Kommunales Wohnungswesen; Veräußerungen und Vermietungen unter Wert durch Kommunen und kommunale Wohnungsunternehmen
DE - Landesrecht Bayern

Kommunales Wohnungswesen; Veräußerungen und Vermietungen unter Wert durch Kommunen und kommunale Wohnungsunternehmen

Diese Bekanntmachung enthält Hinweise für Gemeinden, die zur Förderung sozial angemessenen Wohnens unter Wert Grundstücke veräußern oder eigene Wohnungen oder Wohnungen ihrer Wohnungsunternehmen zur Nutzung überlassen wollen. Sie gilt entsprechend für die Landkreise, für die Bezirke, für die Verwaltungsgemeinschaften, für die Zweckverbände und für die anderen öffentlich-rechtlichen kommunalen Zusammenschlüsse mit eigener Rechtspersönlichkeit, die das kommunale Wirtschaftsrecht anwenden. Sie ist von den Aufsichtsbehörden zu beachten.

1.  Allgemeines

1.1 

Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Bayern (BV) ist die „Vergabung “ des Vermögens der Gemeinden und Gemeindeverbände unzulässig. Art. 12 BV wird ergänzt durch Art. 75 der Gemeindeordnung (GO). Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GO bestimmt, dass Vermögensgegenstände einer Gemeinde in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen. Dies gilt entsprechend für die Überlassung der Nutzung eines Vermögensgegenstandes (Art. 75 Abs. 2 GO). Art. 75 Abs. 3 Satz 1 GO verweist auf das Verbot des Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BV und bestimmt, dass die Verschenkung und die unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen unzulässig sind.

1.2 

Für die Ermittlung des vollen Wertes von Vermögensgegenständen bei Veräußerungen ist der Verkehrswert maßgeblich. Bei der Überlassung der Nutzung sind als voller Wert die ortsüblich angemessenen Mieten, Pachten oder sonstigen Nutzungsentgelte zu Grunde zu legen.
Finanzhilfen (Zuschüsse, zinslose oder zinsgünstige Darlehen, Schulddienstbeihilfen, Stundungen usw.) der Gemeinden, die in einem inneren Zusammenhang mit der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes stehen, sind bei der Bestimmung des Veräußerungspreises zu berücksichtigen.

1.3 

Die Veräußerung oder Überlassung von Gemeindevermögen unter Wert ist entsprechend Art. 75 Abs. 3 Satz 2 GO jedoch grundsätzlich materiell-rechtlich zulässig, wenn sie zur Erfüllung von Gemeindeaufgaben erfolgt. Diese Voraussetzung muss sowohl für den Preisnachlass überhaupt als auch für seine Höhe vorliegen.

2.  Veräußerung gemeindlicher Grundstücke unter ihrem Wert

2.1 

Nach Art. 106 Abs. 2 BV ist die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen Aufgabe des Staates und der Gemeinden. Nach § 1 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) haben die Gemeinden „den Wohnungsbau unter besonderer Bevorzugung des Baues von Wohnungen, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für die breiten Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind (sozialer Wohnungsbau), als vordringliche Aufgabe zu fördern “. Die Förderung des Wohnungsbaues soll die Wohnungsversorgung „namentlich für diejenigen Wohnungsuchenden sicherstellen, die hierzu selbst nicht in der Lage sind. In ausreichendem Maß sind solche Wohnungen zu fördern, die die Entfaltung eines gesunden Familienlebens, namentlich für kinderreiche Familien, gewährleisten “ (§ 1 Abs. 2 II. WoBauG). Zur Erreichung dieser Ziele sollen die Gemeinden geeignete, ihnen gehörende Grundstücke als Bauland für den Wohnungsbau zu angemessenen Preisen zu Eigentum oder in Erbbaurecht überlassen oder als Bauland ungeeignete Grundstücke zum Austausch gegen geeignetes Bauland bereitstellen. Bevorzugt haben sie geeignetes Bauland für den sozialen Wohnungsbau, namentlich für eine Bebauung mit Familienheimen zu überlassen (§ 89 Abs. 1 II. WoBauG).
Die Verfassung und das Zweite Wohnungsbaugesetz weisen damit den Gemeinden bevorzugt die Förderung des Sozialen Wohnungsbaus als Aufgabe zu. Sie verpflichten die Gemeinden, im Rahmen der Wohnungsbauförderung den sozialen Gesichtspunkten Vorrang einzuräumen.

2.2 

Soziale Gesichtspunkte müssen bei der Veräußerung kommunaler Grundstücke unter ihrem Wert bereits für die Auswahl der Bewerber entscheidend sein. Eine allgemeine Einkommensgrenze kann nicht vorgegeben werden. Einen gewissen Anhalt könnte - allein für die Grenze, nicht für die dort genannten Voraussetzungen - § 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG) liefern, wo die Einkommensgrenze des § 25 II. WoBauG um 40 v. H. erweitert wird.
Neben dem Einkommen sollten die Gemeinden bei der Auswahl der Bewerber auch deren sonstige soziale Verhältnisse (Familienstand und Kinderzahl; Familien mit Behinderten und Angehörigen, die der Pflege bedürfen; bisherige Wohnverhältnisse, Dauer der Ortsansässigkeit usw.) berücksichtigen.

2.3 

Ebenso wie für die Auswahl der Bewerber müssen auch für das Ausmaß der Unterschreitung des Verkehrswertes soziale Gesichtspunkte maßgebend sein. Daneben haben die Gemeinden bei der Bemessung des Preisnachlasses folgende Punkte zu berücksichtigen:
Je umfassender die kommunale Aufgabe, Wohnraum zu schaffen, im Einzelfall verwirklicht wird, desto eher lässt sich eine Verbilligung des gemeindlichen Grundstücks rechtfertigen. Die Notwendigkeit eines angemessenen Verhältnisses zwischen der Verkehrswertunterschreitung und dem Ausmaß der baulichen Nutzung kann dazu führen, dass die Abgabe von Grundstücken für den Geschoßwohnungsbau, der auch für eine Eigentumsbildung geeignet ist, höher subventioniert werden kann, als eine Grundstücksveräußerung für den Eigenheimbau.
Das Maß der Verbilligung ist so zu wählen, dass ein vertretbares Verhältnis zum Subventionswert der Förderung besteht, die beim Kauf von Eigentumswohnungen oder der Errichtung von Sozialmietwohnungen üblicherweise gewährt wird.
Eine Förderung, die in unangemessener Höhe nur eine sehr kleine Zahl von Wohnungsuchenden begünstigt, ist nicht zulässig.
Bei einem „Zwischenerwerb “ von Grundstücken sind die Gemeinden bei der Festlegung des Verkaufspreises freier als im Regelfall. Zwischenerwerb liegt vor, wenn Gemeinden Grundstücke erwerben, um diese zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben und in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb weiter zu veräußern. Steigt in diesem Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung der Verkehrswert eines Grundstücks, etwa nach Aufstellung eines Bebauungsplans, dann ist zwar ein Verkauf unter Wert anzunehmen, wenn die Gemeinde das Grundstück nicht zu dem Verkehrswert im Zeitpunkt des Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäfts veräußert. Nach dem Zweck des Art. 75 GO ist ein Nachlass bis zu einem Preis in Höhe der Gestehungskosten aber nicht zu beanstanden, soweit die Gemeinde damit ihre Aufgaben erfüllt.

2.4 

Bevorzugte Wohnlagen mit hohen Grundstückspreisen eignen sich in der Regel nicht für die Förderung sozial angemessenen Wohnens durch die Veräußerung von Grundstücken unter ihrem Wert.

2.5 

Zweckmäßigerweise sollten Gemeinden, die Grundstücke unter ihrem Wert verkaufen wollen, Richtlinien zur Vergabe der Grundstücke erlassen, die allgemeine sachliche und persönliche Kriterien für den Kreis der möglichen Bewerber und das Ausmaß der Verkehrswertunterschreitung festlegen. Auf diese Weise schaffen sie eine Grundlage für die Prüfung jedes einzelnen Verkaufsfalles. Den Gemeinden wird empfohlen, sich bei der Aufstellung der Vergaberichtlinien von der Rechtsaufsichtsbehörde beraten zu lassen.

2.6 

Die Gemeinden müssen sich um eine ausreichende Sicherung des mit der verbilligten Grundstücksabgabe verfolgten Zwecks bemühen. Es soll dem Erwerber eines verbilligten Grundstücks nicht möglich sein, das Grundstück längere Zeit unbebaut zu lassen oder das Grundstück frühzeitig - d.h. vor Ablauf von mindestens zehn Jahren - wieder zu verkaufen und dabei einen erheblichen Gewinn zu erzielen. Als Sicherungsmittel kommen etwa eine befristete Bauverpflichtung sowie ein dinglich gesichertes Wiederkaufsrecht der Gemeinde zum aufgezinsten Verkaufspreis, höchsten zum Schätzpreis in Betracht.

3.  Überlassung gemeindlicher Wohnungen unter Wert

Die zur Veräußerung von Grundstücken dargestellten Überlegungen gelten für die Überlassung von Wohnungen entsprechend. Die Gemeinden sind nicht gehindert, Wohnungen auf Grund der genannten sozialen Kriterien unter ihrem Wert zu überlassen. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet auch die Gemeinden zur Gestaltung der Sozialordnung im Sinne sozialer Gerechtigkeit (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Sozial gerecht ist ein Rechtszustand, in dem allen Mitgliedern des Gemeindewesens ein menschenwürdiges Dasein und eine angemessene Erfüllung ihrer Bedürfnisse gesichert ist. Gemäß diesem Auftrag brauchen und sollen die Gemeinden nicht stets für die Überlassung von Wohnraum die Vergleichsmiete verlangen. Die Gemeinden können daher auf Grund sozialer Kriterien auch niedrigere Mieten erheben. Ein Zurückbleiben hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete kann auch dann vertretbar sein, wenn andere Wohnungseigentümer in größerem Umfang Wohnungen billiger vermieten.
Auch soweit nach diesen Grundsätzen eine Vermietung unter Wert nicht in Frage kommt, können die Gemeinden soziale Härten durch ein allmähliches Heranführen der Mieten an die Vergleichsmieten berücksichtigen.

4.  Preisnachlässe gemeindlicher Wohnungsunternehmen

Gemeindliche Wohnungsgesellschaften sind selbstständige Rechtsträger, die dem Kommunalrecht nicht unmittelbar unterliegen. Das Gebot des Art. 75 GO, Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert zu veräußern oder zu überlassen, findet auf sie daher keine Anwendung.
Art. 94 Abs. 1 GO bindet aber die Gemeinden, gegenüber solchen Unternehmen darauf hinzuwirken, dass sie einen Ertrag für die Gemeinde abwerfen. Aufgrund dieser Vorschrift haben die Gemeinden grundsätzlich ihre Wohnungsunternehmen zu veranlassen, Verkaufspreis- und Mietpreisspielräume etwa im gleichen Maß wie private Wohnungsunternehmen auszunutzen. Art. 94 Abs. 1 GO ist jedoch als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Die Vorschrift greift nicht, wenn im Einzelfall gemeindliche Aufgaben ein anderes Handeln der Gemeinde verlangen oder zulassen. Nach dem Auftrag des Sozialstaatsprinzips können die gemeindlichen Wohnungsunternehmen bei der Vermietung ihrer Wohnungen daher soziale Gesichtspunkte berücksichtigen. Die zu Art. 75 GO dargelegten Grundsätze gelten entsprechend. Im Übrigen gebietet Art. 94 GO nicht, dass die Gemeinden als Gesellschafter die Behandlung jedes einzelnen Mitverhältnisses nachprüfen. Art. 94 GO schreibt auch nicht vor, wie hoch der anzustrebende Ertrag sein soll; ein Rechtsgebot zur Gewinnmaximierung enthält er jedenfalls nicht.
I. A.
Dr. Waltner
Ministerialdirektor
EAPl 912
GAPl 1514
AllMBl 1988 S. 895
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