Verordnung des Justizministeriums über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit Vom 30. Juni 2009
§ 1 Allgemeines
(1) Die Vollstreckungsbehörde kann der verurteilten Person auf Antrag gestatten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden.
(2) Freie Arbeit im Sinne dieser Verordnung ist gemeinnützige und unentgeltliche Tätigkeit, die nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient. Die Unentgeltlichkeit wird durch geringfügige Zuwendungen an die verurteilte Person zum Ausgleich von Auslagen im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung nicht berührt.
(3) Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts oder ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung oder des Steuerrechts wird durch die Leistung freier Arbeit nicht begründet. Die Vorschriften über den Arbeitsschutz finden sinngemäß Anwendung.
§ 2 Antragsverfahren
(1) Ist die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet, so weist die Vollstreckungsbehörde die verurteilte Person darauf hin, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist einen Antrag nach § 1 Abs. 1 stellen kann. Zugleich gibt sie ihr Gelegenheit, eine Beschäftigungsstelle, bei der freie Arbeit abgeleistet werden kann, zu benennen. Die Frist muss angemessen sein und kann verlängert werden. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht, wenn die verurteilte Person unbekannten Aufenthalts ist oder die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 vorliegen.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann der verurteilten Person bei der Vermittlung einer Beschäftigungsstelle behilflich sein. Sie kann sich zur Vermittlung einer geeigneten Beschäftigungsstelle, bei der freie Arbeit geleistet werden kann, sowie zur Überwachung der Arbeitsleistung eines freien Trägers der Straffälligenhilfe (Vermittlungsstelle) bedienen. Vor Übermittlung personenbezogener Daten an die Vermittlungsstelle ist die Einwilligung der verurteilten Person einzuholen.
§ 3 Entscheidung der Vollstreckungsbehörde
(1) Die Vollstreckungsbehörde gestattet der verurteilten Person, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden, sie teilt ihr den Anrechnungsmaßstab (§ 7 Abs. 1) mit und belehrt sie außerdem über die Möglichkeit des Widerrufs nach § 6. Die Vollstreckungsbehörde oder die Vermittlungsstelle unterrichten die verurteilte Person über die Beschäftigungsstelle, den Inhalt der Tätigkeit und die voraussichtliche tägliche Arbeitszeit.
(2) Die Vollstreckungsbehörde lehnt den Antrag ab, wenn
1.
Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die verurteilte Person freie Arbeit nicht leisten will oder dazu in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein wird, oder
2.
eine Beschäftigung in angemessener Zeit nicht zustande kommt.
§ 4 Vollstreckungshemmung
(1) Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, solange
1.
über einen nach erteiltem Hinweis gemäß § 2 Absatz 1 Satz 1 fristgerecht gestellten Antrag der verurteilten Person nicht entschieden ist oder
2.
der verurteilten Person die Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit gestattet ist; § 8 Absatz 2 Satz 3 bleibt unberührt.
(2) In anderen Fällen kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bis zur Entscheidung über den Antrag aussetzen.
§ 5 Weisungen, Beratung, Betreuung und Kontrolle
Die verurteilte Person hat den Weisungen der Vollstreckungsbehörde und im Rahmen der Beschäftigung den Anordnungen der Beschäftigungsstelle inner- oder außerhalb der Justizvollzugsanstalt nachzukommen. Die Vermittlungsstelle kann die verurteilte Person beraten und betreuen sowie die Durchführung der freien Arbeit kontrollieren. Der Grundsatz der nachdrücklichen und beschleunigten Vollstreckung ist zu beachten.
§ 6 Widerruf und Beendigung der Gestattung
(1) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Gestattung nach § 3 Abs. 1, wenn die verurteilte Person
1.
ohne genügende Entschuldigung die Arbeit nicht aufnimmt, wiederholt nicht zur Arbeit erscheint oder die Arbeit abbricht,
2.
trotz Abmahnung der Beschäftigungsstelle mit ihrer Arbeitsleistung hinter den Anforderungen zurückbleibt, die billigerweise an sie gestellt werden können,
3.
in erheblichem Maße gegen ihr erteilte Weisungen oder Anordnungen verstößt oder
4.
durch sonstiges schuldhaftes Verhalten ihre Weiterbeschäftigung für die Beschäftigungsstelle unzumutbar macht.
Umstände, die zum Widerruf führen können, teilt die Vermittlungsstelle schriftlich beziehungsweise die Justizvollzugsanstalt schriftlich oder elektronisch der Vollstreckungsbehörde unverzüglich mit. Die verurteilte Person ist vor einem Widerruf zu hören. Der Widerruf und dessen Gründe sind ihr schriftlich mitzuteilen. Die Anhörung und die Mitteilung unterbleiben, wenn die verurteilte Person flüchtig oder unbekannten Aufenthalts ist.
(2) Die Gestattung endet, wenn die verurteilte Person bei der bisherigen Beschäftigungsstelle nicht mehr weiter tätig sein kann und eine neue Beschäftigung in angemessener Zeit nicht zustande gekommen ist. Die Vollstreckungsbehörde teilt dies der verurteilten Person schriftlich mit.
§ 7 Erledigung der Ersatzfreiheitsstrafe
(1) Die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe wird durch vier Stunden freie Arbeit abgewendet. In Ausnahmefällen kann die Vollstreckungsbehörde den Anrechnungsmaßstab insbesondere mit Rücksicht auf Inhalt und Umstände der Tätigkeit oder auf die persönlichen Verhältnisse der verurteilten Person bis auf drei Stunden herabsetzen. Im Falle der Auswahl einer Beschäftigungsstelle durch die Vermittlungsstelle hat diese die Vollstreckungsbehörde unverzüglich schriftlich über Umstände, die einen Ausnahmefall begründen können, zu informieren. Änderungen des Anrechnungsmaßstabes teilt die Vollstreckungsbehörde der verurteilten Person und der Vermittlungsstelle mit.
(2) Bleibt die verurteilte Person der Arbeit fern, wird die versäumte Arbeitszeit auch dann nicht auf die Gesamtarbeitszeit angerechnet, wenn das Fernbleiben entschuldigt ist.
(3) Wird der Vollstreckungsbehörde nachgewiesen, dass die verurteilte Person die erforderliche Stundenzahl freie Arbeit geleistet hat, ist damit die Ersatzfreiheitsstrafe erledigt.
(4) Hat die verurteilte Person nur einen Teil der zu leistenden Arbeit erbracht, so wird dies auf die zu vollstreckende Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet. Wird wegen des verbleibenden Restes Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt, so gilt § 459 e
Abs. 3 der Strafprozessordnung.
(5) Die verurteilte Person kann jederzeit die gegen sie verhängte Geldstrafe, die durch Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe oder durch Leistung freier Arbeit noch nicht erledigt ist, zahlen.
§ 8 Freie Arbeit nach Beginn des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe
(1) Wenn die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bereits begonnen hat, erfolgt die Tilgung der Geldstrafe durch Anrechnung der freien Arbeit auf die noch zu vollstreckende Ersatzfreiheitsstrafe nach § 7 Absatz 1.
(2) Die Justizvollzugsanstalt wirkt in geeigneten Fällen auf eine Antragstellung durch die verurteilte Person hin. Sie unterstützt sie unter Zuhilfenahme der Vermittlungsstelle bei der Suche nach einer geeigneten Beschäftigungsstelle außerhalb der Justizvollzugsanstalt. Soweit geeignete Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind, kann der verurteilten Person auch innerhalb der Justizvollzugsanstalt Gelegenheit zur Ableistung freier Arbeit während des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe gegeben werden.
(3) Einen Antrag der verurteilten Person übermittelt die Justizvollzugsanstalt unverzüglich an die Vollstreckungsbehörde. Diese entscheidet unverzüglich über den Antrag und teilt die Entscheidung der verurteilten Person und der Justizvollzugsanstalt mit.
§ 9 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung des Justizministeriums über die Anwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 2. Juli 1986 (GBl. S. 291) außer Kraft.
Stuttgart, den 30. Juni 2009 |
Prof. Dr. Goll |
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