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DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Württ. Gesetz über die Ausübung und Ablösung der Weiderechte auf landwirtschaftlichen Grundstücken; sowie über die Ablösung der Waldweide-, Waldgräserei- und Waldstreurechte Vom 26. März 1873

I. Verhältniß des Feldbaus zur Weide.

Art. 1

Durch die Weide kann die Benützung des Grundeigenthums nie beschränkt werden.
Alle Kulturbeschränkungsbefugnisse, sie mögen privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein, treten ein Jahr nach dem auf die Verkündigung dieses Gesetzes folgenden 4. April außer Wirkung.
Der Eigenthümer oder Inhaber eines Grundstücks ist daher durch das Weiderecht nicht gehindert, demselben eine beliebige Bestimmung zu geben, den höchst möglichen Ertrag daraus zu ziehen, es nach seinem Gutdünken zu bearbeiten, zu bepflanzen, die darauf erzeugten Früchte einzuheimsen, die darauf kultivirten Gewächse und in der geschlossenen Zeit seine Wiesen abzuweiden, letzteres nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 31.
Namentlich kann z. B. die Beweidung eines angebauten Feldes vor Einheimsung der Erzeugnisse nicht angesprochen, der Eigenthümer oder Inhaber von dem Weideberechtigten in keiner Weise gehindert werden, nicht angebaute Grundstücke urbar zu machen, seine Felder oder Wiesen zu jeder Zeit zu düngen, seine Wiesen zu mähen, so oft er will, die Brache oder das Stoppelfeld vollständig einzubauen, seine Felder nach geschehener Ableerung sogleich wieder anzupflanzen, auf seinem Boden Baumpflanzungen und jeden andern Anbau vorzunehmen, seine Wiesen umzubrechen und deren Boden zu einer anderen Erzeugung zu verwenden, mit der Kulturart seiner Grundstücke überhaupt nach Belieben zu wechseln, die Zeit der Ernte nach eigener freier Wahl zu bestimmen.
Auch darf durch die Weide die Benützung eines Grundstücks nicht nur zur Grasgewinnung, zum Obstbau oder zu anderer Baumzucht, zum Garten-, Acker- oder irgend welchem anderen Anbau, zur Park- oder Waldanlage, sondern auch zum Torfstich, Steinbrechen u. s. w., zur Anlage von Hofraithen, Errichtung von Gebäuden, zu Wasser-, Weg- und dergleichen Anlagen, zu Gewerbseinrichtungen oder andern Zwecken nie beschränkt oder beeinträchtigt werden.
Selbst nach dem Eintritt der offenen Zeit steht dem Eigenthümer frei, das auf den Feldern nachgewachsene Gras mit der Sichel, Sense u. s. w. wegzunehmen, ohne daß jedoch der Weideberechtigte an der Beweidung des betreffenden Feldes gehindert wäre.

Art. 2

Die Einfriedigung eines Grundstücks kann für sich den Weidgang nicht hindern, vielmehr kann der Weideberechtigte, soweit der Kulturzustand des Grundstücks die Beweidung gestattet (Art. 1), die Oeffnung der Einfriedigung verlangen.
Die Einfriedigung von Gärten und Obstbaumschulen hat deren Freiheit von der Beweidung ohne Entschädigung zur Folge. Das gleiche gilt für Obstbaumgüter, deren Bestand vorwiegend weniger als 20 Jahre alt ist.
Welche Grundstücke als Obstbaumgüter und als eingefriedigt im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, darüber entscheidet in Anstandsfällen der Gemeinderath und im Beschwerdeweg endgiltig das Oberamt.

Art. 3

Weinberge mit Klee oder anderen künstlichen Futterkräutern oder mit Handelsgewächsen angebaute Grundstücke, ferner alle zur Saat oder Anpflanzung hergerichtete oder eingesäte oder angepflanzte Grundstücke sind mit der Beweidung und dem Uebertrieb des Viehs (vergl. jedoch Art. 9) gänzlich zu verschonen.

Art. 4

Obstbaumgüter mit Ausnahme der in Selbstverwaltung der Gemeinde befindlichen Allmanden dürfen mit Pferden, Rindvieh und Ziegen ohne Unterschied der Jahreszeit und des Alters der Bäume gar nie beweidet werden.
Mit Schafen dürfen solche Grundstücke so lange nicht befahren werden, bis das Obst eingeheimst und, soweit nicht durch die örtlichen Weidevorschriften (Art. 22) oder durch besonderen Beschluß des Gemeinderaths ein Anderes festgesetzt worden ist, auch das Laub abgefallen ist. Ebenso hat im Frühjahr das Beweiden solcher Grundstücke, wenn nicht ein früherer Endtermin festgesetzt ist, jedenfalls mit dem Eintritt der Obstblüthe aufzuhören.
Der Weideberechtigte ist übrigens für jede Beschädigung der Obstbäume, welche die Schafe verursachen, ersatzpflichtig.
Andere Baumpflanzungen dürfen nur, soweit es ohne Schaden geschehen kann, beweidet werden.

Art. 5

Wiesen mit Bewässerungsanlagen dürfen mit Pferden und Rindvieh niemals, mit anderem Weidevieh dann nicht befahren werden, wenn deren Wässerungseinrichtungen dadurch beschädigt werden können.
Ebenso dürfen neugebaute oder umgebaute Wiesen während der ersten zwei Jahre nach Ausführung der Anlage mit keiner Art von Weidevieh befahren werden.
Wiesen, deren Grasnarbe nach dem Grade ihrer Stärke und Dichtigkeit die eine oder die andere Gattung von Rindvieh nicht zu tragen vermag, dürfen mit dem betreffenden Vieh nicht beweidet werden.
Das Beweiden von Wiesen, so lange solche durch Regen oder geschmolzenen Schnee sehr erweicht sind, kann der Gemeinderath untersagen.

Art. 6

Was in diesem Gesetze zu Gunsten der Wiesen verordnet ist, findet auch auf die sogenannten Mähder einschließlich der Holzwiesen und Holzmähder Anwendung, wofern dieselben nicht erweislich zu dem unter forstpolizeilicher Aufsicht stehenden Waldboden gehören.

Art. 7

Das Befahren der Baumpflanzungen und Wiesen mit Schweinen und Gänsen ist nicht gestattet.

Art. 8

Wird ein landwirthschaftlich benütztes Grundstück in Wald umgewandelt, so kann das darauf bestehende Weiderecht erst dann wieder ausgeübt werden, wenn der letztere fährig wird.
Wird das Weiderecht des betreffenden Berechtigten auf der ganzen Markung abgelöst, so ist das ihm auf einer solchen Waldanlage zustehende Weiderecht in dem Werth, wie ihn seine Ausübung nach den bestehenden forstpolizeilichen Grundsätzen ergibt, mit abzulösen.
Der Eigenthümer der Waldanlage kann aber die Ablösung desselben nach diesen Grundsätzen auch früher bewerkstelligen, nachdem die fragliche Waldkultur durch eine zehnjährige Erfahrung als eine gelungene sich erwiesen hat.

Art. 9

Bei gemischt angebauten Feldern darf dem Weideberechtigten der Trieb des Weideviehs auf die ungebauten Theile desselben für sich bestehenden Weidebezirks nicht versperrt werden. Es ist ihm vielmehr nach dem Erkenntniß des Gemeinderaths, soweit erforderlich, ein Triebweg wo möglich auf den Gewänden (Anwanden) offen zu lassen, der nach Richtung und Umfang mit der geringsten Störung für den Feldbau verbunden ist.
Gegen die Art und Weise der Festsetzung dieses Wegs steht jeder Partie das Recht der Beschwerdeführung bei dem Oberamt offen, welches endgiltig entscheidet.

Art. 10

Wenn Mehrere auf einer und derselben Markung ein Weiderecht auszuüben haben, so ist die Weide, woferne jenes Recht nicht gemeinschaftlich ausgeübt wird, nach Bezirken abzutheilen, sobald der Belastete oder die Berechtigten, sei es in ihrer Gesammtheit, oder die Inhaber des größeren Theils des Weiderechts es verlangen.
Besteht auch die belastete Partie aus einer Mehrheit von Personen, so hat im Falle von Meinungsverschiedenheit derjenige Theil den Ausschlag zu geben, in dessen Händen die größere Fläche der belasteten Grundstücke sich befindet.
Ueber die Abtheilung der Weiderechte nach Bezirken ist zuvörderst eine gütliche Verständigung zu versuchen. Gelingt diese nicht, so wird die Abtheilung, wenn der Betheiligungsmaßstab bereits rechtlich feststeht, unter Zugrundlegung dieses Maßstabes, in Ermanglung eines solchen feststehenden Maßstabs aber unter Berücksichtigung der Viehzahl, welche jeder Weide-Inhaber aufzuschlagen berechtigt ist, oder in Ermanglung eines solchen Anhaltspunktes unter Berücksichtigung des Umfangs der herrschenden Grundstücke und anderer Anhaltspunkte für die rechtliche Würdigung des Betheiligungsmaßstabs, sowie der örtlichen Lage der eben gedachten Grundstücke zu dem Weidefelde, durch das Oberamt nach Vernehmung der Partien und des Gemeinderaths vorgenommen.
Gegen die Entscheidung derselben steht beiden Theilen ein binnen fünfzehn Tagen von der Eröffnung an auszuführender Recurs an die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung offen, welche endgiltig entscheidet. Eine besondere Recursbelehrung findet nicht statt.
So lange die Abtheilung nicht stattgefunden hat, sind die Weideberechtigten verbunden, Strafe und Entschädigung, welche durch den Mißbrauch des Weiderechts begründet werden, gemeinschaftlich nach der Stärke ihrer Herden zu leiden, es könnte denn von dem Einen erwiesen werden, daß der Andere allein die Schuld daran trage.

Art. 11

Die offene Zeit, während welcher die der Weide unterliegenden Grundstücke befahren werden dürfen, ist sowohl für das Frühjahr, als für das Spätjahr, unter Beachtung der im Art. 1. ff. dieses Gesetzes gegebenen Vorschriften nach den jeweiligen Verhältnissen durch den Gemeinderath festzusetzen.
Gegen diese Festsetzung steht den Betheiligten das Recht der Beschwerde an das Oberamt und an die endgiltig entscheidende Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung zu, je binnen fünfzehn Tagen bei Verlust des Beschwerderechts. Eine besondere Belehrung über letzteres findet nicht statt.
Bis zu endgiltiger Entscheidung verbleibt es bei der bisher in Geltung gewesenen offenen Zeit.
Jedenfalls dürfen die Getreidefelder nicht mit Weidevieh befahren werden, ehe das betreffende Gewand vollständig abgeleert ist.
Von dem Befahren der Weide ist dem Ortsvorstand vorgängige Anzeige zu machen.

Art. 11a

Steht die von der Gemeinde gemäß Art. 11 Abs. 1 getroffene Festsetzung mit den öffentlichen Belangen in Widerspruch, so kann die Festsetzung durch das Oberamt im Benehmen mit der Landesbauernschaft vorgenommen werden.

Art. 12

Die Bestellung oder Erweiterung einer Weidedienstbarkeit, die Erwerbung einer solchen durch Verjährung, sowie der Vorbehalt eines Weiderechts auf einem veräußerten Gute findet fernerhin nicht statt.

II. Vongemeinschaftlichen und Gemeindeweiden.

Art. 13

Wenn das Weiderecht auf einer Markung der Gemeinde zusteht, sei es, daß es für die Gemeindekasse verpachtet, oder von den Gemeindegenossen selbst durch gegenseitiges Befahren ihrer Grundstücke ausgeübt wird, so darf die Weide nur unter einem gemeinschaftlichen Hirten, beziehungsweise, wo mehrere Haufen gebildet werden, unter einem für jeden Haufen bestellten gemeinschaftlichen Hirten ausgeübt werden.

Art. 13a

(1) Lassen die öffentlichen Belange die Verpachtung einer Gemeindeschafweide wünschenswert erscheinen, so kann auf Antrag der Landesbauernschaft das Wirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Innenministerium die Verpachtung anordnen. In diesem Falle ist der Gemeinde eine angemessene, in der Regel zwei Wochen nicht überschreitende Frist zu setzen, innerhalb der sie die Schafweide zu verpachten hat. Ist nach Ablauf der Frist die Schafweide nicht verpachtet, so kann das Wirtschaftsministerium einen Pächter benennen. Wenn ein Einvernehmen zwischen der Gemeinde und dem Pächter nicht alsbald zustande kommt, so werden die Pachtbedingungen vom Wirtschaftsministerium festgesetzt. Vor dem Befahren der Weide hat der Pächter für den Pachtzins einer Weidezeit (Vorsommer-, Sommer-, Herbst-, Winter-, Jahresweide) Sicherheit zu leisten.
(2) Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn die öffentlichen Belange die gemeinschaftliche Verpachtung der Gemeindeschafweiden mehrerer Gemeinden und Teilgemeinden wünschenswert erscheinen lassen.

Art. 14

(1) Die Besitzer geschlossener Höfe und anderer vereinzelter Wohnsitze können auf ihren Antrag von der Gemeinde gegen Verzicht auf ihren Anteil an der gemeinen Weide für ihre um die Ansiedlung gelegenen zusammenhängenden Grundstücke von der Gemeindeweide freigelassen werden. Das gleiche gilt für den Besitzer eines anderen Grundstücks, wenn besondere Belange des Besitzers die Ausscheidung des Grundstücks aus der Gemeindeweide rechtfertigen und wenn die Ausscheidung möglich ist, ohne daß dadurch die Ausübung der Gemeindeweide gestört wird.
(2) Widerspricht die Freilassung den öffentlichen Belangen, so kann sie vom Oberamt auf Antrag der Landesbauernschaft wieder aufgehoben werden.
(3) Wo die Weide zum Besten der Gemeinde verpachtet wird, muß das Verlangen der Freilassung mindestens einen Monat vor dem Verpachtungstermin geltend gemacht werden.
(4) Wird demselben stattgegeben, so haben die betreffenden Güterbesitzer (Abs. 1), soferne sich die Betheiligten nicht über eine Abfindungssumme verständigen, einen dem Reinertrag der Weide (an Pachtgeld, Weidezins, Pferchertrag c.) angemessenen Weidezins in die Gemeindekasse zu entrichten.
(5) Vom Weidezins kann der Ausgeschiedene durch Rücktritt in die Gemeindeweide sich befreien; er hat jedoch diesen Rücktritt mindestens einen Monat vor dem Weideverpachtungstermin dem Ortsvorsteher anzuzeigen. So lange er den Weidezins entrichtet, verbleibt es bei seiner Ausscheidung aus der Gemeindeweide.
(6) Der Weidezins wird von dem Gemeinderath periodisch festgestellt, vorbehältlich des Recurses an das Oberamt und an die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung, wofür die Bestimmungen des Art. 10, Abs. 4 gelten.
(7) Nach der Freilassung von der Gemeindeweide erhält der Besitzer der betreffenden Güter (Abs. 1) das Recht zur Einzelnbeweidung derselben nach Maßgabe des Art. 31.
(8) Ueber die Betheiligung der aus der Gemeindeweide ausgeschiedenen Güterbesitzer an dem Pferch der Gemeindeweide und deren Zulassung zur Theilnahme an den Pferchversteigerungen für die ausgeschiedenen Güter hat der Gemeinderath unter Einholung der Zustimmung des Bürgerausschusses zu entscheiden.

Art. 15

In denjenigen Gemeinden, in welchen eine Gemeindeweide mit andern Viehgattungen als Schafen besteht, kann dieselbe durch Beschluß des Gemeinderaths und Bürgerausschusses im Einverständniß von drei Viertheilen der Besitzer der - der gesammten Weide unterliegenden Grundstücke, deren Antheil mehr als zwei Drittheile der betheiligten Fläche beträgt, in eine Gemeindeschafweide verwandelt werden, vorausgesetzt daß nicht privatrechtliche Weiderechte Dritter im Wege stehen. An der Abstimmung hierüber sind auch die Ausmärker Theil zu nehmen berechtigt.

Art. 16

Wo die auf den Gütern einer Markung haftende Weidedienstbarkeit durch Ablösung des bisher einem Dritten zugestandenen Weiderechts beseitigt worden ist, kann die Fortsetzung der Ausübung der abgelösten Weide in der Eigenschaft einer Gemeindeweide beschlossen werden:
a)
von der Gemeindevertretung, wenn die Ablösung auf Rechnung der Gemeindekasse durch die Gemeinde ausgeführt wurde,
b)
von der nach den Bestimmungen dieses Gesetzes (Art. 43 lit. a) zu einer Beschlußfaffung über die Ablösung berechtigten Mehrheit der belasteten Markungsgenossen, wenn von diesen letzteren die Ablösung unternommen worden ist.

Art. 17

Der Ertrag der auf Grund der Art. 15, 16 und 20 eingeführten Weide fließt der Gemeindekasse zu, welche dagegen auch die mit deren Erwerbung, Einführung und Betrieb verbundenen Kosten zu tragen hat.
In Theilgemeinden, welche keine Gemeindekasse haben, treten statt deren die Grundeigenthümer nach Verhältniß des Umfangs der der Weide unterworfenen Güter ein.

Art. 18

Der Gemeinderath ist verbunden, die bestehende Gemeindeweide im Ganzen oder rücksichtlich einzelner Thiergattungen, einzelner Felder, Kulturarten oder Weidezeiten aufzuheben oder einzuschränken, wenn drei Viertheile der Besitzer der gesammten der Gemeindeweide unterliegenden Fläche es verlangen und deren Antheil an letzterer mehr als zwei Drittheile beträgt. Wird auf diese Weise eine zum Besten der Gemeindekasse verpachtet gewesene Gemeindeweide auf dem Privateigenthum der Markungsgenossen ganz oder theilweise aufgehoben, so sind die Gemeindecollegien berechtigt, zur Entschädigung der Gemeinde für die von derselben für die Erwerbung oder für die Einrichtung der Weide erweislich gemachten Ausgaben auf die von der Weide freigewordenen Grundstücke ein dem bisherigen Weideertrag entsprechendes Weideersatzgeld nach dem örtlichen Grundsteuerfuße in so lange umzulegen, bis der Ersatz jener Ausgaben bewirkt sein wird.
Die Aufhebung oder Einschränkung der Gemeindeweide sowie der hiewegen zu entwerfende Tilgungsplan unterliegen der Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde, die die Landesbauernschaft hierüber zu hören hat. Die Genehmigung ist zu verweigern, wenn die öffentlichen Belange es erfordern.

Art. 19

Auch ohne vorgängige Anträge der Güterbesitzer kann von den Gemeindecollegien mit Gutheißen der Aufsichtsbehörden, soweit solches nach den Bestimmungen der §§. 65 und 66 des Verwaltungsedikts erforderlich erscheint, eine Gemeindeweide oder andere gemeine Weide, welche nach dem Herkommen der Regelung und Verwaltung des Gemeinderaths unterliegt, beschränkt oder aufgehoben werden.
In solchen Fällen steht aber den Gemeindecollegien nicht zu, auf die weidepflichtigen Grundstücke besondere Umlagen zu machen, es wäre denn, daß die in Abs. 1 des Art. 18 festgesetzte Mehrheit der Besitzer der weidepflichtigen Grundstücke ihre Zustimmung dazu gibt.

Art. 20

(1) Besteht in einer Gemeinde keine oder nur eine beschränkte Gemeindeschafweide, so ist eine Gemeindeschafweide von der Gemeinde einzuführen oder die Beschränkung aufzuheben, wenn die in Art. 18 Abs. 1 genannte Mehrheit der beteiligten Grundstücksbesitzer es verlangt. Die Anordnung der Gemeinde bedarf der Genehmigung des Oberamts.
(2) Auch ohne ein solches Verlangen kann die Einführung einer Gemeindeschafweide oder die Aufhebung der Beschränkung einer solchen auf Antrag der Landesbauernschaft vom Wirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Innenministerium angeordnet werden, wenn die öffentlichen Belange die Anordnung wünschenswert erscheinen lassen.

Art. 21

In Beziehung auf die Gemeindeweide und die Erwerbung des Pferchs für ihre auf der Markung liegenden Güter dürfen Ausmärker nicht nachtheiliger behandelt werden, als die Ortsangehörigen. Insbesondere ist es nicht gestattet, die Weide, die auf den Gütern der Ingesessenen aufgehoben ist, auf den Grundstücken der Ausmärker noch fortzusetzen.

Art. 22

Die Gemeinderäthe, in Gemeindeparzellen die Theilgemeinderäthe, können über die Ausübung der Gemeindeweide besondere Vorschriften geben, in welchen namentlich zu bestimmen ist, mit welchen Viehgattungen, zu welchen Zeiten, auf welchen Feldern und in welcher Reihenfolge geweidet werden soll.
Da, wo der Umfang eines Weidebezirks es zuläßt, ist darauf zu sehen, daß derselbe in Schläge abgetheilt und jeder derselben nach Verhältniß seiner Ausdehnung nur einige Zeit, während welcher die übrigen Schläge geschont werden, beweidet wird. Die dießfälligen Beschlüsse der Gemeinderäthe unterliegen der Zustimmung des Bürgerausschusses.
Es dürfen übrigens durch solche Beschlüsse der Gemeindebehörden die den Grundeigenthümern durch das gegenwärtige Gesetz eingeräumten Rechte bezüglich der freien Wahl der Kultur und der vollen Benützung ihres Grundeigenthums (Art. 1-14 und Art. 18) in keiner Weise beeinträchtigt werden.

Art. 23

An dem Art. 12 des Gesetzes vom 18. Juni 1849, in Betreff der Ausdehnung des Amts- und Gemeindeverbands, wird durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert.

III. Von den Wanderschafherden.

Art. 24

Das seither herkömmliche Weiderecht der Wanderschafherden (Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes vom 9. April 1828, das Schäfereiwesen betreffend) ist aufgehoben. Diese Bestimmung tritt jedoch für Fahrten auf die Sommer- und Winterweide erst drei Jahre nach dem auf Verkündigung dieses Gesetzes folgenden 4. April in Wirksamkeit. Bis zu diesem Termin bleiben bezüglich dieser Fahrten die Vorschriften der Art. 14-16 des Schäfereigesetzes vom 9. April 1828 in Geltung.

Art. 25

Die Anzahl der Stücke in den einzelnen Haufen der Wanderherden darf 300 Thiere nicht übersteigen.
Die nach Art. 84 für Ueberschreitung der Normalzahl von Schafen zu verhängende Strafe fällt der Kasse derjenigen Gemeinde zu, wo die Ueberzahl betreten wird.

Art. 26

Wenn eine Schafherde aus irgend einer Ursache von einem Orte zum andern zieht, so muß der Führer der Herde mit einer von der Polizeibehörde des Orts der Ausfahrt ausgestellten Urkunde versehen sein, welche den Namen des Eigenthümers der Herde und denjenigen des Führers (Schäfers), die Zahl der Schafe, Ursache und Ziel der Wanderung, den Tag der Abfahrt und den Gesundheitszustand der Schafe zu enthalten hat, und in welche auch die Strafen einzutragen sind, welche gegen den Führer etwa erkannt werden.

Art. 27

Eine von einer nichtwürttembergischen Polizeibehörde ausgestellte Wanderurkunde wird für das Wandern mit einer Schafherde in Württemberg nicht als giltig angesehen, vielmehr hat sich der Führer einer nach Württemberg einziehenden Wanderherde in der ersten württembergischen Gemeinde, durch welche er kommt, vom Ortsvorsteher eine Wanderurkunde nach Maßgabe der im gegenwärtigen Gesetz gegebenen Vorschriften ausstellen zu lassen.

Art. 28

Der Führer einer Wanderschafherde ist verbunden, seine Wanderurkunde auf Verlangen jedem Markungsinhaber, Feldschützen, Forstschutzdiener, Polizeidiener oder Landjäger zur Einsichtnahme vorzuzeigen, welch letztere ebenfalls das Recht und die Pflicht haben, die Einhaltung der für das Wandern der Schafherden in gegenwärtigem Gesetz gegebenen Vorschriften zu kontroliren und Verfehlungen anzuzeigen.

Art. 29

Ein Schäfer, welcher mit seiner Herde ohne eine Wanderurkunde betreten wird, muß, bis er die Urkunde nachträglich beigebracht hat, seine Schafe im Stall erhalten, auch die Kosten ihrer Beaufsichtigung tragen.

Art. 30

Wenn der Führer irgend einer Schafherde sein Vieh zur Nachtzeit treiben will, so hat er zwei von ihm zu belohnende Begleiter mitzunehmen. Diese Begleiter sind von dem Ortsvorsteher derjenigen Markung, in welche der Schäfer bei Sonnenuntergang eintritt, oder von welcher er vor Tagesanbruch auszieht, für die ganze bei Nacht zurückzulegende Wegstrecke zu bestellen.

IV. Maßregeln zum Schutze gegen Weideschaden.

Art. 31

Niemand darf sein Vieh außerhalb geschlossener Hofräume oder anderer eingefriedigter Plätze unbeaufsichtigt herumlaufen lassen.
Wer auf seinen nicht umfriedigten Grundstücken sein Vieh zur Weide treibt, ist gehalten, dieß nicht anders als unter Aufsicht eines hiezu tüchtigen Hirten und unter Beobachtung der über das Einzelnhüten erlassenen Polizeivorschriften zu thun.
Jedoch kann der Gemeinderath den Viehbesitzern gestatten, mittelst festen Anpflöckens an den Boden auf offenem Feld auch ohne Hirten Vieh weiden zu lassen.
Sache des Gemeinderaths ist es, auf Anrufen anderer betheiligter Güterbesitzer jene Vorschriften für den einzelnen Fall besonders festzusetzen, und nöthigenfalls das Einzelnhüten zu verbieten.
Gegen die Verfügung des Gemeinderaths steht den Betheiligten Beschwerde an das Oberamt und an die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung zu, welche endgiltig entscheidet. Die Beschwerde hat eine aufschiedende Wirkung nicht.

Art. 32

Wo der Gebrauch der Kinder zum Viehhüten nach den örtlichen Verhältnissen nicht ganz abgestellt werden kann, ist von dem Kirchenconvente dahin zu wirken, daß es nicht auf eine die sittlich-religiöse und intellectuelle Entwicklung der Kinder gefährdende Weise geschehe.

Art. 33

Grundstücke, welche nicht auf allen Seiten so eingeschlossen sind, daß dadurch das Austreten des Viehs verhindert wird, dürfen von ihrem Besitzer nur während der Tageszeit zur Viehweide benützt werden.

Art. 34

Für solche Markungen oder Bezirke, wo das Vieh bisher nach den eigenthümlichen Verhältnissen entweder für die ganze Weideperiode oder für einen Theil derselben auf nicht eingefriedigter Weide die Nacht im Freien zubrachte, kann dies von den Polizeibehörden auch künftig gestattet werden, soferne sich keine Beschädigungen oder Mißbräuche ergeben.

Art. 35

Weidevieh, welches in Hürden oder anderen geschlossenen Räumen über Nacht im Freien verbleibt, darf aus denselben nicht früher als Eine Stunde vor Sonnenaufgang auf die Weide gebracht werden und muß Eine Stunde nach Sonnenuntergang wieder eingebracht sein.
Anderes Weidevieh muß spätestens Eine Stunde nach Sonnenuntergang in den Stall gebracht sein und darf nicht früher als Eine Stunde vor Sonnenaufgang wieder ausgetrieben werden.

Art. 36

Die Bestimmung der älteren Gesetzgebung, wonach Schaf- und andere Viehhirten dem Forstamte zur Bestätigung und Beeidigung zu stellen sind, ist aufgehoben.

V. Von der Ablösung der Weiderechte und von der Entschädigung für privatrechtliche Kulturbeschränkungen.

Art. 37

Der Ablösung unterliegen auf den Antrag des Belasteten oder des Berechtigten alle auf fremden landwirthschaftlichen Grundstücken lastenden privatrechtlichen Weiderechte, soweit nicht in Art. 41 eine Ausnahme vorgesehen ist.
Zu diesen Weiderechten gehören nicht die gemeinschaftlichen und Gemeindeweiderechte (Art. 13).

Art. 38

Für die Aufhebung der in Art. 1 Abs. 2 bezeichneten, auf privatrechtlichen Titel gegründeten, mit einem privatrechtlichen Weiderecht verbundenen Kulturbeschränkungen ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes von den Pflichtigen Entschädigung zu leisten, wogegen die aus dem Weiderechte überhaupt abgeleiteten, sowie die mit einer öffentlich-rechtlichen Weide verknüpften Kulturbeschränkungsbefugnisse ohne Entschädigung aufhören.

Art. 39

Die Ablösung eines in Art. 37 bezeichneten Weiderechts geschieht in der Regel für den ganzen Umfang der demselben unterliegenden Grundstücke, wo jedoch die Berechtigung über mehrere Markungen sich erstreckt, nach Markungen.
Ausnahmen von dieser Regel finden vorbehältlich der Zulassung weiterer Fälle im Wege des Uebereinkommens statt:
1)
für die Weide auf Wiesen, auf welchen eine künstliche Wässerungsanlage besteht, oder eingerichtet wird;
2)
für diejenigen Gutsbesitzer, bei welchen die in Art. 14 Abs. 1 und 2 bezeichneten Verhältnisse gegenüber dem Privatweiderecht zutreffen.
In diesen Fällen (Ziff. 1 und 2) ist jedoch dem Berechtigten die Möglichkeit zu ungehinderter Ausübung seines Weiderechts auf den übrigen belasteten Grundstücken der Markung zu gewähren und zu diesem Behuf erforderlichen Falls ein angemessener Triebweg zu eröffnen (vergl. Art. 9).

Art. 40

Weiderechte, welche die Inhaber verschiedener Markungen gegen einander auszuüben haben, sind, mögen sie öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Eigenschaft sein, auf Verlangen des einen oder anderen Theils aufzuheben.
Derjenige Markungsinhaber, dessen Zutriebsbefugnisse von größerem Werthe sind, als seine Belastung, hat für diese Mehrberechtigung eine nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes zu bemessende, auf den reinen Ertrag der Weide sich gründende Entschädigung anzusprechen.

Art. 41

Die Ablösung eines Weiderechts oder Mitweiderechts, das den eigenen Gütern eines Weideberechtigten auf den anderen im Gemenge liegenden Gütern der Markung zusteht, kann nur dann nicht verlangt werden, wenn es dem Berechtigten nicht möglich ist oder möglich gemacht wird, zum Zweck der Ausübung seiner Weide auf seine eigenen Grundstücke zu gelangen, und die letzteren mindestens den zehnten Theil der - der Weide unterliegenden Markungsfläche umfassen.
Der Mangel an Zufahrten auf einzelne kleinere Grundstücke des Berechtigten soll übrigens kein Hinderniß der Ablösbarkeit bilden, wenn nur der Zutrieb auf die große Hauptmasse seines Weidefeldes möglich ist.
Nach dem Vollzuge der Ablösung einer derartigen Weideberechtigung ist jedoch der frühere Berechtigte befugt, gegen Verzicht auf das ihm zustehende Recht der abgesonderten Beweidung seiner eigenen Güter und auf die Freiheit derselben von der Gemeindeweide in die Weidegemeinschaft der übrigen Markungsgenossen einzutreten und, wenn keine solche Gemeinschaft besteht, aber neu eingeführt werden will, bei der Frage über die Einführung (Art. 16) mitzustimmen, auch sofort an der gemeinen Weide, beziehungsweise den Nutzungen daraus, gleich den übrigen Markungsgenossen Theil zu nehmen.

Art. 42

Wenn einer Gemeinde oder Theilgemeinde das Weiderecht auf den sämmtlichen zur Markung gehörigen Gütern, einem einzelnen Grundbesitzer der Markung aber vermöge besonderen privatrechtlichen Titels ein Mitweiderecht auf der Markung oder auf einem Theile derselben zusteht, so ist dieses privatrechtliche Mitweiderecht in allen Fällen ablösbar.
Der Eigenthümer des bis jetzt mitweideberechtigten Guts kann sich von der Gemeindeweide auf letzterem nach Maßgabe des Art. 14 freimachen.

Art. 43

Die Ablösung ist bei dem Oberamte des Bezirks, in welchem die belasteten Grundstücke gelegen sind, anzumelden.
Die Ablösung gilt als beschlossen:
Seitens der Pflichtigen: a)
wenn mehr als die Hälfte der Besitzer der weidebelasteten Grundstücke, deren Antheil an denselben mehr als die Hälfte der betheiligten Fläche beträgt, sich dafür erklärt; diese Mehrheit bindet die Minderheit;
in Ermanglung eines solchen Beschusses: b)
wenn die Gemeindecollegien den Beschluß fassen, die Ablösung für Rechnung der Gemeinde zu unternehmen.
Der Weideberechtigte ist dabei nicht stimmfähig, auch wenn er weidepflichtige Grundstücke besitzt; letzere werden bei der Abstimmung nicht gerechnet.
Seitens mehrerer Berechtigter:
wenn sich die Inhaber des größeren Theils des Weiderechts dafür aussprechen.

Art. 44

Bei Beschlußfassung über Ablösung einer Realgemeinderechtsweide für Rechnung der Gemeinde sind auch die der Realrechtsgenossenschaft angehörigen Mitglieder des Gemeinderaths und Bürgerausschusses stimmfähig, es sind übrigens in diesem Fall die Stimmen der Mitglieder beider Collegien durchzuzählen. Haben Realgemeindeberechtigte an der Abstimmung über den Ablösungsanmeldungsbeschluß Theil genommen, so erfordert letzterer die Genehmigung des Oberamts, welche in diesem Fall gemäß Art. 20 des Gesetzes vom 6. Juli 1849 nur nach vorgängiger Vernehmung der Nichtrealgemeindegenossen ertheilt werden kann.
An der Abstimmung über die Ablösungsanmeldung eines solchen Weiderechts haben im Falle der lit. A des Art. 43 die Realgemeindegenossen gleich den Nichtgenossen mit ihren weidepflichtigen Grundstücken Theil zu nehmen das Recht.

Art. 45

In Folge der Anmeldung der Ablösung hört die abzulösende Berechtigung, soferne nicht die Betheiligten über andere Fristen übereinkommen, auf:
1)
bei Schafweiden, welche im Ganzen abgelöst werden, wenn die Ablösung in der Zeit vom 4. April bis 10. November angemeldet wurde, drei Jahre nach dem nächstfolgenden 11. November; falls die Anmeldung in der Zeit vom 11. November bis 3. April erfolgte, drei Jahre nach dem nächstfolgenden 4. April;
2)
bei anderen Weiden ein Jahr nach dem auf den Tag der Anmeldung folgenden 4. April.
Eine bei dem zuständigen Oberamte mündlich oder schriftlich erfolgte Anmeldung der Ablösung kann, nachdem das Oberamt den Gegentheil hievon in Kenntniß gesetzt hat, ohne Einwilligung des letzteren nicht mehr zurückgenommen werden.

Art. 46

Führt die Gemeinde (Theilgemeinde) die Ablösung aus, so haftet sie dem Berechtigten für die Ablösungsschuld und tritt dagegen den einzelnen Pflichtigen gegenüber in die Entschädigungsansprüche des Berechtigten ein.

Art. 47

Wenn die Ablösung auf die Gemeinde übernommen wird, oder sonst eine ganze Gemeinde als solche als berechtigt oder verpflichtet betheiligt ist, so sind die Ablösungsverhandlungen mit dem Gemeinderathe zu pflegen, welchem es zukommt, drei oder mehrere Geschäftsführer zu bestellen.
Hat eine Mehrheit von Pflichtigen selbst gemeinschaftlich abzulösen, so sind sie, so bald ihrer mehr als sechs sind, gehalten, drei Bevollmächtigte aufzustellen, welche für sie die Ablösungsverhandlungen führen.
Bei der Wahl derselben ist die Stimmenmehrheit nach Köpfen zu berechnen. Kommt eine solche nicht zu Stande, so ernennt der Gemeinderath drei Geschäftsführer für die Pflichtigen.
Ebenso kann von einer Mehrheit von bei einer Ablösung betheiligten Berechtigten die Bestellung von einem oder mehreren gemeinschaftlichen Bevollmächtigten verlangt werden.
Ein nicht in Württemberg sich aufhaltender Berechtigter hat jedenfalls einen in Württemberg wohnenden Bevollmächtigten für die Ablösungsverhandlungen aufzustellen.

Art. 48

Die Ablösungsschuldigkeit besteht in dem zwanzigfachen Betrage des jährlichen reinen Ertrags der zur Ablösung kommenden Berechtigung zur Weide- und Pferchnutzung oder zu einer von beiden.
Der Werthsbetrag einer durch Art. 1 außer Wirkung gesetzten besonderen privatrechtlichen Kulturbeschränkungsbefugniß ergibt sich aus dem Werthsunterschied zwischen der bisherigen größeren und der künftig beschränkteren Jahresnutzung aus der Weide, einschließlich des Pferchs.
Derjenige Anfangs- und Endpunkt der offenen Zeit, welcher der Berechnung der Entschädigung für die als Kulturbeschränkung aufgehobene Befugniß zu Beweidung der Wiesen im Früh- und Spätjahr zu Grund gelegt wurde, bleibt bis zur Ablösung des ganzen Weiderechts maßgebend.

Art. 49

Die Ermittlung des der Berechnung des Ablösungskapitals zu Grund zu legenden Jahreswerthes wird, soweit nicht die Betheiligten sich selbst darüber vereinigen, durch Sachverständige vorgenommen, welchen von den Betheiligten die in ihrem Besitze befindlichen urkundlichen Nachweisungen (Rechnungen, Pachtverträge u. s. w.) zur Einsicht und geeigneten Benützung bei der Schätzung zuzustellen sind.
Bei der Ermittlung der Entschädigung ist unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Reinertrags der der Ablösungsanmeldung vorangegangenen achtzehn Jahre, sowie unter Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Ausübung der Weide zu erheben, welcher Nutzen dem Berechtigten aus der Weide unter den gegebenen Verhältnissen entsprungen ist.
Dabei ist von dem Grundsatze auszugehen, daß die Belasteten nicht für den aus der Viehhaltung oder Landwirthschaft der Berechtigten sich ergebenden Ertrag, sondern nur für den reinen Weide- und Pferchnutzen, soweit letzterer dem Weideberechtigten oder einem Dritten zukommt, eine Entschädigung zu geben haben.

Art. 50

Von dem so gefundenen Reinertrag werden die etwaigen mit dem Weiderecht in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Gegenleistungen des Berechtigten in Abzug gebracht.
Soweit deren Betrag in der Durchschnittsperiode nicht aus den vorhandenen urkundlichen Nachweisungen hervorgeht, wird er ebenfalls durch Schätzung festgestellt.

Art. 51

Wenn Weiderechte eine Gegenleistung für Gefälle bilden, welche auf den Grund der Gesetze vom 14. April 1848, 17. Juni und 24. August 1849 ablösbar sind, so hat es hinsichtlich ihrer Ablösung bei den Bestimmungen jener früheren Ablösungsgesetze sein Verbleiben.

Art. 52

Wenn nach den Gesetzen eines anderen Staates die Weiderechte oder die mit solchen verbundenen privatrechtlichen Kulturbeschränkungen unentgeltlich aufgehoben oder zu einem geringeren Maßstabe für ablösbar erklärt wurden, als der Art. 48 ff. dies festsetzen, so soll bei gegenseitigen Weiderechten die den Angehörigen eines solchen Staats zu reichende Entschädigung ebenfalls in dem geringeren Maßstabe jenes Staates berechnet werden, beziehungsweise ganz wegfallen.

Art. 53

Die Tilgung der Ablösungsschuldigkeit liegt je nach den Fällen des Art. 43 lit. A und b den Weidepflichtigen, beziehungsweise der Gemeinde ob.
Wenn die Ablösung von den Belasteten angemeldet worden ist, muß die Ablösungsschuldigkeit dem Berechtigten, soferne die Betheiligten nicht anders übereinkommen, am Tage des Aufhörens der Weideberechtigung kostenfrei und aus Einer Hand bezahlt werden.
Haben dagegen die Berechtigten angemeldet, oder ist die Entschädigung unabhängig von dem Ablösungsverlangen des Belasteten in Folge gegenwärtigen Gesetzes (Art. 1 und 38) zu leisten, so liegt es in der Wahl des Belasteten, das Ablösungskapital entweder auf die vorbemerkte Weise oder in Zeitrenten von mindestens 100 fl. Jährlich (für das Weiderecht und den Pferch zusammen) und von längstens zwanzigjähriger Dauer, vom Tage des Aufhörens der Berechtigung an gerechnet, mit Zinsen von fünf vom Hundert abzutragen, wobei es dem Belasteten übrigens zusteht, an solchen Zeitrenten jederzeit auch größere Abzahlungen zu machen oder dieselben ganz abzulösen.
Die laufenden, sowie die von den zwei nächst vorangegangenen Jahren rückständigen Zeitrenten dieser Art genießen das Vorzugsrecht der Realrenten (Prioritätsgesetz vom 15. April 1825, Art. 4 Ziff. 4); auch können die Berechtigten für Zahlungsrückstände einzelner gemeinschaftlich ablösender Pflichtigen, beziehungsweise der von denselben bestellten Träger überhaupt, die pflichtigen Gutsbesitzer der Gemeinschaft sammt und sonders in Anspruch nehmen.

Art. 54

Wird zur Aufbringung des Ablösungskapitals einer Theilgemeinde, welche bisher keine eigene Verwaltung hatte, von der zuständigen Regierungsbehörde die Aufnahme einer Kapitalschuld gestattet, so kann zu dem Zwecke des Wiedereinzugs der Ablösungsschuldigkeiten von den einzelnen Pflichtigen und der Abtragung der aufgenommenen Schuld neben dem Rechner auch noch ein Verwaltungsrath für die Theilgemeinde von der Regierungsbehörde bestellt werden.

Art. 55

Die Ablösungsschuldigkeit wird, wenn die Ablösenden eine Mehrzahl bilden, und über eine andere Art der Vertheilung nicht ein gütliches Uebereinkommen treffen, nach dem örtlichen Grundsteuerfuß auf die belasteten Grundstücke vertheilt.
Der Gemeinderath hat für die Unteraustheilung auf Kosten der Pflichtigen zu sorgen. Eine Beschwerde gegen dieselbe kann innerhalb fünfzehn Tagen, von da an gerechnet, wo der Betreffende von dem Betrage seines Antheils in Kenntniß gesetzt worden ist, bei dem Oberamt angebracht werden, welches endgiltig entscheidet.

Art. 56

Führt die Gemeinde die Ablösung aus, so ist dem Gemeinderathe gestattet, die Forderung der Gemeinde an die Pflichtigen für den an den früheren Berechtigten bezahlten Ablösungsschilling in Zeitrenten bis zu zwanzigjähriger Tilgungszeit zu zerschlagen.
Die laufenden, sowie die von den zwei nächst vorangegangenen Jahren rückständigen Zeitrenten genießen gegenüber den einzelnen Schuldnern derselben das Vorzugsrecht der Realrenten (Prioritätsgesetz vom 15. April 1825, Art. 4 Ziff. 4).
In dem Fall ist jedoch ein Wiedereinzug der Ablösungsschuldigkeit von den Besitzern der weidepflichtigen Grundstücke nicht zulässig, wenn das Weiderecht eines Dritten von der Gemeinde abgelöst wurde, dann aber als Gemeindeweide für Rechnung der Gemeinde ausgeübt wird.
Wird nur ein Theil des abgelösten Weiderechts als Gemeindeweide für Rechnung der Gemeinde ausgeübt, so ist dem Gemeinderath gestattet, die dem übrigen Theil entsprechende Ablösungssumme ebenfalls auf die Besitzer der weidepflichtigen Grundstücke umzulegen.
In Anstandsfällen wird deren Betrag nach der Größe des aus dem ausgeübten Rechte fließenden Ertrags bemessen.

Art. 57

Wenn Gemeinden die für abgelöste Weiderechte von ihrer Markung zu leistende Entschädigung auf die Gemeindekasse übernehmen und diese Entschädigung, beziehungsweise die zu deren Tilgung aufgenommenen Schulden, nach und nach durch steuerfußmäßige Umlage abtragen wollen, so können die Besitzer der weideberechtigt gewesenen Güter zur Theilnahme an diesen Umlagen nicht angehalten werden.
Die früheren Weideberechtigten dürfen aber auch an dem Genuß und Ertrag einer nach Ablösung des privatrechtlichen Weiderechts eingeführten Gemeindeweide (Art. 16 lit. A) nur dann Theil nehmen, wenn sie mit ihrem Grundeigenthum in Gemäßheit des Art. 41 Abs. 3 in die Weidegemeinschaft treten.

Art. 58

Die auf dem abzulösenden Weiderechte haftenden Rechte Dritter gehen auf den Ablösungsschilling über, soferne sie in den öffentlichen Büchern vorgemerkt sind oder nach der in Art. 66 folgenden Bestimmung gewahrt werden; andernfalls haben die Inhaber dieser Rechte sich lediglich an den Weideberechtigten zu halten.
Für die Wahrung des Fideicommiß- und Lehenverbandes abgelöster Weiderechte gilt die Vorschrift des Art. 15 des Gesetzes vom 14. April 1848.

Art. 59

Im Falle der Ablösung des Weiderechts sind die auf dasselbe gegründeten Berechtigungen Dritter auf Ueberlassung des Pferchs ebenfalls im zwanzigfachen Betrag abzulösen. Die Bezahlung der Abfindungssumme für solche Berechtigungen erfolgt durch den das Weiderecht Ablösenden unmittelbar an den bisherigen Pferchberechtigten. Geschieht die Entrichtung des Ablösungsschillings in Zeitrenten (Art. 53 Abs. 3), so ist dem Pferchberechtigten je sein verhältnißmäßiger Antheil an denselben zu bezahlen.

Art. 60

Ist ein Weiderecht zu der Zeit verpachtet, in welcher eine Beschränkung oder Ablösung desselben in Gemäßheit des gegenwärtigen Gesetzes eintritt, so steht dem Pächter eine Einrede hiegegen nicht zu.
Der Berechtigte ist jedoch verbunden, den Pächter von der Anmeldung der Ablösung innerhalb dreißig Tagen von da an gerechnet, wo er selbst angemeldet oder von der Anmeldung der Pflichtigen amtliche Kenntniß erlangt hat, in Kenntniß zu setzen. Unterläßt er dies, so hat er dem Pächter für die ihm hieraus erwachsenden Nachtheile Entschädigung zu leisten.

Art. 61

Der Pächter eines Weiderechtes hat, wenn er dasselbe in Verbindung mit einem Gute gepachtet hat, für die ihm in Folge der Aufhebung von Kulturbeschränkungsbefugnissen zugehenden Nachtheile eine weitere Entschädigung nicht anzusprechen, als den Zins aus der Entschädigungsumme mit fünf vom Hundert für die Dauer des Pachtes. Dagegen berechtigt die Aufhebung einer Kulturbeschränkung den Pächter einer Weide zur Auflösung des Pachtes, wenn dieser sich nur auf das Weiderecht bezieht.

Art. 62

Ist ein zur Ablösung kommendes Weiderecht für sich allein verpachtet, so hat der Pächter mit dem Aufhören desselben, ohne einen Anspruch auf Entschädigung zu haben, vom Pachte abzutreten.
Ist aber ein Weiderecht in Verbindung mit einem Gute verpachtet, so kann der Pächter binnen dreißig Tagen, von der ihm über die Ablösung zu machenden Mittheilung an gerechnet, den Pacht kündigen und mit dem Beginne des Pachtjahrs, in welchem die Weide aufhört, von demselben abtreten, wenn die Jahresrente aus dem Weideablösungskapital mehr als ein Zehntheil der Pachtrente für das mit der Weide gepachtete Gut beträgt.
Will oder kann der Pächter von dem Kündigungsrechte keinen Gebrauch machen, so besteht seine Entschädigung, wenn für das Weiderecht ein besonderer Pachtzins festgesetzt ist, in der Verminderung des jährlichen Gesammtpachtgeldes um die für die Weide besonders festgesetzte Summe, welche jedoch nicht weniger betragen soll, als der Zins aus dem entsprechenden Ablösungskapital zu fünf Procent; wenn aber für das Weiderecht ein besonderer Pachtzins nicht festgesetzt ist, in dem Zins aus dem Ablösungskapital mit fünf Procent jährlich auf die Dauer des Pachtes.
Hat jedoch der Verpächter (Weideberechtigte) die Frist für das Aufhören des Weiderechts freiwillig so verkürzt, daß dadurch die vertragsmäßige Dauer des Weidepachtes unterbrochen wird, so ist er dem Weidepächter für den ihm hieraus erwachsenden Schaden ersatzpflichtig.

Art. 63

Wenn ein verpachtetes Pferchrecht durch ganze oder theilweise Ablösung der Weide, mit der es verknüpft ist, erlischt, oder sich mindert, so hat der Pächter in denjenigen Fällen, in welchen er das Recht oder die Gelegenheit hat, an der Pferchersteigerung sich zu betheiligen, als Entschädigung jährlich fünf Procent aus dem Pferchablösungskapital so lange zu beziehen, als der Pferchpacht dauert.
Hat der Pferchpächter nicht das Recht und die Möglichkeit, an der Pferchersteigerung sich zu betheiligen, und beträgt die Jahresrente aus dem Pferchablösungskapitale mehr als ein Zehntheil der Pachtrente für das mit dem Pferche gepachtete Gut, so hat der Pächter das Recht, den Pacht zu kündigen (vergl. Abs. 2 des Art. 62). Außerdem, oder wenn er dies nicht will, besteht seine Entschädigung in dem Zinse aus dem Ablösungskapitale mit fünf Procent jährlich auf die Dauer des Pachtes.

Art. 64

Der Pächter eines bisher belasteten Grundstücks hat im Falle der Ablösung des Weiderechts die Freiheit von der Weideberechtigung zu genießen; dafür aber während der Dauer des Pachtes den Zins aus der Ablösungssumme mit fünf vom Hundert dem Eigenthümer zu vergüten.

Art. 65

Auf Ansuchen von mindestens einem Zehntheil der Grundbesitzer einer weidepflichtigen Markung hat der Ortsvorsteher die Gesammtheit derselben zusammenzuberufen, um darüber zu berathen und zu beschließen, ob das Weiderecht gemeinschaftlich abgelöst werden soll. Fällt der Beschluß bejahend aus, so sind zutreffenden Falls (Art. 47) zugleich die erforderlichen Bevollmächtigten zu wählen. Das über die Verhandlung aufzunehmende Protokoll ist dem Oberamte vorzulegen. Die Pflichtigen, welche zur Einzelnablösung berechtigt sind, sowie die Berechtigten haben ihren Entschluß zur Ablösung dem Oberamte unmittelbar anzuzeigen.

Art. 66

Unmittelbar nach der Ablösungsanmeldung hat das Oberamt die Inhaber von Rechten, welche auf den abzulösenden Weiderechten ruhen (Art. 58), soweit ihre Rechte nicht in den öffentlichen Büchern vorgemerkt sind, durch öffentlichen Aufruf zur Anmeldung ihrer Ansprüche an das Ablösungskapital binnen fünf und vierzig Tagen unter dem in Art. 58 ausgesprochenen Rechtsnachtheil aufzufordern.

Art. 67

Die Festsetzung der Ablösungssumme bleibt zunächst dem gütlichen Uebereinkommen der Betheiligten überlassen, wozu ihnen ein angemessener, in der Regel nicht über die Dauer von fünf und vierzig Tagen zu erstreckender Termin von dem Oberamte ertheilt wird, wenn die Partien nicht gleich bei der Anmeldung (Art. 43 Abs. 1) erklärt haben, daß sie die amtliche Ermittlung der Ablösungssumme wünschen.
Liegt eine solche Erklärung vor, oder ist ein gütliches Uebereinkommen innerhalb jenes Termins nicht zu Stande gekommen, so wird das zu entrichtende Ablösungskapital durch das Gutachten verpflichteter Sachverständiger, soferne die Partien nicht auf ein solches verzichten, ermittelt und durch amtliches Erkenntniß festgestellt, zu welchem Endzweck das Oberamt das Erforderliche in nachfolgender Weise von Amtswegen einzuleiten hat.

Art. 68

Der Berechtigte ist schuldig, dem Oberamte binnen sechzig Tagen von der hiezu erhaltenen Aufforderung an
1)
eine Darstellung des abzulösenden Weiderechts und der darauf ruhenden Lasten, sammt den darüber vorhandenen Urkunden;
2)
die in seinem Besitze befindlichen Notizen über die Ertragsberechnung;
3)
im Falle der Vollständigkeit der in Ziffer 2 erwähnten Notizen eine auf dieselbe gegründete Berechnung des Ablösungskapitals;
4)
eine mit Urkunden belegte Darstellung der auf dem Weiderechte haftenden Lasten, insbesondere der mit demselben etwa verbundenen Pferchrechte Dritter,
zu übergeben.
Einer Erstreckung der erwähnten Frist kann nur aus erheblichen Gründen und höchstens auf fünf und vierzig Tage stattgegeben werden.
Das Oberamt hat diese Notizen und Urkunden zu prüfen und etwaige Mängel durch den Weideberechtigten unter Anberaumung einer kurzen Frist ergänzen zu lassen.
Im Falle des Ungehorsams in der Uebergabe dieser Grundlagen für das Ablösungsverfahren oder in der Ergänzung desselben treten Ungehorsamsstrafen ein; auch kann bei fortgesetztem Ungehorsam der Termin zur Entrichtung des Ablösungsschillings (Art. 53) auf die Dauer des Ungehorsams zum Nachtheil des Berechtigten erstreckt werden.

Art. 69

Den Weidepflichtigen und zutreffenden Falls (Art. 59) den Pferchberechtigten hat das Oberamt zur Vernehmlassung über die Erklärung des Berechtigten und zur Einsichtnahme der von dem letzteren vorgelegten Urkunden eine angemessene Frist anzuberaumen.
Bei versäumter Frist wird nach Maßgabe der vorliegenden Akten und Dokumente weiter verfahren. Anstände, welche sich durch die Vernehmlassung ergeben und auf das Schätzungsverfahren Einfluß haben, sind wo möglich vor der Einleitung des Schätzungsverfahrens zu erledigen.
Auf den Antrag des Berechtigten hat das Oberamt dem Weidepflichtigen unter Androhung von Ordnungsstrafen aufzugeben, die in dessen Besitz befindlichen für die Werthsberechnung des abzulösenden Weiderechts dienenden Notizen und Urkunden vorzulegen.

Art. 70

Die Schätzungen, welche nöthig werden, sind durch sachverständige rechtliche, bei der Sache selbst nicht betheiligte Männer vorzunehmen.
Die Zahl derselben muß bei jeder Schätzung eine ungerade sein. Ihre Ernennung steht den Partien gemeinschaftlich zu, wenn sie sich über die Sachverständigen vereinigen. Kommt diese Vereinigung binnen einer vom Oberamte anzusetzenden Frist nicht zu Stande, so steht dem Oberamte die Ernennung von drei Sachverständigen zu.

Art. 71

Die Schätzer sind, sofern es von einer der Partien verlangt wird, auf die gewissenhafte Vornahme ihres Geschäfts eidlich zu verpflichten.
Von dem Oberamte sind ihnen die zu begutachtenden Fragen und die auf ihre Aufgabe sich beziehenden Akten und Urkunden mitzutheilen; auch sind sie in den Stand zu setzen, die für nöthig erachteten örtlichen Besichtigungen vorzunehmen und von den Partien weitere Aufklärungen einzuziehen.
Ihre Beschlüsse fassen sie durch Stimmenmehrheit.
Ihr Gutachten ist stets mit Gründen abzugeben.
Wenn bei der Schätzung eine die Hälfte der Stimmenzahl übersteigende Mehrheit für eine und dieselbe Summe sich nicht ergibt, so gilt diejenige Summe als Schätzung der Mehrheit, in welcher, von der höchsten Schätzung stufenweise auf die niedrigeren zurückgeschritten, zuerst die Mehrheit der Schätzer zusammentrifft.

Art. 72

Das Gutachten der Schätzer wird den Partien durch das Oberamt eröffnet. Ein Antrag auf Vervollständigung der Schätzung oder auf eine zweite Schätzung kann von der Partie nur binnen dreißig Tagen von der vorgedachten Eröffnung an bei dem Oberamte gestellt und begründet werden.
Ueber den Antrag auf Vervollständigung erkennt das Oberamt, welches dieselbe, wie die höhere Stelle, auch von Amtswegen anordnen kann.
Wird von den Partien der Ausspruch der Schätzungs-Commission wegen formeller oder materieller Mängel, welche denselben unglaubwürdig machen, angefochten und eine zweite Schätzung beantragt, so erkennt hierüber die Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung, welche, im Falle sie die Beschwerde begründet findet, ein neues Schätzungsverfahren anordnet, für welches die nämlichen Vorschriften, wie für das erste Schätzungsverfahren, gelten.
Der Antrag auf eine dritte Schätzung ist unzuläßig.
Bloße Unzufriedenheit mit dem Resultate kann das Recht auf eine neue Schätzung nicht begründen.

Art. 73

Nach geschlossener Verhandlung hat das Oberamt einen Sühneversuch zwischen den Partien zu veranstalten und, soweit dieser mißlingt, die Entscheidung der streitig gebliebenen Punkte einzuleiten (vergl. Art. 87).

Art. 74

Nach endgiltiger Feststellung des Ablösungskapitals wird, wenn zugleich die im Art. 66 bezeichnete Frist abgelaufen ist, über diese Festsetzung durch oberamtliche Fürsorge eine von den Betheiligten zu unterzeichnende Urkunde ausgefertigt und der zuständigen Gerichtsbehörde behufs der Vormerkung in den öffentlichen Büchern hievon Mittheilung gemacht.
Die Weideablösung unterliegt keinerlei Abgaben.

Art. 75

Die aus den öffentlichen Büchern bekannten oder rechtzeitig angemeldeten Rechtsansprüche Dritter auf das Ablösungskapital (Art. 58 und 66) sind von dem Oberamt zu wahren, beziehungsweise der zuständigen Gerichtsbehörde zu der ihr zukommenden gesetzmäßigen Verfügung mitzutheilen.

Art. 76

Die Kosten des wegen der Weideablösung eintretenden Verfahrens hat jede Partie, soweit sie für sie besonders erwachsen sind, auf sich zu leiden. Die Kosten der zur Ausmittlung des Weideablösungskapitals vorgenommenen erstmaligen Schätzung haben die Berechtigten und Pflichtigen zu gleichen Theilen zu tragen. Die Zuscheidung der Kosten der zweiten Schätzung und der für die Entscheidung von Streitigkeiten anzusetzenden Sporteln richtet sich nach civilprozessualischen Grundsätzen.

Art. 77

Die in Art. 66 bis 76 enthaltenen Bestimmungen finden auch auf das Verfahren für Ermittlung der Entschädigung privatrechtlicher Kulturbeschränkungsbefugnisse sinngemäße Anwendung.

VI. Von der Ablösung der auf Waldungen haftenden Weide-, Gräserei- und Streu-Rechte, sowie von der Entschädigung für die damit verbundenen privatrechtlichen Kulturbeschränkungen.

Art. 78 (aufgehoben)

Art. 79 (aufgehoben)

Art. 80 (aufgehoben)

Art. 81 (aufgehoben)

Art. 82 (aufgehoben)

Art. 83 (aufgehoben)

VII. Strafbestimmungen.

Art. 84

An die Stelle des Art. 41 des Gesetzes vom 27. Dezember 1871, betreffend Aenderungen des Polizeistrafrechts bei Einführung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich, treten folgende Bestimmungen:
Mit Geldstrafe bis zu zehn Thalern wird bestraft: 1)
wer unbefugt auf fremden Grundstücken weidet, oder wer seinen Weidebezirk überschreitet;
2)
wer zu verbotenen Zeiten (Art. 11 und 24) oder in Uebertretung der in den Art. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 13 enthaltenen Bestimmungen weidet;
3)
wer gegen die sonstigen in gegenwärtigem Gesetze enthaltenen oder nach Maßgabe desselben erlassenen Vorschriften oder einzelnen Anordnungen (Art. 25, 26, 27, 28, 30, 31, 33, 34 und 35) sich verfehlt.
Bei Verfehlungen gegen die Vorschrift des Art. 25 ist der Schäfer, welcher mit einer Ueberzahl von Schafen auf mehreren Markungen betreten wird, auf jeder derselben strafbar.

Art. 85

Gemeinden und Privatpersonen haben für die Weideexcesse der von ihnen aufgestellten Hirten sowohl bezüglich der verwirkten Geldstrafen, als auch der Entschädigungen und Kosten zu haften.

Art. 86

Zur Untersuchung und Abrügung der in Art. 84 bezeichneten Uebertretungen sind, sofern nicht die Ortsvorsteher selbst straffällig sind, innerhalb ihrer Strafbefugniß die Ortsbehörden, in den Fällen, bei welchen diese Strafbefugniß nicht ausreicht, sowie bei Verfehlungen der Ortsvorsteher die Oberämter zuständig.
Die Allegation des Art. 41 in Art. 59 Ziff. 2 des Polizeistrafgesetzes ist hienach aufgehoben.

VIII. Von der Zuständigkeit der Behörden bei Streitigkeiten.

Art. 87

Streitigkeiten über das Bestehen oder den Umfang eines Waldweide-, Waldgräserei- oder Waldstreurechts, oder einer besonderen damit zusammenhängenden Kulturbeschränkungsbefugniß, sowie über etwaige Gegenleistungen des Berechtigten an den Belasteten sind von den Gerichten zu entscheiden.
Entsteht Streit über das Bestehen und den Umfang eines Feldweide- oder Pferchrechts, so haben hierüber, in soweit dasselbe auf den Markungs- oder Gemeindeverband (Art. 13) gestützt wird, die Verwaltungsrechtsstellen, in allen anderen Fällen die Gerichte zu entscheiden.
Insbesondere haben die Gerichte in dem Falle, wenn ein Streit über die Entschädigungspflicht für eine Kulturbeschränkungsbefugniß entsteht, darüber zu entscheiden, ob eine solche auf Grund eines die Entschädigung gesetzlich begründenden pritvatrechtlichen Titels bestanden hat.
Alle sonstigen Streitigkeiten, welche sich über die Auslegung und Anwendung des gegenwärtigen Gesetzes erheben, unterliegen der Entscheidung der Verwaltungsbehörden, und zwar in erster Instanz der Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung, in zweiter Instanz des Geheimen Raths.
Hinsichtlich der Rechtsmittel kommen die Vorschriften des Gesetzes vom 13. November 1855, betreffend die Rechtsmittel in Verwaltungsjustizsachen, zur Anwendung.

IX. Schlußbestimmungen.

Art. 88

Mit dem Eintritt der Wirksamkeit des gegenwärtigen Gesetzes sind alle bisher geltenden, demselben entgegenstehenden Gesetze und Verordnungen aufgehoben, insbesondere tritt das Gesetz vom 9. April 1828, das Schäfereiwesen betreffend, mit Ausnahme der Art. 11, 12, 17, 18, 19 und 22, welche auch ferner in Kraft bleiben, außer Wirkung.
Unsere Ministerien des Innern und der Finanzen sind mit der Vollziehung des gegenwärtigen Gesetzes beauftragt.
Gegeben Stuttgart, den 26. März 1873.

Karl.

Der Minister des Innern:

 

Sick.

 

Der Finanz-Minister:

 

Renner.

Auf Befehl des Königs,

 

der Kabinets-Chef:

 

Gärttner.

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