Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für den Wolf (Wolfsverordnung Nordrhein-Westfalen - WolfsVO NRW)
Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für den Wolf (Wolfsverordnung Nordrhein-Westfalen - WolfsVO NRW)
Vom 25. März 2022 (Fn 1)
Auf Grund des § 45 Absatz 7 Satz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) verordnet die Landesregierung:
§ 1 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist
1. Verscheuchen: das Vertreiben eines Wolfes (Canis lupus), insbesondere durch Lärm oder Werfen mit Gegenständen, ohne diesen zu verletzen oder ihm nachzustellen,
2. Vergrämung: das nicht zu länger anhaltenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führende Einwirken auf einen Wolf, um ihn dauerhaft von der Annäherung an Menschen oder an von Menschen genutzte Gebäude, Weidetiere oder Gehegewild abzuhalten,
3. Entnahme: die zielgerichtete Tötung eines Wolfes,
4. Besenderung: das Anlegen eines Senders an einen Wolf einschließlich des vorbereitenden
Nachstellens, Fangens und Immobilisierens mittels Betäubung durch Teleinjektionsgeräte,
5. Gehegewild: in Gehegen gehaltene wilde Paarhufer,
6. Weidetier: für die Fleisch-, Milch- oder Wollerzeugung, die Landschaftspflege, die Zucht oder für Freizeitaktivitäten auf Freiflächen gehaltene Schwielensohler, Huftiere oder Laufvögel sowie
7. Tierhalterin oder Tierhalter: eine ein Tier oder mehrere Tiere betreuende Person.
§ 2 Verscheuchen eines Wolfes
Das Verscheuchen eines Wolfes, der sich Menschen, Weidetieren oder Gehegewild annähert oder sich innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen oder in deren unmittelbarer Nähe oder in unmittelbarer Nähe zu von Menschen genutzten Gebäuden aufhält, unterliegt nicht den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3908) geändert worden ist.
§ 3 Vergrämung eines Wolfes mit unerwünschtem Verhalten
(1) Die Vergrämung eines Wolfes, der ein für den Menschen unerwünschtes Verhalten im Sinne des Absatzes 2 zeigt, durch eine im Sinne des § 7 geeignete Person ist nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes im Interesse der Gesundheit des Menschen nach Maßgabe dieser Verordnung zugelassen.
(2) Ein für den Menschen unerwünschtes Verhalten liegt vor, wenn sich ein Wolf mehrfach
1. einem Menschen, der sich weder in einem Fahrzeug noch auf einem Hochsitz aufhält, auf eine Entfernung von unter 30 Metern nähert oder diesen in einer Entfernung von unter 30 Metern duldet und es sich nicht um einen Welpen handelt,
2. in einer Entfernung von unter 30 Metern zu von Menschen genutzten Gebäuden aufhält oder
3. innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen aufhält
und sich nicht verscheuchen lässt.
(3) Zum Schutz von Weidetieren oder Gehegewild ist es abweichend von Absatz 1 der Tierhalterin oder dem Tierhalter gestattet, einen Wolf, der sich nicht verscheuchen lässt (unerwünschtes Verhalten im Hinblick auf Weidetiere und Gehegewild), zu vergrämen.
(4) Das Vorliegen eines unerwünschten Verhaltens im Sinne der Absätze 2 und 3 muss durch Dokumente des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz belegt sein. Eine erfolgte Vergrämung ist der örtlich zuständigen unteren Naturschutzbehörde durch die vergrämende Person unter Angabe der Anzahl der vergrämten Wölfe sowie des genauen Ortes und Datums der Vergrämung und der angewandten Methode zu melden.
(5) Zur Vergrämung zugelassen sind alle geeigneten Methoden und Geräte, einschließlich Gummigeschossen, Warn- oder Schreckschüssen, künstlichen Lichtquellen, Spiegeln oder anderen beleuchtenden oder blendenden Vorrichtungen, sowie akustische, elektrische oder elektronische Geräte, sofern dem Wolf hierdurch keine Verletzungen zugefügt werden, die über kleine Hautwunden oder Hämatome hinausgehen. Geeignete, nicht letal wirkende Geschosse sind die zur Wildtiervergrämung bestimmten zylindrischen, hohlen Weichgummigeschosse, faserige Weichgummigeschosse oder vergleichbare Gummigeschosse, die aus Jagdwaffen verschossen werden.
§ 4 Entnahme eines Wolfes im Interesse der Gesundheit des Menschen
(1) Ein Ausnahmegrund im Interesse der Gesundheit des Menschen im Sinne von § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes liegt vor, wenn die oberste Naturschutzbehörde auf Grundlage von Dokumenten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz bestätigt, dass der Wolf einen Menschen verletzt, ihn unprovoziert verfolgt oder sich ihm gegenüber in sonstiger Weise unprovoziert aggressiv gezeigt hat und sich nicht verscheuchen oder vergrämen lässt.
(2) Die Pflicht zur Prüfung der sonstigen Voraussetzungen des § 45 Absatz 7 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes vor Erteilung der Ausnahme bleibt unberührt.
(3) Die Zulassung einer Ausnahme umfasst bei der Entnahme beider Elterntiere oder der Entnahme des einzig verbliebenen Elterntieres auch die Entnahme der zugehörigen Welpen, sofern sich diese nicht allein oder mithilfe weiterer Rudelmitglieder versorgen können. Bei Welpen im Alter von bis zu drei Monaten ist die Unterbringung in einem Gehege zu prüfen.
§ 5 Entnahme eines Wolfes zur Vermeidung ernster wirtschaftlicher Schäden
(1) Ein ernster wirtschaftlicher Schaden im Sinne von § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes liegt vor, wenn die oberste Naturschutzbehörde auf Grundlage von Dokumenten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz bestätigt, dass ein Schaden droht, der mehr als nur geringfügig und damit von einigem Gewicht ist.
(2) Die Pflicht zur Prüfung der sonstigen Voraussetzungen des § 45 Absatz 7 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes vor Erteilung der Ausnahme bleibt unberührt.
§ 6 Beurteilung des Erhaltungszustandes der Population
Die Beurteilung des Erhaltungszustandes der Population im Sinne von § 45 Absatz 7 Satz 2 des Bundesnaturschutzgesetzes wird auf Grundlage einer Stellungnahme der obersten Naturschutzbehörde getroffen.
§ 7 Geeignete Personen
Eine Person ist geeignet im Sinne von § 45a Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes, wenn sie über artenschutz-, tierschutz-, waffen- und jagdrechtliche Kenntnisse verfügt. Die für einen Jagdbezirk jagdausübungsberechtigte Person ist in der Regel geeignet im Sinne des Satzes 1. Sie soll mit ihrem Einverständnis vorrangig zur Durchführung der Maßnahme von der örtlich zuständigen unteren Naturschutzbehörde grundsätzlich oder im Einzelfall bestimmt werden. Sind mehrere Jagdbezirke betroffen, kann eine Kreisjagdberaterin oder ein Kreisjagdberater als koordinierende geeignete Person mit ihrem oder seinem Einverständnis dazu bestimmt werden, die jeweils erforderliche Maßnahme mit den in den betroffenen Jagdbezirken vorhandenen zur Jagd befugten Personen durchzuführen oder von diesen durchführen zu lassen. Die Jagdverpächterin oder der Jagdverpächter und die jagdausübungsberechtigte Person, sofern diese nicht nach Satz 2 zu geeigneten Personen bestimmt werden, sind vor Beginn von Entnahmemaßnahmen über die Beauftragung einer oder eines Dritten zu benachrichtigen. Bei Gefahr im Verzug bedarf es keiner vorherigen Benachrichtigung.
§ 8 Entnahme eines schwer verletzten oder erkrankten Wolfes
(1) Die Entnahme eines Wolfes ist aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 des Bundesnaturschutzgesetzes zugelassen, wenn dieser so schwer verletzt oder erkrankt aufgefunden wird, dass er nach dem Urteil einer Tierärztin oder eines Tierarztes erhebliche Schmerzen erleidet und aus eigener Kraft nicht mehr gesunden wird.
(2) Die Entnahme nach Absatz 1 darf nur eine Tierärztin oder ein Tierarzt, eine andere für die Entnahme geeignete Person im Sinne des § 7 oder, wenn deren Hinzuziehung nicht rechtzeitig möglich ist, eine Polizeivollzugsbeamtin oder ein Polizeivollzugsbeamter oder eine von der Polizei hierzu hinzugezogene Jagdscheininhaberin oder ein von der Polizei hierzu hinzugezogener Jagdscheininhaber vornehmen. Die entnehmende Person hat die zuständige Naturschutzbehörde über die Entnahme nach Absatz 1 zu unterrichten.
§ 9 Informations- und Berichtspflichten
(1) Die örtlich zuständige untere Naturschutzbehörde hat der obersten Naturschutzbehörde und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz unverzüglich zu berichten über
1. die Anzahl der vergrämten Wölfe unter Angabe des genauen Ortes und Datums der Vergrämung sowie der angewandten Methode nach § 3 sowie
2. den genauen Entnahme- oder Abschussort, das genaue Entnahme- oder Abschussdatum und die Anzahl der jeweils entnommenen Wölfe.
(2) Die örtlich zuständige untere Naturschutzbehörde hat die oberste Naturschutzbehörde und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zu unterrichten, wenn in ihrem Bereich ein Wolf mit mutmaßlich unerwünschtem oder problematischem Verhalten im Sinne der §§ 3 bis 5 festgestellt wurde. Beim Auftreten eines Wolfes, der sich ohne ersichtlichen Grund aggressiv gegenüber Menschen verhält, ist zusätzlich die örtlich zuständige Kreispolizeibehörde zu unterrichten.
§ 10 Besenderung von Wölfen
Eine Besenderung einzelner Wölfe oder eines ganzen Rudels zu wissenschaftlichen Zwecken durch das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Verbraucherschutz ist als Ausnahme im Sinne von § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 3 des Bundesnaturschutzgesetzes zugelassen, nachdem der Tierversuch von der nach dem Tierschutzrecht zuständigen Behörde genehmigt worden ist.
§ 11 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Sie tritt am 9. März 2027 außer Kraft.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen
Der Ministerpräsident
Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
Fussnoten
In Kraft getreten am 22. April 2022 (GV. NRW. S. 460). |
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