Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (AGPsychPbG)
Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (AGPsychPbG)
Vom 25. Oktober 2016 (Fn 1)
Inhaltsübersicht
§ 1 Anerkennung von Personen
§ 2 Anerkennung von Aus- und Weiterbildungen
§ 3 Zuständigkeit
§ 4 Antrag
§ 5 Besondere Pflichten
§ 6 Nebenbestimmungen
§ 7 Unterrichtung der Anerkennungsstellen
§ 8 Rücknahme und Widerruf
§ 9 Länderübergreifende Anerkennung
§ 10 Verzeichnis
§ 11 Verordnungsermächtigung
§ 12 Übergangsregelung
§ 13 Inkrafttreten
§ 1 Anerkennung von Personen
(1) Als psychosoziale Prozessbegleiterin oder psychosozialer Prozessbegleiter soll anerkannt werden, wer über
1. die in § 3 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2525, 2529) genannten fachlichen Qualifikationen,
2. eine in der Regel mindestens zweijährige praktische Berufserfahrung in einem der unter § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren genannten Bereiche und
3. die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit verfügt.
(2) Die Anerkennung kann versagt werden, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller die in § 3 Absatz 3 und 4 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren genannten Voraussetzungen erfüllt.
§ 2 Anerkennung von Aus- und Weiterbildungen
(1) Eine Aus- oder Weiterbildung nach § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren soll anerkannt werden, wenn
1. die in ihr vermittelten Inhalte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer befähigen, selbständig fachlich adäquate psychosoziale Prozessbegleitung unter Einhaltung der den §§ 2 und 3 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren zu Grunde liegenden Standards durchzuführen,
2. ihr ein geeignetes didaktisches und methodisches Konzept zu Grunde liegt und
3. ihre Form, Dauer und Teilnehmerzahl so bemessen sind, dass die angestrebten Lernziele erreicht werden können.
(2) Zu den nach Absatz 1 Nummer 1 zu vermittelnden Inhalten gehören in der Regel mindestens die für die psychosoziale Prozessbegleitung relevanten Kenntnisse
1. der rechtlichen Grundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens sowie weiterer für die Opfer von Straftaten relevanter Rechtsgebiete,
2. der Viktimologie, insbesondere Kenntnisse zu den besonderen Bedürfnissen spezieller Opfergruppen,
3. der Psychologie und Psychotraumatologie,
4. der Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung und
5. der Methoden und Standards der Qualitätssicherung und Eigenvorsorge.
(3) Die Anerkennung kann versagt werden, wenn begründete Zweifel an der fachlichen Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Referentinnen oder Referenten oder der Zuverlässigkeit der Anbieterin oder des Anbieters der Aus- oder Weiterbildung bestehen.
§ 3 Zuständigkeit
(1) Zuständige Stelle für die Anerkennung nach § 1 ist die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts, in deren oder dessen Bezirk die Antragstellerin oder der Antragsteller ihre oder seine berufliche Niederlassung hat, in Ermangelung einer solchen ist der Wohnsitz maßgebend. Hat die Antragstellerin oder der Antragsteller in Nordrhein-Westfalen weder eine berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz, ist zuständige Stelle die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts, in deren oder dessen Bezirk die Antragstellerin oder der Antragsteller ihre oder seine Tätigkeit vorwiegend ausüben möchte. Das Verfahren kann über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden.
(2) Zuständige Stelle für die Anerkennung nach § 2 ist das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen.
§ 4 Antrag
(1) Die Anerkennung ist schriftlich bei der für die Anerkennung zuständigen Stelle zu beantragen.
(2) Mit dem Antrag auf Anerkennung nach § 1 sind Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 Absatz 1 Nummer 1 und 2 genannten Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen. Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat bei der Meldebehörde ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 Nummer 1 des Bundeszentralregistergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2017) geändert worden ist, zur Vorlage bei der für die Anerkennung zuständigen Stelle zu beantragen. Dem Antrag ist eine Erklärung zum örtlichen Tätigkeitsschwerpunkt der psychosozialen Prozessbegleiterin oder des psychosozialen Prozessbegleiters, der in der Regel nicht mehr als drei Landgerichtsbezirke umfassen soll, beizufügen. Die für die Anerkennung zuständige Stelle kann die Vorlage weiterer Nachweise über das Vorliegen der in § 1 Absatz 1 Nummer 3 genannten Anerkennungsvoraussetzung sowie bei begründeten Zweifeln nach § 1 Absatz 2 die Vorlage von Nachweisen über das Vorliegen der in § 3 Absatz 3 und 4 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren genannten Voraussetzungen verlangen.
(3) Mit dem Antrag auf Anerkennung nach § 2 sind Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die in § 2 Absatz 1 und Absatz 2 genannten Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen. Die für die Anerkennung zuständige Stelle kann bei begründeten Zweifeln nach § 2 Absatz 3 die Vorlage von Nachweisen über die fachliche Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Referentinnen und Referenten und die Zuverlässigkeit der Anbieterin oder des Anbieters der Aus- oder Weiterbildung verlangen.
§ 5 Besondere Pflichten
(1) Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter haben Verschwiegenheit über die ihnen anvertrauten oder sonst im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Umstände, die nicht allgemein zugänglich sind, zu bewahren. Gesetzliche Auskunftspflichten bleiben unberührt.
(2) Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter sind verpflichtet,
1. mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr an fachspezifischen, der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen, hörend oder dozierend, und
2. kalenderjährlich an Maßnahmen der Supervision oder kollegialen Beratung
teilzunehmen. Ein Abweichen von den in Satz 1 bestimmten Zeitpunkten ist nur aus wichtigem Grund zulässig. Nach Entfallen des wichtigen Grundes ist die Teilnahme an Veranstaltungen und Maßnahmen nach Satz 1 unverzüglich nachzuholen. Die Erfüllung der Pflichten aus Satz 1 ist der für die Anerkennung nach § 1 zuständigen Stelle auf deren Anforderung hin durch Bescheinigungen oder andere geeignete Unterlagen nachzuweisen.
§ 6 Nebenbestimmungen
(1) Die Anerkennung nach § 1 ist auf höchstens fünf Jahre zu befristen. Im Falle einer gerichtlichen Beiordnung gilt die Anerkennung nach § 1 auch nach Ablauf der in Satz 1 bestimmten Frist für das Verfahren fort, in dem die Beiordnung erfolgt ist. Eine erneute Anerkennung nach Ablauf einer Befristung soll auf Antrag erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 1 vorliegen und die Antragstellerin oder der Antragsteller gegenüber der für die Anerkennung zuständigen Stelle die Erfüllung der Pflichten aus § 5 Absatz 2 Satz 1 für die vergangene Anerkennungsperiode nachweist. Die für die Anerkennung zuständige Stelle kann die Vorlage von Nachweisen verlangen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 Absatz 1 Nummer 1 und 2 genannten Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen. § 4 Absatz 1 und 2 Satz 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Anerkennung nach §§ 1 und 2 kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt sowie mit dem Vorbehalt eines Widerrufs versehen werden, insbesondere wenn diese Nebenbestimmungen zur Sicherung der Qualität der psychosozialen Prozessbegleitung, zur Herstellung einer einheitlichen Praxis oder aus Gründen des Opferschutzes geboten sind. Nebenbestimmungen nach Satz 1 können auch nachträglich erteilt oder geändert werden.
§ 7 Unterrichtung der Anerkennungsstellen
(1) Die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter sind verpflichtet, die zuständige Stelle unverzüglich über den Wegfall der Anerkennungsvoraussetzung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und das Entstehen von Versagungsgründen nach § 1 Absatz 2 zu unterrichten. Die Anbieterin oder der Anbieter der Aus- oder Weiterbildung ist verpflichtet, die zuständige Stelle unverzüglich über den Wegfall von Anerkennungsvoraussetzungen nach § 2 Absatz 1 und 2 und das Entstehen von Versagungsgründen nach § 2 Absatz 3 zu unterrichten. Die zuständige Stelle kann verlangen, dass die psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter und die Anbieterin oder der Anbieter der Aus- und Weiterbildung den Nachweis des Fortbestandes der Anerkennungsvoraussetzungen und des Nichtvorliegens von Versagungsgründen führen.
(2) Die Anbieterin oder der Anbieter der Aus- und Weiterbildung ist verpflichtet, die zuständige Stelle unverzüglich über grundlegende Änderungen der Ausbildungsinhalte zu unterrichten.
§ 8 Rücknahme und Widerruf
(1) Die Anerkennung nach §§ 1 und 2 soll zurückgenommen werden, wenn bei ihrer Erteilung eine Anerkennungsvoraussetzung nach § 1 Absatz 1 oder § 2 Absatz 1 oder 2 nicht vorlag. Die Anerkennung nach § 1 kann zurückgenommen werden, wenn bei ihrer Erteilung ein Versagungsgrund nach § 1 Absatz 2 vorlag. Die Anerkennung nach § 2 kann zurückgenommen werden, wenn bei ihrer Erteilung ein Versagungsgrund nach § 2 Absatz 3 vorlag.
(2) Die Anerkennung nach §§ 1 und 2 soll widerrufen werden, wenn eine Anerkennungsvoraussetzung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 oder § 2 Absatz 1 oder 2 wegfällt oder eine anerkannte Person beharrlich ihren Pflichten aus § 5 Absatz 2 zuwiderhandelt. Die Anerkennung nach § 1 kann widerrufen werden, wenn ein Versagungsgrund nach § 1 Absatz 2 entstanden ist. Die Anerkennung nach § 2 kann widerrufen werden, wenn ein Versagungsgrund nach § 2 Absatz 3 entstanden ist.
(3) Zuständig für die Entscheidung über Rücknahme und Widerruf der Anerkennungen nach §§ 1 und 2 ist die anerkennende Stelle. §§ 48 und 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GV. NRW. S. 602), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Mai 2014 (GV. NRW. S. 294) geändert worden ist, bleiben im Übrigen unberührt.
§ 9 Länderübergreifende Anerkennung
(1) Die Anerkennung einer psychosozialen Prozessbegleiterin oder eines psychosozialen Prozessbegleiters in einem anderen Land steht der Anerkennung nach § 1 gleich. Dies gilt nicht, soweit der örtliche Tätigkeitsschwerpunkt der psychosozialen Prozessbegleiterin oder des psychosozialen Prozessbegleiters dauerhaft in Nordrhein-Westfalen liegt oder nach Nordrhein-Westfalen verlagert wird.
(2) Erfüllt eine psychosoziale Prozessbegleiterin oder ein psychosozialer Prozessbegleiter die in § 1 genannten Voraussetzungen nicht, kann die für die Anerkennung nach § 1 zuständige Stelle abweichend von Absatz 1 Satz 1 bestimmen, dass die Anerkennung dieser Person in einem anderen Land der Anerkennung nach § 1 nicht gleichsteht. Bestehen begründete Zweifel daran, dass eine psychosoziale Prozessbegleiterin oder ein psychosozialer Prozessbegleiter, die oder der in einem anderen Land anerkannt ist, die in § 1 genannten Voraussetzungen erfüllt, kann die zuständige Stelle die Vorlage von Nachweisen über das Vorliegen der in § 1 genannten Voraussetzungen verlangen.
(3) Die Anerkennung einer Aus- oder Weiterbildung in einem anderen Land steht der Anerkennung nach § 2 gleich.
§ 10 Verzeichnis
(1) Die für die Anerkennung nach § 1 zuständigen Stellen führen für das Land Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames Verzeichnis der nach § 1 anerkannten psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter.
(2) In das Verzeichnis ist der örtliche Tätigkeitsschwerpunkt der psychosozialen Prozessbegleiterin oder des psychosozialen Prozessbegleiters im Sinne des § 4 Absatz 2 Satz 3 aufzunehmen. Auf Antrag soll die verzeichnisführende Stelle sachliche Tätigkeitsschwerpunkte der psychosozialen Prozessbegleiterin oder des psychosozialen Prozessbegleiters in das Verzeichnis aufnehmen. Örtlicher und sachlicher Tätigkeitsschwerpunkt können auf Antrag auch nachträglich geändert werden.
§ 11 Verordnungsermächtigung
Das Justizministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung
1. abweichend von § 3 ein Oberlandesgericht für die Anerkennung nach §§ 1 und 2 zu bestimmen,
2. Einzelheiten der Anerkennungsvoraussetzungen nach § 1 Absatz 1 und § 2 Absatz 1 und 2 sowie der Anforderungen an die fachliche Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Referentinnen oder Referenten,
3. Einzelheiten des Verfahrens zur Anerkennung nach §§ 1, 2 und 6 Absatz 1 Satz 3,
4. Standards für den organisatorischen Rahmen und die Durchführung der psychosozialen Prozessbegleitung,
5. Einzelheiten des fachlichen Inhalts und des Umfangs der Fortbildungspflicht sowie der Maßnahmen der Supervision und kollegialen Beratung nach § 5 Absatz 2 Satz 1,
6. Einzelheiten der Ausgestaltung des Verzeichnisses nach § 10, insbesondere zu Aufnahme, Speicherung und Abruf von personenbezogenen Daten, und des diesbezüglichen Verfahrens sowie den Kreis der zugriffsberechtigten Stellen und
7. die mögliche Anzahl und den möglichen Inhalt sachlicher Tätigkeitsschwerpunkte im Sinne von § 10 Absatz 2 Satz 2
zu regeln.
§ 12 Übergangsregelung
Abweichend von § 1 Nummer 1 können bis zum 31. Juli 2017 Personen, die eine von einem Land anerkannte Aus- oder Weiterbildung im Sinne des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren begonnen, aber noch nicht beendet haben, als psychosoziale Prozessbegleiterin oder Prozessbegleiter nach § 1 anerkannt werden, sofern sie die übrigen in § 1 genannten Voraussetzungen erfüllen. Die Anerkennung ist bis zum 31. Juli 2017 zu befristen.
§ 13 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2017 in Kraft.
(2) Dieses Gesetz ist fünf Jahre nach Inkrafttreten zu evaluieren. Über das Ergebnis ist dem Landtag zu berichten.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen
Die Ministerpräsidentin
Der Finanzminister
Der Justizminister
Die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung
Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport
Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
Fussnoten
In Kraft getreten am 1. Januar 2017 (GV. NRW. S. 865). |
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