Verordnung der Landesregierung über die Benutzung des Landesarchivs Baden-Württemberg (Landesarchivbenutzungsordnung - LArchBO) Vom 10. April 2006
§ 1 Art der Nutzung
(1) Archivgut wird grundsätzlich durch Einsichtnahme genutzt.
(2) Das Landesarchiv kann die Nutzung auch durch Beantwortung von schriftlichen oder mündlichen Anfragen, durch Vorlage oder Abgabe von Reproduktionen, durch Versendung oder durch Ausleihe von Archivgut ermöglichen. Die Beantwortung von schriftlichen oder mündlichen Anfragen beschränkt sich grundsätzlich auf Hinweise zu einschlägigem Archivgut.
(3) Die für die Nutzung von Archivgut getroffenen Bestimmungen gelten für die Nutzung von nicht publizierten Findmitteln, sonstigen Hilfsmitteln und Reproduktionen entsprechend.
§ 2 Nutzungsvoraussetzungen
(1) Für die Nutzung des Archivguts im Landesarchiv ist ein gültiger Nutzerausweis erforderlich, der bei jeder Nutzung vorzulegen ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 kann bei Nutzungen nach § 1 Abs. 2 und 3, insbesondere bei schriftlichen oder mündlichen Anfragen, auf die Ausstellung eines Nutzerausweises verzichtet werden.
(3) Der Nutzerausweis ist schriftlich bei einer Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs für das gesamte Landesarchiv zu beantragen. Im Antrag sind Name, Vorname und Anschrift des Antragstellers anzugeben. Auf Verlangen hat sich der Antragsteller auszuweisen.
(4) Der Nutzerausweis wird fünf Jahre nach der letzten Nutzung in einem Lesesaal des Landesarchivs ungültig.
(5) Der Nutzerausweis ist nicht übertragbar. Sein Verlust ist dem Landesarchiv unverzüglich anzuzeigen.
(6) Vor der Bestellung von Archivgut zur Einsichtnahme ist einmalig für jedes Nutzungsvorhaben Folgendes anzugeben:
1.
Nutzungsvorhaben (Thema der Arbeit) mit möglichst präziser zeitlicher und sachlicher Eingrenzung,
2.
Name, Vorname und Anschrift des Auftraggebers, wenn die Nutzung im Auftrag eines Dritten erfolgt, und
3.
Nutzungszweck.
(7) Der Nutzer ist verpflichtet, Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte sowie schutzwürdige Belange Dritter zu beachten.
§ 3 Verkürzung der Sperrfristen
Eine Verkürzung der Sperrfristen wird vom Nutzer bei der das betreffende Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs schriftlich beantragt. Die Entscheidung über den Antrag trifft deren Abteilungsleiter. Über die in § 2 genannten Angaben hinaus hat der Antragsteller dem Antrag auf Nutzung von Unterlagen, die sich nach ihrer Zweckbestimmung auf eine natürliche Person beziehen, entweder die schriftliche Einwilligung des Betroffenen oder seiner Angehörigen im Sinne von § 6
Abs. 4 Satz 3 des Landesarchivgesetzes beizufügen oder im Antrag eingehend zu begründen, warum eine Verkürzung der Sperrfrist unerlässlich ist. Soll bei einer Nutzung zu wissenschaftlichen Zwecken von der Anonymisierung personenbezogener Angaben abgesehen werden, so hat der Antragsteller außerdem zu begründen, warum das wissenschaftliche Interesse an der Offenbarung wegen der Bedeutung des Forschungsvorhabens die schutzwürdigen Belange des Betroffenen erheblich überwiegt und das Forschungsvorhaben sonst nicht durchgeführt werden kann. Auf Verlangen der das Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs sind dem Antrag ergänzende Angaben und Unterlagen, bei Hochschularbeiten insbesondere Stellungnahmen der akademischen Lehrer, beizufügen.
§ 4 Einschränkung, Versagung und Entzug des Rechts auf Nutzung
(1) Das Landesarchiv kann außer aus den in § 6
Abs. 6 Satz 1 des Landesarchivgesetzes genannten Gründen die Nutzung des Archivguts aus anderen wichtigen Gründen einschränken oder versagen, insbesondere wenn
1.
der Nutzer wiederholt oder schwerwiegend gegen diese Benutzungsordnung oder gegen die Lesesaalordnung (§ 5 Abs. 1 Satz 2) verstößt oder ihm erteilte Auflagen nicht einhält,
2.
der Erhaltungszustand oder der Ordnungszustand des Archivguts eine Nutzung nicht zulässt,
3.
Archivalien aus dienstlichen Gründen oder wegen gleichzeitiger amtlicher oder anderweitiger Nutzung nicht verfügbar sind oder
4.
der Nutzungszweck anderweitig, insbesondere durch Einsichtnahme in Druckwerke oder in Reproduktionen, hinlänglich erreicht werden kann.
(2) Das Landesarchiv kann den Nutzerausweis einziehen oder für ungültig erklären, wenn
1.
nachträgliche Gründe bekannt werden, die zur Versagung der Nutzung geführt hätten,
2.
der Nutzer wiederholt oder schwerwiegend gegen diese Benutzungsordnung oder gegen die Lesesaalordnung verstößt oder ihm erteilte Auflagen nicht einhält oder
3.
der Nutzer Urheber- und Persönlichkeitsrechte sowie schutzwürdige Belange Dritter nicht beachtet.
§ 5 Nutzung des Archivguts im Lesesaal
(1) Archivgut wird grundsätzlich in den Lesesälen des Landesarchivs zur Nutzung vorgelegt. Regelungen, die dem Schutz des Archivguts und einem geordneten Ablauf der Nutzung dienen, werden in einer Verwaltungsvorschrift des Landesarchivs (Lesesaalordnung) bestimmt.
(2) Das vorgelegte Archivgut, die vorgelegten Reproduktionen sowie Findmittel und sonstige Hilfsmittel sind mit aller Sorgfalt zu behandeln. Insbesondere ist es nicht gestattet,
1.
den Ordnungszustand des Archivguts zu verändern,
2.
Bestandteile des Archivguts wie insbesondere Blätter, Zettel, Umschläge, Siegel, Stempelabdrucke und Briefmarken zu entfernen,
3.
Vermerke im Archivgut anzubringen oder vorhandene zu tilgen oder
4.
Archivgut als Schreib- oder Durchzeichnungsunterlage zu verwenden.
(3) Das Landesarchiv kann auch die Nutzung von Archivgut ermöglichen, das von anderen Archiven oder sonstigen Stellen zur Nutzung durch Dritte übersandt wurde. Soweit die versendende Stelle nichts anderes verfügt hat, gelten die Vorschriften dieser Benutzungsordnung und der Lesesaalordnung entsprechend.
§ 6 Versendung und Ausleihe von Archivgut
(1) Auf die Versendung von Archivgut zur Einsichtnahme außerhalb des Lesesaals der das betreffende Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs besteht kein Anspruch. Die Versendung kann nur in begründeten Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Umfang zur Nutzung in hauptamtlich verwalteten Archiven in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen, sofern sich diese verpflichten, das Archivgut in den Diensträumen unter ständiger fachlicher Aufsicht nur dem Antragsteller vorzulegen, es diebstahl- und feuersicher zu verwahren, keine Kopien oder Reproduktionen anzufertigen und das Archivgut nach Ablauf der vom Landesarchiv bestimmten Ausleihfrist, die zwei Monate nicht überschreiten soll, in der von diesem bestimmten Versendungsart zurückzusenden.
(2) Zur Begrenzung des Versendungsrisikos soll der Antragsteller das in Frage kommende Archivgut im Lesesaal der das Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs durchsehen und auf die Archivalieneinheiten reduzieren, deren Nutzung in der verwahrenden Abteilung des Landesarchivs nicht zumutbar erscheint. Vor der Versendung ist zu prüfen, ob der Nutzungszweck nicht durch die Übersendung von Reproduktionen erreicht werden kann. Eine Sendung soll höchstens zehn Archivalieneinheiten umfassen.
(3) Auf die Ausleihe von Archivalien zu Ausstellungszwecken besteht kein Anspruch. Eine Ausleihe ist nur möglich, wenn gewährleistet ist, dass das ausgeliehene Archivgut wirksam vor Verlust, Beschädigung und unbefugter Nutzung geschützt wird und der Ausstellungszweck nicht durch Reproduktionen oder Nachbildungen erreicht werden kann. Das Landesarchiv stellt die Sicherheit und Erhaltung des zu Ausstellungszwecken ausgeliehenen Archivguts durch die erforderlichen Auflagen sicher. Die Herstellung von Reproduktionen von ausgestelltem Archivgut durch Dritte bedarf der Zustimmung der verwahrenden Abteilung des Landesarchivs.
§ 7 Reproduktionen und Nachbildungen von Archivgut
(1) Reproduktionen aller Art von Archivgut werden im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten von den im Landesarchiv bestehenden Werkstätten grundsätzlich selbst hergestellt. Sind diese dazu technisch nicht in der Lage, dürfen Reproduktionen in begründeten Ausnahmefällen mit Zustimmung der das Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs bei einer von dieser benannten Stelle hergestellt werden, wenn sich der Nutzer verpflichtet, dem Landesarchiv die Vervielfältigungsträger zu überlassen. Das Landesarchiv kann außerdem verlangen, dass die Reproduktionen unter seiner Aufsicht hergestellt werden, und es kann dem Auftraggeber die dadurch entstehenden Kosten in Rechnung stellen.
(2) Reproduktionen dürfen nur mit Zustimmung der das betreffende Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs, nur zu dem angegebenen Zweck und nur unter Angabe der verwahrenden Abteilung und der von dieser festgelegten Signatur sowie unter Hinweis auf die dem Landesarchiv zustehenden Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsrechte vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.
(3) Reproduktionen von Archivgut werden nur hergestellt, soweit dabei eine Gefährdung oder Schädigung des Archivguts ausgeschlossen werden kann. Über die jeweils geeigneten Reproduktionsverfahren entscheidet die das Archivgut verwahrende Abteilung des Landesarchivs. Aufnahmefilme und sonstige Reproduktionsvorlagen mit Ausnahme der zur unmittelbaren Abgabe bestimmten Bildträger wie Mikrofilme oder Diapositive verbleiben dem Landesarchiv. Die Herstellung oder Abgabe von Reproduktionen kann auch versagt oder eingeschränkt werden, wenn sich Archivgut wegen seines Formats nicht zur Reproduktion eignet.
(4) Für Siegelabgüsse, Siegelabdrücke, Faksimiles und sonstige Nachbildungen aller Art von Archivgut gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.
§ 8 Nutzung durch abgebende Stellen
Für die Nutzung von Archivgut durch Behörden, Gerichte und sonstige Stellen des Landes, bei denen es entstanden ist oder die es abgegeben haben, finden die Vorschriften dieser Benutzungsordnung keine Anwendung. Die Art und Weise der Nutzung wird zwischen der abgebenden Stelle und der das Archivgut verwahrenden Abteilung des Landesarchivs im Einzelfall vereinbart. Dabei ist sicherzustellen, dass das Archivgut gegen Verlust, Beschädigung und unbefugte Nutzung geschützt und innerhalb eines angemessenen Zeitraums zurückgegeben wird.
§ 9 Gebühren
Die Erhebung von Gebühren richtet sich nach der Verordnung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst über die Gebühren des Landesarchivs (Gebührenverordnung Landesarchiv - GebVOLArch) in der jeweils geltenden Fassung.
§ 10 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Archivbenutzungsordnung vom 29. August 1988 (GBl. S. 250) außer Kraft.
STUTTGART, den 10. April 2006
Die Regierung des Landes Baden-Württemberg
OETTINGER |
|
PFISTER |
STÄCHELE |
RECH |
RAU |
PROF. DR. FRANKENBERG |
PROF. DR. GOLL |
STRATTHAUS |
HAUK |
DR. STOLZ |
GÖNNER |
PROF. DR. REINHART |
DR. MEHRLÄNDER |
Feedback