MFG BW
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz zur Mittelstandsförderung Vom 19. Dezember 2000

ERSTER TEIL Allgemeines

§ 1 Zweck

(1) Das Gesetz hat im Interesse der Sicherung einer ausgewogenen Wirtschaftsstruktur des Landes den Zweck,
a)
die Leistungskraft kleiner und mittlerer Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sowie der freien Berufe (Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft) zu erhalten und zu stärken, insbesondere Wettbewerbsnachteile auszugleichen, die Eigenkapitalausstattung zu verbessern und die Anpassung an den wirtschaftlichen und technologischen Wandel zu fördern,
b)
die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt und im globalen Wettbewerb zu fördern,
c)
die Gründung und Festigung von selbständigen Existenzen sowie die Übernahme von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft zu erleichtern,
d)
die Arbeits- und Ausbildungsplätze in den Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft zu sichern und auszubauen.
(2) Zu diesem Zweck sollen vorrangig die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mittelstandsgerecht gestaltet werden. Hierzu zählen als ständige Aufgaben insbesondere auch die Privatisierung von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand, vorbehaltlich spezifischer Regelungen, sowie die Vermeidung, erforderlichenfalls der Abbau von Vorschriften, die Investitionen und Innovationen hemmen.
(3) Zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele setzt das Land außerdem seine Einrichtungen und Instrumente zur Wirtschaftsförderung ein und stellt Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung.

§ 2 Allgemeine Bindung der öffentlichen Hand

(1) Die Behörden des Landes, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts sind verpflichtet, bei allen Planungen, Programmen und Maßnahmen den Zweck dieses Gesetzes zu beachten.
(2) Die in Absatz 1 genannten juristischen Personen wirken in Ausübung ihrer Gesellschafterrechte in Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, darauf hin, dass der Zweck dieses Gesetzes in gleicher Weise beachtet wird.

§ 3 Vorrang der privaten Leistungserbringung

Die öffentliche Hand soll, vorbehaltlich spezifischer Regelungen für ihre wirtschaftliche Betätigung, wirtschaftliche Leistungen nur dann erbringen, wenn sie von privaten Unternehmen nicht ebenso gut und wirtschaftlich erbracht werden können.

ZWEITER TEIL Fördermaßnahmen

1. Abschnitt Fördergrundsätze

§ 4 Adressaten und Kernbereiche der Förderung, Ausführungsbestimmungen

(1) Die Fördermaßnahmen dieses Gesetzes richten sich vorrangig an Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft mit weniger als 250 Beschäftigten und mit einem Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen Euro oder mit einer Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Millionen Euro, die sich nicht zu 25 vom Hundert oder mehr des Kapitals oder der Stimmanteile im Besitz eines oder mehrerer Unternehmen befinden, die diese Größenklasse übersteigen.
(2) Kernbereiche der Mittelstandsförderung sind die in den §§ 9 bis 15 und 19 bis 21 genannten Maßnahmen.
(3) Die Durchführung der einzelnen Fördermaßnahmen wird in Ausführungsbestimmungen geregelt.
(4) Bei der Ausführung des Gesetzes sind die Ziele und Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung zu beachten.

§ 5 Hilfe zur Selbsthilfe

(1) Die Selbsthilfe geht der staatlichen Förderung vor.
(2) Eine staatliche Förderung nach diesem Gesetz setzt in der Regel voraus, dass der Zuwendungsempfänger eine angemessene Eigenleistung erbringt und die Gewähr für eine erfolgreiche Durchführung des Vorhabens bietet.

§ 6 Koordinierung der Förderung

(1) Die Fördermaßnahmen nach diesem Gesetz und sonstige Fördermaßnahmen des Landes sind aufeinander abzustimmen. Dabei sind Fördermaßnahmen des Bundes, der Europäischen Union und regionale Fördermaßnahmen zu berücksichtigen. Bei der Ausgestaltung der Fördermaßnahmen und -verfahren sind die Erfordernisse der Transparenz und Konsistenz besonders zu beachten.
(2) Bei der Festlegung von Art und Umfang der Förderung von Maßnahmen werden die berührten Landesorganisationen der Wirtschaft beteiligt.

§ 7 Finanzierung der Förderung

(1) Zur Durchführung der Fördermaßnahmen, insbesondere in den Kernbereichen der Mittelstandsförderung, sorgt das Land für eine angemessene und stetige Finanzausstattung, die der Bedeutung der Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft für Ausbildung, Beschäftigung und Innovation sowie für eine ausgewogene Struktur der Wirtschaft des Landes Rechnung trägt.
(2) Die finanziellen Leistungen des Landes nach diesem Gesetz bestimmen sich nach dem jeweiligen Staatshaushaltsplan.
(3) Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Haushaltsmittel sind Zuwendungen im Sinne des § 23
der Landeshaushaltsordnung. Sie sind in der mittelfristigen Finanzplanung zu berücksichtigen.
(4) Eine Förderung nach anderen Vorschriften schließt eine Förderung nach diesem Gesetz nicht aus, soweit durch die Ausführungsbestimmungen nichts Abweichendes bestimmt wird.
(5) Die zur Förderung bestimmten staatlichen Mittel werden in einer Anlage zum Staatshaushaltsplan gesondert ausgewiesen.

2. Abschnitt Überbetriebliche Maßnahmen zur Steigerung der Leistungskraft

§ 8 Träger der Maßnahmen

Träger der Fördermaßnahmen sind in der Regel die Organisationen und Selbsthilfeeinrichtungen der Wirtschaft, ausnahmsweise die Einrichtungen des Landes zur Wirtschaftsförderung.

§ 9 Berufliche Bildung

Das Land fördert zur beruflichen Bildung von Unternehmern, Mitarbeitern und Auszubildenden der mittelständischen Wirtschaft
1.
die Durchführung anerkannter überbetrieblicher Kurse und Lehrgänge sowie sonstiger Maßnahmen, die der beruflichen Ausbildung oder Fortbildung dienen,
2.
die Errichtung, Erweiterung und Ausstattung von überbetrieblichen Einrichtungen, die der Ergänzung der beruflichen Ausbildung, der beruflichen Fortbildung oder der beruflichen Umschulung dienen, auf der Grundlage eines Entwicklungsprogramms für überbetriebliche Berufsbildungsstätten,
3.
die Zusammenarbeit von Weiterbildungsträgern auf regionaler Ebene.

§ 10 Existenzgründungen, Betriebsübernahmen

Das Land fördert Maßnahmen zur Information, Qualifizierung, Beratung und Betreuung von Existenzgründungen und Betriebsübernahmen.

§ 11 Unternehmensberatung

Das Land fördert die Beratung von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft einschließlich der Fortbildung von Unternehmensberatern.

§ 12 Wirtschaftsnahe Forschung und Entwicklung

(1) Das Land fördert wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen und Vorhaben der wirtschaftsnahen Forschung und der technischen Entwicklung sowie deren Umsetzung in die betriebliche Praxis.
(2) Zu diesem Zweck fördert das Land auch besondere Einrichtungen der Technologieberatung und -vermittlung (Technologietransfer) sowie die Vermittlung von Design.
(3) In Fällen von besonderer Bedeutung können auch Vorhaben einzelner Unternehmen gefördert werden.

§ 13 Erschließung ausländischer Märkte

Das Land fördert, um Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft den Zugang zu ausländischen Märkten zu erleichtern, insbesondere Maßnahmen von Unternehmensgruppen zur Markterkundung und Markterschließung, wie Gruppenbeteiligungen an internationalen Fachmessen im Ausland sowie die Errichtung und den Betrieb von Kontaktstellen im Ausland durch inländische Unternehmensgruppen (»Firmenpools«).

§ 14 Mittelstandsuntersuchungen

Das Land fördert Untersuchungen und Erhebungen wie Branchen- und Marktanalysen sowie Betriebsvergleiche, um Entwicklungstendenzen, Leistungschancen und Leistungshemmnisse der mittelständischen Wirtschaft oder einzelner ihrer Gruppen festzustellen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen und Erhebungen sind grundsätzlich der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

§ 15 Kooperation

(1) Das Land fördert die Zusammenarbeit von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft. Gefördert werden insbesondere
1.
Arbeitskreise zur Verwertung fachlicher Erfahrungen,
2.
Gemeinschaftseinrichtungen und -maßnahmen, 3.
Kooperationsmodelle (Unternehmenskooperationen).
(2) Das Land fördert ferner die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft und Institutionen, auch in Form grenzüberschreitender Kooperationen und Netzwerke.

§ 16 Messen und Ausstellungen

Das Land kann die Beteiligung von Unternehmensgruppen der mittelständischen Wirtschaft an Messen und Ausstellungen fördern.

§ 17 Wirtschaftsinformation

Das Land kann die Information der Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft über aktuelle Fragen der Wirtschaft und Technik fördern. Das gleiche gilt für die zentrale Sammlung und Zurverfügungstellung von Informationen.

§ 18 Sonstige Fördermaßnahmen

Das Land kann im Rahmen des Staatshaushaltsplans Förderung entsprechend den Zielen und Grundsätzen dieses Gesetzes in weiteren Bereichen betreiben, wenn dies einem dringenden Bedürfnis der Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft und dem Interesse des Landes dient.

3. Abschnitt Maßnahmen zur Verbesserung der Kapitalversorgung

§ 19 Darlehen, Zuschüsse, Bürgschaften

Das Land gewährt, zur Erreichung des in § 1 genannten Zwecks, Finanzhilfen in Form von zinsgünstigen Darlehen, Zuschüssen und Bürgschaften an Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft.

§ 20 Rückbürgschaften

Das Land gewährt Selbsthilfeeinrichtungen der mittelständischen Wirtschaft Rückbürgschaften für von diesen eingegangene Bürgschaftsverpflichtungen zugunsten von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft. Auch kann es zu diesem Zweck Darlehen oder Zuschüsse zur Dotierung ihrer Haftungsfonds gewähren.

§ 21 Finanzhilfen bei Kapitalbeteiligungen

(1) Das Land gewährt oder vermittelt privaten Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die öffentlich geförderte Beteiligungen bei Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft eingehen, zur Verbesserung der Kapitalausstattung Refinanzierungsmittel.
(2) Das Land gewährt, zur Erleichterung der Beschaffung von haftendem Kapital, Beteiligungsgarantiegemeinschaften, die für die Beteiligung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften an Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft Garantie leisten, Rückgarantien. Zur Dotierung ihrer Garantiefonds können Darlehen und Zuschüsse gewährt werden.

4. Abschnitt Öffentliche Aufträge

§ 22 Beteiligung an öffentlichen Aufträgen

(1) Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist neben den Gesichtspunkten der Vergabebestimmungen der Zweck dieses Gesetzes zu beachten. Durch die Streuung von Aufträgen sind Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft im Rahmen der bestehenden Vergabevorschriften in angemessenem Umfang zu berücksichtigen. Insbesondere sind Leistungen, soweit es die wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen zulassen, so in Lose nach Menge und Art zu zerlegen, dass sich Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft bewerben können.
(2) Die Zusammenfassung mehrerer oder sämtlicher Fachlose bei einem Bauvorhaben ist nur zulässig, wenn dies aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen Vorteile bringt.
(3) Angebote von Arbeitsgemeinschaften sind grundsätzlich unter den gleichen Bedingungen wie solche von einzelnen Bietern zuzulassen.
(4) Auftragnehmer sind für den Fall der Weitergabe von Leistungen an Nachunternehmer vertraglich zu verpflichten
1.
bevorzugt Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft zu beteiligen, soweit es mit der vertragsgemäßen Ausführung des Auftrags zu vereinbaren ist,
2.
Nachunternehmen davon in Kenntnis zu setzen, dass es sich um einen öffentlichen Auftrag handelt,
3.
bei der Weitergabe von Bauleistungen an Nachunternehmen die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB Teil B), bei der Weitergabe von Lieferleistungen die Allgemeinen Bedingungen für die Ausführung von Leistungen der Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL Teil B) zum Vertragsbestandteil zu machen,
4.
den Nachunternehmern keine, insbesondere hinsichtlich der Zahlungsweise, ungünstigeren Bedingungen aufzuerlegen, als zwischen dem Auftragnehmer und dem öffentlichen Auftraggeber vereinbart sind.
(5) Für privat finanzierte öffentliche Bauvorhaben (zum Beispiel Bauträgervertrag, Mietkauf- oder Leasingvertrag) gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Ferner ist zu vereinbaren, dass die Investoren bei der Vergabe von Bauaufträgen, die mit diesen Investitionen zusammenhängen, die Absätze 3 und 4 anwenden.
(6) Juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 1 sind, soweit nicht Absatz 7 etwas anderes bestimmt, verpflichtet, ihre Gesellschafterrechte in Unternehmen des privaten Rechts, an denen sie durch mehrheitliche Beteiligung oder in sonstiger Weise direkt oder indirekt bestimmenden Einfluss nehmen können, so auszuüben, dass
a)
diese die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie die Absätze 1 bis 4 anwenden und
b)
ihnen die Anwendung der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) empfohlen wird,
wenn diese Unternehmen öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind. Die Verpflichtung nach Satz 1 entfällt in der Regel
1.
bei Unternehmen, bei denen, gemessen an ihrem Gesamtumsatz, mindestens 80 vom Hundert ihrer Tätigkeit primär der Gewinnerzielung dienen, sofern sie mindestens im genannten Umfang in einem entwickelten Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehen und ihre Aufwendungen ohne Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten decken,
2.
bei Aufträgen der in § 100 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen genannten Art,
3.
bei Aufträgen, deren Wert voraussichtlich weniger als 30000 Euro (ohne Umsatzsteuer) beträgt.
Auch bei Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen nach Satz 2 besteht die Verpflichtung nach Satz 1, soweit die Unternehmen Aufträge für ein Vorhaben vergeben, für das sie öffentliche Mittel in Höhe von mindestens 30000 Euro in Anspruch nehmen.
(7) Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinden und der Gemeindeverbände in einer Rechtsform des privaten Rechts findet § 106 b
Gemeindeordnung Anwendung.

DRITTER TEIL Ausführungs- und Schlussbestimmungen

§ 23 Zuständigkeiten

(1) Für die Ausführung dieses Gesetzes ist das Wirtschaftsministerium zuständig. So weit einzelne Maßnahmen die Zuständigkeit anderer Ministerien berühren, ist mit diesen das Einvernehmen herzustellen.
(2) Das Wirtschaftsministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Vollzug einzelner Maßnahmen auf nachgeordnete Behörden zu übertragen.

§ 24 Mittelstandsbericht, Evaluation

(1) Die Landesregierung berichtet dem Landtag in regelmäßigen Zeitabständen über die Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft. Der Bericht soll sich auch auf die getroffenen Fördermaßnahmen und deren Auswirkungen (Erfolgskontrolle) erstrecken sowie Vorschläge für weitere Fördermaßnahmen enthalten.
(2) Zur Sicherstellung der Effizienz der Förderprogramme und -maßnahmen werden diese evaluiert.

§ 25 Änderung der Gemeindeordnung

(Änderungsanweisungen)

§ 26 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Mittelstandsförderungsgesetz vom 16. Dezember 1975 (GBl. S. 861), zuletzt geändert durch Artikel 26 der Verordnung vom 17. Juni 1997 (GBl. S. 278), außer Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Stuttgart, den 19. Dezember 2000

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

Teufel Dr. Döring Dr. Palmer Dr. Schavan von Trotha
Stratthaus Staiblin Müller
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