Gesetz über den Vollzug des Therapieunterbringungsgesetzes in Baden-Württemberg (ThUGVollzG) Vom 12. November 2013
§ 1 Anwendungsbereich
Dieses Gesetz regelt den Vollzug von Therapieunterbringungen aufgrund des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305), geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2425, 2430), in der jeweils geltenden Fassung.
§ 2 Ziele des Vollzugs
(1) Der Vollzug der Therapieunterbringung dient dem Schutz der Allgemeinheit vor schweren Rechtsgutsverletzungen durch psychisch gestörte Sexual- und Gewalttäter im Sinne des § 1
ThUG.
(2) Der Vollzug der Therapieunterbringung dient ferner dem Ziel, die infolge einer psychischen Störung bestehende Gefährlichkeit der Therapieuntergebrachten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Anordnung der Therapieunterbringung möglichst bald aufgehoben werden kann. Dies soll erreicht werden durch zielgerichtete Behandlung und Betreuung der Therapieuntergebrachten in einer geschlossenen Einrichtung. Im Vollzug der Therapieunterbringung sollen die Therapieuntergebrachten auch befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
§ 3 Einrichtungen
(1) Die Therapieunterbringung wird in besonderen Justizvollzugsanstalten, in Teilanstalten, Außenstellen oder Abteilungen von Justizvollzugsanstalten vollzogen, die eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung gewährleisten und unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine die Therapieuntergebrachten so wenig wie möglich belastende und vom Strafvollzug getrennte Unterbringung zulassen.
(2) Geeignet für den Vollzug der Therapieunterbringung sind insbesondere Einrichtungen, in denen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen wird, sofern diese die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen.
§ 4 Gestaltung des Vollzugs
(1) Die Therapieuntergebrachten sind unter Achtung ihrer Grund- und Menschenrechte zu behandeln. Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.
(2) Die Therapieuntergebrachten werden so untergebracht, behandelt und betreut, dass der Zweck der Therapieunterbringung bei möglichst geringem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird.
(3) Der Vollzug der Therapieunterbringung ist medizinisch-therapeutisch und unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit freiheitsorientiert auszugestalten.
(4) Den Therapieuntergebrachten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Maßnahmen anzubieten, die eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans gewährleisten. Bei Bedarf sind auch psychotherapeutische und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen anzubieten.
(5) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Es soll den Bezug zum Leben außerhalb des Vollzugs erhalten, die Therapieuntergebrachten in ihrer Eigenverantwortung stärken und ihnen helfen, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Die Therapieuntergebrachten sind vor Übergriffen zu schützen.
(6) Bei der Gestaltung des Vollzugs und bei allen Einzelmaßnahmen werden die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Therapieuntergebrachten, insbesondere im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Herkunft, berücksichtigt.
§ 5 Entsprechende Anwendung anderer Rechtsvorschriften
Soweit Zweck und Eigenart der Therapieunterbringung nicht entgegenstehen, finden die §§ 4 bis 56
des Buches 1 des Justizvollzugsgesetzbuches (JVollzGB I) und die §§ 3 bis 82 und § 84
des Buches 5 des Justizvollzugsgesetzbuches (JVollzGB V) auf den Vollzug der Therapieunterbringung nach diesem Gesetz mit folgenden Maßgaben entsprechende Anwendung:
1.
Der Vollzug der Therapieunterbringung erfolgt vom Strafvollzug und vom Vollzug anderer Haftarten getrennt. Eine Trennung der Therapieuntergebrachten von in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten ist nicht erforderlich. Im Übrigen darf von einer Trennung unter den Voraussetzungen des § 4
Absatz 3 Satz 2, Absatz 6 und Absatz 8 JVollzGB I abgewichen werden.
2.
In Einrichtungen nach § 3 haben Zimmer der Therapieuntergebrachten eine Nettogrundfläche in Höhe der doppelten Quadratmeterzahl der für Gefangene in einem Gemeinschaftshaftraum nach § 7
Absatz 3 JVollzGB I vorgesehenen Fläche.
3.
Für den Vollzug der Therapieunterbringung ist auch die erforderliche Anzahl von medizinischen Fachkräften vorzusehen, um eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung zu gewährleisten. Soweit dies erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.
4.
Eine Übermittlung personenbezogener Daten sowie eine Überlassung von Akten mit personenbezogenen Daten für Zwecke des gerichtlichen Verfahrens ist auch an das nach § 4
ThUG sowie an das für Entscheidungen nach § 327
des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständige Gericht zulässig.
5.
Die Behandlungsuntersuchung nach § 6
JVollzGB V erstreckt sich insbesondere auf alle Umstände, die für die Behandlung der psychischen Störung maßgeblich sind. Entsprechendes gilt für die Behandlung nach § 8
JVollzGB V.
6.
Für den Fall, dass die psychische Störung eine Behandlung in einer Einrichtung außerhalb des Justizvollzugs medizinisch-therapeutisch erforderlich macht, kann die Einrichtung im Einvernehmen mit der aufnehmenden Einrichtung und nach Anhörung des nach § 4
ThUG zuständigen Gerichts die therapieuntergebrachte Person in diese Einrichtung verlegen oder überstellen, sofern in der aufnehmenden Einrichtung mit zumutbarem Aufwand eine sichere Unterbringung zum Schutz der Allgemeinheit gewährleistet werden kann. Soweit dies mit den Unterbringungsbedingungen der aufnehmenden Einrichtung und ihrer Aufgabenerfüllung vereinbar ist, bleiben die Rechte der Therapieuntergebrachten nach diesem Gesetz unberührt.
7.
Bei der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen sind auch medizinisch-therapeutische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In den Fällen einer Freistellung aus der Therapieunterbringung zur Vorbereitung der Entlassung nach § 13
Absatz 1 JVollzGB V ist die zuständige untere Verwaltungsbehörde anzuhören.
§ 6 Zuständigkeit
Innerhalb einer Einrichtung nach § 3 ist diese für die Ausführung der Therapieunterbringung zuständig. Das Justizministerium (Aufsichtsbehörde) führt insoweit die Aufsicht über die Therapieunterbringung. Im Übrigen bleibt § 11
ThUG unberührt.
§ 7 Unterrichtung
Die Einrichtung unterrichtet das nach § 4
ThUG zuständige Gericht und die Aufsichtsbehörde, sobald nach ihrer Überzeugung die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr vorliegen.
§ 8 Kosten
Die Kosten der Therapieunterbringung trägt das Land.
§ 9 Einschränkung von Grundrechten
Die Grundrechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2
Absatz 1 des Grundgesetzes - GG), körperliche Unversehrtheit (Artikel 2
Absatz 2 Satz 1 GG), Freiheit der Person (Artikel 2
Absatz 2 Satz 2 und Artikel 104
Absatz 1 Satz 1 GG) sowie das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10
Absatz 1 GG) werden durch dieses Gesetz eingeschränkt.
§ 10 Übergangsbestimmungen
Therapieuntergebrachte, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht in Einrichtungen nach § 3 befinden, werden dorthin verlegt.
§ 11 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
STUTTGART, den 12. November 2013
Die Regierung des Landes Baden-Württemberg: |
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KRETSCHMANN |
|
KREBS |
FRIEDRICH |
GALL |
STOCH |
BONDE |
STICKELBERGER |
BAUER |
HERMANN |
ÖNEY |
DR. SPLETT |
|
ERLER |
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