ERechVOBW
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Verordnung der Landesregierung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen in Baden-Württemberg (E-Rechnungsverordnung Baden-Württemberg - ERechVOBW) Vom 10. März 2020

§ 1 Geltungsbereich, Ausnahmen

(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechnungen an Auftraggeber nach § 1
Absatz 7 EGovG BW, mit denen eine Lieferung oder eine sonstige Leistung abgerechnet wird und die nach Erfüllung von öffentlichen Aufträgen und Aufträgen sowie zu Konzessionen ausgestellt wurden, soweit Absatz 2 und 3 keine abweichenden Bestimmungen enthalten.
(2) Vom Geltungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind Rechnungen, die nach § 4
Absatz 2 Nummer 1 bis 4 des Landessicherheitsüberprüfungsgesetzes geheimhaltungsbedürftige Daten enthalten. Ungeachtet dessen können Vertragsparteien im Einzelfall die Ausstellung und Übermittlung von elektronischen Rechnungen vereinbaren.
(3) Der Geltungsbereich dieser Verordnung ist nicht eröffnet bei Bar- und Sofortzahlungen, durch die die schuldbefreiende Wirkung mit dem Zahlungsvorgang eintritt.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Eine Rechnung ist jedes Dokument, mit dem eine Lieferung oder eine sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.
(2) Eine elektronische Rechnung ist jedes Dokument im Sinne von Absatz 1, wenn
1.
es in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und
2.
das Format die automatische und elektronische Verarbeitung des Dokuments ermöglicht.
(3) Rechnungssteller sind alle Unternehmer nach § 14
Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die eine Rechnung an Rechnungsempfänger im Sinne von Absatz 4 ausstellen und übermitteln.
(4) Rechnungsempfänger sind alle Auftraggeber nach § 1
Absatz 7 EGovG BW.
(5) Rechnungssender sind alle Unternehmer nach § 14
Absatz 1 BGB, die eine elektronische Rechnung im Auftrag des Rechnungsstellers ausstellen und übermitteln.

§ 3 Verbindlichkeit der elektronischen Rechnung

(1) [1]  Rechnungssteller müssen den Rechnungsempfängern elektronische Rechnungen ausstellen und übermitteln. Sie können sich hierbei der Dienstleistung von Rechnungssendern bedienen. Die Pflicht zur Ausstellung und Übermittlung von elektronischen Rechnungen besteht nicht, wenn der Rechnungssteller oder der Rechnungsempfänger eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband oder ein Auftraggeber ist, der in entsprechender Anwendung von §§ 99 bis 101
des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) den Gemeinden und Gemeindeverbänden zuzuordnen ist. Ungeachtet dessen können Rechnungsempfänger nach Satz 3 mit den Rechnungsstellern die Ausstellung und Übermittlung von elektronischen Rechnungen vereinbaren.
(2) Rechnungsempfänger müssen elektronische Rechnungen empfangen und verarbeiten, die die Anforderungen der §§ 4 bis 6 erfüllen. Die Pflicht zum Empfang und zur Verarbeitung von elektronischen Rechnungen besteht nicht für die Gemeinden oder die Gemeindeverbände oder die Auftraggeber, die in entsprechender Anwendung von §§ 99 bis 101
GWB den Gemeinden und Gemeindeverbänden zuzuordnen sind, wenn der Wert des vergebenen öffentlichen Auftrags, des vergebenen Auftrags oder der Vertragswert der vergebenen Konzession den gemäß § 106
GWB jeweils maßgeblichen Schwellenwert unterschreitet.
(3) [2] [3]  Die Pflicht zur Ausstellung und Übermittlung von elektronischen Rechnungen nach Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Rechnungen bis zu einem Betrag von 1 000 Euro ohne Umsatzsteuer.
(4) [4]  Die Pflicht zur Ausstellung und Übermittlung von elektronischen Rechnungen nach Absatz 1 Satz 1 gilt nicht für Beschaffungen im Nicht-EU-Ausland, wenn der Rechnungssteller nicht über die erforderlichen technischen Möglichkeiten verfügt.
(5) Besteht eine elektronische Rechnung nicht nur aus einem strukturierten elektronischen Format, sondern zusätzlich aus einer bildhaften Darstellung der Rechnung, so ist im Falle von inhaltlichen Abweichungen das strukturierte elektronische Format maßgeblich.

Fußnoten

[1]
Absatz 1 in Kraft mit Wirkung vom 1. Januar 2022

§ 4 Rechnungsformate

Rechnungssteller und Rechnungssender haben für die Ausstellung von elektronischen Rechnungen grundsätzlich den Datenaustauschstandard XRechnung vom 10. Juli 2019 (BAnz AT 31.7.2019 B1) in der jeweils aktuellen Fassung zu verwenden. Sie können auch einen anderen Datenaustauschstandard verwenden, wenn er den Anforderungen der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung nach Artikel 3
der Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen (ABl. L 133 vom 6.5.2014, S. 1) entspricht.1

Fußnoten

1
Die Fundstelle der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung (EN 16931) wurde am 17. Oktober 2017 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 266 vom 17.10.2017, S. 19) veröffentlicht. Die EN 16931 ist bei der Beuth Verlag GmbH, Berlin, zu beziehen.

§ 5 Inhalt der elektronischen Rechnung

(1) Die elektronische Rechnung muss neben den umsatzsteuerrechtlichen Rechnungsbestandteilen mindestens folgende Angaben enthalten:
1.
die Bankverbindungsdaten, 2.
die Zahlungsbedingungen und 3.
die E-Mail-Adresse des Rechnungsstellers oder Rechnungssenders.
(2) Die elektronische Rechnung muss zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 folgende Angaben enthalten, wenn diese dem Rechnungssteller bereits bei der Beauftragung übermittelt wurden:
1.
die Lieferantennummer, 2.
eine Bestellnummer.

§ 6 Übermittlung von elektronischen Rechnungen

(1) Rechnungssteller und Rechnungssender haben für die Übermittlung von elektronischen Rechnungen das Dienstleistungsportal des Landes nach § 15
Absatz 2 EGovG BW (Dienstleistungsportal) zu nutzen, wenn der Rechnungsempfänger eine Behörde des Landes nach § 1
Absatz 1 und 2 EGovG BW ist; andernfalls haben sie einen vom Rechnungsempfänger vorgegebenen Übermittlungsweg zu nutzen.
(2) Die elektronische Rechnung kann beim Dienstleistungsportal durch
1.
Hochladen, 2.
E-Mail oder 3.
den Webservice über die Infrastruktur von Pan-European Public Procurement OnLine (PEPPOL)*
eingebracht werden. Die Nutzungsbedingungen für die Übermittlung von elektronischen Rechnungen werden durch das Innenministerium geregelt und im Dienstleistungsportal veröffentlicht.
(3) Elektronische Rechnungen, die über das Dienstleistungsportal übermittelt werden, müssen zusätzlich zu den Angaben nach § 5 eine Leitweg-Identifikationsnummer (Leitweg-ID) enthalten. Die Leitweg-ID wird vom Dienstleistungsportal erzeugt und vergeben. Rechnungsempfänger, die an ein zentral bereitgestelltes Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Landes angeschlossen sind, beantragen die Leitweg-ID über dieses Verfahren. Der Rechnungsempfänger übermittelt dem Rechnungssteller die Leitweg-ID bei der Beauftragung.
(4) Elektronische Rechnungen, die über das Dienstleistungsportal übermittelt werden, sind automatisiert auf ihre formale Fehlerlosigkeit zu prüfen. Sobald die ordnungsgemäße Einbringung einer elektronischen Rechnung festgestellt ist, ist der Rechnungssteller oder Rechnungssender darüber zu benachrichtigen. Eine elektronische Rechnung ist nicht anzunehmen, wenn sie formal fehlerhaft ist oder ein Schadprogramm erkannt wird. Eine Benachrichtigung über die Nichtannahme kann in Einzelfällen unterbleiben, wenn die elektronische Rechnung durch E-Mail eingebracht wird oder eine E-Mail-Adresse des Rechnungsstellers oder Rechnungssenders nicht bekannt ist.

Fußnoten

*
[Red. Anm.: Gemäß § 12 Abs. 3 in Verbindung mit der Bekanntmachung des Innenministeriums über das Inkrafttreten von § 6 Absatz 2 Nummer 3 der E-Rechnungsverordnung Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2021 (GBl. S. 943) tritt § 6 Absatz 2 Nummer 3 am 14. März 2022 in Kraft.]

§ 7 Empfang von elektronischen Rechnungen

(1) Ist der Rechnungsempfänger eine Behörde des Landes nach § 1
Absatz 1 und 2 EGovG BW, hat er für den Empfang von elektronischen Rechnungen den zentralen Dienst des Dienstleistungsportals nach § 15
Absatz 4 Nummer 6 EGovG BW zu nutzen.
(2) Alle anderen Rechnungsempfänger haben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Vorkehrungen für den Empfang von elektronischen Rechnungen zu treffen. Sie sind berechtigt, den zentralen Dienst des Dienstleistungsportals nach § 15
Absatz 4 Nummer 6 EGovG BW zu nutzen; das Innenministerium kann dafür eine anteilige Erstattung der Betriebskosten verlangen. Sofern für die Einbringung von elektronischen Rechnungen ein Webservice zur Verfügung gestellt wird, ist dieser zumindest auch über die Infrastruktur von PEPPOL anzubieten.
(3) Voraussetzung für den Empfang von elektronischen Rechnungen über das Dienstleistungsportal ist, dass der Rechnungsempfänger über ein Servicekonto nach § 15
Absatz 5 EGovG BW verfügt.

§ 8 Verarbeitung von elektronischen Rechnungen

(1) Rechnungsempfänger, die an ein zentral bereitgestelltes Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Landes angeschlossen sind, haben die von ihnen empfangenen elektronischen Rechnungen medienbruchfrei zu verarbeiten. Abweichend davon gilt für die Verarbeitung von elektronischen Rechnungen, die in einem anderen Datenaustauschstandard nach § 4 Satz 2 ausgestellt und übermittelt werden, Absatz 2 in entsprechender Anwendung.
(2) Alle anderen Rechnungsempfänger haben die von ihnen empfangenen elektronischen Rechnungen nach pflichtgemäßem Ermessen zu verarbeiten.

§ 9 Schutz personenbezogener Daten

(1) Die Rechnungsempfänger dürfen personenbezogene Daten in von ihnen empfangenen elektronischen Rechnungen nur zur Erfüllung der Aufgaben nach dieser Rechtsverordnung und zur Erfüllung der haushaltsrechtlichen Vorgaben verarbeiten.
(2) Die Rechnungsempfänger treffen gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S.1, ber. ABl. L 314 vom 22. November 2016, S.72) die zum Schutz personenbezogener Daten erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen.

§ 10 Prüfung

Das Innenministerium und das Finanzministerium prüfen die Anwendung dieser Verordnung und deren Auswirkung auf die Ausstellung und Übermittlung von elektronischen Rechnungen spätestens bis zum 31. Dezember 2024. Die Prüfung soll auch Anpassungsmöglichkeiten aufgrund technischer Weiterentwicklungen angemessen berücksichtigen. Über das Ergebnis der Prüfung ist der Landesregierung Bericht zu erstatten.

§ 11 Übergangsregelung

Die Verpflichtung nach § 8 Absatz 1 Satz 1 besteht erst, wenn für das jeweilige zentral bereitgestellte Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Landes die informationstechnischen Voraussetzungen geschaffen worden sind. Dies ist vom Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Innenministerium jeweils im Gesetzblatt mit dem Hinweis auf die Rechtsfolge aus § 8 Absatz 1 Satz 1 bekannt zu geben. Bis dahin gilt § 8 Absatz 2 in entsprechender Anwendung.

§ 12 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 18. April 2020 in Kraft, soweit in Absatz 2 und 3 nichts Anderes bestimmt ist.
(2) § 3 Absatz 1, 3 und 4 treten am 1. Januar 2022 in Kraft.
(3) § 6 Absatz 2 Nummer 3 tritt sechs Monate nach Anschluss des Landes an die Infrastruktur von PEPPOL, jedoch frühestens am 18. April 2020, in Kraft. Das Innenministerium gibt den Tag des Inkrafttretens im Gesetzblatt bekannt*
.
(4) § 3 Absatz 3 tritt am 31. Dezember 2025 außer Kraft.
STUTTGART, den 10. März 2020

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

KRETSCHMANN

STROBL

SITZMANN

DR. EISENMANN

BAUER

UNTERSTELLER

LUCHA

HAUK

WOLF

 

HERMANN

Fußnoten

*
[Red. Anm.: Gemäß der Bekanntmachung des Innenministeriums über das Inkrafttreten von § 6 Absatz 2 Nummer 3 der E-Rechnungsverordnung Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2021 (GBl. S. 943) tritt § 6 Absatz 2 Nummer 3 am 14. März 2022 in Kraft.]
Markierungen
Leseansicht