VerfGHG
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz über den Verfassungsgerichtshof (Verfassungsgerichtshofsgesetz - VerfGHG) Vom 13. Dezember 1954

1. Teil Sitz und Organisation

§ 1

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat seinen Sitz am Sitz der Regierung.

§ 2

(1) Bei der ersten Wahl (Art. 89 der Verfassung) werden die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs aus jeder der drei in Art. 68 Abs. 3
der Verfassung bezeichneten Gruppen im Wege der Verhältniswahl nach dem Höchstzahlverfahren (d'Hondt) gesondert gewählt. Ob ein Bewerber auf die Dauer von neun, sechs oder drei Jahren gewählt ist, entscheidet das Los.
(2) Bei den Ergänzungswahlen nach Art. 68 Abs. 3 Satz 3
der Verfassung wird für jede Gruppe gesondert gewählt. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Bei Stimmengleichheit findet eine Stichwahl statt, wenn mehr als zwei Bewerber zur Wahl standen, andernfalls entscheidet das Los. Das gleiche gilt bei einer Nachwahl nach Art. 68 Abs. 3 Satz 4
der Verfassung.
(3) Der Vorsitzende und sein ständiger Stellvertreter werden vom Landtag aus der Gruppe der Berufsrichter für die Dauer ihrer Mitgliedschaft gewählt. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Abs. 2 Satz 3 gilt entsprechend. Der Vorsitzende führt die Amtsbezeichnung "Präsident des Verfassungsgerichtshofs", sein ständiger Stellvertreter führt die Amtsbezeichnung "Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs".
(4) Für jedes Mitglied des Verfassungsgerichtshofs wählt der Landtag einen Stellvertreter. Für die Wahl gelten die Abs. 1 und 2 entsprechend. Die Stellvertreter vertreten sich in jeder Gruppe gegenseitig.
(5) Der Landtag kann die obersten Gerichte des Landes ersuchen, ihm über das Justizministerium Listen mit Namen geeigneter Berufsrichter ihrer Gerichtsbarkeit vorzulegen.

§ 2a

(1) Ein politischer Staatssekretär und ein politischer Beamter können nicht Mitglied des Verfassungsgerichtshofs oder Stellvertreter sein.
(2) Ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs oder ein Stellvertreter scheidet mit der Ernennung zum politischen Staatssekretär oder zum politischen Beamten aus seinem Amt aus.

§ 3

(1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Stellvertreter sollen frühestens drei Monate und spätestens einen Monat vor Ablauf der Amtszeit ihrer Vorgänger gewählt werden. Ist der Landtag in dieser Zeit aufgelöst, so findet die Wahl innerhalb eines Monats nach dem ersten Zusammentritt des neu gewählten Landtags statt. Wiederwahl ist zulässig.
(2) Scheidet ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs oder ein Stellvertreter vorzeitig aus (Art. 68 Abs. 3 Satz 4
der Verfassung), so muß der Nachfolger innerhalb von drei Monaten gewählt werden.

§ 4

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Stellvertreter leisten vor Antritt ihres Amtes vor dem Landtag folgenden Eid:
"Ich schwöre, daß ich als gerechter Richter alle Zeit die Verfassung des Landes Baden-Württemberg getreulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde. So wahr mir Gott helfe."
Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

§ 5

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Stellvertreter können zu Protokoll des Präsidenten des Landtags erklären, daß sie aus ihrem Amt ausscheiden. Die Erklärung wird mit Ablauf des darauffolgenden Monats wirksam.

§ 6

Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Stellvertreter können nur nach den für Richter geltenden Vorschriften ihres Amts enthoben werden.

§ 7

(1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs sind ehrenamtlich tätig.
(2) Für jeden Tag, an dem eine Sitzung des Verfassungsgerichtshofs oder eine Entscheidungsberatung stattfindet, erhalten die dabei anwesenden Richter eine Entschädigung in Höhe von einem Fünfzehntel des monatlichen Grundgehalts der Besoldungsgruppe B 9.
(3) Außerdem erhalten der Präsident des Verfassungsgerichtshofs und sein ständiger Stellvertreter eine monatliche Aufwandsentschädigung, die für den Präsidenten ein Zwanzigstel und für den Vizepräsidenten ein Vierzigstel des monatlichen Grundgehalts der Besoldungsgruppe B 9 beträgt.
(4) Der Berichterstatter erhält eine zusätzliche Entschädigung, die im Einzelfall vom Vorsitzenden unter Berücksichtigung des Arbeitsaufwandes festgesetzt wird; sie darf das Zehnfache der Entschädigung nach Absatz 2 nicht übersteigen.
(5) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs erhalten Reisekostenvergütung entsprechend den für einen Landesbeamten der Besoldungsgruppe B 9 geltenden Sätzen.

2. Teil Zuständigkeit

§ 8

(1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet in den Angelegenheiten, die ihm durch die Verfassung zugewiesen sind, und zwar
1.
über die Auslegung der Verfassung aus Anlaß einer Streitigkeit über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch die Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtags oder der Regierung mit eigener Zuständigkeit ausgestattet sind (Art. 68 Abs. 1 Nr. 1
der Verfassung), 2.
bei Zweifeln oder Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung (Art. 68 Abs. 1 Nr. 2
der Verfassung), 3.
über die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit der Verfassung, nachdem ein Gericht das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1
des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt hat (Art. 68 Abs. 1 Nr. 3
der Verfassung), 4.
über die Anfechtung einer Entscheidung des Landtags nach Art. 31 Abs. 1
der Verfassung (Art. 31 Abs. 2 der Verfassung),
5.
über den Antrag, einem Abgeordneten das Mandat abzuerkennen (Art. 42
der Verfassung), 6.
über die Anklage gegen ein Mitglied der Regierung und über den Antrag eines Mitglieds der Regierung auf Entscheidung über den öffentlichen Vorwurf der Gesetzesverletzung (Art. 57 Abs. 1 und 4
der Verfassung), 7.
über die Zulässigkeit eines Antrags auf Verfassungsänderung (Art. 64 Abs. 1 Satz 3
der Verfassung), 8.
über den Antrag einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbands auf Feststellung, daß ein Gesetz die Vorschriften der Art. 71 bis 75
der Verfassung verletzt (Art. 76 der Verfassung).
(2) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet ferner in den Angelegenheiten, die ihm durch Gesetz zugewiesen werden.

§ 9

(1) Prozeßbeteiligter ist, wer auf Grund der Verfassung oder dieses Gesetzes Antragsteller oder Antragsgegner oder wer einem Verfahren beigetreten ist.
(2) Die Antragsberechtigung erlischt einen Monat nach Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen.
(3) Die Eigenschaft als Prozeßbeteiligter und die Berechtigung, einem Verfahren beizutreten, bleiben bis zum Abschluß des Verfahrens bestehen. Eine Personengesamtheit kann durch Mehrheitsbeschluß aus dem Verfahren ausscheiden. Die unterliegende Minderheit behält die Eigenschaft als Prozeßbeteiligter, wenn sie die im Gesetz für die Antragstellung vorgeschriebene Personenzahl noch umfaßt. Die Paragraphen 24, 32 Abs. 1 und 43 Abs. 2 bleiben unberührt.

3. Teil Allgemeine Verfahrensvorschriften

§ 10

Im Verfahren des Verfassungsgerichtshofs finden die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, die Sitzungspolizei, die Gerichtssprache, die Beratung und die Abstimmung entsprechende Anwendung.

§ 11

(1) Ein Richter des Verfassungsgerichtshofs ist von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen, wenn er
1.
an der Sache beteiligt oder mit einem Beteiligten verheiratet ist oder war, eine Lebenspartnerschaft führt oder führte, in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, oder
2.
in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen ist.
(2) Beteiligt ist nicht, wer nur wegen seines Familienstandes oder Berufes, seiner Religionszugehörigkeit, Abstammung oder Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder aus einem ähnlich allgemeinen Grunde am Ausgang des Verfahrens interessiert ist.
(3) Als Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Nr. 2 gilt nicht die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren.

§ 12

(1) Ein Prozeßbeteiligter kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit, oder weil er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, ablehnen. Die Ablehnung ist zu begründen. Der Abgelehnte hat sich dazu zu äußern. Ein Prozeßbeteiligter kann einen Richter nicht mehr ablehnen, wenn er sich in eine Verhandlung eingelassen hat, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen.
(2) Wird ein Richter des Verfassungsgerichtshofs abgelehnt, so entscheidet das Gericht unter Ausschluß dieses Richters. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag
(3) Erklärt sich ein Richter, der nicht abgelehnt ist, für befangen, so gilt Abs. 2 entsprechend.

§ 13

Die Prozeßbeteiligten haben das Recht der Akteneinsicht.

§ 14

(1) Die Prozessbeteiligten können sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof müssen sie sich in dieser Weise vertreten lassen. Es können sich, auch in der mündlichen Verhandlung, vertreten lassen
1.
der Landtag, sowie solche Organe des Landtags und Gruppen von Abgeordneten, die in der Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtags mit eigenen Rechten ausgestattet sind, durch einen Abgeordneten,
2.
das Land, die Landesregierung und die Organe des Landes durch ein Mitglied der Landesregierung oder durch einen Richter oder einen zum Richteramt befähigten Beamten,
3.
die Gemeinden und Gemeindeverbände durch einen Richter oder einen zum Richteramt befähigten Beamten oder durch eine zu ihrer gesetzlichen Vertretung berufene Person. Mitglieder und ehemalige Mitglieder der Regierung bedürfen in eigener Sache keines Vertreters.
(2) Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und muß sich ausdrücklich auf das Verfahren beziehen.
(3) Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so sind alle Mitteilungen des Gerichts mit Ausnahme der Ladung eines Prozeßbeteiligten zum persönlichen Erscheinen nur an den Bevollmächtigten zu richten.

§ 15

(1) Der Antrag, der das Verfahren einleitet, ist beim Verfassungsgerichtshof schriftlich einzureichen. Er ist zu begründen. Die Beweismittel sind anzugeben.
(2) Der Vorsitzende stellt den Antrag den Prozeßbeteiligten unverzüglich zu mit der Aufforderung, sich binnen bestimmter Frist zu äußern. Er kann jedem Prozeßbeteiligten aufgeben, die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze binnen bestimmter Frist nachzureichen.
(3) Der Vorsitzende bestellt ein Mitglied zum Berichterstatter.

§ 16

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, entscheidet der Verfassungsgerichtshof auf Grund mündlicher Verhandlung. Mit Zustimmung aller Prozeßbeteiligten kann er einstimmig beschließen, daß ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
(2) Die mündliche Verhandlung findet auch dann statt, wenn Prozeßbeteiligte, insbesondere Antragsteller und Antragsgegner, trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen oder nicht vertreten sind.

§ 17

(1) Entscheidungen, die außerhalb der mündlichen Verhandlung nötig werden, trifft der Vorsitzende mit Zustimmung von mindestens zwei Richtern.
(2) Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge können durch einstimmigen Beschluss einer von dem Verfassungsgerichtshof für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Kammer, die aus drei Richtern besteht, zurückgewiesen werden. § 58 Absatz 4 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

§ 18

(1) Der Verfassungsgerichtshof kann eines seiner Mitglieder mit der Beweisaufnahme beauftragen oder ein anderes Gericht darum ersuchen.
(2) Mit einer Mehrheit von sechs Stimmen kann der Verfassungsgerichtshof beschließen, daß eine beschlossene Beweisaufnahme unterbleibt.

§ 19

Alle Gerichte und Verwaltungsbehörden leisten dem Verfassungsgerichtshof Rechts- und Amtshilfe. Sie legen ihm Akten und Urkunden über das zuständige Ministerium und das Staatsministerium vor. Fordert der Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren der Verfassungsbeschwerde die Akten des gerichtlichen Ausgangsverfahrens an, werden ihm diese unmittelbar vorgelegt. Hält die Regierung die Verwendung einer Urkunde für unvereinbar mit der Staatssicherheit, so teilt sie dies dem Verfassungsgerichtshof mit. Will der Verfassungsgerichtshof auf der Vorlegung der Urkunde beharren, so hat er vor der Beschlußfassung den Ministerpräsidenten und den beteiligten Minister anzuhören. Der Verfassungsgerichtshof beschließt, ob in diese Urkunde Einsicht gewährt werden kann.

§ 20

(1) Für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen gelten in den Fällen der Art. 31 Abs. 2, 42 und 57
der Verfassung die Vorschriften der Strafprozeßordnung, in den übrigen Fällen die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Soweit ein Zeuge oder Sachverständiger nur mit Genehmigung einer vorgesetzten Stelle vernommen werden darf, kann diese Genehmigung nur verweigert werden, wenn es das Wohl des Bundes oder des Landes erfordert. Der Zeuge oder Sachverständige kann sich nicht auf seine Schweigepflicht berufen, wenn der Verfassungsgerichtshof mit einer Mehrheit von sechs Stimmen die Verweigerung der Aussagegenehmigung für unbegründet erklärt.

§ 21

(1) Die Prozeßbeteiligten werden von allen Beweisterminen benachrichtigt. Sie können der Beweisaufnahme beiwohnen und an Zeugen und Sachverständige Fragen richten. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht. Bei Beweisaufnahmen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter entscheidet dieser.
(2) Findet in der mündlichen Verhandlung eine unmittelbare Beweisaufnahme nicht statt, haben aber zur Vorbereitung der Verhandlung Ermittlungen oder eine Beweisaufnahme stattgefunden, so trägt der Berichterstatter das Ergebnis in der mündlichen Verhandlung vor.

§ 22

(1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet in geheimer Beratung nach seiner freien, aus dem Inhalt der Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme geschöpften Überzeugung. Seiner Entscheidung dürfen nur Tatbestände und Beweismittel zugrunde gelegt werden, zu denen sich zu äußern alle Prozeßbeteiligten Gelegenheit hatten. Dies gilt auch, wenn der Verfassungsgerichtshof nach § 19 letzter Satz beschlossen hat, daß in eine Urkunde keine Einsicht zu gewähren ist.
(2) Die Richter stimmen nach dem Lebensalter; der jüngere stimmt vor dem älteren. Der Berichterstatter stimmt zuerst. Zuletzt stimmt der Vorsitzende.
(3) Die Endentscheidung ergeht durch Urteil.
(4) Die Entscheidung ergeht im Namen des Volkes. Sie ist schriftlich abzufassen, zu begründen und von den Richtern, die mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ergeht die Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung, so ist sie im Anschluß an die Beratung durch den Vorsitzenden bei versammeltem Gericht durch Verlesung des entscheidenden Teiles öffentlich zu verkünden. Sie kann auch in einem besonderen Termin, der nicht später als drei Monate nach der Beratung liegen soll, vom Vorsitzenden in Anwesenheit von mindestens zwei Richtern in gleicher Weise verkündet werden. Die Entscheidungsgründe können bei der Verkündung verlesen oder ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt werden. Eine Ausfertigung der mit Gründen versehenen Entscheidung ist den Prozeßbeteiligten zuzustellen.
(5) Nicht verkündete Entscheidungen werden den Prozeßbeteiligten zugestellt.

§ 23

(1) Gesetzeskraft haben die Urteile des Verfassungsgerichtshofs, die
a)
eine Rechtsvorschrift für gültig oder als mit der Verfassung unvereinbar für nichtig erklären (Art. 68 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Art. 76
der Verfassung), oder b)
feststellen, wie eine Verfassungsbestimmung auszulegen ist (Art. 68 Abs. 1 Nr. 1
der Verfassung in Verbindung mit § 47 Abs. 2).
In diesen Fällen wird die Entscheidungsformel durch den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs im Gesetzblatt veröffentlicht.
(2) Die Rechtskraft erstreckt sich auf alle Prozeßbeteiligten.

§ 24

Verfahren nach Art. 31 Abs. 2 und Art. 64 Abs. 1 der Verfassung, die im Zeitpunkt des Zusammentritts eines neugewählten Landtags anhängig sind, werden vom Verfassungsgerichtshof durch Beschluß für erledigt erklärt. Verfahren nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 1
der Verfassung können beim Zusammentritt eines neugewählten Landtags vom Verfassungsgerichtshof für erledigt erklärt werden, wenn ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Weiterverfolgung nicht besteht.

§ 25

(1) Der Verfassungsgerichtshof kann, wenn es zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grunde zum gemeinen Wohl dringend geboten ist, in einem anhängigen Verfahren einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln.
(2) Die einstweilige Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Der Antragsgegner oder die nach § 57 Äußerungsberechtigten sind vor Erlaß der einstweiligen Anordnung, soweit deren Zweck dadurch nicht gefährdet wird, zu hören. Wird Widerspruch erhoben, so ergeht die Entscheidung nach mündlicher Verhandlung durch Urteil. In Verfahren der Verfassungsbeschwerde ist ein Widerspruch des Beschwerdeführers und des Äußerungsberechtigten nach § 57 Absatz 3 nicht statthaft.

§ 26

Bis zur Erledigung eines bei einem anderen Gericht anhängigen Verfahrens kann der Verfassungsgerichtshof sein Verfahren aussetzen, wenn die Feststellungen oder die Entscheidung in diesem Verfahren für seine Entscheidung von Bedeutung sein oder sie gegenstandslos machen können.

§ 27

Der Verfassungsgerichtshof kann anhängige Verfahren verbinden und verbundene Verfahren trennen.

§ 28

Der Verfassungsgerichtshof kann bestimmen, wer seine Entscheidung vollstreckt. Im Einzelfall kann er die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

§ 29

Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, regelt der Verfassungsgerichtshof das Verfahren und den Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung. Sie wird im Gesetzblatt veröffentlicht.

4. Teil Besondere Verfahrensvorschriften

1. Ministeranklage

a) Entscheidung nach Art. 57 Abs. 1 bis 3 der Verfassung

b) Entscheidung nach Art. 57 Abs. 4 der Verfassung

2. Mandatsaberkennung (Entscheidung nach Art. 42 der Verfassung)

§ 43

(1) Hat der Abgeordnete seine Stellung in gewinnsüchtiger Absicht mißbraucht, so stellt der Verfassungsgerichtshof dies fest und erkennt ihm das Mandat ab.
(2) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen der §§ 30 bis 38 entsprechend.

3. Auslegung der Verfassung bei Verfassungsstreitigkeiten (Entscheidung nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 der Verfassung)

§ 44

Antragsteller und Antragsgegner können nur der Landtag und im Falle des Art. 36
der Verfassung der Ständige Ausschuß des Landtags, die Regierung und die in der Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtags oder der Regierung mit eigener Zuständigkeit ausgestatteten Teile dieser Organe sein.

§ 45

(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners in der Wahrnehmung seiner ihm durch die Verfassung übertragenen Rechte und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet sei.
(2) Der Antrag muß die Bestimmung der Verfassung bezeichnen, gegen welche die beanstandete Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners verstößt.
(3) Der Antrag muß binnen sechs Monaten gestellt werden, nachdem die beanstandete Handlung oder Unterlassung dem Antragsteller bekanntgeworden ist, spätestens jedoch fünf Jahre nach ihrer Durchführung oder Unterlassung.

§ 46

(1) Dem Antragsteller und dem Antragsgegner können in jeder Lage des Verfahrens andere Antragsberechtigte beitreten, wenn die Entscheidung für die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten von Bedeutung ist.
(2) Das Gericht gibt dem Landtag und der Regierung von der Einleitung des Verfahrens Kenntnis.

§ 47

(1) Das Gericht stellt in seiner Entscheidung fest, ob sich der Antragsgegner wie behauptet verhalten hat oder ob ein solches Verhalten von ihm zu gewärtigen ist, inwiefern er dadurch den Antragsteller in der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet hat und gegen welche Bestimmung der Verfassung sein Verhalten verstößt.
(2) Soweit die Entscheidung von der Auslegung einer Verfassungsbestimmung abhängt, kann das Gericht in der Entscheidungsformel feststellen, wie die Verfassungsbestimmung auszulegen ist.

4. Normenkontrolle auf Antrag des Landtags oder der Regierung (Entscheidung nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 2 der Verfassung)

§ 48

(1) Ist bei Zweifeln oder Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs beantragt worden, so hat dieser dem Landtag und der Regierung Gelegenheit zur Äußerung innerhalb bestimmter Frist zu geben.
(2) Am Verfahren können sich Verfassungsorgane im Sinne des § 44 und Selbstverwaltungskörperschaften, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartun, beteiligen.

§ 49

(1) Ist wegen einer Verordnung oder einer sonstigen im Range unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschrift ein Normenkontrollverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 2
der Verfassung und ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig, so muß der Verwaltungsgerichtshof auf Verlangen des Verfassungsgerichtshofs sein Verfahren bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof aussetzen. Stellt der Verfassungsgerichtshof ein solches Verlangen nicht, so kann der Verwaltungsgerichtshof sein Verfahren mit Zustimmung des Verfassungsgerichtshofs aussetzen. Der Verwaltungsgerichtshof unterrichtet den Verfassungsgerichtshof, wenn bei ihm ein solches Normenkontrollverfahren anhängig wird.
(2) Die Aussetzungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs richtet sich nach § 26.

§ 50

Hält der Verfassungsgerichtshof die beanstandete Bestimmung für unvereinbar mit der Verfassung, so stellt er in seiner Entscheidung ihre Nichtigkeit fest. Sind weitere Bestimmungen desselben Gesetzes aus denselben Gründen mit der Verfassung unvereinbar, so kann der Verfassungsgerichtshof sie gleichfalls für nichtig erklären.

5. Normenkontrolle auf Antrag eines Gerichts (Entscheidung nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 3 der Verfassung)

§ 51

(1) Sind die Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 Nr. 3
der Verfassung gegeben, so holen die obersten Gerichte des Landes unmittelbar, die übrigen Gerichte über das zuständige oberste Gericht des Landes, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ein.
(2) Die Begründung des Aussetzungsbeschlusses muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit des Gesetzes die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher Bestimmung der Verfassung das Gesetz unvereinbar sein soll. Die Akten sind beizufügen.
(3) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 und des § 50 gelten entsprechend.

6. Wahlprüfung (Entscheidung nach Art. 31 Abs. 2 der Verfassung)

§ 52

(1) Ein Beschluß des Landtags in Wahlprüfungssachen nach Art. 31
der Verfassung kann innerhalb eines Monats seit der Beschlußfassung des Landtags beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Anfechtungsberechtigt sind:
a)
der Abgeordnete, dessen Mitgliedschaft bestritten ist,
b)
ein Wahlberechtigter oder eine Gruppe von Wahlberechtigten, deren Einspruch vom Landtag verworfen worden ist, wenn ihnen mindestens hundert Wahlberechtigte beitreten,
c)
eine Fraktion, d)
eine Minderheit des Landtags, die wenigstens ein Zehntel der gesetzlichen Mitgliederzahl umfaßt.
(2) Eine Gruppe von Wahlberechtigten, für die bei der Wahl ein Wahlvorschlag zugelassen wurde, hat nicht nachzuweisen, daß ihr hundert Wahlberechtigte beitreten.

7. Kontrolle eines Antrags auf Verfassungsänderung (Entscheidung nach Art. 64 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung)

§ 53

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs gibt den beim Gericht nach Art. 64 Abs. 1 Satz 3
der Verfassung gestellten Antrag im Staatsanzeiger bekannt.

8. Normenkontrolle auf Antrag von Gemeinden oder Gemeindeverbänden (Entscheidung nach Art.76 der Verfassung)

§ 54

Auf das Verfahren nach Art. 76 der Verfassung finden die Vorschriften der §§ 48 und 50 entsprechend Anwendung. Ein Zusammenschluss von Gemeinden oder Gemeindeverbänden kann einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach Satz 1 beitreten, wenn in dem Verfahren von dem Antragsteller eine Verletzung von Art. 71
Abs. 3 der Verfassung behauptet wird und dieses Verfahren aus Sicht des Zusammenschlusses von grundsätzlicher Bedeutung ist; die grundsätzliche Bedeutung ist mit der Beitrittserklärung darzulegen.

9. Verfassungsbeschwerde

§ 55

(1) Jeder kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt des Landes in einem seiner in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof erheben, soweit nicht Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben ist oder wird.
(2) Ist gegen die behauptete Verletzung der Rechtsweg zulässig, kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Der Verfassungsgerichtshof kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Satz 2 ist auf Verfassungsbeschwerden gegen fachgerichtliche Entscheidungen nicht anwendbar.
(3) Dem Beschwerdeführer kann nach Maßgabe der Vorschriften der Zivilprozessordnung Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Die Fristen des § 56 Absatz 2 und 4 werden durch das Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gehemmt.

§ 56

(1) In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
(2) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, dass der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefassten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.
(3) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.
(4) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offen steht, kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlass des Hoheitsaktes erhoben und begründet werden.

§ 57

(1) Der Verfassungsgerichtshof gibt dem Verfassungsorgan, dessen Handlung oder Unterlassung in der Verfassungsbeschwerde beanstandet wird, Gelegenheit, sich binnen einer zu bestimmenden Frist zu äußern.
(2) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Handlung oder Unterlassung einer Behörde des Landes, ist dem zuständigen Ministerium, bei Behörden sonstiger Rechtsträger auch den Rechtsträgern, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, gibt der Verfassungsgerichtshof auch dem durch die Entscheidung Begünstigten Gelegenheit zur Äußerung.
(4) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gesetz, ist § 48 Absatz 1 entsprechend anzuwenden.
(5) Die in Absatz 1, 2 und 4 in Verbindung mit § 48 Absatz 1 genannten Verfassungsorgane können dem Verfahren beitreten.

§ 58

(1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet über Verfassungsbeschwerden in der Regel ohne mündliche Verhandlung.
(2) Über die Zurückweisung einer Verfassungsbeschwerde als unzulässig oder offensichtlich unbegründet und die Anforderung eines Vorschusses nach Absatz 3 Satz 2 kann abweichend von § 22 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 in einem schriftlichen Verfahren entschieden werden. Eine Anhörung nach § 57 ist nicht erforderlich. Die Entscheidung bedarf keiner Begründung, wenn der Beschwerdeführer zuvor auf Bedenken gegen die Zulässigkeit oder Begründetheit der Verfassungsbeschwerde hingewiesen worden ist. Im Übrigen genügt zur Begründung des Beschlusses ein Hinweis auf den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt.
(3) Ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet, kann der Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer mit der Entscheidung über die Hauptsache eine Gebühr bis zu 2000 Euro auferlegen. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Beschwerdeführer aufgeben, einen entsprechenden Vorschuss zu leisten. Die Verfassungsbeschwerde gilt als zurückgenommen, wenn der Beschwerdeführer den Vorschuss nicht innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Vorschussanforderung zahlt. Auf diese Rechtsfolge ist der Beschwerdeführer bei der Vorschussanforderung hinzuweisen. Für die Fristberechnung gilt § 222
Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung entsprechend.
(4) Die Entscheidungen nach Absatz 2 und 3 können durch einstimmigen Beschluss einer von dem Verfassungsgerichtshof für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Kammer ergehen, die aus drei Richtern besteht, von denen mindestens zwei die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Die Bestellung mehrerer Kammern ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres deren Zahl und Zusammensetzung sowie die Verteilung der Verfassungsbeschwerden auf die Kammern. Der Beschluss ergeht ohne mündliche Verhandlung und ist unanfechtbar. Im Falle einer Zurückweisung bleibt die Kammer für alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen zuständig.
(5) Absatz 1 und 4 gilt entsprechend für die Entscheidung über Anträge, die im Zusammenhang mit einer Verfassungsbeschwerde gestellt werden, solange und soweit das Plenum noch nicht mit der Verfassungsbeschwerde befasst ist. Bei einer Zurückweisung dieser Anträge als unzulässig oder offensichtlich unbegründet gilt Absatz 2 und 3 entsprechend. Absatz 1, 2 und 4 gilt ferner entsprechend für Entscheidungen nach Erledigung der Hauptsache, über Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 55 Absatz 3 Satz 1 und über Kosten nach § 60 Absatz 1 Satz 2.

§ 59

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift der Verfassung durch welche Handlung oder Unterlassung verletzt wurde. Der Verfassungsgerichtshof kann zugleich aussprechen, dass auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme die Verfassung verletzt. Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, hebt der Verfassungsgerichtshof die Entscheidung auf, in den Fällen des § 55 Absatz 2 Satz 1 verweist er die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.
(2) Wird der unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde stattgegeben, gelten die §§ 23 und 50 entsprechend.

5. Teil Kosten

§ 60

(1) Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei. Im Falle mutwilliger Rechtsverfolgung können dem Antragsteller die Kosten auferlegt werden.
(2) Erweist sich eine Ministeranklage oder ein Antrag auf Aberkennung eines Landtagsmandats als unbegründet, so sind dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung aus der Staatskasse zu ersetzen. Dasselbe gilt für den Antragsteller im Verfahren nach Art. 57 Abs. 4
der Verfassung, wenn sich der Vorwurf als unbegründet erweist.
(3) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.
(4) In den übrigen Fällen kann der Verfassungsgerichtshof die volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

6. Teil Verzögerungsbeschwerde

§ 61

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof als Verfahrensbeteiligter oder als Beteiligter in einem zur Herbeiführung einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ausgesetzten Verfahren einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Aufgaben und der Stellung des Verfassungsgerichtshofs.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann eine Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer, ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag nach Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann der Verfassungsgerichtshof einen höheren oder einen niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Für das Verfahren gelten die §§ 97 b bis 97 d des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes entsprechend mit der Maßgabe, dass über die Verzögerungsbeschwerde eine Beschwerdekammer entscheidet, die aus drei für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Richtern besteht.

7. Teil Schlussvorschriften

§ 62

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Stuttgart, den 13. Dezember 1954.

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

Dr. Gebhard Müller Dr. Veit Dr. Wolfgang Haußmann Ulrich Simpfendörfer
Dr. Frank Leibfried Hohlwegler Fiedler Farny Dichtel Dr. Werber
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