LArztG BW
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz zur Unterstützung der Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen des öffentlichen Bedarfs in Baden-Württemberg (Landarztgesetz Baden-Württemberg) Vom 4. Februar 2021

§ 1 Ziel des Gesetzes

Dieses Gesetz dient der Unterstützung der Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten und von Unterversorgung bedrohten Gebieten in Baden-Württemberg.

§ 2 Voraussetzungen für die Zulassung und Verpflichtung

Soweit zur Unterstützung der Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bedarfsgebieten nach § 3 Studienplätze im Studiengang Medizin an einer Universität in Baden-Württemberg zur Verfügung stehen, werden, beginnend ab dem Zulassungsverfahren für das Wintersemester 2021/22, im Rahmen der Vorabquote nach Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2
des Staatsvertrags über die Hochschulzulassung vom 4. April 2019 (GBl. S. 405, 412) für den Studiengang zugangsberechtigte Bewerberinnen und Bewerber zugelassen, wenn sie sich nach einem erfolgreichen Auswahlverfahren nach § 5 durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch die zuständige Stelle, gegenüber verpflichtet haben,
1.
unverzüglich nach erfolgreichem Abschluss des Studiums eine Weiterbildung als Fachärztin oder -arzt für Allgemeinmedizin, Fachärztin oder -arzt für Kinder- und Jugendmedizin oder Fachärztin oder -arzt für Innere Medizin (ohne Schwerpunkt) oder eine sonstige fachärztliche Weiterbildung, die zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung nach § 73
Absatz 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) berechtigt, in Baden-Württemberg zu durchlaufen und
2.
unverzüglich nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung nach Nummer 1 für mindestens zehn Jahre ausschließlich in baden-württembergischen Bedarfsgebieten nach § 3 eine entsprechende Tätigkeit in der hausärztlichen Versorgung auszuüben.
Die Einhaltung der Verpflichtungen nach Satz 1 wird mit einer Vertragsstrafe nach Maßgabe von § 4 abgesichert.

§ 3 Besonderer öffentlicher Bedarf, Bedarfsgebiet, Prognoseentscheidung

(1) Ein besonderer öffentlicher Bedarf besteht grundsätzlich in den Gebieten eines Zulassungsbezirks (Bedarfsgebiet), für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 90
Absatz 1 Satz 1 SGB V eine Feststellung nach § 100
Absatz 1 Satz 1 SGB V über die Unterversorgung oder drohende Unterversorgung getroffen hat.
(2) Das Sozialministerium stellt unter Berücksichtigung der Prognoserechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg regelmäßig den besonderen öffentlichen Bedarf fest. Das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 6.

§ 4 Vertragsstrafe und Fälligkeit

(1) Mit dem Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags nach § 2 verpflichtet sich die ausgewählte Bewerberin oder der ausgewählte Bewerber nach § 5 zu einer Vertragsstrafe in Höhe von bis zu 250 000 Euro für den Fall, dass sie oder er den vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig nachkommt.
(2) Die zuständige Stelle kann auf Antrag bei der Erfüllung der Verpflichtungen nach § 2 einen Aufschub gewähren oder auf die Vertragsstrafe nach Absatz 1 ganz, teilweise oder zeitweise verzichten, wenn ansonsten eine besondere Härte eintreten würde. Eine besondere Härte nach Satz 1 liegt insbesondere vor, wenn in der Person der oder des Bewerbenden liegende besondere soziale, gesundheitliche oder familiäre Gründe, die nicht vorhersehbar waren und nicht selbst herbeigeführt wurden, das Absolvieren einer Weiterbildung oder die Aufnahme einer hausärztlichen Tätigkeit vorübergehend oder auf Dauer unzumutbar erscheinen lassen.

§ 5 Bewerbungs- und Auswahlverfahren

(1) Bewerbungen sind unter Angabe der Reihung der Studienorte, auf die sich die Bewerbung bezieht, bei der zuständigen Stelle einzureichen.
(2) Die zuständige Stelle trifft unter den Bewerberinnen und Bewerbern in einem zweistufigen Auswahlverfahren die Auswahlentscheidung nach der Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers für den gewählten Studiengang und die sich anschließende hausärztliche Tätigkeit nach § 2 Absatz 1 Nummer 2. Die zuständige Stelle setzt zur Vorbereitung der Auswahlentscheidung eine fachkundig besetzte Auswahlkommission ein. Die Auswahlkommission besteht aus mindestens drei Personen.
(3) Auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens nach Absatz 2 wird eine Rangfolge anhand der folgenden Auswahlkriterien gebildet:
1.
dem Ergebnis eines fachspezifischen Studieneignungstests,
2.
einer Berufsausbildung in einem Gesundheitsberuf, die über die fachspezifische Eignung Aufschluss geben kann,
3.
einer Berufstätigkeit in einem Gesundheitsberuf, die über die fachspezifische Eignung Aufschluss geben kann, sowie
4.
einer mindestens einjährigen Tätigkeit nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einer mindestens zweijährigen aktiven Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die über die fachspezifische Eignung Aufschluss geben kann.
(4) Auf der zweiten Stufe finden Auswahlgespräche oder andere mündliche Verfahren, jeweils einzeln oder in Kombination, statt, die über die besondere Eignung nach Absatz 2 Aufschluss geben können. Es sollen mindestens doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber eingeladen werden, wie Studienplätze im Rahmen der Vorabquote zu besetzen sind. Die Einladungen erfolgen nach Maßgabe der Rangfolge der Bewerberinnen und Bewerber nach der ersten Stufe des Auswahlverfahrens.
(5) Die Auswahlkriterien nach den Absätzen 3 und 4 sind in standardisierter, strukturierter und qualitätsgesicherter Weise transparent anzuwenden. Die Bewertung der Auswahlkriterien nach den Absätzen 3 und 4 erfolgt auf Basis eines Punktesystems, auf dessen Grundlage jeweils eine Rangfolge der Bewerberinnen und Bewerber erstellt wird. Die Rangfolgen der ersten und zweiten Stufe fließen jeweils in eine abschließende Rangliste ein.
(6) Die Zuordnung der ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber zu den einzelnen Studienorten erfolgt unter Berücksichtigung der in der Bewerbung angegebenen Reihung der Studienorte nach Absatz 1.
(7) Das Nähere regelt die Verordnung nach § 6.

§ 6 Verordnungsermächtigung

Das Sozialministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium, dem Innenministerium und dem Finanzministerium durch Rechtsverordnung
1.
das Nähere zu bestimmen über a)
den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nach § 2,
b)
die Verpflichtungen der Bewerberinnen und Bewerber gegenüber dem Land Baden-Württemberg einschließlich ihrer Durchsetzung nach § 2,
c)
die Feststellung des Bedarfs und die Prognoseentscheidungen nach § 3,
d)
die Vertragsstrafe einschließlich ihrer Durchsetzung nach § 4,
e)
das Bewerbungsverfahren nach § 5, insbesondere die Form sowie Fristen und Ausschlussfristen; es kann die Verpflichtung zur elektronischen Antragstellung vorgesehen werden,
f)
die Zusammensetzung der Auswahlkommission nach § 5 Absatz 2, die Festlegung des Studieneignungstests nach § 5 Absatz 3 Nummer 1, die Bestimmung der von § 5 Absatz 3 Nummern 2 und 3 erfassten Gesundheitsberufe, die von § 5 Absatz 3 Nummer 4 erfassten ehrenamtlichen Tätigkeiten, die Durchführung des mündlichen Auswahlverfahrens nach § 5 Absatz 4, die Gewichtung der Auswahlkriterien, die Bildung einer Rangliste sowie das Punktesystem nach § 5 Absatz 5; im Falle einer Ranggleichheit kann eine Auswahl nach Freiwilligendienst oder Los erfolgen, und
g)
die Zuordnung der ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber auf die Hochschulorte nach § 5 Absatz 6, sowie
2.
die für den Vollzug zuständige Stelle im Sinne dieses Gesetzes festzulegen.

§ 7 Berichtspflicht

Die Auswirkungen dieses Gesetzes werden nach einem Erfahrungszeitraum von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes und danach im Turnus von fünf Jahren durch die Landesregierung überprüft. Die Landesregierung unterrichtet den Landtag über das Ergebnis der Überprüfung.

§ 8 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
STUTTGART, den 4. Februar 2021

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

KRETSCHMANN

SITZMANN

DR. EISENMANN

UNTERSTELLER

DR. HOFFMEISTER-KRAUT

LUCHA

HAUK

 

HERMANN

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