vom 29. Oktober 2001 (KWMBl. I S. 454, StAnz. Nr. 47), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 1. August 2019 (BayMBl. Nr. 316) geändert worden ist, in den Aufgabenbereich der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte. ⁹Eine konkrete Unterstützung erfolgt dann je nach Zuständigkeit durch Klassenlehrkräfte, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, Beratungslehrkräfte, Verbindungslehrkräfte, Förderlehrkräfte, Mobile Sonderpädagogische Dienste oder anderes pädagogisches Personal.
1⁰Ein Einsatz von Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen im Rahmen schulischer Ganztagsangebote ist zulässig.
3. Strukturen und Ansprechpartner
¹Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen sind an einer Schule oder mehreren Schulen eingesetzt.
²Die Schulleitungen oder die von ihnen beauftragten Lehrkräfte konkretisieren und organisieren die Aufgaben der Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen gemäß Ziffer 2 an der Schule vor Ort. ³Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit und der Aufgaben von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie Beratungslehrkräften ist die Bekanntmachung über die Schulberatung in Bayern zu berücksichtigen.
⁴Die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen erstellen für die jeweilige Schule eine konzeptionelle Planung ihres Einsatzes für das jeweilige Schuljahr und holen dazu die Zustimmung der Schulleitung ein. ⁵Die Schulleiterinnen und Schulleiter tauschen sich mit den Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen an ihrer Schule in regelmäßigen Gesprächen über die Erfüllung und ggf. Anpassung der Jahresplanung aus und halten sich in geeigneter Form über die Arbeit der Schulsozialpädagogin bzw. des Schulsozialpädagogen an der Schule auf dem Laufenden.
⁶Die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen pflegen regelmäßig den Kontakt zu den Lehrkräften der Schulen, an denen sie tätig sind, sowie zu den dort in schulischen Ganztagsangeboten, ggf. auch über einen Kooperationspartner, eingesetzten pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. ⁷Soweit der Schulsozialpädagoge bzw. die Schulsozialpädagogin Maßnahmen veranlassen möchte, die den Unterricht einer Lehrkraft betreffen, ist das Einvernehmen mit der Lehrkraft herzustellen. ⁸Im Konfliktfall ist die Entscheidung der Schulleitung herbeizuführen.
⁹Im Rahmen ihrer Aufgaben und Einsatzbereiche treten die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen maßnahmen- und themenbezogen insbesondere in Verbindung mit
– innerschulischen Ansprechpartnern, insbesondere den Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie Beratungslehrkräften,
– schulübergreifend tätigen schulischen Experten, insbesondere den Mobilen Sonderpädagogischen Diensten sowie den Koordinatoren und Multiplikatoren der Mobbingprävention, den Wertemultiplikatoren, den Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz und den medienpädagogischen Beraterinnen und Beratern digitale Bildung.
1⁰Mit außerschulischen Fachstellen, insbesondere mit Erziehungs- und Familienberatungsstellen, mit den Jugendämtern und den Trägern der freien Jugendhilfe, mit den Schulverbindungsbeamten der Polizei, mit der schulbezogenen Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) und mit anderen Trägern und Einrichtungen der außerschulischen Erziehung und Bildung können sie bei Bedarf in Kontakt treten.
1¹Der Kontakt mit den schulübergreifenden und außerschulischen Ansprechpartnern erfolgt in Abstimmung mit der Schulleitung.
4. Einzelthemen
4.1 Rahmenbedingungen der Beschäftigung, Beschäftigung an mehreren Schulen
¹Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen unterstehen gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayEUG als pädagogisches Personal der staatlichen Schulaufsicht. ²Die Schulleiterin bzw. der Schulleiter ist Vorgesetzte bzw. Vorgesetzter gemäß Art. 57 Abs. 2 BayEUG, § 2 Abs. 1 BaySchO; für die Dienstaufsicht gelten die Regelungen für Lehrkräfte entsprechend.
³Der zeitliche Einsatz eines Schulsozialpädagogen bzw. einer Schulsozialpädagogin wird im Arbeitsvertrag geregelt.
⁴Die Regierungen bzw. das Landesamt für Schule teilen in ihrer Funktion als Einstellungsbehörden dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus halbjährlich zum 1. Oktober und 1. April die Namen und Einsatzschulen der Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen mit. ⁵Änderungen sind zeitnah anzuzeigen.
4.2 Erreichbarkeit
¹Es wird empfohlen, dass die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen in Absprache mit der Schulleitung festgelegte Zeiten der Erreichbarkeit in geeigneter Weise an der Schule bekannt machen.
²Für die Durchführung der Präventionsarbeit sowie deren Vorbereitung stellen die Schulen den Schulsozialpädagogen und Schulsozialpädagoginnen im Rahmen des bestehenden Raumangebots einen geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung.
4.3 Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz
¹Nach § 3 Abs. 2 TV-L besteht die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht. ²Darüber hinaus kann die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ggf. sogar strafrechtliche Relevanz erlangen. ³Bei Amtsträgern sind hier insbesondere diese Straftatbestände zu beachten:
– Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 3 StGB),
– Verletzung des Privatgeheimnisses (§ 203 Abs. 2, 4, 5 StGB),
– Verwertung fremder Geheimnisse (§ 204 StGB),
– Verletzung des Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht (§ 353b StGB).
⁴Eine förmliche Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz auf die gewissenhafte Erfüllung der diesbezüglichen Obliegenheiten erfolgt im Rahmen des Abschlusses des Arbeitsvertrags als Schulsozialpädagogin bzw. Schulsozialpädagoge. ⁵Eine besondere innerbehördliche Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Schulleitung als dienstvorgesetzter Stelle besteht nicht. ⁶Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Verschwiegenheitspflicht für Lehrkräfte, insbesondere auch § 14 LDO, entsprechend, sofern hier nichts anderes bestimmt ist.
⁷Die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen sind in Anwendung der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst über die Hinweise an die Schulen zum Verhalten bei strafrechtlich relevanten Vorkommnissen und zur Beteiligung des Jugendamtes vom 23. September 2014 (KWMBl. S. 207) verpflichtet, unverzüglich die Schulleiterin oder den Schulleiter zu unterrichten, sobald ihnen konkrete Tatsachen bekannt werden, die auf das Vorliegen von Straftaten im Sinne von Nr. 4.1 oder Nr. 4.2 hindeuten.
⁸Die Schule ist verantwortlich (Art. 4 Nr. 7 DSGVO) für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen. ⁹Die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen sind zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften verpflichtet. 1⁰Soweit es zur Erfüllung der ihnen durch Art. 60 Abs. 3 BayEUG zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist, dürfen Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen die erforderlichen personenbezogenen Daten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften (insbesondere BayEUG, BayDSG, DSGVO) verarbeiten. 1¹§ 14a LDO gilt entsprechend.
4.4 Aufsichtspflicht
¹Im Rahmen der gruppenbezogenen Präventionsarbeit wirken die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen bei der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht der Schule mit. ²Die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufsichtspflicht trägt die Schulleitung. ³Sofern die Schulleitung organisatorische Vorkehrungen für eine durchgehende Aufsicht getroffen hat und sie oder eine Lehrkraft jederzeit erreichbar ist, ist ihre Anwesenheit oder die Anwesenheit einer Lehrkraft während der Durchführung der gruppenbezogenen Prävention nicht zwingend erforderlich.
4.5 Fortbildung
Für die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen wird zur Ergänzung und Aktualisierung ihrer Qualifikation ein staatliches Fortbildungsangebot bereitgestellt.
4.6 Dienstbesprechungen
¹Die Konferenzen der Schulaufsicht organisieren schulartübergreifende Dienstbesprechungen zum dienstlichen und fachlichen Austausch. ²Sie unterstützen auch die Organisation von Netzwerktreffen in ihrer Region.
5. Dokumentation
5.1 Schulinterner Einsatzbericht
¹Die Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen erstellen zur Organisation und Umsetzung der durchgeführten Präventionsmaßnahmen einen Einsatzbericht, der Aufzeichnungen mit folgenden Angaben enthält:
– Datum
– Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
– Anlass der Maßnahme
– Verlauf
– Bewertung
²Der Einsatzbericht ist nach dem Ende der Maßnahmen ein Jahr aufzubewahren.
5.2 Tätigkeitsbericht
¹Um die aus der Praxis gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen allgemein fruchtbar zu machen, sind im Rahmen der fachlichen Betreuung jährliche Berichte der Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen erforderlich. ²Diese Tätigkeitsberichte sind Grundlage einer bedarfsgerechten Planung für das kommende Schuljahr und dienen der Qualitätssicherung sowie der Weiterentwicklung der Präventionsmaßnahmen. ³Das Staatsministerium fordert zum 15. Oktober jeden Jahres von den Schulsozialpädagoginnen und Schulsozialpädagogen einen Tätigkeitsbericht an, der sich auf das vorausgegangene Schuljahr bezieht.
6. Inkrafttreten
Diese Bekanntmachung tritt am 23. Dezember 2020 in Kraft.
Herbert Püls
Ministerialdirektor
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