Verordnung des Sozialministeriums über das Verfahren der Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden Vom 6. April 1971
§ 1 Antrag
(1) Die Gutachterstelle für die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden (Gutachterstelle) wird nur auf Antrag tätig.
(2) Antragsberechtigt sind der Betroffene und die Personen, deren Einwilligung in die Behandlung gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 sowie § 4
des Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden vom 15. August 1969 (BGBl. I S. 1143 - Kastrationsgesetz -) erforderlich ist.
(3) Die Antragsberechtigten müssen auf Verlangen mitteilen, ob und gegebenenfalls bei welcher anderen Gutachterstelle ein Verfahren anhängig war oder ist.
§ 2 Verfahren, Allgemeines
(1) Die Gutachterstelle prüft, ob die Voraussetzungen der §§ 2 bis 4
des Kastrationsgesetzes vorliegen. Sobald feststeht, daß eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt wird, insbesondere daß die erforderlichen Einwilligungen nicht erteilt werden, ist die Bestätigung zu versagen.
(2) In den Fällen des § 6
des Kastrationsgesetzes kann die Bestätigung vor der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der Einwilligungserklärung erteilt werden.
§ 3 Erhebungen, Anhörung
(1) Die Gutachterstelle verschafft sich durch ärztliche Untersuchung und Anhörung des Betroffenen sowie durch die gebotenen weiteren Erhebungen die für ihre Entscheidung notwendigen Erkenntnisse. Sie kann sich insbesondere der Mithilfe von Sachverständigen bedienen.
(2) Die Gutachterstelle gibt Gelegenheit zur Äußerung
1.
dem Ehegatten oder dem Lebenspartner des Betroffenen, wenn dies nicht aus besonderen Gründen untunlich ist,
2.
dem Leiter einer Anstalt, in welcher der Betroffene auf Grund Richterspruchs verwahrt wird,
3.
der Vollstreckungsbehörde, wenn der Betroffene eine Freiheitsstrafe verbüßt oder wenn ihm auf Grund einer Maßregel der Sicherung und Besserung die Freiheit entzogen ist,
4.
dem für die Entscheidung über die Untersuchungshaft zuständigen Richter, wenn der Betroffene sich in Untersuchungshaft befindet.
§ 4 Aufklärung
(1) Ein ärztliches Mitglied der Gutachterstelle nimmt die in dem Kastrationsgesetz vorgeschriebene Aufklärung des Betroffenen und anderer Personen vor. Hierbei kann auch das Mitglied der Gutachterstelle mit Befähigung zum Richteramt beteiligt werden.
(2) Wird der Betroffene auf Grund Richterspruchs in einer Anstalt verwahrt, so ist er auch darüber aufzuklären, daß er durch die Behandlung keinen Anspruch auf vorzeitige Entlassung erwirbt.
(3) Im Anschluß an die Aufklärung ist eine Erklärung des Betroffenen und der anderen Personen über die Einwilligung herbeizuführen. Sie ist schriftlich oder zur Niederschrift abzugeben.
§ 5 Untersuchung
(1) Der Betroffene wird von einem ärztlichen Mitglied der Gutachterstelle untersucht. Das andere ärztliche Mitglied kann zu dieser Untersuchung hinzugezogen werden.
(2) Zweifel über die Fähigkeit des Betroffenen, Grund und Bedeutung einer Kastration oder anderen Behandlung voll einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen sowie Zweifel über die Fähigkeit, die unmittelbaren Folgen einer Kastration oder die unmittelbaren Folgen einer anderen Behandlung und einer etwaigen Funktionsunfähigkeit der Keimdrüsen zu verstehen, sollen auf Grund ärztlicher Untersuchung geklärt werden.
§ 6 Entscheidung
(1) Die Gutachterstelle trifft ihre Entscheidung über die Bestätigung auf Grund einer mündlichen Beratung. Hiervon kann mit Zustimmung aller Mitglieder abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 2 bis 4
des Kastrationsgesetzes offensichtlich nicht vorliegen.
(2) Die Entscheidung bedarf der Schriftform. Wird die Bestätigung versagt, ist die Entscheidung schriftlich zu begründen.
(3) In die Bestätigung sind aufzunehmen
1.
der Zeitpunkt, an dem die Bestätigung unwirksam wird,
2.
in den Fällen des § 6
des Kastrationsgesetzes der Hinweis, daß die Einwilligung des Vormunds oder Pflegers in die Behandlung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf,
3.
bei Verwahrung des Betroffenen auf Grund Richterspruchs in einer Anstalt, daß er durch die Behandlung keinen Anspruch auf vorzeitige Entlassung erwirbt,
4.
der Hinweis, daß ärztliche Nachuntersuchungen nach der Kastration ratsam sind.
(4) Die Entscheidung ist dem Antragsteller zuzustellen; die übrigen Antragsberechtigten (§ 1 Abs. 2) sind zu unterrichten.
§ 7 Gültigkeitsdauer
(1) Die Bestätigung wird unwirksam, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Erteilung die Behandlung durchgeführt oder begonnen worden ist. Die Gutachterstelle kann auf Antrag eines Antragsberechtigten (§ 1 Abs. 2) die Wirksamkeit der Bestätigung um ein Jahr verlängern.
(2) Die Bestätigung ist aufzuheben, wenn bekannt wird, daß die Voraussetzungen der §§ 2 bis 4
des Kastrationsgesetzes nicht vorlagen oder nicht mehr vorliegen, insbesondere wenn ein Beteiligter seine Einwilligung zurückzieht. Dies gilt nicht, wenn die Kastration schon vorgenommen oder eine andere Behandlung schon abgeschlossen worden ist.
§ 8 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
Feedback