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DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Bad. landesherrliche Verordnung, die Erhaltung und Berichtigung der Landesgrenzen betreffend, vom 5. April 1894

§. 1.

Die Aufsicht über die Erhaltung der Landesgrenzen sowie die Sorge für die Instandhaltung und erforderlichen Falls für die Berichtigung der Grenzmarken ist den Bezirksämtern unter Mitwirkung der Bezirksgeometer sowie der Gemeindebehörden derjenigen Orte übertragen, deren Gemarkungsgrenzen ganz oder zum Theil mit der Landesgrenze zusammenfallen.
Die Beamten der Wasser- und Straßenbau- und der Kultur-Inspektionen, der Bezirksforsteien und Domänenverwaltungen, ferner die mit der Vermessung von Grenzgemarkungen betrauten Geometer sowie die Gemeindebediensteten sind verpflichtet, gelegentlich ihrer auswärtigen Geschäfte ihre Aufmerksamkeit dem Zustand der Landesgrenze zuzuwenden und, wenn Veränderungen oder Mängel hierin wahrgenommen werden, solche dem Bezirksamt - die Gemeindebediensteten durch Vermittelung der Bürgermeisterämter - zur Kenntniß zu bringen.

§. 2.

In den an der Landesgrenze gelegenen Gemeinden hat der Bürgermeister oder sein Stellvertreter mit 2 Steinsetzern (das Feldgericht) alle zwei Jahre, und zwar in den Jahren mit ungerader Jahreszahl, denjenigen Theil der Landesgrenze, welcher zugleich die Gemarkungsgrenze bildet, gemeinsam mit dem Feldgericht der angrenzenden Gemeinde des Nachbarlandes zu begehen. In denjenigen Amtsbezirken, für welche Bezirksgeometer ernannt sind, haben diese Beamten an der regelmäßigen Landesgrenzbegehung in jedem sechsten Jahre und zwar erstmals im Jahre 1899 mitzuwirken.
Wegen der Vornahme der gemeinsamen Grenzbegehung haben sich die badischen Ortsbehörden mit den betheiligten Ortsbehörden des Nachbarlandes rechtzeitig in's Benehmen zu setzen. Nimmt jedoch der Bezirksgeometer an der Grenzbegehung Theil, so liegt ihm ob, mit dem zuständigen Vermessungsbeamten des Nachbarlandes und den betheiligten Ortsbehörden die Zeit der Grenzbegehung zu vereinbaren. Kommt eine Einigung auf diesem Wege nicht zu Stande, so ist hierwegen an das Bezirksamt zu berichten, welches sodann die weiteren Verhandlungen mit der zuständigen Behörde des Nachbarlandes führen wird.
Die Verpflichtung der Gemeinden zur Grenzbegehung erstreckt sich auch auf diejenigen Gemarkungen, welche ihnen in polizeilicher Hinsicht zugetheilt sind.

§. 3.

Bei der Begehung ist der Zustand der Landesgrenze sowie der Grenzsteine und etwaiger sonstiger Grenzmarken eingehend zu besichtigen.
Landesgrenzsteine, welche nur der Geraderichtung oder Befestigung oder Hebung bedürfen, sind sofort gerade zu richten und zu befestigen beziehungsweise zu heben und neu zu setzen, sofern ihr Standpunkt unbestritten ist und das Feldgericht der angrenzenden Gemeinde des Nachbarlandes mit dieser Behandlung einverstanden ist.

§. 4.

Entstehen im Falle des §. 3 über die Verbesserung der Vermarkung Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betheiligten oder stehen andere als die in §. 3 bezeichneten Mängel in Frage, oder wird die Beseitigung eines Mangels der Grenzvermarkung außer der Zeit der Begehung nothwendig, so kann die Beseitigung der Mängel nur auf Anordnung des Bezirksamts erfolgen, welches sich zu diesem Behuf mit der zuständigen Behörde des Nachbarlandes in's Benehmen zu setzen und bei derselben die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Maßregeln in Vorschlag zu bringen hat.

§. 5.

Handelt es sich um kleine Mängel, wie die in §. 3 bezeichneten, oder um die Ersetzung schadhafter oder abgebrochener, aber mit ihrer Wurzel noch im Boden steckender Steine, deren Standort unbestritten ist, so hat das Bezirksamt bei der Nachbarbehörde zu beantragen, daß der Steinsatz durch die Feldgerichte der beiden Grenzgemeinden vorgenommen wird.

§. 6.

Ist dagegen ein Stein aus seiner Grube entfernt, so ist von dem Bezirksamt, gleichviel ob bei der Instandsetzung der alte Stein Verwendung findet oder ein neuer beschafft werden muß, bei der Nachbarbehörde die Vornahme des Geschäfts durch die beiderseitigen Geometer oder durch einen gemeinsam verpflichteten Geometer unter Zuziehung der Bürgermeister und Steinsetzer der betheiligten Grenzgemeinden in Antrag zu bringen. Solches kann auch in anderen, dem Bezirksamt geeignet scheinenden Fällen geschehen, z. B. beim Vorhandensein zahlreicher kleiner Mängel oder im Fall unklarer Berichterstattung über den Zustand der Grenze.

§. 7.

Ergeben sich Zweifel über den richtigen Standort des Steines oder wird die Setzung an einem neuen Ort, oder wird irgend welche andere, von dem bisherigen Steinsatz abweichende Art der Versteinung nothwendig, oder geben die Vornahmen der Gemeindebehörden beziehungsweise der Geometer zu erheblichen Anständen oder Zweifeln Anlaß, so hat das Bezirksamt nach erfolgtem Benehmen mit der Behörde des Nachbarlandes unter Vorlage der Akten und Pläne an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten zu berichten und damit die geeigneten Anträge über die Art der vorzunehmenden Versteinung zu verbinden. Mit der Ausführung des neuen Steinsatzes ist in solchen Fällen bis auf ergehende Ministerialentschließung zuzuwarten, es können aber mit Zustimmung der Behörde des Nachbarlandes die Punkte, an welchen die neu projektirte Versteinung in Aussicht genommen ist, einstweilen durch Einschlagen von Pfählen kenntlich gemacht werden.

§. 8.

Ist in Fällen des §. 7 das Domänenärar oder die Verwaltung der Salinen betheiligt, so ist die betreffende Bezirksforstei oder Domänen- beziehungsweise Salinenverwaltung von der Sachlage in Kenntniß zu setzen und derselben Gelegenheit zu geben, das Interesse des Aerars zu wahren. In ähnlicher Weise ist in standes- oder grundherrlichen Bezirken den Standes- oder Grundherrschaften gegenüber zu verfahren.

§. 9.

Ueber die bei der regelmäßigen Landesgrenzbegehung gemachten Wahrnehmungen ist durch die Gemeindebehörde, beziehungsweise wenn der Bezirksgeometer bei derselben mitgewirkt hat, durch den letzteren an das Bezirksamt zu berichten, wobei die etwa entdeckten Mängel, deren Beseitigung anzuordnen wäre, unter Angabe der Nummern der Grenzsteine einzeln zu verzeichnen sind.
Ist dagegen, sei es bei der regelmäßigen Grenzbegehung (§§. 2 und 3) oder in besonderer Tagfahrt, eine Verbesserung oder Berichtigung der Grenzvermarkung vorgenommen worden, so ist ein Protokoll aufzunehmen, welches eine genaue Beschreibung der Handlung zu enthalten hat und von Allen, welche bei derselben mitgewirkt haben, zu unterzeichnen ist.
In dem Protokoll ist zu bestätigen, daß die Kopfschlaufen der betreffenden Grenzsteine sowie diejenigen des nächstvorhergehenden und nächstfolgenden Steines einvisirt worden sind. In den Fällen des §. 7 muß dem Protokoll ein den Zug der Grenze und die Art der Versteinung veranschaulichender Handriß beigegeben werden. Die Protokolle sind von der Gemeindebehörde dem Bezirksamt einzusenden, welch' letzteres sie unter Anschluß der in Folge der Vornahme des Geschäfts erwachsenen Kostenzettel dem Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten vorlegt.

§. 10.

Neu anzuschaffende Grenzsteine sollen aus gutem, dauerhaftem Material hergestellt werden, in der Regel mindestens 150 cm lang sein und einen quadratischen Querschnitt von mindestens 30 cm haben. Sie sollen auf der gegen das Großherzogthum gerichteten Seite die Bezeichnung G. B. (Großherzogthum Baden) und die fortlaufende Nummer des Steines, auf der gegenüberliegenden Seite die Anfangsbuchstaben des Grenzlandes mit der Nummer des Steines, auf der Seite gegen den vorhergehenden Stein die Bezeichnung L. G. (Landesgrenze), auf der der letzteren Seite entgegengesetzten Seite die Jahreszahl der Setzung eingehauen erhalten; endlich soll die Kopffläche der Grenzsteine Schlaufen (Winkelruthen) haben, welche vom Mittelpunkt die Richtung zum letztvorhergehenden und nächstfolgenden Stein angeben.
Die Schlaufen sowie die auf den Grenzsteinen anzubringenden Bezeichnungen erhalten einen Anstrich in schwarzer Farbe.
Beim Setzen der Steine soll darauf Bedacht genommen werden, daß sie zu zwei Fünfteln der Länge aus dem Boden hervorragen.
Die Beschaffung neuer Grenzsteine ist durch die Bezirksämter nach Benehmen mit der Behörde des Nachbarlandes und nach Prüfung der Vergebungsverhandlungen durch die Wasser- und Straßenbauinspektionen zu veranlassen.

§. 11.

Die Vorstände der Bezirksämter haben sich gelegentlich der Ortsbereisungen, soweit thunlich, über die Richtigkeit der vorausgegangenen Vermarkungsgeschäfte zu verlässigen. Zur Anwohnung der Bezirksbeamten bei diesen Geschäften ist die Genehmigung des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten erforderlich.

§. 12.

Die Kosten der regelmäßigen Landesgrenzbegehungen fallen mit Ausnahme der Gebühren des Bezirksgeometers, welche aus der Staatskasse berichtigt werden, den betreffenden Gemeinden beziehungsweise Gemarkungsinhabern zur Last. Die Kosten der außerhalb der regelmäßigen Grenzbegehung vorgenommenen Verbesserungen und Berichtigungen der Grenzvermarkung werden aus der Staatskasse bestritten.

§. 13.

Den Anträgen der Behörden der Nachbarstaaten in Grenzsachen ist Seitens der Bezirksämter thunlichst zu entsprechen und im Benehmen mit denselben auf die Einhaltung der bestehenden Vorschriften hinzuwirken.

§. 14.

Die Verordnung vom 24. Juni 1887 (Gesetzes- und Verordnungsblatt Seite 115 ff.) ist aufgehoben; ebenso die bisher ergangenen Vorschriften in Betreff der Erhaltung der Landesgrenzen sowie der Instandhaltung beziehungsweise Berichtigung der Landesgrenzmarken, insoweit diese Gegenstände in Vorstehendem geordnet sind.
Gegeben zu Karlsruhe, den 5. April 1894.

Friedrich.

von Brauer.

 

Auf Seiner Königlichen Hoheit höchsten Befehl:
Dr. Seyb.

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