HFKomVO
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Verordnung der Landesregierung über die Einrichtung einer Härtefallkommission nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes (Härtefallkommissionsverordnung - HFKomVO) Vom 28. Juni 2005

§ 1 Einrichtung einer Härtefallkommission

(1) Beim Justizministerium wird eine Härtefallkommission eingerichtet.
(2) Die Härtefallkommission wird ausschließlich im Wege der Selbstbefassung tätig; Dritte können nicht verlangen, dass die Härtefallkommission sich mit einem bestimmten Einzelfall befasst oder eine bestimmte Entscheidung trifft (§ 23 a Abs. 2 Satz 2 und 3
AufenthG).
(3) Die Härtefallkommission ist unabhängig; sie handelt nach Maßgabe dieser Verordnung. Die Vorschriften des
Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) finden keine Anwendung.

§ 2 Zusammensetzung der Härtefallkommission

(1) Das Justizministerium beruft in die Härtefallkommission ein Mitglied, das den Vorsitz innehat. Es beruft außerdem ein Mitglied, das den stellvertretenden Vorsitz innehat.
(2) Das Justizministerium beruft in die Härtefallkommission außerdem je ein Mitglied auf Vorschlag der Liga der freien Wohlfahrtspflege, der evangelischen Landeskirchen, der katholischen Kirche und des Flüchtlingsrats sowie zwei Mitglieder auf Vorschlag der kommunalen Landesverbände. Ferner beruft es eine Persönlichkeit des Landes islamischen Glaubens sowie eine weitere Persönlichkeit des Landes als Mitglieder.
(3) Für jedes Mitglied der Härtefallkommission beruft das Justizministerium nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 ein stellvertretendes Mitglied. Beim Ausscheiden eines Mitglieds oder eines stellvertretenden Mitglieds wird eine Nachberufung für die Dauer der Amtszeit des bisherigen Mitglieds oder stellvertretenden Mitglieds vorgenommen.
(4) Die Mitglieder der Härtefallkommission sind ehrenamtlich tätig. Sie haben nur Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen.
(5) Die Amtszeit der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder der Härtefallkommission beträgt zwei Jahre und sechs Monate. Eine erneute Berufung ist zulässig.

§ 3 Einrichtung und Aufgaben der Geschäftsstelle

Beim Justizministerium wird eine Geschäftsstelle der Härtefallkommission eingerichtet. Die Geschäftsstelle bereitet die Behandlung der Eingaben in der Härtefallkommission und die Entscheidungen des Vorsitzenden nach § 4 Abs. 2 vor und unterstützt die Mitglieder der Härtefallkommission.

§ 4 Einleitung der Härtefallprüfung

(1) Eingaben an die Härtefallkommission sind schriftlich und in deutscher Sprache an die Geschäftsstelle zu richten. Der Ausländer kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Der Eingabe ist eine Einverständniserklärung des Ausländers beizufügen, dass die für die Härtefallprüfung erforderlichen Daten erhoben und verarbeitet werden dürfen.
(2) Der Vorsitzende der Härtefallkommission lehnt die Befassung mit der Eingabe oder deren weitere Behandlung ab, wenn
1.
sie nicht auf die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtet ist,
2.
der Ausländer nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist,
3.
ein behördliches oder gerichtliches Verfahren anhängig ist, das die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Ausländers oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Gegenstand hat,
4.
der Ausländer sich zum Zeitpunkt der Eingabe außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder sein Aufenthaltsort nicht bekannt ist,
5.
keine Ausländerbehörde in Baden-Württemberg örtlich und sachlich zuständig ist,
6.
der Inhalt einer früheren Eingabe, mit der sich die Härtefallkommission bereits befasst hat, ohne wesentliches neues Vorbringen wiederholt wird,
7.
in gleicher Sache ein Petitionsverfahren anhängig ist,
8.
der Ausländer zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung nach § 50
Abs. 7 AufenhG* zur Aufenthaltsermittlung oder Festnahme ausgeschrieben ist oder
9.
gegen den Ausländer eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach §§ 53, 54 Nr. 5, 5 a, 7 oder § 55 Abs. 2 Nr. 8
AufenthG oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58 a
AufenthG besteht.
Der Vorsitzende unterrichtet die anderen Mitglieder der Härtefallkommission über seine Entscheidung.

Fußnoten

*
[Red.Anm.: Wohl richtig wäre “§ 50 Abs. 6 AufenthG”]

§ 5 Zurückstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen

Solange sich die Härtefallkommission mit der Eingabe befasst, ordnet die nach § 23 a Abs. 1 Satz 1
AufenthG zuständige Stelle an, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Eingabe zurückzustellen sind, es sei denn,
1.
der Ausländer befindet sich in Strafhaft, aus der die Abschiebung erfolgen kann, oder
2.
mit Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs zur Beendigung des Aufenthalts ist bereits begonnen worden;
maßgebend ist der Zeitpunkt des Eingangs der Unterrichtung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bei der nach § 23 a Abs. 1 Satz 1
AufenthG zuständigen Stelle.

§ 6 Ausschlussgründe

(1) Die Annahme eines Härtefalls ist außer in dem in 23 a Abs. 1 Satz 3
AufenthG genannten Fall in der Regel ausgeschlossen, wenn
1.
ein Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 8
AufenthG oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58 a
AufenthG vorliegt, 2.
das Vorbringen im Wesentlichen einen Sachverhalt betrifft, der nach dem Asylverfahrensgesetz vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen ist,
3.
der Ausländer seinen Lebensunterhalt während des überwiegenden Teils seines bisherigen Aufenthalts überwiegend durch öffentliche Mittel bestritten hat, obwohl er zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt und zumutbar in der Lage war, oder
4.
nicht zu erwarten ist, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt künftig ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.
Nicht zu den öffentlichen Mitteln im Sinne von Satz 1 Nr. 3 und 4 zählen das Kindergeld und das Erziehungsgeld sowie öffentliche Mittel, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
(2) Von Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 kann abgewichen werden, wenn ein leistungsfähiger Dritter sich nach § 68
AufenthG verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt des Ausländers auf Dauer zu tragen.

§ 7 Behandlung der Eingaben durch die Härtefallkommission

(1) Die Härtefallkommission behandelt die Eingaben auf der Grundlage eines Berichts der Geschäftsstelle in nichtöffentlicher Sitzung. An der Sitzung können Mitarbeiter der Geschäftsstelle teilnehmen. Anhörungen finden nicht statt.
(2) Die Härtefallkommission ist beschlussfähig, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind und diese nach Absatz 3 mitwirken dürfen. Härtefallersuchen bedürfen der Mehrheit der Stimmen von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Härtefallkommission und der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder. Sonstige Beschlüsse bedürfen der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der Härtefallkommission.
(3) Mitglieder der Härtefallkommission dürfen bei der Behandlung von Eingaben weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn
1.
in der Angelegenheit ihnen selbst oder ihren Angehörigen im Sinne des § 20 Abs. 5
LVwVfG ein unmittelbarer Vorteil oder Nachteil erwachsen kann,
2.
sie in einem Verwaltungsverfahren nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz tätig geworden sind, in dem der Ausländer Beteiligter war, oder
3.
sie den Ausländer kraft Gesetzes oder Vollmacht vertreten oder vertreten haben.

§ 8 Verfahren

(1) Eingaben an die Härtefallkommission sollen in der Regel innerhalb von drei Monaten ab Eingang bei der Geschäftsstelle abschließend behandelt werden.
(2) Die Geschäftsstelle unterrichtet den Ausländer und die nach § 23 a Abs. 1 Satz 1
AufenthG zuständige Stelle über 1.
den Eingang von Eingaben nach § 4 Abs. 1, 2.
Fälle, mit denen sich die Härtefallkommission nicht oder nicht weiter befasst und
3.
Härtefallersuchen.
(3) Die nach § 23 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zuständige Stelle unterrichtet die Härtefallkommission über
1.
die Zurückstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach § 5 und
2.
ihre Entscheidung zu Härtefallersuchen.
(4) Beteiligte Stellen sollen die Härtefallkommission bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen und die notwendigen Auskünfte erteilen.
(5) Die Härtefallkommission veröffentlicht einen jährlichen Tätigkeitsbericht.
(6) Die Härtefallkommission kann sich eine Geschäftsordnung geben.

§ 9 Verschwiegenheitspflichten

Die Mitglieder der Härtefallkommission sind, auch nach Ende ihrer Amtszeit, zur Verschwiegenheit über alle von der Kommission behandelten Angelegenheiten einschließlich des Abstimmungsverhaltens verpflichtet.

§ 10 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
Markierungen
Leseansicht