Selbsteintritt der Aufsichtsbehörden
Zu dem durch Gesetz vom 23. Juli 1985 (GVBl S. 269) in das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz eingefügten Art. 3a
Die neue Regelung eröffnet der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, anstelle der sonst zuständigen Behörde mit Wirkung nach außen tätig zu werden.
Bisher war es der Aufsichtsbehörde im Bereich staatlichen Verwaltungshandelns grundsätzlich nicht erlaubt, eine Angelegenheit an sich zu ziehen und selbst Entscheidungen anstelle der nachgeordneten Behörde zu treffen, da Zuständigkeitsregelungen nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfen (vgl. Beschluss des BayVGH vom 29. März 1977, BayVBl 1977, S. 503). Aus dem Aufsichts- und Weisungsrecht einer übergeordneten Behörde kann danach nicht bereits deren Befugnis abgeleitet werden, anstelle der nachgeordneten Behörde zu handeln, da die durch Rechtsnorm geregelten Zuständigkeiten jedermann und damit auch die Aufsichtsbehörde binden.
In der Praxis besteht für ein solches Handeln auch nur selten ein Bedürfnis, weil die bayerischen Verwaltungsbehörden erfahrungsgemäß in aller Regel Weisungen ihrer Aufsichtsbehörden fristgerecht nachkommen. Die neue Regelung wird daher nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.
Unberührt bleiben das Weisungsrecht der Aufsichtsbehörden, bereits bestehende andere Sonderregelungen über die Zuständigkeit und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden gegenüber kommunalen Gebietskörperschaften.
Die Vorschrift gilt für den gesamten Bereich der Staatsverwaltung. Voraussetzung für den Selbsteintritt ist das Vorliegen einer schriftlichen Weisung und der Ablauf der von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist. Die Entscheidung ist vom Leiter der Aufsichtsbehörde zu treffen. Die Behörde, an deren Stelle gehandelt wird, ist – wenn möglich vorher – von dem Selbsteintritt zu benachrichtigen.
Mit dem Selbsteintritt geht die Zuständigkeit insoweit auf die Aufsichtsbehörde über. Bei der Abfassung der Rechtsmittelbelehrung ist dem Rechnung zu tragen.
Die Vorschrift enthält eine Sonderregelung für den Selbsteintritt der Aufsichtsbehörde gegenüber dem Landratsamt als Staatsbehörde.
Der Minister muss es für erforderlich halten, dass die Weisung
– im konkreten Einzelfall
– durch ein sofortiges Handeln der Aufsichtsbehörde
– aus wichtigen Gründen des öffentlichen Wohls
durchgesetzt wird.
Als wichtige Gründe des öffentlichen Wohls nennt das Gesetz ausdrücklich Fälle von überörtlicher oder landesweiter Bedeutung; das sind namentlich Fälle, in denen die staatliche Verwaltungstätigkeit der Landesverteidigung, dem öffentlichen Verkehr oder der im öffentlichen Interesse liegenden Versorgung oder Entsorgung dient. Diese Aufzählung im Gesetz ist nicht abschließend; der Selbsteintritt ist rechtlich zulässig auch in anderen Fällen, in denen aus wichtigen Gründen des öffentlichen Wohls ein sofortiges Handeln erforderlich erscheint.
Die Aufsichtsbehörde hat das Staatsministerium des Innern davon in Kenntnis zu setzen, wenn die Entscheidung eines anderen Fachministers über einen Fall des Selbsteintritts eingeholt wird.
Die Aufsichtsbehörde kann das Selbsteintrittsrecht erst dann ausüben, wenn der fachlich zuständige Minister sie von seiner Entscheidung unterrichtet hat. Diese Mitteilung ergeht schriftlich; in besonders eiligen Fällen kann sie auch auf anderem Wege erfolgen. Das Landratsamt ist über die Entscheidung des Ministers zu unterrichten.
Das Verfahren nach Art. 36 KWBG bleibt unberührt.
EAPl 00-006
MABl 1985 S. 446
GAPl 1011
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