NSUnrG WB 2
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Württ.-bad. Gesetz Nr. 207 Zweites Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege Vom 31. Juli 1947

§ 1

(1) Eine durch Entscheidung eines Sondergerichts in der Zeit vom 31. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 verhängte Strafe, die unter Berücksichtigung der im Urteil festgestellten Tat und der Zeitumstände übermäßig hart und deshalb als nationalsozialistisch erscheint und noch nicht oder nicht in vollem Umfang vollstreckt worden ist, ist auf das angemessene Maß herabzusetzen.
(2) Die Herabsetzung kann, falls sie im öffentlichen Interesse liegt, auch erfolgen, wenn eine Strafverbüßung nicht mehr in Betracht kommt.
(3) Bei der Herabsetzung kann die Tat, wegen der die Strafe ausgesprochen worden ist, rechtlich anders gewürdigt werden.

§ 2

Die Herabsetzung erfolgt auf Antrag. Antragsberechtigt sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte oder seine Hinterbliebenen (§ 361
StPO.).

§ 3

(1) Die Herabsetzung erfolgt durch Gerichtsbeschluß. Der Beschluß ergeht nach Aktenlage, ohne daß eine mündliche Verhandlung erforderlich ist. Das Gericht kann einzelne Beweiserhebungen oder eine mündliche Verhandlung anordnen. Auf diese finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß Anwendung.
(2) Das Gericht kann eine Aussetzung der Strafvollstreckung anordnen.

§ 4

(1) Zuständig ist das Landgericht (Strafkammer), in dessen Bezirk das Sondergericht seinen Sitz hatte.
(2) Ist die Entscheidung von einem Sondergericht, an dessen Sitz keine deutsche Gerichtsbarkeit mehr besteht, erlassen worden, so ist das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk der Verurteilte zur Zeit der Verurteilung seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hatte oder der Verurteilte oder seine Hinterbliebenen zur Zeit der Antragstellung haben.

§ 5

Wird der Antrag auf Herabsetzung der Strafe abgelehnt, so ist der Beschluß mit Gründen zu versehen; er kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, über die das Oberlandesgericht entscheidet.

§ 6

Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.
Die zur Durchführung erforderlichen Vorschriften erläßt das Justizministerium.
Stuttgart, den 31. Juli 1947

Die Regierung des Landes Württemberg-Baden:

Dr. Reinhold Maier

J. Beyerle

Ulrich

Dr. Veit

R. Kohl

G. Kamm

Otto Steinmayer

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