Schulbibliotheksarbeit in Bayern
Schulbibliotheksarbeit hat in Bayern schon immer eine wichtige Rolle gespielt. In den letzten Jahren haben vor allem neue Entwicklungen im Medienbereich großen Einfluss auf Stellung, Ausstattung und Aufgaben der Schulbibliotheken in allen Schularten gehabt. Nicht zuletzt Leistungsvergleichsuntersuchungen bei Schülerinnen und Schülern haben die Bedeutung der Leseförderung in und mit der Schulbibliothek hervorgehoben.
Mit dem UNESCO-Manifest „Lehren und Lernen in der Schulbibliothek “ wurde erstmals eine weltweite Empfehlung zur Schulbibliothek vorgelegt. Auch dieses Manifest, das den Auftrag und die Ziele der Schulbibliotheksarbeit beschreibt und dazu auffordert, Strategien und Leitlinien zur Umsetzung der Grundsätze zu entwickeln, sowie die weiterhin nötige breite Förderung der Lesekompetenz werden zum Anlass genommen, vor dem Hintergrund der Empfehlung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland zur Zusammenarbeit von Schulbibliotheken und öffentlichen Bibliotheken und den bisherigen bayerischen Maßnahmen den Stellenwert der Schulbibliothek für Schule und Bildung zu verdeutlichen.
Die Schulbibliothek unterstützt - unterschiedlich in den verschiedenen Schularten und abhängig von den örtlichen Gegebenheiten - die Aufgabe der Schule, Wissen, Bildung und Erziehung zu vermitteln, sie bietet die Grundlage für ein alle Medien umfassendes Arbeiten, und sie fördert die kritische, problemorientierte, selbstverantwortliche und effiziente Nutzung von Medien, von den Printmedien bis hin zu Informations- und Telekommunikationstechniken. Die Basisqualifikationen des Lesens und Schreibens, die für Denk- und Abstraktionsvermögen, Urteilskraft und Phantasie grundlegend sind, sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für ein lebenslanges Lernen benötigt werden, werden hier handlungsorientiert vermittelt. Damit kommt der Schulbibliothek und ihrer Fortentwicklung hin zu einem multimedialen Informations-, Wissens- und Kommunikationszentrum eine große Bedeutung zu. Sie unterstützt - gerade auch im Rahmen ganztägiger schulischer Angebote - in besonderer Weise Maßnahmen zur Erfüllung zentraler schulischer Bildungs- und Erziehungsziele.
Auf den Zusammenhang mit der Bekanntmachung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. August 2003 zu „Medienbildung - Medienerziehung und informationstechnische Bildung in der Schule “ (KWMBl I S. 384) wird verwiesen.
1. Auftrag
1.1
Die Schulbibliotheksarbeit soll die Freude am Lesen und am Umgang mit Medien im umfassenden Sinn fördern, zum kritischen Nachdenken anregen, zum Verweilen in Bibliotheken ermuntern. Lesen, auch Bilder lesen, soll zu einem Teil der das Selbstbewusstsein stärkenden Eigen- und Welterschließung werden. Die Schulbibliothek dient insbesondere dem stillen und konzentrierten Lesen und dem eigenverantwortlichen Lernen. Hier sollen Verfahren der alle Medien umfassenden Informationsbeschaffung, -bewertung und -weiterverarbeitung erlernt, über neue Medien vielfältige Zugänge zum Lesen eröffnet und abwechslungsreiche Unterrichtsformen und Möglichkeiten selbstständigen Lernens erprobt werden können. Inhalte, mit denen sich Schüler aktiv und selbstständig auseinandersetzen, prägen sich nachhaltig ein.
Lese- und Medienerfahrungen in der Schule können in allen Fächern gemacht werden. Schulbibliotheksarbeit ist auch eine fachübergreifende Bildungsaufgabe.
1.2
Die Schulbibliothek sollte nach Möglichkeit alle an der Schule geführten Büchereien (z.B. Schüler-, Lehrer-, Studienbücherei) und Mediensammlungen zusammenfassen.
1.3
Eine Zusammenarbeit mit öffentlichen Bibliotheken ist, wo möglich, anzustreben. Sie kann das Anliegen unterstützen, Schülerinnen und Schüler altersgemäß zur Nutzung öffentlicher Bibliotheken hinzuführen. Die Hauptvorteile einer solchen Kooperation liegen in der effizienteren Verwendung der Ressourcen, der professionellen Beratung durch Bibliothekare, der gemeinsamen Verwendung geeigneter Bibliotheksverwaltungssoftware für die Verzeichnung und Erschließung, für die Recherche im online Bibliothekskatalog, z.B. im Online Public Access Catalogue (= OPAC) oder Web-OPAC, und insbesondere in der Qualitätsverbesserung und der Möglichkeit gemeinsamer Aktionen zur Leseförderung, zur Medienbildung und zum propädeutischen Heranführen an selbstständiges und wissenschaftliches Arbeiten.
1.4
Im Rahmen der Schulbibliotheksarbeit können Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in besonderer Weise gefördert werden. Aktionen des Lesens und Vorlesens beispielsweise in gemischten Leseclubs zusammen mit deutschen Kindern, Lesepatenschaften und die Bildung von Schulbibliotheksnetzwerken zur Förderung der Lesekultur können das Anliegen unterstützen.
2. Organisation
2.1
Der Medienbestand muss inventarisiert und katalogisiert werden. Über die Bibliotheksbestände hinaus ist zu empfehlen, in der Schulbibliothek den Nachweis über alle in der Schule vorhandenen Medien (Karten, Foliensätze, Dias, Filme, Software usw.) zu führen. Der mit den öffentlichen Bibliotheken am Ort abgestimmte Einsatz von Bibliothekssoftware bietet sich an, da sie bei Einsatz des OPAC unabhängig von Öffnungszeiten breite Recherchemöglichkeiten, z.B. über Schlagwort, Alphabet oder Verknüpfungen ermöglicht. Flächendeckende Standardisierungen im Bereich der Systematik und der EDV-gestützten Software sind wünschenswert.
2.2
Es sollten Bibliotheksordnungen unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen für die Nutzung von neuen Medien erlassen und einfache Ausleihverfahren zur Nutzung der Bestände eingeführt werden.
2.3
Die Öffnungszeiten sollten in Verbindung mit den Unterrichtszeiten so geregelt sein, dass Schüler und Lehrkräfte regelmäßig und ausreichend Gelegenheit haben, die Schulbibliothek vormittags und auch nachmittags zu nutzen.
2.4
In allen Fächern sollte der Arbeit in und mit der Schulbibliothek ausreichend Raum gegeben werden.
2.5
Im Rahmen der Bildungsarbeit von Schulen mit ganztägigen Angeboten fällt dem letztgenannten Aspekt ein besonderes Gewicht zu.
3. Ausstattung
3.1
Die Bereitstellung geeigneter Räume, die Einrichtung von Lese- und Arbeitsplätzen, eine dauerhaft sachgerechte Ausstattung für den Auf- und Ausbau des Medienangebots sowie mit Hard- und Software müssen sichergestellt sein.
3.2
Digitalisiert vorliegende Medien, Eigendokumentationen, Präsentationen oder entsprechendes Material sollten zentral in Mediendatenbanken verfügbar und in der Bibliothek abrufbar sein.
3.3
Die Einbindung oder Gründung von Fördervereinen zur Unterstützung der Anliegen der Schulbibliothek hat sich bewährt.
4. Schulbibliotheksbeauftragte
4.1
Die Schulbibliotheksbetreuung umfasst - abhängig von den jeweiligen Bedingungen beispielsweise folgende Aufgaben:
– Verantwortung für die räumliche Ausstattung (z.B. Raumgestaltung, Lese- und Arbeitsplätze, PC-Plätze, fachlich sinnvolle Freihandaufstellung)
– Inventarisierung, Katalogisierung und mediale Erfassung des Gesamtbestands aller Bücher und Medien, ggf. mithilfe von bibliothekarischen Fachkräften und Hilfskräften
– Bestandserhaltung und kontinuierliche Bestandserweiterung, insbesondere was neuere Literatur und Medien betrifft, in Zusammenarbeit mit der Schulleitung und dem Sach- und Schulaufwandsträger
– Schaffung der technischen Voraussetzungen für eine effektive Bibliotheksnutzung
– Organisation des Leihverkehrs
– verwaltungstechnische Anleitung der Bibliothekskräfte; Einbindung von Schülern, Eltern und Kollegen in die Bibliotheksarbeit
– Unterstützung und methodisch-didaktische Beratung der Lehrkräfte der Schule bei der Aufgabe der Leseförderung, bei der fachdidaktischen Nutzung der Schulbibliotheken und bei fachübergreifenden Aufgaben im Rahmen eines Unterrichts in und mit der Schulbibliothek
– Mitwirkung bei Maßnahmen der schulinternen Lehrerfortbildung
– regelmäßige Durchführung von schulinternen Einführungen zur Nutzung der Bibliothek
– Durchführung von Veranstaltungen und Projekten, welche die Förderung der Lese-, der Medienkompetenz sowie der Fachkompetenz zum Ziel haben und die Bedeutung der Schulbibliothek als zentralem Leseort bzw. als multimedialem Informations-, Lern- und Kommunikationszentrum in Schule und Öffentlichkeit sichtbar machen
– Zusammenarbeit mit den zuständigen Medienpädagogisch-informationstechnischen Beratern
– Kooperation mit öffentlichen Bibliotheken, kommunalen Medienzentren, Archiven und ähnlichen mit Literatur und Lesen befassten Institutionen (insbesondere Nutzung der Angebote der Bayerischen Staatsbibliothek - Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen) entsprechend der individuellen Situation vor Ort (insbesondere im Wege des Leihverkehrs oder der Bildung von Online-Netzwerken zur Recherche und Ausleihe)
4.2
Es ist unabdingbar, Lehrkräfte für die umfassenden, vor allem organisatorischen, pädagogischen und didaktischen Aufgaben der Leitung einer Schulbibliothek zu schulen. In den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung ist das Lehren und Lernen in und mit der Schulbibliothek angemessen zu berücksichtigen. Die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung bietet Qualifizierungsmaßnahmen an. Aus- und Fortbildungsmaßnahmen werden zentral, regional und schulhausintern durchgeführt.
4.3
Bibliotheksbetreuer sollten von Mitarbeitern unterstützt werden. Bei sehr umfangreichen oder sehr wertvollen Beständen sollte geprüft werden, ob eine bibliothekarische Fachkraft eingesetzt werden kann.
5. Lehren und Lernen in und mit der Schulbibliothek
In der Schulbibliothek können viele Methoden des freien Arbeitens in unterschiedlichen Formen durchgeführt werden, wie beispielsweise Lernzirkel, Freiarbeit, Planspiel, Präsentationen, Erarbeiten verschiedener Lösungen. Hier kann individuelles Lernen mit Medien organisiert, das selbstständige Arbeiten z.B. mit Texten, Bildern, Grafiken, Diagrammen, Statistiken eingeübt werden.
5.1
Formen des Lehrens und Lernens in und mit der Schulbibliothek können beispielsweise sein:
– selbstständiges Recherchieren, Lernen und Arbeiten
– selbsttätige Übungsphasen
– angeleitete Aufgabenbearbeitung
– Vergleichen, Systematisieren, Anwenden und Reflektieren von Lösungen und Lösungswegen
– offene Gesprächsformen
5.2
Lesekompetenz kann gefördert werden z.B. durch:
– alle Medien umfassende Informationsauswahl und -bewertung
– Lesen von Grafiken, Tabellen, Bildern
– Erwerb von Textverarbeitungsstrategien
– Textanalyse (Sach- und Gebrauchstexte, Belletristik, Lyrik)
– Eigenproduktionen
– mündliche Präsentation von Arbeitsergebnissen
– Verschriftlichung und Visualisierung von Arbeitsergebnissen (z.B. Kritiken)
5.3
Projektbezogenes Arbeiten kann umfassen
– Projekte wie Lesenächte, Lesequiz, Lesereisen, Lesungen und Erzählstunden, Lesepatenschaften, Literaturvorträge, Bibliotheksrallies, Theater-, Museums-, Buchhandlungsbesuche, Eigenproduktionen, Literaturverfilmungen, Leseecken, Leselisten, Empfehlungslisten für Buchgeschenke, Wettbewerbe, Ausstellungen, Buchwochen, Basare, Lesekoffer , Projekttage und -wochen
– Arbeitsgemeinschaften wie Leseclub, Bibliotheks-AG
– Elternarbeit (Elternabend, Rundbriefe, Seminare)
– Zusammenarbeit mit externen Partnern
6. Netzwerke
Die Bemühungen um eine erfolgreiche Lesesozialisation müssen v.a. im Rahmen des familiären und gesellschaftlichen Hintergrunds gesehen werden. Daher ist die Leseerziehung, wie Medienerziehung überhaupt, eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur im Zusammenwirken von Schule, Elternhaus und anderen Institutionen gelingen kann.
Das schulische Angebot an Medien kann durch eine Zusammenarbeit von Schulbibliothek, öffentlichen Bibliotheken und kommunalen Medienzentren ergänzt werden:
6.1
Öffentliche Bibliotheken bieten in der Regel nicht nur Bücher, sondern auch Zeitschriften, Comics, Videos, DVDs, Dia-Serien, CDs, Kassetten, CD-ROM und Brettspiele für Kinder und Jugendliche. Hier können oft neue Medien und PC-Programme kostenlos getestet werden. Mit ihrem breit gefächerten, aktuellen Medien- und Informationsangebot unterstützen öffentliche Bibliotheken Eltern, Lehrkräfte sowie in der Kinder- und Jugendarbeit engagierte Erwachsene insbesondere in Fragen der Lese- und Medienerziehung.
6.2
Bei der Zusammenarbeit mit öffentlichen Bibliotheken wird empfohlen, der Schule die Nutzung der Bestände der örtlichen und überörtlichen Bibliotheken einschließlich der Wissenschaftlichen Bibliotheken im Wege des Leihverkehrs, online-Verfahren eingeschlossen, zu ermöglichen. Schüler können so an die Benützung öffentlicher Bibliotheken herangeführt werden.
6.3
Kommunale Medienzentren (Stadt- und Kreisbildstellen) bieten Leistungen in den Bereichen Medienpädagogik, Medientechnologie, Distribution von Medien, Daten und Informationen für den Bildungsbereich ihrer Region an. Schulbibliotheken sollten mit den Medienzentren kooperieren.
7. Beratung
7.1
Im Rahmen der Maßnahmen zur Intensivierung der Leseförderung und der Schulbibliotheksarbeit wurde ein bayernweites Beratungsnetz geschaffen. Im Bereich der Realschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen gibt es jeweils drei regionale Beauftragte für Leseförderung und Schulbibliotheksarbeit. Für den Bereich der Volksschulen ist der an der jeweiligen Regierung tätige Fortbildungsreferent mit dieser Aufgabe beauftragt. Die Beauftragten wirken mit bei der Fortbildung zur gezielten Nutzung der Schulbibliotheken und der Intensivierung der Leseerziehung. Sie erarbeiten und sammeln u. a. Materialien für die Leseförderung an den Schulen, arbeiten mit schulischen und außerschulischen Institutionen zusammen, unterstützen schulinterne sowie die regionale Lehrerfortbildung und stehen auf regionaler Ebene als Ansprechpartner für die Schulen zur Verfügung. Sie geben Anregungen zur Nutzung der Schulbibliothek, für das eigenständige Arbeiten und Lernen mit Medien sowie die Informationsbeschaffung, -bewertung und -weiterverarbeitung.
7.2
Medienpädagogisch-informationstechnische Beraterinnen und Berater für die verschiedenen Schularten, die je nach Schulart den Staatlichen Schulämtern, den Regierungen oder den Ministerialbeauftragten zugeordnet sind und regional eng zusammenarbeiten, unterstützen die Lehrkräfte in den Bereichen Medientechnik, informationstechnische Bildung, Mediendidaktik und Medienerziehung. Sie sind in der Lehreraus- und -fortbildung tätig. Sie arbeiten zusammen mit der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung, dem Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, den zuständigen kommunalen Einrichtungen sowie Institutionen, die auf dem Gebiet der Medienpädagogik tätig sind. Auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 28. Februar 2002 (KWMBl I S. 88) wird verwiesen.
7.3
Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, Referat „Leseförderung und Schulbibliotheksarbeit “, koordiniert die Arbeit der regionalen Beauftragten für Leseförderung und Schulbibliotheksarbeit. Es berät und unterstützt die Schulbibliotheken in ihren besonderen bibliothekarischen Aufgaben und fördert ihre Zusammenarbeit mit den öffentlichen Bibliotheken.
7.4
Beratende Unterstützung wird auch durch die Informationsangebote des Staatsministeriums gegeben, beispielsweise durch das Portal „Leseforum Bayern “ http://www.leseforum.bayern.de.
8. In-Kraft-Treten
Diese Bekanntmachung tritt am 17. November 2003 in Kraft.
Erhard
Ministerialdirektor
KWMBl I 2003 S. 534
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