ArchivBO
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ArchivBO: Benützungsordnung für die staatlichen Archive Bayerns (Archivbenützungsordnung – ArchivBO) Vom 16. Januar 1990 (GVBl. S. 6) BayRS 2241-1-1-WK (§§ 1–15)

Es erlassen auf Grund
des Art. 15 des Bayerischen Archivgesetzes (BayArchivG) die Bayerische Staatsregierung
des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Kostengesetzes das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen
folgende Verordnung:

Abschnitt I Allgemeines

§ 1 Geltungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für die Benützung des in den staatlichen Archiven verwahrten Archivguts.
(2) Für die Stelle, bei der das Archivgut erwachsen ist oder die es abgegeben hat, und deren Funktionsnachfolger gilt Abschnitt II dieser Verordnung nur dann, wenn das Archivgut hätte gesperrt werden müssen oder wenn seine Vernichtung auf Grund des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 BayArchivG unterblieben ist.
(3) ¹Bei der Benützung nichtstaatlichen Archivguts gehen Vereinbarungen mit Eigentümern und von diesen getroffene Festlegungen den Regelungen dieser Verordnung vor. ²Für die Benützung des Geheimen Hausarchivs gilt § 11 des Übereinkommens zwischen dem Bayerischen Staate und dem vormaligen Bayerischen Königshaus vom 24. Januar 1923 (Beilagen Band XI zu Landtagsverhandlungen 1922/1923 S. 498 bis 503, Nr. 3298).
(4) Die für die Benützung von Archivgut getroffenen Bestimmungen gelten für die Benützung von Findmitteln, sonstigen Hilfsmitteln und Reproduktionen entsprechend.

Abschnitt II Benützung

§ 2 Benützungsberechtigte

(1) Das Archivgut steht nach Maßgabe des Bayerischen Archivgesetzes und dieser Benützungsordnung Behörden, Gerichten und sonstigen öffentlichen Stellen sowie natürlichen und juristischen Personen für die Benützung zur Verfügung.
(2) Minderjährige können zur Benützung zugelassen werden, wenn die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegt.

§ 3 Benützungszweck

¹Das Archivgut kann benützt werden, soweit ein berechtigtes Interesse an der Benützung glaubhaft gemacht wird. ²Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere gegeben, wenn die Benützung zu amtlichen, wissenschaftlichen, heimatkundlichen, familiengeschichtlichen, rechtlichen, unterrichtlichen oder publizistischen Zwecken oder zur Wahrnehmung von berechtigten persönlichen Belangen erfolgt.

§ 4 Benützungsantrag

(1) Die Benützung ist beim staatlichen Archiv schriftlich zu beantragen.
(2) ¹Im Benützungsantrag sind der Name, der Vorname und die Anschrift des Benützers, gegebenenfalls der Name und die Anschrift des Auftraggebers, sowie das Benützungsvorhaben, der überwiegende Benützungszweck und die Art der Auswertung anzugeben. ²Ist der Benützer minderjährig, hat er dies anzuzeigen. ³Für jedes Benützungsvorhaben ist ein eigener Benützungsantrag zu stellen.
(3) Der Benützer hat sich zur Beachtung der Benützungsordnung zu verpflichten.
(4) Der Benützer hat sich auf Verlangen auszuweisen.
(5) Bei schriftlichen oder mündlichen Anfragen kann auf einen schriftlichen Benützungsantrag verzichtet werden.

§ 5 Benützungsgenehmigung

(1) ¹Die Benützungsgenehmigung erteilt das staatliche Archiv. ²Sie gilt nur für das laufende und das darauffolgende Kalenderjahr, für das im Benützungsantrag angegebene Benützungsvorhaben und für den angegebenen Benützungszweck.
(2) ¹Die Benützungsgenehmigung ist zu versagen oder von Auflagen abhängig zu machen, wenn und soweit
Grund zu der Annahme besteht, daß Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würden,
Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen,
Gründe des Geheimnisschutzes es erfordern,
der Erhaltungszustand des Archivguts gefährdet würde,
durch die Benützung ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand entstünde.
²Im Fall von Satz 1 Nr. 1 holt das staatliche Archiv vor der Erteilung der Benützungsgenehmigung die Zustimmung der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns ein, die im Einvernehmen mit der abgebenden Stelle oder deren Funktionsnachfolger entscheidet.
(3) Die Benützungsgenehmigung kann ganz oder teilweise versagt oder mit Auflagen versehen werden, wenn
der Zweck der Benützung auf andere Weise erreicht werden kann, insbesondere durch Einsicht in Druckwerke oder Reproduktionen, und eine Benützung des Originals aus wissenschaftlichen oder rechtlichen Gründen nicht zwingend erforderlich ist,
das Archivgut zu amtlichen Zwecken, im Rahmen von Erschließungsarbeiten oder wegen einer gleichzeitigen anderweitigen Benützung benötigt wird,
der Benützer nicht die Gewähr für die Einhaltung der Benützungsordnung bietet.
(4) Wird die Benützung von Unterlagen nach Art. 11 Abs. 4 Satz 3 BayArchivG beantragt, so hat der Benützer die Einwilligung des Betroffenen beizubringen oder nachzuweisen, daß die Benützung dem Vorteil des Betroffenen zu dienen bestimmt ist.
(5) ¹Die Benützung kann auch auf Teile von Archivgut, auf anonymisierte Reproduktionen, auf die Erteilung von Auskünften oder auf besondere Zwecke, wie quantifizierende medizinische Forschung oder statistische Auswertung, beschränkt werden. ²Als Auflagen kommen insbesondere die Verpflichtung zur Anonymisierung von Namen bei einer Veröffentlichung und zur Beachtung schutzwürdiger Belange Betroffener oder Dritter sowie das Verbot der Weitergabe von Abschriften an Dritte in Betracht.
(6) Archivgut ist von der Benützung ausgeschlossen, solange es einer Schutzfrist unterliegt und eine Verkürzung der Schutzfrist nicht erfolgt ist.
(7) ¹Die Benützungsgenehmigung kann auch dann widerrufen werden, wenn Angaben im Benützungsantrag nicht mehr zutreffen oder die Benützungsordnung nicht eingehalten wird. ²Sie kann nachträglich mit Auflagen versehen werden.

§ 6 Verkürzung und Verlängerung von Schutzfristen

(1) ¹Der Antrag auf Verkürzung von Schutzfristen ist vom Benützer schriftlich bei dem das Archivgut verwahrenden staatlichen Archiv zu stellen. ²Bei personenbezogenem Archivgut nach Art. 10 Abs. 4 Satz 2 BayArchivG hat der Benützer die Einwilligung des Betroffenen beizubringen oder nachzuweisen, daß die Benützung zur Erreichung des beabsichtigten wissenschaftlichen Zwecks, zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder aus sonstigen im überwiegenden Interesse der abgebenden Stelle oder eines Dritten liegenden Gründen unerläßlich ist.
(2) ¹Über die Verkürzung und die Verlängerung von Schutzfristen entscheidet die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns. ²Diese holt die Zustimmung der abgebenden Stelle oder ihres Funktionsnachfolgers ein.

§ 7 Benützung in den staatlichen Archiven

(1) ¹Die Benützung erfolgt durch die Einsichtnahme in Findmittel, Archivgut und Reproduktionen in den dafür vorgesehenen Räumen der staatlichen Archive. ²Diese können die Benützung auch durch Beantwortung von schriftlichen oder mündlichen Anfragen, durch Abgabe von Reproduktionen oder durch Versendung von Archivgut ermöglichen.
(2) Mündliche oder schriftliche Auskünfte können sich auf Hinweise auf einschlägiges Archivgut beschränken.
(3) ¹Das Archivgut, die Reproduktionen, die Findmittel und die sonstigen Hilfsmittel sind mit größter Sorgfalt zu behandeln. ²Eine Änderung des Ordnungszustands, die Entfernung von Bestandteilen und die Anbringung oder Tilgung von Vermerken sind unzulässig.
(4) ¹Das eigenmächtige Entfernen von Archivgut aus den für die Benützung vorgesehenen Räumen ist untersagt. ²Das staatliche Archiv ist berechtigt, Kontrollen durchzuführen.
(5) ¹Die Verwendung von technischen Geräten bei der Benützung, wie Schreibmaschine, Diktiergerät, Computer oder beleuchtete Leselupe, bedarf besonderer Genehmigung. ²Diese kann nur erteilt werden, wenn durch die Verwendung der Geräte weder Archivgut gefährdet noch der geordnete Ablauf der Benützung gestört wird.

§ 8 Reproduktionen

(1) ¹Die Anfertigung von Reproduktionen kann nur nach Maßgabe des § 5 erfolgen. ²Reproduktionen werden durch die staatlichen Archive oder eine von diesen beauftragte Stelle hergestellt.
(2) Eine Veröffentlichung, Weitergabe oder Vervielfältigung von Reproduktionen ist nur mit vorheriger Zustimmung des staatlichen Archivs zulässig.
(3) Bei einer Veröffentlichung von Reproduktionen sind das verwahrende staatliche Archiv und die dort verwendete Archivsignatur anzugeben.

§ 9 Versendung von Archivgut

(1) ¹Auf die Versendung von Archivgut zur Benützung außerhalb des verwahrenden Archivs besteht kein Anspruch. ²Sie kann in begründeten Ausnahmefällen erfolgen, insbesondere wenn das Archivgut zu amtlichen Zwecken bei öffentlichen Stellen oder für Ausstellungszwecke benötigt wird. ³Die Versendung kann von Auflagen abhängig gemacht werden.
(2) Archivgut kann zu nichtamtlichen Zwecken nur an hauptamtlich verwaltete Archive versandt werden, sofern sich diese verpflichten, das Archivgut in den Benützerräumen unter Aufsicht nur dem Antragsteller vorzulegen, es archivfachlich einwandfrei zu verwahren, keine Reproduktionen anzufertigen und das Archivgut nach Ablauf der Ausleihfrist zurückzusenden.
(3) Eine Versendung von Archivgut für Ausstellungen ist nur möglich, wenn sichergestellt ist, daß das Archivgut wirksam vor Verlust und Beschädigung geschützt wird und der Ausstellungszweck nicht durch Reproduktionen oder Nachbildungen erreicht werden kann.

§ 10 Belegexemplar

¹Von jeder Veröffentlichung, die zu einem erheblichen Teil unter Verwendung von Archivgut eines staatlichen Archivs angefertigt worden ist, ist diesem ein Exemplar kostenlos zu überlassen. ²Entsprechendes gilt für die Veröffentlichung von Reproduktionen. ³Auf die Abgabe kann in Ausnahmefällen verzichtet werden.

Abschnitt III Benützungsgebühren

§ 11 Gebühren und Auslagen

(1) Für die Inanspruchnahme der staatlichen Archive werden Gebühren und Auslagen (Benützungsgebühren) erhoben.
(2) ¹Schuldner der Benützungsgebühren sind der Benützer und derjenige, in dessen Interesse die Inanspruchnahme erfolgt sowie derjenige, der die Schuld gegenüber dem Archiv schriftlich übernimmt. ²Mehrere Schuldner haften als Gesamtschuldner.

§ 12 Höhe der Benützungsgebühren, Auslagen

(1) ¹Für die Vorlage oder Versendung von Archivgut, die Erteilung mündlicher oder schriftlicher Fachauskünfte, die Erstellung von Gutachten und für sonstige Tätigkeiten betragen die Gebühren bei Beanspruchung
je Halbstunde Zeitaufwand. ²Die letzte angefangene Halbstunde des Zeitaufwands jeder Personengruppe wird als volle Halbstunde gerechnet. ³Das gleiche gilt, wenn der Zeitaufwand einer Gruppe eine Halbstunde nicht erreicht. ⁴Die Halbstundensätze gelten für andere, vergleichbare Archivbedienstete entsprechend.
(2) Für die Anfertigung von Reproduktionen werden Gebühren entsprechend den ortsüblichen gewerblichen Preisen erhoben.
(3) Neben den Gebühren nach den Absätzen 1 und 2 werden als Auslagen erhoben
die Postgebühren, die Kosten einer Versendung (z.B. für Verpackung und Versicherung) sowie die Fernsprechgebühren im Fernverkehr,
die Reisekosten nach den Reisekostenvorschriften und sonstige Aufwendungen bei Ausführung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststelle,
die anderen Behörden oder anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge.

§ 13 Gebührenbefreiung

Gebühren nach § 12 Abs. 1 werden nicht erhoben bei Benützungen
durch Behörden des Freistaates Bayern,
von Archivgut durch Stellen, die dieses Archivgut abgegeben haben, oder deren Funktionsnachfolger,
für nachweisbar wissenschaftliche, heimatkundliche, familiengeschichtliche und unterrichtliche Zwecke,
in Amts- und Rechtshilfesachen für den Bund und die Länder der Bundesrepublik Deutschland,
für rechtliche Forschungen durch zentrale Stellen der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sowie der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, soweit die Benützung in eigener Sache erfolgt und Gegenseitigkeit gewährt wird.

§ 14 Fälligkeit, Vorschüsse

(1) Die Gebühren und Auslagen werden mit dem Tätigwerden der Archive fällig.
(2) Die Archive können einen angemessenen Vorschuß auf die Gebühren und Auslagen verlangen und von dessen Bezahlung ihre Tätigkeit abhängig machen.

Abschnitt IV Schlußbestimmungen

§ 15 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 1. Februar 1990 in Kraft.
(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:
die Verordnung über die Erhebung von Benutzungsgebühren durch die Staatlichen Archive Bayerns – Archivgebührenordnung – ArchGebO – (BayRS 2241-3-K), geändert durch Verordnung vom 15. Juni 1987 (GVBl S. 236),
die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über die Benützung der staatlichen Archive Bayerns (Benützungsordnung) vom 25. April 1955 (BayBSVK S. 1493).
München, den 16. Januar 1990
Dr. h. c. Max Streibl
Hans Zehetmair, Staatsminister
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