Bad. Gesetz, die gemeinen Schafweiden betreffend, Vom 17. April 1884
Titel I. Die Einführung von gemeinen Schafweiden.
Artikel 1 Voraussetzungen des Unternehmens. Zwang zum Beitritt.
Die landwirtschaftlichen Grundstücke einer Gemarkung können ganz oder in einzelnen zusammenhängenden Teilen der Benutzung zur gemeinen Weide mit Schafen unterworfen werden
1.)
mit ausdrücklicher Zustimmung aller beteiligten Eigentümer,
2.)
gegen den Willen einzelner Eigentümer, wenn sich nicht mindestens ²/3
der Eigentümer jener Grundstücke, die der gemeinen Weide unterworfen werden sollen, die zugleich ²/3
der Fläche vertreten müssen, dagegen aussprechen und das Bezirksamt bis Genehmigung erteilt,
3.)
durch Anordnung des Herrn Finanz- und Wirtschaftsministers auf Antrag der Abteilung für Landwirtschaft und Domänen, wenn die Einführung der gemeinen Schafweide im öffentlichen Interesse dringlich ist. Diese Anordnung kann auch dann erfolgen, wenn ein Beschluß auf Einführung der gemeinen Schafweide in dem nach Ziffer 2 durchzuführenden Verfahren nicht zustande gekommen ist.
Die Einführung der gemeinen Schafweide findet beim Bestehen von Weiderechten, welche nach dem Gesetze vom 31. Juli 1848 für ablösbar erklärt sind, nur mit Zustimmung des Berechtigten und bezüglich derjenigen Grundstücke, welche kraft Vertrags oder richterlichen Urtheils der gemeinen Weide nicht unterworfen sind, nur mit Zustimmung des Eigenthümers statt.
Artikel 2 Bewirthschaftungsfreiheit des Grund und Bodens.
Die Benützung des Grund und Bodens darf durch die Ausübung der gemeinen Schafweide nicht beschränkt werden; insbesondere darf Niemand gehindert werden, seinen Grundstücken eine beliebige Verwendung zu geben, die Fruchtfolge nach freier Wahl festzusetzen, Brach- und Stoppelfelder einzubauen und die Zeit seiner Ernte nach eigenem Ermessen zu bestimmen.
Artikel 3 Befreite Grundstücke.
Dem Zwange des Artikels 1 sind nicht unterworfen:
Rebgelände, Baumschulen, Hopfen- und Weidenanlagen, Gärten, eingefriedigte Grundstücke, ferner landwirthschaftliche Flächen, welche zur Waldanlage hergerichtet sind, endlich Grundstücke, für welche nach besonderen Gesetzen und Verordnungen ein Weideverbot besteht.
Das Gleiche gilt hinsichtlich der Böschungen öffentlicher Wege, wenn nicht die Erlaubniß zur Beweidung derselben von der mit der Unterhaltung der betreffenden Wege betrauten Behörde ausdrücklich ertheilt worden ist.
Artikel 4 Ausschluß einzelner Güter und Flächen von der gemeinen Weide.
Der Besitzer von Grundstücken, welche der gemeinen Weide unterworfen werden können, ist berechtigt, für diese den Ausschluß von der gemeinen Weide zu begehren, wenn dieselben eine zusammenhängende Fläche von mindestens 30 Hektaren darstellen, mögen sie auf einer oder auf mehreren Gemarkungen liegen.
Bilden die Grundstücke keine zusammenhängende Fläche, so kann von deren Besitzer der Ausschluß von der gemeinen Weide nur begehrt werden, wenn:
1.
ihr Flächengehalt auf der Gemarkung, auf welcher die gemeine Weide eingeführt werden soll, mindestens 80 Hektaren beträgt und
2.
durch den Ausschluß der Grundstücke die Ausübung der gemeinen Weide nicht unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wird.
Von der letzteren Voraussetzung (Ziffer 2) ist abzusehen, wenn der Besitzer nachweislich schon seither die Schafweide auf seinen Grundstücken ausgeübt hat. In letzterem Falle kann sowohl der Besitzer als die Schäfereigenossenschaft die Bildung eines den Grundstücksparzellen im Flächenmaß thunlich gleichkommenden Weidebezirks verlangen, über dessen Nothwendigkeit und Abgrenzung nach Anhören der betheiligten Besitzer das Bezirksamt entscheidet.
Falls die Erträgnisse aus der gemeinen Schafweide in die Gemeindekasse oder in eine besonderen öffentlichen Zwecken dienende (Orts-) Kasse fließen, haben die Grundstückseigentümer, deren Grundstücke nach den Bestimmungen dieses Artikels ganz oder teilweise von der gemeinen Weide ausgeschlossen sind, dorthin einen ausgleichenden Betrag zu leisten, der sich zu dem Reinertrag der gemeinen Weide verhält, wie der Flächeninhalt der ausgeschlossenen Grundstücke zu dem gesamten Flächeninhalt der der Weide unterworfenen Grundstücke.
Das Begehren um Ausschluß von der gemeinen Weide muß vor der Abstimmungstagfahrt (Artikel 8) geltend gemacht werden.
Artikel 5 Zeitdauer der gemeinen Weide.
Auf eine längere Zeit als neun Jahre kann die Dauer einer gemeinen Schafweide für einmal nicht beschlossen werden. Die gemeine Weide besteht nach Ablauf der für ihre Dauer gesetzten Frist je auf weitere sechs Jahre fort, wenn nicht spätestens ein Jahr vor Ablauf derselben von dem Gemeinderath, von mindestens 5 beteiligten Grundbesitzern oder vom Bezirksamt die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens verlangt wird.
Artikel 6 Antragstellung.
Der Antrag auf Einführung einer gemeinen Schafweide kann von dem Gemeinderath selbst oder bei diesem von einzelnen Betheiligten gestellt werden. In dem Antrag ist zu bemerken, ob die Weide das ganze Jahr hindurch oder nur während einer bestimmt anzugebenden Zeit des Jahres stattfinden, ob sie auf die ganze Gemarkung oder auf einzelne Theile derselben sich erstrecken, ob sie von den Besitzern der der Weide zu unterwerfenden Grundstücke selbst mittelst gegenseitigen Befahrens derselben ausgeübt, oder ob sie verpachtet werden, wie die Zutheilung des Erträgnisses erfolgen, endlich auf wie lange die Zeitdauer der Weide bestimmt werden soll.
Der Antrag auf Einführung einer gemeinen Weide ist zur Abstimmung zu bringen, wenn er von dem Gemeinderat oder bei dem Gemeinderat von mindestens 5 Beteiligten gestellt ist.
Artikel 7 Vorarbeiten.
Von dem Gemeinderat wird zunächst unter Beachtung der Vorschrift des Artikels 3 ein Verzeichnis der Grundbesitzer mit Angabe des Flächeninhalts ihrer Grundstücke unter Ausschluß derjenigen Grundstücke, welche der gemeinen Weide nicht unterworfen werden, gefertigt. Sodann wird das Verzeichnis mindestens 1 Woche an einem geeigneten Ort offengelegt. Die Offenlegung ist im Gemarkungsort und auch in den Nachbarorten, wenn dort Beteiligte wohnen, ortsüblich bekannt zu machen. In dieser Bekanntmachung sind zugleich die Beteiligten zu der Tagfahrt einzuladen, in der über die Einführung der gemeinen Schafweide abgestimmt wird. Des weiteren ist in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, daß Behauptungen, Grundstücke seien von der gemeinen Weide befreit (Artikel 3) und Begehren auf Ausschluß von Grundstücken (Artikel 4) spätestens in der Abstimmungstagfahrt vorzubringen sind.
Zwischen dem Beginn der Offenlegungsfrist und der Tagfahrt soll eine Frist von 2 Wochen liegen.
Artikel 8 Beschlußfassung über Einführung der gemeinen Weide.
In der von dem Bezirksamt zu leitenden Tagfahrt ist das Unternehmen eingehend zu erörtern und hierauf die Frage, ob die Weide in der beantragten Weise zur Einführung kommen soll, zur Abstimmung zu bringen.
Eigentümer von Grundstücken, die nach Artikel 3 dem Weidezwang nicht unterliegen, sind nur insoweit stimmberechtigt, als sie mit Grundstücken, die dem einzuführenden Weiderecht unterworfen werden sollen, beteiligt sind.
Ist ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuches eingetragen, so gilt die Zustimmung für dieses Grundstück als verweigert, wenn entweder der als Eigentümer Eingetragene oder der durch den Widerspruch Geschützte seine Zustimmung versagt.
Sind an einem Grundstück mehrere Personen als Miteigentümer, Miterben oder Gesellschafter beteiligt, so kann jede ihre Stimme unabhängig von den Mitberechtigten abgeben; jede Stimme und die Fläche, die sie vertritt, wird aber nur mit dem Bruchteil gerechnet, der dem Eigentumsanteil (Erbteil, Anteil am Gesellschaftsvermögen) entspricht.
Bei Grundstücken von Eheleuten oder Lebenspartnern ist derjenige Ehegatte oder Lebenspartner zur Abstimmung befugt, dem die Verwaltung des Grundstückes zusteht; einer Ermächtigung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners bedarf es nicht. Bei Grundstücken, die zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehören (§ 1485
des Bürgerlichen Gesetzbuches), ist der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner zur Abstimmung befugt.
Gesetzliche Vertreter bedürfen nicht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, die Vertreter von Gemeinden, Kirchengemeinden, Stiftungen und sonstigen der Aufsicht unterliegenden Gemeinschaften oder Anstalten nicht der Genehmigung der staatlichen und kirchlichen Aufsichtsbehörde, die Eigentümer eines geschlossenen Hofguts nicht der Genehmigung der Staatsbehörde.
Die Abstimmung der Stimmberechtigten ist auch für ihre Rechtsnachfolger bindend.
In der Abstimmungstagfahrt können auch andere Beteiligte als die Eigentümer der in das Verfahren einbezogenen Grundstücke Einwendungen geltend machen und zur Erörterung stellen.
In der Tagfahrt ist auch über die Verwendung des Pachterlöses und Pferchertrages aus der Weide und zwar mit einfacher Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten nach Maßgabe des Flächeninhaltes der der Beweidung zu unterwerfenden Grundstücke Beschluß zu fassen, wobei jedoch niemand mehr als die Hälfte aller Stimmen führen darf. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Mehrheit der Köpfe.
Die Erträgnisse aus der gemeinen Weide fließen in die Gemeindekasse, wenn die Beteiligten nichts anderes beschließen oder ein Beschluß über die Verwendung der Erträgnisse nicht zustande kommt. Falls nach Vertrag oder richterlichem Urteil bereits bestimmt ist, daß die Erträgnisse eines Weiderechts in die Gemeindekasse fließen, so hat es hierbei sein Bewenden.
Anträge auf nachträgliche Aenderung in der Verwendung der Weideerträgnisse sind nach Maßgabe des Artikels 6 zu behandeln; die Abstimmung über diese Anträge richtet sich nach den vorstehenden Bestimmungen.
Artikel 9 Genehmigung des Unternehmens.
Ist in der Tagfahrt die Einführung der gemeinen Schafweide nach Artikel 1 Absatz 1 Ziffer 2 beschlossen worden, so hat das Bezirksamt Entschließung über die Erteilung der staatlichen Genehmigung zu fassen. Im Falle der Erteilung der Genehmigung entscheidet das Bezirksamt auch über die Einwendungen aufgrund des Artikels 3 und über die Begehren nach Artikel 4 des Gesetzes, ebenso über den Beizug zu den Kosten der Verhandlungen über die Einführung der Weide. Das Bezirksamt hat vor der Erteilung der staatlichen Genehmigung den Landesökonomierat zu hören. Die Staatsgenehmigung ist zu versagen, wenn die Einführung der gemeinen Schafweide zu erheblichen Schäden für die Landwirtschaft führen würde.
Wird die Genehmigung ertheilt, so findet eine Aufhebung der nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeführten gemeinen Schafweide vor Ablauf der für die Dauer der Weide bestimmten Zeit (Artikel 6) nicht statt.
Artikel 10 Kosten.
Die durch die Verhandlungen über die Einführung der gemeinen Schafweide veranlaßten Kosten sind, falls die Einführung unterblieb, von den Antragstellern, im entgegengesetzten Fall von Demjenigen zu tragen, welchem die Einnahmen aus der Weide zufließen.
Ist auf einen vom Gemeinderath gestellten Antrag hin die Einführung unterblieben, so fallen die Kosten der Gemeindekasse zur Last.
Artikel 11 Regelung des Weidebetriebs durch Weideordnung.
Die Ausübung der gemeinen Schafweide wird durch eine Weideordnung geregelt, welche im Wege ortspolizeilicher oder, falls die gemeine Schafweide sich über mehrere Gemarkungen erstreckt, bezirkspolizeilicher Vorschrift zu erlassen ist.
Die Weideordnung hat jedenfalls über folgende Punkte Bestimmung zu treffen:
a.
über Anfang und Ende der Winter- und Sommerweide;
b.
über die Tageszeiten, zu welchen die Schafe auf die Weide und von der Weide zu treiben sind;
c.
über die Höchstzahl der Schafe, welche während der Zeit der Winter- und Sommerschafweide ausgetrieben werden dürfen;
d.
über die Art der Vertheilung oder Verwerthung des Schafpferchs und über die Betheiligung an der Pferchabgabe; ferner, falls die Erträgnisse aus der gemeinen Weide in die Gemeindekasse oder in eine besondere, öffentlichen Zwecken dienende, (Orts-) Kasse fließen, über die ausgleichenden Beiträge jener Grundeigenthümer, deren Grundstücke ganz oder theilweise von der Beweidung ausgeschlossen sind (Artikel 4);
e.
über die Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen bestimmte Arten von Grundstücken, die möglicherweise durch die Beweidung geschädigt werden können, insbesondere zur Wässerung nicht eingerichtete Wiesen, nicht eingefriedigte Baumgrundstücke, mit Klee oder anderen Futtergewächsen angebaute Felder, ferner zur Saat oder Anpflanzung hergerichtete oder eingesäte oder angepflanzte Grundstücke, endlich Böschungen von Gemeinde- und Feldwegen zur Weide benützt werden dürfen;
f.
ob die der gemeinen Weide zu unterwerfenden Grundstücke von deren Besitzern mit eigenen Thieren beweidet werden dürfen.
Durch die Weideordnung ist nöthigenfalls den Grundbesitzern zum Zwecke der Ausübung des Weiderechts gemäß Artikel 1 die Verpflichtung aufzuerlegen, bei gemischt angebauten Feldern Triebwege in der erforderlichen Breite auf die unangebauten Theile derselben offen zu halten. Für die Einräumung von Triebwegen kann der betreffende Eigenthümer Entschädigung beanspruchen, deren Festsetzung durch den Gemeinderath, vorbehaltlich der Entscheidung durch den Bezirksrath, erfolgt.
Die Eröffnung eines Triebweges können auch die Grundeigenthümer, welchen ein eigenes Weiderecht zusteht (Artikel 4), unter den gleichen Voraussetzungen verlangen.
Artikel 12 Verwaltung der gemeinen Weide, insbesondere Verpachtung.
Alle auf die Verwaltung der gemeinen Schafweide bezüglichen Geschäfte hat der Gemeinderath zu besorgen; er ist ermächtigt, die betheiligten Grundeigenthümer (Artikel 8) vor Gericht zu vertreten und in ihrem Namen die Rechtsstreite zu führen, welche aus der gemeinen Schafweide entspringen.
Die Verpachtung der Weide erfolgt im Wege der öffentlichen Versteigerung oder der Submission. Einem der drei höchstbietenden ist der Zuschlag zu erteilen, sofern nicht Tatsachen vorliegen, welche dies als nachteilig erscheinen lassen. Etwaige Beschwerden entscheidet das Bezirksamt. Will der Gemeinderat die Weide wieder an den bisherigen Pächter verpachten, so kann dies freihändig geschehen.
Der Gemeinderat soll zur öffentlichen Versteigerung, zur Submission und zur freihändigen Pachtung nur solche Schafhalter zulassen, die nachweisen, daß der überwiegende Teil der Schafe, mit denen sie die Weide befahren wollen, in ihrem Eigentum steht.
Artikel 13 Haftbarkeit für den Schaden und Feststellung des Schadenersatzes.
Der Pächter, sowie diejenigen Grundbesitzer, welche nach Artikel 4 Schafweiden betreiben, haften auch für den Schaden, welchen die von ihnen bestellten Hirten verursachen; der Beweis, daß sie die Handlungen, für welche sie verantwortlich gemacht werden wollen, nicht haben hindern können, wird nicht zugelassen. Zur Sicherung der Schadensersatzansprüche der Besitzer geschädigter Grundstücke hat der Pächter eine Kaution in Geld zu leisten, über deren Größe im Pachtvertrag Bestimmung zu treffen, und die erforderlichen Falls zu ergänzen ist.
Der Betrag des Schadens wird bei Ansprüchen des Beschädigten bis zu 10 Mark einschließlich durch den Bürgermeister, bei Ansprüchen von höherem Werth durch aus dem Bürgermeister, einem Gemeinderat und dem Ortsbauernführer zusammengesetzte Kommission festgestellt, welche zu Beginn der Pacht auf Vorschlag des Gemeinderaths durch das Bezirksamt ernannt wird.
Der Gemeinderath bewirkt die sofortige Bezahlung der festgestellten Entschädigungen einschließlich der Kosten der Abschätzung an die Bezugsberechtigten aus der von dem Pächter der Weide gestellten Kaution.
Erweist sich die Anforderung des beschädigten Grundeigenthümers als zu hoch gegriffen, so hat derselbe einen Theil der Abschätzungskosten zu tragen.
Artikel 14 Rechnungsführung.
Ueber Einnahmen und Ausgaben der verpachteten Schafweide wird vom Gemeinderechner nach Maßgabe der Vorschriften über das Gemeinderechnungswesen Rechnung geführt.
Artikel 15 Weiden im Selbstbetrieb.
Wenn die gemeine Schafweide durch die Besitzer mittelst gegenseitiger Befahrung ihrer der Beweidung unterworfenen Grundstücke auf eigene Rechnung ausgeübt wird, so ist durch den Gemeinderath ein aus mindestens drei Mitgliedern bestehender Vorstand zu bestellen, welcher unter der oberen Aufsicht des ersteren die aus dem Betrieb der Weide erwachsenden Geschäfte zu besorgen hat.
Dem Vorstand liegt insbesondere ob, die Anstellung eines oder nach Bedürfniß mehrerer Hirten zu veranlassen, sowie über die Einnahmen und Ausgaben, welche aus der Weide sich ergeben, Rechnung zu führen. Die letztere unterliegt der Beaufsichtigung der Staatsbehörde.
Für die bei der gemeinsamen Ausübung der Weide an eigenen oder fremden Grundstücken und Anlagen verursachten Schäden ist Ersatz aus der Weidekasse zu leisten.
Die Bestimmungen des Artikels 13 über die Feststellung der Schäden finden hier ebenmäßige Anwendung.
Artikel 16 Feldhut.
Der Gemeinderath ist mit Genehmigung des Bezirksamtes befugt, zur Bezahlung eines Theils des Gehalts der Feldhüter die aus der Schafweide sich ergebenden Einnahmen heranzuziehen.
Artikel 17 Behandlung der Ausmärker.
Die in diesem Gesetze den Grundeigenthümern eingeräumten Rechte stehen den Ausmärkern in gleichem Umfang wie den Gemeindebewohnern zu.
Die Ausmärker dürfen insbesondere in Bezug auf die Abgabe des Pferchs nicht ungünstiger wie die Gemeindebewohner behandelt werden.
Titel II. Zuständigkeit der Behörden und Strafvorschriften.
Artikel 18 Bezirksamt.
Die Bezirksämter haben darüber zu wachen, daß die für den Fall der Einführung einer gemeinen Weide nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu treffenden Anordnungen, insbesondere wegen Erlassung einer Weideordnung, wegen Bestellung eines Vorstandes beim Selbstbetrieb der Weide, ferner wegen Vornahme der Verpachtung der Weide und wegen Führung einer Weiderechnung, endlich wegen Anstellung der erforderlichen Anzahl von Feldhütern rechtzeitig und vorschriftsgemäß zur Ausführung gelangen. Auch haben dieselben dafür zu sorgen, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes für die zur Zeit der Erlassung desselben bestehenden gemeinen Weiden, soweit erforderlich, alsbald in Vollzug gesetzt werden (Artikel 22).
Artikel 19
Das Bezirksamt entscheidet nach Anhörung des Landesökonomierats
a.
über die Höhe der ausgleichenden Beiträge der Grundeigentümer in den Fällen der Artikel 4 und 11 d;
b.
über die Höhe der für Einräumung von Triebwegen zu gewährenden Entschädigungen (Artikel 11);
c.
über den Anspruch auf Teilnahme am Pferchertrag sowie über die Verteilung der Einnahmen aus der Weide.
Artikel 20 Strafvorschriften.
Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft:
1.
wer beim Betrieb der gemeinen Weide
a.
weidende Schafe ohne Aufsicht oder unter der Aufsicht einer hiezu untüchtigen Person läßt,
b.
Schafe auf Grundstücken weiden läßt oder über Grundstücke treibt, welche von der Beweidung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes befreit oder ausgeschlossen sind,
c.
die Weide den Vorschriften der Weideordnung (Artikel 11) zuwider ausübt oder ausüben läßt;
2.
wer sonst die orts- oder bezirkspolizeilichen Vorschriften hinsichtlich der Schafweide übertritt.
Zur Festsetzung und Vollstreckung der Strafen wegen vorstehender Zuwiderhandlungen ist innerhalb der durch § 47 des Ausführungsgesetzes zu den Reichsjustizgesetzen gezogenen Grenzen der Bürgermeister zuständig.
Titel III. Schlußbestimmungen.
Artikel 21 Uebergangsbestimmung.
Soweit noch auf Grund des Artikels 42 des Gesetzes vom 31. Juli 1848 eingeführte Schafweiden bestehen, sind dieselben den Vorschriften in Artikel 2 bis mit 4 und 11 bis mit 21 gleichfalls unterworfen. Nach Ablauf der Zeit ihrer Wirksamkeit finden aber auch die weiteren Bestimmungen dieses Gesetzes auf alle fortzusetzenden gemeinen Schafweiden Anwendung.
Artikel 22 Vollzug.
Der Finanz- und Wirtschaftsminister hat die zum Vollzug des Gesetzes erforderlichen Bestimmungen zu treffen.
Der Zeitpunkt, in welchem dieses Gesetz in Wirksamkeit tritt, wird durch Verordnung bestimmt.
Von diesem Zeitpunkt ab tritt Artikel 42 des Gesetzes vom 31. Juli 1848, die Ablösung der Weiderechte betreffend, außer Kraft.
Gegeben zu Karlsruhe, den 17. April 1884.
Friedrich.
Turban.
Auf Seiner Königlichen Hoheit Höchsten Befehl:
Dr. Kühn.
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