WE-Meldungen
DE - Landesrecht Bayern

WE-Meldungen: Meldungen wichtiger Ereignisse durch die Polizei

1.  Allgemeines

¹Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr ist durch die Polizei nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen über alle „wichtigen Ereignisse“ sofort zu unterrichten. ²Zweck der Unterrichtung ist es, dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr als Sicherheitsbehörde, Oberste Dienstbehörde und Führungsstelle der Polizei (Art. 6 LStVG, Art. 1 POG) einen aktuellen Informationsstand über besondere Sicherheitsstörungen zu verschaffen und es in die Lage zu versetzen, erforderlichenfalls frühzeitig zu reagieren.

2.  Begriffsbestimmung

2.1 

¹„Wichtige Ereignisse“ sind Straftaten oder andere Vorkommnisse, die entweder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besonders stark berühren oder bei denen anzunehmen ist, dass sie in der Öffentlichkeit Aufsehen erregen werden. ²Dazu gehören insbesondere die folgenden Ereignisse:

2.1.1  Straftaten von großer Bedeutsamkeit

¹Die große Bedeutsamkeit kann bestehen
– in der Schwere der Tat,
– in der Motivation des Täters,
– im Vorgehen des Täters,
– in der Person des Täters,
– in der Tatausführung,
– in neuartigen Begehungsformen der Kriminalität,
– in der Person des Opfers,
– in dem angegriffenen Objekt oder
– in dem erlangten Besitz oder dem erreichten Ziel.
²Die vorstehenden Merkmale stellen lediglich eine Orientierungshilfe dar. ³Ihre Aufzählung ist nicht erschöpfend. ⁴Bei entsprechenden Straftaten ist stets unter Zugrundelegung der Begriffsbestimmung der Nr. 2.1 zu prüfen, ob eine Meldepflicht im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist.

2.1.2  Größere Schadensereignisse, Gefahr größerer Schadensereignisse, Katastrophen

Hierzu gehören vor allem
– Unfälle, bei denen durch auslaufendes Öl eine Wasser- oder Umweltgefährdung entstanden oder zu besorgen ist, vor allem im Bereich von Mineralölfernleitungen, Raffinerien, Öltanklagern und petrochemischen Anlagen,
– Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen, durch die die öffentliche Trinkwasserversorgung gefährdet werden kann,
– Betriebs- und Transportunfälle mit der Gefahr erhöhter Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung, vor allem in kerntechnischen Anlagen und alle sonstigen Störfälle in kerntechnischen Anlagen, die von öffentlichem Interesse sein können,
– Unfälle in Chemiebetrieben oder Betrieben mit vergleichbarem Gefahrenpotential sowie Transportunfälle, bei denen durch die Freisetzung gefährlicher Stoffe eine Gefahr für die Allgemeinheit entstehen kann,
– sonstige Unfälle, vor allem Explosionen, Brände und Gasunfälle mit mehreren Toten oder Schwerverletzten oder hohem Sachschaden,
– Waldbrände, bei denen eine größere Ausdehnung oder hoher Sachschaden bereits eingetreten oder zu befürchten ist,
– überörtliche Hochwasser und drohende Hochwasserkatastrophen,
– weiträumige Unwetter oder extreme Wetterverhältnisse, die wegen der Vielzahl und/oder des Ausmaßes der Schäden katastrophenähnliche Zustände zur Folge haben,
– Lawinen- oder Murenabgänge im Bereich öffentlicher Straßen und Lawinen- oder Murenunglücksfälle mit Toten oder Verletzten.

2.1.3  Verkehrsunfälle

– Straßenverkehrsunfälle und Unfälle von öffentlichen Verkehrsmitteln mit zwei oder mehr Toten oder mehr als vier Schwerverletzten,
– Schulwegunfälle mit Getöteten,
– Straßenverkehrsunfälle mit bevorrechtigten Personen, bei denen eine oder mehrere Personen verletzt wurden.

2.1.4  Weitere Unfälle

– Unfälle von Schienen- und Wasserfahrzeugen mit zwei oder mehr Toten oder mehr als vier Schwerverletzten,
– Unfälle von Luftfahrzeugen (ausgenommen Sportflugzeuge, Segelflugzeuge und Hängegleiter ohne Tote).

2.1.5  Andere wichtige Ereignisse

– öffentliche Unruhen,
– schwere Sicherheitsstörungen an den in Bayern gelegenen Grenzabschnitten der Bundesrepublik Deutschland und im Grenzbereich zu anderen Bundesländern,
– Grenz- und Landesalarmfahndungen,
– Auftreten von Seuchen, Infektionskrankheiten oder das Freisetzen gefährlicher Keime, die relevante Gesundheitsgefahren in der Bevölkerung oder erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen erwarten lassen,
– Massenanfall von Verletzten,
– polizeilicher Schusswaffengebrauch (auch die Abgabe eines Warnschusses), wenn er gegen eine Person oder gegen ein fahrendes Fahrzeug gerichtet war,
– Vorkommnisse, an denen „Personen des öffentlichen Lebens“ beteiligt waren (Verkehrsunfälle nur, wenn die „Person des öffentlichen Lebens“ als Verursacher oder Geschädigter unmittelbar beteiligt oder betroffen ist und eine Straftat im Raum steht oder eine oder mehrere Personen verletzt wurden). Grundsätzlich ist von einer „Person des öffentlichen Lebens“ auszugehen, wenn sie insbesondere aufgrund des Amts, der Funktion oder des Bekanntheitsgrads in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Eine Einzelfallbewertung unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen ist stets erforderlich.

3.  Inhalt

Die Meldung soll
– Ort und Zeit des Ereignisses,
– eine kurze Schilderung des wesentlichen Sachverhalts,
– Ursache und Ausmaß des Ereignisses,
– sofern erforderlich: die (Kurz)Personalien der Verursacher und Geschädigten (siehe Nr. 5),
– Angaben über eingeleitete Maßnahmen (außer Routinemaßnahmen),
– Angaben über ggf. bereits erfolgte Verständigungen zuständiger Sicherheits- und Verwaltungsbehörden und
– einen Hinweis enthalten, ob der Sachverhalt pressefrei ist oder ob keine oder welche Beschränkung hinsichtlich der Presseverwertbarkeit gegeben ist.

4.  Meldeweg

4.1 

¹Die zuständige Polizeidienststelle (im Regelfall das Polizeipräsidium/Einsatzzentrale, das Landeskriminalamt in Fällen seiner originären Zuständigkeit für die polizeiliche Strafverfolgung) unterrichtet ehestmöglich mit elektronischer Post (EPOST) das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (Lagezentrum Bayern). ²Wesentliche Ergänzungen sind durch die sachbearbeitende Dienststelle über das Polizeipräsidium/Einsatzzentrale so bald wie möglich nachzuberichten. ³Dies gilt auch dann, wenn hinsichtlich der Presseverwertbarkeit eine erhebliche Änderung eingetreten ist.

4.2 

¹Die WE-Meldungen sind in allen Fällen an das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr und soweit zur Erfüllung der Aufgabe erforderlich an das Landeskriminalamt zu richten. ²Ebenso können mit der WE-Meldung, wenn dadurch keine wesentlichen Verzögerungen verbunden sind, Fahndungs- und Auskunftsersuchen an das Landeskriminalamt gerichtet oder Sachverständige angefordert werden.

4.3 

¹Fälle von außergewöhnlicher Bedeutung sind dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (Lagezentrum Bayern) sofort fernmündlich zu berichten. ²Die WE-Meldung wird dadurch nicht entbehrlich.

4.4 

¹Ferner sind gleichzeitig, wenn deren Belange berührt sind, weitere Adressaten unverzüglich zu unterrichten (siehe Nr. 5):
– die Sicherheitsbehörden bzw. Katastrophenschutzbehörden (Regierungen, Kreisverwaltungsbehörden, Gemeinden),
– sonst fachlich zuständige Behörden auf Regierungsbezirks- oder Landkreisebene und
– die zuständige Staatsanwaltschaft bei Straftaten gemäß der Bekanntmachung vom 5. September 1978 (MABI. S. 699).
²Die weiteren Adressaten, wie z.B. Sicherheitsbehörden oder Staatsanwaltschaften, sind nur einzelfallbezogen und nur nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit zu informieren. ³Dies setzt voraus, dass der Aufgabenbereich der jeweiligen Behörde eröffnet ist und diese Behörde eigene Maßnahmen zu prüfen oder zu treffen hat.

4.5 

Die Landesämter für Umwelt und für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit werden, soweit erforderlich, vom Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr (Lagezentrum Bayern) verständigt.

5.  Datenschutz

¹Zur Gewährleistung datenschutzrechtlicher Belange, insbesondere der Geschädigten, ist zu prüfen, ob die Angabe der (Kurz)Personalien zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben des Empfängerkreises tatsächlich erforderlich ist. ²Andernfalls dürfte auch eine Anonymisierung mit bloßer Benennung von Alter, Staatsangehörigkeit und Beruf ausreichend sein. ³Im Einzelfall kann es notwendig sein, bei der Steuerung an andere Stellen (siehe Nr. 4.4) separate WE-Meldungen mit angepasster, das heißt reduzierter Informationstiefe abzusetzen. ⁴In diesen Fällen sind die jeweiligen Empfänger der unterschiedlichen WE-Meldungen inhaltlich darauf hinzuweisen, dass durch den Absender eine gesonderte Verständigung erfolgte.

6.  Sonstige Hinweise

6.1 

Die Polizeipräsidien und das Landeskriminalamt erteilen für ihren jeweiligen Bereich an Presse, Rundfunk und Fernsehen Auskünfte, soweit der Inhalt der WE-Meldung pressefrei ist, wenn nicht das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sich im Einzelfall die Auskunftserteilung vorbehält.

6.2 

¹Alle sonstigen Vorschriften über Berichterstattungen und Meldedienste gelten uneingeschränkt fort. ²Mit der WE-Meldung können gleichzeitig andere Meldeverpflichtungen gegenüber dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr oder dem Landeskriminalamt erfüllt werden. ³Diese ist jeweils zum Ausdruck zu bringen (z.B. „gilt auch als Waffen-/Sprengstoffsofortmeldung“).

7.  Inkrafttreten, Außerkrafttreten

¹Diese Bekanntmachung tritt am 1. Juli 2016 in Kraft. ²Die Bekanntmachung über Meldungen wichtiger Ereignisse durch die Polizei (WE-Meldungen) vom 4. Dezember 1985 (MABl. 1986 S. 38), die durch Bekanntmachung vom 28. März 1989 (AllMBl. S. 384) geändert worden ist, tritt mit Ablauf des 30. Juni 2016 außer Kraft.
Günter Schuster
Ministerialdirektor
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