PBG: Gesetz über die Beteiligung des Landtags durch die Staatsregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 70 Abs. 4 der Verfassung des Freistaates Bayern sowie in sonstigen Angelegenheiten gemäß Art. 55 Nr. 3 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Bayern (Parlamentsbeteiligungsgesetz – PBG) Vom 12. Juli 2016 (GVBl. S. 142) BayRS 1100-6-S (Art. 1–10)
Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit bekannt gemacht wird:
Teil 1 Beteiligung in landes- und bundespolitischen sowie internationalen Angelegenheiten
Art. 1 Umfang der Beteiligung
(1) Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag frühzeitig über
Vorhaben der Landesgesetzgebung,
beabsichtigte Rechtsverordnungen, die der Zustimmung des Landtags bedürfen,
beabsichtigte Staatsverträge und,
soweit es sich um Gegenstände von erheblicher landespolitischer Bedeutung handelt, über
beabsichtigte Verwaltungsabkommen,
Angelegenheiten der Landesplanung,
Bundesratsangelegenheiten,
die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, den Regionen, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen.
(2) In den Fällen des Abs. 1 Nr. 3 und 4 gibt die Staatsregierung dem Landtag Gelegenheit zur Stellungnahme und berücksichtigt die Stellungnahme des Landtags.
Teil 2 Beteiligung in Angelegenheiten der Europäischen Union
Art. 2 Unterrichtung über Vorhaben der Europäischen Union
(1) Die Staatsregierung übermittelt dem Landtag unverzüglich die ihr vom Bundesrat zugeleiteten Vorhaben der Europäischen Union.
(2) ¹Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag frühzeitig über Vorhaben nach Abs. 1 und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. ²Die Unterrichtung enthält Angaben zu Zielsetzung, wesentlichem Inhalt und dem voraussichtlichen Termin der Behandlung im Bundesrat.
(3) ¹Bei Vorhaben nach Abs. 1, die das Recht der Gesetzgebung betreffen oder sonstige erhebliche landespolitische Bedeutung haben, unterrichtet die Staatsregierung den Landtag über ihre erste Einschätzung zu den erwarteten Folgen des Vorhabens für den Freistaat. ²Auf Verlangen des Landtags unterrichtet die Staatsregierung unverzüglich auch zu den erwarteten Folgen sonstiger Vorhaben der Europäischen Union.
(4) ¹Bei Entwürfen von Gesetzgebungsakten der Europäischen Union, die dem Subsidiaritätsfrühwarnsystem unterliegen, unterrichtet die Staatsregierung in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des Vorhabens durch den Bundesrat in Form einer ersten Einschätzung über die Zuständigkeit der Europäischen Union sowie die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. ²Die Staatsregierung informiert den Landtag auf Verlangen unverzüglich über den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union. ³Die Staatsregierung weist den Landtag auf vom Bundesrat erhobene Subsidiaritätsrügen und -klagen hin.
Art. 3 Unterrichtung über Vertragsänderungsverfahren, Flexibilitätsklausel und Notbremsemechanismus
¹Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag frühzeitig über beabsichtigte Vertragsänderungen, die ein Zustimmungserfordernis des Bundesrates auslösen. ²Gleiches gilt für Vorschläge zum Erlass von Vorschriften gemäß Art. 352 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die dem Bundesrat zur Zustimmung vorliegen, sowie für Vorschläge, bei denen der Bundesrat im Rahmen des Notbremsemechanismus über ein Weisungsrecht verfügt. ³Die Unterrichtung enthält insbesondere Angaben darüber, inwieweit das Recht der Gesetzgebung durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union betroffen ist.
Art. 4 Weitere Gegenstände der Unterrichtung
(1) ¹Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag über die Übertragung der Verhandlungsführung im Rat der Europäischen Union auf einen Vertreter der Länder. ²Die Staatsregierung unterrichtet den Landtag auf Verlangen über den jeweiligen Verfahrensstand.
(2) Die Staatsregierung übermittelt dem Landtag unverzüglich die vom jeweiligen Vorsitz des Rates der Europäischen Union vorgelegten Schwerpunkte seiner Tätigkeit.
(3) Die Staatsregierung übermittelt dem Landtag unverzüglich die Ergebnisse der Europaministerkonferenzen sowie der Plenarsitzungen des Ausschusses der Regionen.
Art. 5 Bindung der Staatsregierung an Stellungnahmen des Landtags
(1) Ist das Recht der Gesetzgebung durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union betroffen, kann die Staatsregierung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben durch Gesetz gebunden werden.
(2) Ist das Recht der Gesetzgebung durch ein Vorhaben der Europäischen Union betroffen, hat die Staatsregierung bei ihren verfassungsmäßigen Aufgaben die Stellungnahme des Landtags maßgeblich zu berücksichtigen.
(3) Bei sonstigen Vorhaben der Europäischen Union, insbesondere auf dem Gebiet der kommunalen Daseinsvorsorge, berücksichtigt die Staatsregierung die Stellungnahmen des Landtags.
(4) Weicht die Staatsregierung von einer Stellungnahme des Landtags nach Abs. 2 oder 3 ab, so teilt sie dem Landtag die maßgeblichen Gründe hierfür mit.
Teil 3 Gemeinsame Vorschriften
Art. 6 Umfang und Tiefe der Unterrichtung
Umfang und Tiefe der Unterrichtung bemessen sich nach der landespolitischen Bedeutung und sollen dem Landtag eine politische Bewertung der Angelegenheit ermöglichen.
Art. 7 Weitergehende Unterrichtung
Auf Verlangen des Landtags übermittelt die Staatsregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeit ergänzende Informationen.
Art. 8 Grenzen der Unterrichtung
Die Staatsregierung darf nur von einer Unterrichtung absehen, soweit diese den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berührt oder gesetzliche Regelungen, geschützte Interessen Dritter oder überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegenstehen.
Art. 9 Vereinbarung
Das Nähere zur Beteiligung des Landtags regeln Landtag und Staatsregierung durch Vereinbarung.
Teil 4 Schlussvorschriften
Art. 10 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am 1. August 2016 in Kraft.
(2) Mit Ablauf des 31. Juli 2016 tritt das Parlamentsbeteiligungsgesetz (PBG) vom 25. Mai 2003 (GVBl. S. 324, BayRS 1100-6-S), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juli 2010 (GVBl. S. 317) geändert worden ist, außer Kraft.
München, den 12. Juli 2016
Horst Seehofer
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